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„Das Insolvenzverfahren der Windreich GmbH ist komplexer als das Verfahren von Prokon“ – Klaus Nieding, Vorsitzender des Windreich-Gläubigerausschusses im Interview mit beiden Anleihegläubigervertretern
Neben der Insolvenz von Prokon gab es kaum eine Windkraft-Insolvenz in Deutschland, die in den vergangenen zwei Jahren mehr Schlagzeilen produzierte als die der Windreich GmbH. Was das Verfahren kompliziert macht, wie die Privatinsolvenz von Windreich-Gründer und -Geschäftsführer Willi Balz sich darauf auswirkt und welche Strategien und Ziele die beiden Gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger, Klaus Nieding und Frank Günther in dem Verfahren verfolgen.
149 Millionen Euro haben Anleger in Anleihen der insolventen Windreich GmbH investiert. Nach zwei Jahren Insolvenzverfahren stehen die beiden Gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger in der Kritik: Eine Anleger-Interessengemeinschaft beklagt einen Mangel an Information und Kommunikation. Deshalb wollen diese Investoren ihre Interessen künftig selbst bündeln und vertreten (mehr dazu lesen Sie hier). Im ersten Teil dieses ECOreporter.de-Interviews nehmen die Gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger, Klaus Nieding und Frank Günther, Stellung zu der Kritik der Interessengemeinschaft Windreich, kurz IGWR 2013.
Klaus Nieding ist Vorstand der Kanzlei Nieding + Barth Rechtsanwalts-AG. Im Windreich-Verfahren ist er einerseits Vorsitzender des Gläubigerausschuss der Windreich GmbH und zum anderen der Gemeinsame Vertreter der Anleger von zwei Anleihen aus dem Jahr 2010. Eine davon (ISIN DE000A1CRMQ7) ist mit 6,5 Prozent verzinst, die andere (ISIN DE000A1CRMR5) mit 6,75 Prozent. Frank Günther, Managing Director der One Square Advisors GmbH, ist der Gemeinsame Vertreter der Gläubiger von zwei weiteren Anleihen Eine von 2010 (ISIN DE000A1CRMP9) ist mit 6,25 Prozent verzinst. Due andere Anleihe von 2011 (ISIN DE000A1H3V38) ist mit 6,5 Prozent verzinst.
ECOreporter.de: Die Windreich-Gruppe hat auch Beteiligungen. Trifft es zu, dass die Gläubiger keine Informationen über die erzielten Preise bei der Verwertung dieser Windreich-Beteiligungen erhalten? Erhalten Sie Ihrerseits diese Informationen? Gibt es einen Grund, diese nicht weiterzugeben?
Klaus Nieding: Die Gläubiger können die Sachstandsberichte des Insolvenzverwalters, der die Vermögensmasse der Insolvenzschuldnerin verwaltet, anfordern und einsehen, um entsprechende Informationen zu erhalten. Dass diese Informationen von mir als Gemeinsamen Vertreter nur auszugsweise in meinen Rundschreiben behandelt werden, erklärt sich aus dem Umstand, dass die Sachstandsberichtsberichte des Insolvenzverwalters meist mehr als 50 Seiten umfassen und die Fülle der Information nicht in einem Rundschreiben zu erfassen ist.
Auch ist es mir nicht gestattet, mir aus meiner Tätigkeit im Gläubigerausschuss bekanntwerdende Informationen an die Anleihegläubiger weiterzugeben, da ich insoweit einer Verschwiegenheitsvereinbarung unterliege. Würde ich mich nicht an diese halten, wäre ich gegebenenfalls gehalten, die Sitzungen zu verlassen, wenn es um derartige Themen geht und das wäre nicht im Interesse der Anleihegläubiger.
