Erneuerbare Energie

Axt statt Schere - Energieminister Gabriel will das EEG zusammenstutzen

Mit seinen am Wochenende bekannt gewordenen Plänen für eine Umgestaltung des Erneuerbare-Energiegesetzes (EEG) hat Sigmar Gabriel, Bundesminister für Energie und Wirtschaft, die Kurse deutsche Windaktien heute auf Talfahrt geschickt. So verlor die Aktie des Hamburger Windturbinenbauers Nordex bis 13 Uhr im Xetra rund vier Prozent an Wert, ebenso der Anteilsschein des Windkraftprojektierers Energiekontor aus Bremen. Um fast acht Prozent verbilligte sich die Aktie der PNE Wind AG, die ebenfalls vor allem in Deutschland Windkraftprojekte an Land und vor der Küste umsetzt.

Wie bekannt wurde, hat Gabriel ein Eckpunkte-Papier zur von Union und SPD bei den Koalitionsverhandlungen verabredeten Reform des EEG an mehrere Ministerien zur Ressortabstimmung geschickt. Bereits am Mittwoch soll das Bundeskabinett während der Klausur auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin über die Pläne sprechen. Sie sehen gravierende Einschnitte für die Windkraft an Land und für die Verstromung von Biomasse vor, die noch über das hinausgehen, was im Koalitionsvertrag festgehalten wurde. Aber auch für die Photovoltaik soll die staatliche Förderung stark eingeschränkt werden. Insgesamt will der SPD-Politiker die durchschnittliche fest Einspeisevergütung, die das EEG für neu ans Netz gebrachte Grünstromanlagen festlegt, um fast ein Drittel kappen. Sie beträgt für Windräder, Solar- und Biogasanlagen derzeit im Durchschnitt 17 Cent je Kilowattstunde Schon zum 1. August 2014, also in wenig mehr als einem halben Jahr, soll der EEG-Tarif im Durchschnitt nur noch 12 Cent je Kilowattstunde betragen. So stark sind die EEG-Tarife noch nie beschnitten worden. Und noch nie gab man den Unternehmen der Grünstrombranche weniger Zeit, sich darauf einzustellen. Allerdings sollen können Betreiber von Windrädern, die bis Ende 2014 ans Netz gebracht werden, noch die Tarife nach dem alten EEG beanspruchen dürfen, da die Umsetzung eines Windkraftprojektes viel Zeit braucht.



Noch am schwächsten soll die EEG-Vergütung für Strom aus neuen Windparks vor der deutschen Küste beschnitten werden. Hier sind Kürzungen um 10 bis 20 Prozent geplant, doch erst ab 2018. Gabriel strebt weiter an, dass bis 2020 bei der Windkraft auf See der stärkste Zubau an Erneuerbarer Energie erfolgt. Bislang drehen sich in deutschen Gewässern Windräder mit nicht einmal 500 Megawatt bzw. einem halben Gigawatt (GW). Bis 2020 soll sich diese Menge auf 6,5 GW vervielfachen, obwohl es weiterhin gravierende Probleme beim Netzanschluss für Windparks auf See gibt, massive Investitionen in Leitungen erforderlich sind, um diesen Strom zu den Verbrauchern zu leiten und obwohl es für Unternehmen weiter äußerst schwierig ist, diese riskanten Großprojekte zu finanzieren.

Dagegen will der Bundesminister und SPD-Parteichef den Ausbau der Windkraft an Land stark deckeln. Hier wurden in den letzten Jahren pro Jahr stets etwas über zwei GW zugebaut und diese Marke wurde wahrscheinlich auch in 2013 deutlich übertrofffen. Der Minister schlägt nun vor, dass künftig die EEG-Tarife für Strom aus Windkraft an Land gekürzt werden, wenn in einem Jahr mehr als 2,5 GW neu ans Netz gehen. So will er vermeiden, dass der Ausbau der deutschen Windkraft stärker erfolgt als von der Großen Koalition verabredet. Sie hatte ohnehin im Koalitionsvertrag festgelegt, dass künftig nur noch neu aufgestellte Windräder an besonders windstarken Standorten Anspruch auf einen EEG-Tarif haben. Mit dem nun vorgeschlagenen Deckel des Ausbaus kann der dann noch weiter gekürzt werden als ohnehin vorgesehen. Windstrom soll bei Neuanlagen künftig mit weniger als zehn Cent pro Kilowattstunde vergütet werden. Zudem ist vorgesehen, dass kein Bonus mehr für das REpowering gezahlt wird, also das Ersetzen alter Windräder durch neue und leistungsstärkere. Auch der Systemdienstleistungsbonus wird ab 2015 nicht mehr gezahlt.