Auch wenn ich mich darum bemühe weitestgehend jede Anfrage zu beantworten, nehme ich mir das Recht heraus auch auf die Sachstandsberichte zu verweisen. Es kommt nicht selten vor, dass ein Anleihegläubiger den Sachstandsbericht anfordert und danach eine Frage stellt, welche explizit im Sachstandsbericht beantwortet wird. Als Gemeinsamer Vertreter kann ich jedoch, insbesondere in einer Situation, wo ich keine Vergütung für meine Kosten erhalte, nicht acht Stunden am Tag derartige Anfragen beantworten. Das ist auch nicht die Aufgabe des Gemeinsamen Vertreters und lenkt eher von der eigentlichen Wahrung der Interessen der Anleihegläubiger ab. Dies wird vielfach von den Anleihegläubigern verkannt.
Die vordringlichste Aufgabe ist es, auf eine möglichst hohe Insolvenzquote hinzuarbeiten, denn das vordringlichste Interesse der Anleihegläubiger im übergeordneten Sinne ist der Werterhalt Ihrer Investition. Erst im nächsten Schritt kann man überhaupt darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist, einen Insolvenzplan vorzulegen oder zu unterbreiten. Dies setzt natürlich eine positive Fortführungsprognose voraus, was wiederum die entsprechende finanzielle Ausstattung der Windreich GmbH voraussetzt. Das bedeutet aber, dass die Windreich einen Grad der Gesundung erreicht hat, der verhindert, dass es binnen kurzer Zeit zu einer Folgeinsolvenz kommt.
Frank Günther: Die Windreich GmbH hat zwei Beteiligungen, die FC Windenergy GmbH und die Nordsee Offshore MEG 1 GmbH. Beide Beteiligungen sind noch zu 100 Prozent vorhanden. Da Insolvenzverfahren immer auf Einzelgesellschaftsebene laufen, sind Informationen über andere Unternehmen beziehungsweise Insolvenzverfahren nur über die jeweiligen Insolvenzverwalter möglich. Gläubiger in diesen Verfahren können mit ihren Anfragen direkt an die jeweiligen Insolvenzverwalter herantreten. Aufgrund der fehlenden Gläubigereigenschaft der Anleihegläubiger außerhalb der Windreich GmbH besteht leider auch für uns als gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger kein Informationsrecht auf anderen Gesellschaftsebenen. Alle Informationen, die der Insolvenzverwalter der Windreich GmbH zu den Vermögensgegenständen der Windreich GmbH freigegeben hat, sind für alle Gläubiger aus den Sachstandsberichten ersichtlich.
ECOreporter.de: Erhebliche Werte der Windreich GmbH sollen der ebenfalls insolventen Tochtergesellschaft FC Windenergy zugeordnet sein. Auch hierzu beklagen die Anleger mangelnde Informationen.
Klaus Nieding: Zutreffend ist, dass es sich bei der Windreich GmbH um eine Holdinggesellschaft handelt. Diese ist Schuldnerin der Anleihe. Die FC Windenergy GmbH ist wiederum ein Tochterunternehmen der Windreich GmbH, welches sich selbst in Insolvenz befindet. Es handelt sich aber um ein eigenständiges Insolvenzverfahren mit eigenständigem Gläubigerausschuss, auch wenn der Insolvenzverwalter der Windreich GmbH zufällig gleichzeitig der Insolvenzverwalter der FC Windenergy GmbH ist. Als Gesellschafter und Gläubiger der Windenergy GmbH hat die Windreich GmbH grundsätzlich Informationsrechte gegenüber der Windenergy GmbH. Diese ist aber eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und eigenem Gläubigerausschuss. Auch wenn im Gläubigerausschuss der Windreich GmbH auch die Windenergy GmbH oftmals thematisiert wird, besteht ein diesbezüglicher unmittelbarer Informationsanspruch der Anleihegläubiger nicht. Auch hier muss der Insolvenzverwalter seine Zwitterstellung als Insolvenzverwalter der Windreich GmbH und der FC Windenergy GmbH beachten. Dies mag dem einzelnen Anleihegläubiger nicht begreiflich sein, aber in diesem Insolvenzverfahren ist die Windreich zu allererst auch nur ein Gläubiger, vergleichbar der Stellung der Anleihegläubiger gegenüber der Windreich GmbH.
Frank Günther: Dies liegt daran, dass die Anleihegläubiger leider nur Gläubiger auf Ebene der Windreich GmbH sind. Aufgrund des Einzelunternehmensprinzips im deutschen Insolvenzrecht sind die Anleihegläubiger nur indirekt an Erlösen aus der FC Windenergy GmbH beteiligt. Erst wenn alle direkten Gläubiger der FC Windenergy GmbH vollständig befriedigt sind, fließt der Übererlös der Windreich GmbH als Muttergesellschaft der FC Windenergy GmbH zu. Auch hier haben wir selbst aufgrund der fehlenden Gläubigereigenschaft der Anleihegläubiger leider kein Informationsrecht.
ECOreporter.de: Das Verfahren läuft seit mehr als zwei Jahren. Wie viel Prozent des „werthaltigen Aktiva“ sind bereits verkauft und was kann noch verwertet werden?
Klaus Nieding: Diese Angaben sind dem Sachstandsbericht des Insolvenzverwalters zu entnehmen. Diese Sachstandsberichte werden nur den Gläubigern zur Verfügung gestellt. Die Gläubiger können sie bei den Gemeinsamen Vertretern unter Nachweis Ihrer Gläubigerstellung elektronisch anfordern. Sie werden verstehen werden, dass ich Ihnen gegenüber hierzu keine näheren Angaben machen kann. Was ich sagen kann ist, dass Windreich über Assets verfügt. Da es sich jedoch überwiegend um nicht fertiggestellte oder vollständig entwickelte Projekte handelt, wird das Verfahren wohl noch längere Zeit dauern.
ECOreporter.de: Der Gründer und Geschäftsführer der Windreich GmbH, Willi Balz, erklärte vielfach die Insolvenzquote könnte 100 Prozent erreichen. Welche Insolvenzquote halten Sie derzeit für realistisch? Gibt es ein Ziel, das Sie sich als Gläubigervertreter im Interesse der Anleger gesetzt haben?
Klaus Nieding: Die vom Insolvenzverwalter gegenüber dem Gericht angezeigte Masseunzulänglichkeit bedeutet, dass man derzeit von einer 100-Prozent-Quote weit entfernt ist. Ich bin da eher nüchtern und sachlich und ergebe mich nicht in derartigen Spekulationen. Wenn es am Ende zu einer solchen Quote kommt, freue ich mich, aber zunächst einmal sind wir in der Phase der Stabilisierung der Finanzen, da das Projektgeschäft ein sehr kostenintensives Geschäft ist. Ein konkretes Ziel für eine Insolvenzquote kann man meines Erachtens nicht haben. In Deutschland liegt die Insolvenzquote nicht selten bei 3 bis 5 Prozent. Alles was darüber wäre, wäre demnach gut, alles darunter ist schlecht. Im Fall Windreich gibt es derzeit zu viele variable Faktoren, so dass sich eine verlässliche Schätzung nicht abgeben lässt, noch würde ich dies tun, denn dann heißt es am Ende: „Aber Sie haben doch gesagt“.
Frank Günther: Eine Insolvenzquote zum jetzigen Zeitpunkt zu prognostizieren wäre nicht seriös, daher möchte ich die Prognose von Herrn Balz zumindest der Höhe nach nicht kommentieren. Die Äußerungen von Herrn Balz dürften jedoch in erster Linie durch die Tatsache motiviert sein, dass vor seiner privaten Entschuldung die Gläubiger der Windreich vollständig befriedigt oder einem Insolvenzplan zugestimmt haben müssen. Wir haben uns mehrfach mit Herrn Balz persönlich zusammengesetzt und seine Gedanken und Vorschläge diskutiert. Leider hat sich gezeigt, dass seine Aussagen auf unrealistischen Annahmen beruhten, die sich so in der Praxis nicht bewahrheitet haben und Herr Balz leider auch keine Finanzierungspartner für einen Insolvenzplan finden konnte. Unser Ziel ist es, wie in jedem Verfahren, die Rückzahlungen für die Anleihegläubiger unter den jeweils gegebenen Umständen zu maximieren.