Einen derartigen Deckel, der aufgrund der Abhängigkeit vom Ausbau auch als „atmender Deckel“ bezeichnet wird und künftig für die Windkraft gelten soll, gibt es bereits seit längerem für die Photovoltaik. Auch dieser wird von Gabriel mit 2,5 GW festgelegt. Durch diesen bereits bestehenden Deckel wurde die jährliche Installation neuer Solarstromanlagen von über sieben GW in 2011 und in 2012 im vergangenen Jahr auf 3,3 GW mehr als halbiert. Daher sinken die Solarstromtarife weiter von Monat zu Monat weiter ab. Dabei soll es laut dem bekannt gewordenen Eckpunte-Papier bleiben, so lang der Zubau die Marke von 2,5 GW überschreitet. Hinzu kommt, dass bei großen Freiflächen-Soalrparks ein Ausschreibungsmodell eingeführt werden soll.

Ganz arg tritt Gabriel bei der Verstromung von Biomasse auf die Bremse. Hier soll es schon ab einem jährlichen Wachstum von 100 MW zu weiteren Tarifkürzungen kommen, die über die Einschnitte hinausgehen, deren Einführung für Anfang August anvisiert ist. Das wäre gegenüber 2013 eine starke Begrenzung. Der deutsche Fachverband für Biogas hatte für das vergangenen Jahr einen Zubau von über 170 MW erwartet. Neue Anlagen zur Verstromung von Biomasse können in Zukunft zudem nur noch dann feste Einspeisevergütung beanspruchen, wenn sie überwiegend Rest- und Abfallstoffe als Rohstoff einsetzen anstatt wie bisher üblich Raps oder Mais.

All diese geplanten Kürzungen gelten nicht für Grünstromanlagen, die bereits am Netz sind oder die daran angeschlossen werden, bevor das neue EEG in Kraft tritt. Doch nicht nur mit diesen Maßnahmen will der Bundesminister für Energie und Wirtschaft dem starken Wachstum der Erneuerbaren Energien der letzten 15 Jahre für die kommenden zehn Jahre den Wind aus den Segeln zu nehmen. Union und SPD haben verabredet, dass deren Anteil an der Stromerzeugung bis zum Jahr 2025 nur auf 40 bis 45 Prozent ansteigen soll. Nach vorläufigen Berechnungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hatte er Ende 2013 bei knapp 23 Prozent gelegen. Eine Verdopplung bis 2025 scheint aber nur auf den ersten Blick ein starker Ansteig zu sein. Im Vergleich zu den letzten Jahren wurde der Zubau bei diesem Deckel an Dynamik verlieren. Denn selbst wenn ein Wert von 45 Prozent erreicht würde, so käme das lediglich einem Zubau der Erneuerbaren von durchschnittlich 1,67 Prozent pro Jahr gleich. In den vergangenen fünf Jahren lag der Zubau im Durchschnitt dagegen bei zwei Prozent. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte im Jahr 2010 einen durchschnittlichen Ausbau von 1,9 Prozent bis 2020 als Zielwert nach Brüssel  gemeldet.

Bildhinweis: Sigmar Gabriel, Bundesminister für Energie und Wirtschaft. / Quelle: BMWI

Damit es wie verabredet gelingt, den Ausbau der regenerativen Stromproduktion in Deutschland abzubremsen, setzt Gabriel auch auf weitere Maßnahmen. So will er Betreiber von Grünstromanlagen nicht erst ab 2017 verstärkt dazu zwingen, ihren Stroms am freien Markt vermarkten, an statt sich auf die Einnahme von festen Einspeisetarifen zu beschränken. Laut dem Eckpunkte-Papier gilt dies ab 2015 für alle Grünstromanlagen ab 500 kW. Diese Grenze wird für 2016 auf 250 kW gesenkt und für 2017 für alle Neuanlagen ab einer Leistung von 100 kW. Immerhin: Liegt der Marktpreis unter dem EEG-Tarif, soll die Differenz durch die Auszahlung einer Marktprämie ausgeglichen werden, so dass die Betreiber weiter mit festen Einnahmen aus einer Grünstromanlage kalkulieren können. Das wäre bei sinkenden EEG-Tarifen dennoch für die vielen Marktteilnehmer attraktiv, die einen großen Teil des erzeugten Grünstroms auch selbst verbrauchen. Aber das soll jetzt teuerer werden. Gabriels Papier sieht vor, dass darauf die volle EEG-Umlage errichtet werden muss. Bisher erhielten Selbstverbraucher hier einen Rabatt.

Bei der EEG-Umlage bleibt das ansonsten bereits überaus konkrete Eckpunkte-Papier des Ministers übrigens seltsam unscharf. Union und SPD begründen ihre Pläne für die Erneuerbaren Energien damit, dass sie die Kosten für die Stromverbraucher verringern wollen. Diese werden über die so genannte EEG-Umlage an dem Ausbau der regenerativen Energie beteiligt. Denn die Vergütung für den alternativ erzeugten Strom liegt teilweise deutlich über dem Preis, den die Stromnetzbetreiber am Markt dafür erhalten. Ihnen entstehen dadurch Mehrkosten, die sie an die bundesweit agierenden Übertragungsnetzbetreiber weitergeben dürfen. Eine bundesweite Ausgleichsregelung sorgt dafür, dass unabhängig vom Ort der Grünstromeinspeisung alle Übertragungsnetzbetreiber gleich stark belastet werden. Die wiederum geben diese Belastung an ihre Stromkunden weiter, eben indem sie die EEG-Umlage erheben.