ECOreporter.de: Welchen Einfluss hat die Privatinsolvenz von Herrn Balz auf das Verfahren und die Ausübung ihres Mandats als Gläubigervertreter?
Klaus Nieding: Da die Windreich GmbH auf vielen Ebenen, insbesondere auf der Projektebene mit der Balz-Gruppe und Herrn Balz persönlich verwoben ist, gibt es diverse Berührungspunkte auch mit dem Insolvenzverwalter von Herrn Balz. Dies ist auch ein Punkt, warum die Entscheidungswege in vielen Fällen länger sind, da der Insolvenzverwalter der Windreich GmbH aufgrund dieser Verwobenheit nicht selbst durchentscheiden kann, sondern vielfach einen gemeinschaftlichen Beschluss oder eine Abstimmung über eine Maßnahme herbeiführen muss, wenn dies auch die Rechte Dritter betrifft. Da prallen dann nicht selten die einzelnen Interessen der Beteiligten aufeinander, da eine Entscheidung im Interesse der Windreich GmbH nicht zwangsweise mit den Interessen aus der Sphäre des Herrn Balz privat übereinstimmen muss. So kann eine Entscheidung für die Windreich GmbH finanziell positiv und für Herrn Balz persönlich wirtschaftlich negativ sein. Dass Herr Balz in diesem Fall nicht zu Gunsten der insolventen Windreich GmbH dies hinnimmt, ist wiederum sein gutes Recht, auch wenn man hierzu moralisch stehen kann, wie man will. Dieses Insolvenzverfahren ist vielschichtiger, als es von außen den Anschein hat, gerade und weil hier teilweise eine enge Verwobenheit der Vermögensmassen besteht. In diesem Punkt ist das vorliegende Verfahren meiner Ansicht nach sogar komplexer als das Insolvenzverfahren Prokon. Der Blick kann für mich als Anleihegläubigervertreter und Vorsitzender des Gläubigerausschusses jedoch nur in dem Ziel bestehen, für die Anleihegläubiger der Windreich GmbH und somit die Gläubiger allgemein ein positives Ergebnis zu erzielen, wobei hierbei auch der Zeitfaktor eine große Rolle spielt, denn ein Insolvenzverfahren sollte, solange es sich um eine Regelinsolvenz handelt, auch einen überschaubaren Zeitrahmen in Anspruch nehmen. Es ist daher nicht im Interesse der Anleihegläubiger, wenn hier nun über einen Zeitraum von rund 15 Jahren Projektentwicklung im Insolvenzverfahren betrieben wird und die Anleihegläubiger keine Rückflüsse verzeichnen, eher noch die vorhandene Insolvenzmasse vollständig aufgebraucht wird. Die Anleihegläubiger haben ihr Geld in der Erwartung investiert, dieses am Ende der Laufzeit zurückzuerhalten und nicht für einen darüberhinausgehenden Zeitraum zu investieren, ohne eine angemessene Verzinsung zu erhalten. Die Interessenlage ist unter den Anleihegläubigern vielschichtig und gegebenenfalls werden sämtliche Insolvenzgläubiger irgendwann darüber zu entscheiden haben, was aus der Windreich wird. Dies setzt aber voraus, dass es die Option einer Entscheidung tatsächlich irgendwann gibt.
Ebenso kann hier nicht erwartet werden, dass der Insolvenzverwalter oder der Gläubigerausschuss für die Insolvenzmasse unternehmerische Risiken eingehen. Ich setzte daher nicht auf den großen Wurf mit dem Risiko, im schlimmsten Fall auch die verbliebene Insolvenzmasse zu vernichten. Vielmehr setzte ich auf ein solides, verantwortungsvolles und tragfähiges Ergebnis, denn das schulde ich den Anleihegläubigern, welche mir ihr Vertrauen ausgesprochen und mich zu Ihrem Gemeinsamen Vertreter gewählt haben. Diese Leute erwarten, dass ich meine Arbeit mache und versuche, das von ihnen investierte Geld zu retten und nicht, dass ich acht Stunden am Tag Einzelanfragen von Anleihegläubigern beantworte.
Frank Günther: Da sich die Erlöse für die Gläubiger der Windreich GmbH in erster Linie aus den Assets der Gesellschaft selbst speisen, hat die Privatinsolvenz eher weniger Einfluss auf das Verfahren und unsere Arbeit. Die Durchsetzung möglicher Forderungen gegen Herrn Balz ist durch die Privatinsolvenz allerdings schwieriger geworden. Auf Grund der Insolvenz von Herrn Balz sind mögliche Ansprüche gegen ihn nicht mehr voll werthaltig. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine mögliche D&O Versicherung von Herrn Balz greift, ist bislang noch offen [ D&O steht für Directors and Officers. Dabei handelt es sich um eine Haftpflichtversicherung gegen Vermögensschäden, die von Unternehmen für Führungskräfte abgeschlossen werden. – Anm. d. Red.].
ECOreporter.de: Herr Nieding, Herr Günther, wir danken Ihnen für die Antworten.
149 Millionen Euro haben Anleger in Anleihen der insolventen Windreich GmbH investiert. Nach zwei Jahren Insolvenzverfahren stehen die beiden Gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger in der Kritik: Eine Anleger-Interessengemeinschaft beklagt einen Mangel an Information und Kommunikation. Deshalb wollen diese Investoren ihre Interessen künftig selbst bündeln und vertreten (mehr dazu lesen Sie hier). Im ersten Teil dieses ECOreporter.de-Interviews nehmen die Gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger, Klaus Nieding und Frank Günther, Stellung zu der Kritik der Interessengemeinschaft Windreich, kurz IGWR 2013.
Klaus Nieding ist Vorstand der Kanzlei Nieding + Barth Rechtsanwalts-AG. Im Windreich-Verfahren ist er einerseits Vorsitzender des Gläubigerausschuss der Windreich GmbH und zum anderen der Gemeinsame Vertreter der Anleger von zwei Anleihen aus dem Jahr 2010. Eine davon (ISIN DE000A1CRMQ7) ist mit 6,5 Prozent verzinst, die andere (ISIN DE000A1CRMR5) mit 6,75 Prozent. Frank Günther, Managing Director der One Square Advisors GmbH, ist der Gemeinsame Vertreter der Gläubiger von zwei weiteren Anleihen Eine von 2010 (ISIN DE000A1CRMP9) ist mit 6,25 Prozent verzinst. Due andere Anleihe von 2011 (ISIN DE000A1H3V38) ist mit 6,5 Prozent verzinst.
ECOreporter.de: Die Windreich-Gruppe hat auch Beteiligungen. Trifft es zu, dass die Gläubiger keine Informationen über die erzielten Preise bei der Verwertung dieser Windreich-Beteiligungen erhalten? Erhalten Sie Ihrerseits diese Informationen? Gibt es einen Grund, diese nicht weiterzugeben?

Auch ist es mir nicht gestattet, mir aus meiner Tätigkeit im Gläubigerausschuss bekanntwerdende Informationen an die Anleihegläubiger weiterzugeben, da ich insoweit einer Verschwiegenheitsvereinbarung unterliege. Würde ich mich nicht an diese halten, wäre ich gegebenenfalls gehalten, die Sitzungen zu verlassen, wenn es um derartige Themen geht und das wäre nicht im Interesse der Anleihegläubiger.