Zum Jahresbeginn 2013 war die EEG-Umlage stark angestiegen, gegenüber 2012 um rund 47 Prozent auf 5,27 Cent pro Kilowattstunde. Sie belastete damit in 2013 einen Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden mit rund 185 Euro. Dieser sprunghafte Anstieg hat im vergangenen Jahr eine intensive Debatte über die Kosten der Energiewende für die Stromverbraucher ausgelöst, zumal manche Experten sagen einen weiteren starken Anstieg der EEG-Umlage bis 2014 auf bis zu 6,5 Cent je Kilowattstunde voraussagten. Noch in 2010 hatte diese Umlage erst 2,05 Cent je Kilowattstunde betragen. Zuletzt machte die EEG-Umlage fast ein Fünftel des Strompreises aus.

Im Oktober haben die Übertragungsnetzbetreiber bekannt gegeben, dass die EEG-Umlage für 2014 gegenüber 2013 um knapp 20 Prozent auf 6,24 Cent je Kilowattstunde (kWh) angehoben wird.  Damit schlägt die EEG-Umlage auf der Stromrechnung eines durchschnittlichen Haushalts mit rund 220 Euro zu Buche. Ferner veröffentlichten die Netzbetreiber eine Mittelfristprognose, der zufolge die EEG-Umlage für das Jahr 2015 zwischen 5,85 und 6,86 Cent/kWh liegen werde. Damit würde sich deren Anstieg verlangsamen, nachdem sie für 2013 um 47 Prozent und für 2014 um 20 Prozent gestiegen war.

Was viele nicht wissen: Immer mehr Großverbraucher von Strom aus der Industrie müssen keine EEG-Umlage zahlen. Das ermöglicht das EEG. Eigentlich, um deutsche Unternehmen „vor Konkurrenten aus dem Ausland zu schützen“, die günstiger Strom erhalten. In 2011 waren rund 700 Unternehmen von der EEG-Umlage befreit. Anfang 2014 waren es mehr als dreimal so viel. Zu Lasten der übrigen Stromverbraucher, die den Ausfall dieser Großverbraucher bei der EEG-Umlage ausgleichen müssen. Auch zeigt ein Blick auf die Liste der von der EEG-Umlage befreiten Unternehmen, dass das Wettbewerbsargument häufig nicht zutrifft. Befreit sind unter anderem regionale Wurst- und Käsehersteller, Logistikunternehmen von Fast-Food-Ketten, selbst Unternehmen wie die Stadtwerke München oder die Bremer Tageszeitungen AG, die schon auf den ersten Blick nicht im internationalen Wettbewerb stehen.

Die EEG-Umlage würde sich nach Berechnungen von Greenpeace um 1,6 Cent je Kilowattstunde verringern, wenn nur noch diejenigen energieintensiven Betriebe begünstigt würden, die von den Energiekosten im internationalen Wettbewerb tatsächlich benachteiligt sind. Würde kein einziges Unternehmen von der EEG-Umlage befreit, könnte sie ein Viertel niedriger sein. Gabriel hat abgekündigt, dass er die Ausnahmen von der EEG-Umlage deutlich einschränken wird. Konkretes dazu ist in seinem Papier aber nicht zu finden. Dagegen bekräftigte der Minister in ersten Stellungnahmen seine Absicht, energieintensive Unternehmen auch weiterhin von der EEG-Umlage zu befreien. Ein solches Unternehnmen wäre zum Beispiel die Bergbausparte des Energiekonzerns Vattenfall Europe Mining AG. Über die Hintergründe von deren Befreiung von der EEG-Umlage berichteten wir ausführlich in einem Beitrag, zu dem Sie per  Mausklick gelangen.

Überhaupt nicht geht der Minister in seinen Plänen für die so genannte Energiewende auch die Branche ein, die von den Plänen der Großen Koalition stark profitiert: die Kohle-Branche. Denn dass die Stromproduktion aus Kohlekraftwerken weiter den größten Teil zur deutschen Energieversorgung beisteuern soll, wird durch das vorgelegte Papier durch die Deckelung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien auf maximal 45 Prozent in 2025 indirekt festgeschrieben. 

Im April soll das Bundeskabinett das Gesetz für die Reform des EEG-Gesetzes beschließen. Gabriels Pläne sehen vor, dass dann der Bundestag in der letzten Juni-Woche darüber abstimmt, ehe es im Juli 2014 vom Bundesrat beraten wird. Der kann es nicht aufhalten, weshalb die Grünen, die gemeinsam mit der SPD in etlichen Bundesländern die Regierung stellen, wohl nur sehr Eingeschränkt Änderungen an den Gesetz durchsetzen können. Am 1. August soll dann die EEG-Novelle in Kraft treten.
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