Auch wenn ich mich darum bemühe weitestgehend jede Anfrage zu beantworten, nehme ich mir das Recht heraus auch auf die Sachstandsberichte zu verweisen. Es kommt nicht selten vor, dass ein Anleihegläubiger den Sachstandsbericht anfordert und danach eine Frage stellt, welche explizit im Sachstandsbericht beantwortet wird. Als Gemeinsamer Vertreter kann ich jedoch, insbesondere in einer Situation, wo ich keine Vergütung für meine Kosten erhalte, nicht acht Stunden am Tag derartige Anfragen beantworten. Das ist auch nicht die Aufgabe des Gemeinsamen Vertreters und lenkt eher von der eigentlichen Wahrung der Interessen der Anleihegläubiger ab. Dies wird vielfach von den Anleihegläubigern verkannt.
Die vordringlichste Aufgabe ist es, auf eine möglichst hohe Insolvenzquote hinzuarbeiten, denn das vordringlichste Interesse der Anleihegläubiger im übergeordneten Sinne ist der Werterhalt Ihrer Investition. Erst im nächsten Schritt kann man überhaupt darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist, einen Insolvenzplan vorzulegen oder zu unterbreiten. Dies setzt natürlich eine positive Fortführungsprognose voraus, was wiederum die entsprechende finanzielle Ausstattung der Windreich GmbH voraussetzt. Das bedeutet aber, dass die Windreich einen Grad der Gesundung erreicht hat, der verhindert, dass es binnen kurzer Zeit zu einer Folgeinsolvenz kommt.
Frank Günther: Die Windreich GmbH hat zwei Beteiligungen, die FC Windenergy GmbH und die Nordsee Offshore MEG 1 GmbH. Beide Beteiligungen sind noch zu 100 Prozent vorhanden. Da Insolvenzverfahren immer auf Einzelgesellschaftsebene laufen, sind Informationen über andere Unternehmen beziehungsweise Insolvenzverfahren nur über die jeweiligen Insolvenzverwalter möglich. Gläubiger in diesen Verfahren können mit ihren Anfragen direkt an die jeweiligen Insolvenzverwalter herantreten. Aufgrund der fehlenden Gläubigereigenschaft der Anleihegläubiger außerhalb der Windreich GmbH besteht leider auch für uns als gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger kein Informationsrecht auf anderen Gesellschaftsebenen. Alle Informationen, die der Insolvenzverwalter der Windreich GmbH zu den Vermögensgegenständen der Windreich GmbH freigegeben hat, sind für alle Gläubiger aus den Sachstandsberichten ersichtlich.
ECOreporter.de: Erhebliche Werte der Windreich GmbH sollen der ebenfalls insolventen Tochtergesellschaft FC Windenergy zugeordnet sein. Auch hierzu beklagen die Anleger mangelnde Informationen.
Klaus Nieding: Zutreffend ist, dass es sich bei der Windreich GmbH um eine Holdinggesellschaft handelt. Diese ist Schuldnerin der Anleihe. Die FC Windenergy GmbH ist wiederum ein Tochterunternehmen der Windreich GmbH, welches sich selbst in Insolvenz befindet. Es handelt sich aber um ein eigenständiges Insolvenzverfahren mit eigenständigem Gläubigerausschuss, auch wenn der Insolvenzverwalter der Windreich GmbH zufällig gleichzeitig der Insolvenzverwalter der FC Windenergy GmbH ist. Als Gesellschafter und Gläubiger der Windenergy GmbH hat die Windreich GmbH grundsätzlich Informationsrechte gegenüber der Windenergy GmbH. Diese ist aber eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und eigenem Gläubigerausschuss. Auch wenn im Gläubigerausschuss der Windreich GmbH auch die Windenergy GmbH oftmals thematisiert wird, besteht ein diesbezüglicher unmittelbarer Informationsanspruch der Anleihegläubiger nicht. Auch hier muss der Insolvenzverwalter seine Zwitterstellung als Insolvenzverwalter der Windreich GmbH und der FC Windenergy GmbH beachten. Dies mag dem einzelnen Anleihegläubiger nicht begreiflich sein, aber in diesem Insolvenzverfahren ist die Windreich zu allererst auch nur ein Gläubiger, vergleichbar der Stellung der Anleihegläubiger gegenüber der Windreich GmbH.
Frank Günther: Dies liegt daran, dass die Anleihegläubiger leider nur Gläubiger auf Ebene der Windreich GmbH sind. Aufgrund des Einzelunternehmensprinzips im deutschen Insolvenzrecht sind die Anleihegläubiger nur indirekt an Erlösen aus der FC Windenergy GmbH beteiligt. Erst wenn alle direkten Gläubiger der FC Windenergy GmbH vollständig befriedigt sind, fließt der Übererlös der Windreich GmbH als Muttergesellschaft der FC Windenergy GmbH zu. Auch hier haben wir selbst aufgrund der fehlenden Gläubigereigenschaft der Anleihegläubiger leider kein Informationsrecht.
ECOreporter.de: Das Verfahren läuft seit mehr als zwei Jahren. Wie viel Prozent des „werthaltigen Aktiva“ sind bereits verkauft und was kann noch verwertet werden?
Klaus Nieding: Diese Angaben sind dem Sachstandsbericht des Insolvenzverwalters zu entnehmen. Diese Sachstandsberichte werden nur den Gläubigern zur Verfügung gestellt. Die Gläubiger können sie bei den Gemeinsamen Vertretern unter Nachweis Ihrer Gläubigerstellung elektronisch anfordern. Sie werden verstehen werden, dass ich Ihnen gegenüber hierzu keine näheren Angaben machen kann. Was ich sagen kann ist, dass Windreich über Assets verfügt. Da es sich jedoch überwiegend um nicht fertiggestellte oder vollständig entwickelte Projekte handelt, wird das Verfahren wohl noch längere Zeit dauern.
ECOreporter.de: Der Gründer und Geschäftsführer der Windreich GmbH, Willi Balz, erklärte vielfach die Insolvenzquote könnte 100 Prozent erreichen. Welche Insolvenzquote halten Sie derzeit für realistisch? Gibt es ein Ziel, das Sie sich als Gläubigervertreter im Interesse der Anleger gesetzt haben?
Klaus Nieding: Die vom Insolvenzverwalter gegenüber dem Gericht angezeigte Masseunzulänglichkeit bedeutet, dass man derzeit von einer 100-Prozent-Quote weit entfernt ist. Ich bin da eher nüchtern und sachlich und ergebe mich nicht in derartigen Spekulationen. Wenn es am Ende zu einer solchen Quote kommt, freue ich mich, aber zunächst einmal sind wir in der Phase der Stabilisierung der Finanzen, da das Projektgeschäft ein sehr kostenintensives Geschäft ist. Ein konkretes Ziel für eine Insolvenzquote kann man meines Erachtens nicht haben. In Deutschland liegt die Insolvenzquote nicht selten bei 3 bis 5 Prozent. Alles was darüber wäre, wäre demnach gut, alles darunter ist schlecht. Im Fall Windreich gibt es derzeit zu viele variable Faktoren, so dass sich eine verlässliche Schätzung nicht abgeben lässt, noch würde ich dies tun, denn dann heißt es am Ende: „Aber Sie haben doch gesagt“.

ECOreporter.de: Welchen Einfluss hat die Privatinsolvenz von Herrn Balz auf das Verfahren und die Ausübung ihres Mandats als Gläubigervertreter?
Klaus Nieding: Da die Windreich GmbH auf vielen Ebenen, insbesondere auf der Projektebene mit der Balz-Gruppe und Herrn Balz persönlich verwoben ist, gibt es diverse Berührungspunkte auch mit dem Insolvenzverwalter von Herrn Balz. Dies ist auch ein Punkt, warum die Entscheidungswege in vielen Fällen länger sind, da der Insolvenzverwalter der Windreich GmbH aufgrund dieser Verwobenheit nicht selbst durchentscheiden kann, sondern vielfach einen gemeinschaftlichen Beschluss oder eine Abstimmung über eine Maßnahme herbeiführen muss, wenn dies auch die Rechte Dritter betrifft. Da prallen dann nicht selten die einzelnen Interessen der Beteiligten aufeinander, da eine Entscheidung im Interesse der Windreich GmbH nicht zwangsweise mit den Interessen aus der Sphäre des Herrn Balz privat übereinstimmen muss. So kann eine Entscheidung für die Windreich GmbH finanziell positiv und für Herrn Balz persönlich wirtschaftlich negativ sein. Dass Herr Balz in diesem Fall nicht zu Gunsten der insolventen Windreich GmbH dies hinnimmt, ist wiederum sein gutes Recht, auch wenn man hierzu moralisch stehen kann, wie man will. Dieses Insolvenzverfahren ist vielschichtiger, als es von außen den Anschein hat, gerade und weil hier teilweise eine enge Verwobenheit der Vermögensmassen besteht. In diesem Punkt ist das vorliegende Verfahren meiner Ansicht nach sogar komplexer als das Insolvenzverfahren Prokon. Der Blick kann für mich als Anleihegläubigervertreter und Vorsitzender des Gläubigerausschusses jedoch nur in dem Ziel bestehen, für die Anleihegläubiger der Windreich GmbH und somit die Gläubiger allgemein ein positives Ergebnis zu erzielen, wobei hierbei auch der Zeitfaktor eine große Rolle spielt, denn ein Insolvenzverfahren sollte, solange es sich um eine Regelinsolvenz handelt, auch einen überschaubaren Zeitrahmen in Anspruch nehmen. Es ist daher nicht im Interesse der Anleihegläubiger, wenn hier nun über einen Zeitraum von rund 15 Jahren Projektentwicklung im Insolvenzverfahren betrieben wird und die Anleihegläubiger keine Rückflüsse verzeichnen, eher noch die vorhandene Insolvenzmasse vollständig aufgebraucht wird. Die Anleihegläubiger haben ihr Geld in der Erwartung investiert, dieses am Ende der Laufzeit zurückzuerhalten und nicht für einen darüberhinausgehenden Zeitraum zu investieren, ohne eine angemessene Verzinsung zu erhalten. Die Interessenlage ist unter den Anleihegläubigern vielschichtig und gegebenenfalls werden sämtliche Insolvenzgläubiger irgendwann darüber zu entscheiden haben, was aus der Windreich wird. Dies setzt aber voraus, dass es die Option einer Entscheidung tatsächlich irgendwann gibt.

Frank Günther: Da sich die Erlöse für die Gläubiger der Windreich GmbH in erster Linie aus den Assets der Gesellschaft selbst speisen, hat die Privatinsolvenz eher weniger Einfluss auf das Verfahren und unsere Arbeit. Die Durchsetzung möglicher Forderungen gegen Herrn Balz ist durch die Privatinsolvenz allerdings schwieriger geworden. Auf Grund der Insolvenz von Herrn Balz sind mögliche Ansprüche gegen ihn nicht mehr voll werthaltig. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine mögliche D&O Versicherung von Herrn Balz greift, ist bislang noch offen [ D&O steht für Directors and Officers. Dabei handelt es sich um eine Haftpflichtversicherung gegen Vermögensschäden, die von Unternehmen für Führungskräfte abgeschlossen werden. – Anm. d. Red.].
ECOreporter.de: Herr Nieding, Herr Günther, wir danken Ihnen für die Antworten.