Erneuerbare Energie

Deutscher Windmarkt vor dem Einbruch? – Viele Windkraftanlagen bald unrentabel

Droht vielen Windkraftanlagen ab 2021 der Abriss? Das befürchten Branchenexperten und warnen sogar vor einer "Delle" im deutschen Windenergiemarkt.

Denn ab 2021 endet die Vergütung nach dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) für etwa 6.000 ältere Anlagen. Wie reagieren Betroffene auf die auslaufende Förderung? Ist ein Weiterbetrieb der Windräder ohne sie noch möglich?

Im ersten Teil unserer Serie erläutern wir, wieso nach 2020 ein Einbruch bei der deutschen Windstromproduktion befürchtet wird. Im zweiten und dritten Teil beleuchten wir in dieser Woche, wie Betreiber, Projektierer und Hersteller von Windkraftanlagen sich auf die Situation einstellen und mit welchen Folgen sie rechnen.

Naturstrom, Deutsche Umwelthilfe und der Bundesverband WindEnergie (BWE) warnen vor einem Einbruch im Windmarkt in drei Jahren, der sogar die Energiewende gefährden könnte. Was ist der Grund für diese Sorge? Noch bis Ende Dezember 2020 erhalten alle Anlagen, die vor dem 1. Januar 2000 errichtet wurden, 20 Jahre lang eine feste Vergütung nach dem EEG.

Als Start der Inbetriebnahme gilt für diese Anlagen das Jahr 2000, ab 2001 beginnt damit also der Vergütungszeitraum. Dadurch fallen zum 31. Dezember des Jahres 2020 erstmals Anlagen aus der EEG-Vergütung heraus.

Wie Experten berechnet haben, fallen zunächst rund 6.000 Anlagen mit etwa 4.500 Megawatt Leistung (MW) aus dem EEG-System. Zum Vergleich: Das entspricht etwa der Gesamtleistung sämtlicher Windkraftanlagen, die 2016 in Deutschland neu aufgestellt wurden und rund 10 Prozent der deutschen Windkraftkapazität.

In den Jahren 2001 und 2002 war außerdem der Zubau besonders hoch ausgefallen: Laut Statistik der Deutschen WindGuard wurden in diesen beiden Jahren rund 2.600 bzw. 3.200 Megawatt neu errichtet: 2.079 Anlagen in 2001 und 2.328 Anlagen in 2002. Entsprechend fallen 20 Jahre später viele Windkraftanlagen aus der Förderung, zwischen 2021 und 2026 sind es jährlich etwa 1.600 Windräder mit einer installierten Leistung von rund 2,5 GW.

"Ob und wie sich diese Anlagen technisch weiter betreiben lassen, diskutiert derzeit unser Arbeitskreis Weiterbetrieb", teilte BWE-Sprecher Wolfram Axthelm gegenüber ECOreporter.de mit. Der Fachverband befürchtet aber "einen Einbruch bei der installierten Leistung nach 2020" und sieht "akuten politischen Handlungsdruck".

Naturstrom AG: "Die Energiewende wird um Jahre zurückgeworfen"

Wenn die Altanlagen keine feste Vergütung mehr erhalten, halten Branchenexperten den wirtschaftlichen Betrieb dieser Windräder für fast unmöglich. Denn der Preis an der Strombörse ist auf einem Tiefpunkt. Das bekräftigt eine von Naturstrom und Deutscher Umwelthilfe (DUH) präsentierte Studie, die ebenfalls von der Deutschen WindGuard erstellt wurde. "Die Spotmarktpreise lagen 2016 im Mittel bei 2,90 Cent pro kWh. Wenn sich an diesem Preisniveau nichts ändert, wird nur für sehr wenige Anlagenbetreiber ein Weiterbetrieb Sinn machen", mahnt Naturstrom-Vorstand Oliver Hummel.

Die alten Windräder, die im Jahr 2000 oder früher in Betrieb gegangen sind, produzieren zwar zu niedrigen Kosten: Laut Deutsche WindGuard liegen die Betriebskosten für 11- bis 20-jährige Anlagen im Schnitt bei 2,68 Cent pro Kilowattstunde. Günstig produzieren vor allem Altanlagen, deren Investitionskosten abgeschrieben sind.

Dennoch sei ein wirtschaftlicher Betrieb nur möglich, "wenn die anfallenden Kosten des Weiterbetriebs sowie die laufenden Betriebskosten durch die erzielbaren Erlöse für den erzeugten Strom gedeckt werden können und ein wirtschaftlicher Anreiz für den Betreiber zum Weiterbetrieb besteht", so die Analyse der Deutsche WindGuard.

Und genau daran hapert es offenbar: "Die aktuellen Strompreise am Kurzfristmarkt der Börse sind für kein Kraftwerk – gleich welcher Technologie – auskömmlich", so Naturstrom-Chef Hummel und warnt vor den Folgen: "Gehen die Altanlagen massenweise vom Netz, wird die Energiewende um Jahre zurückgeworfen."

Alte Windkraftanlagen: Wirtschaftlich ab 4 Cent pro Kilowattstunde?

Bei einem Weiterbetrieb der Anlagen fallen laufende Kosten für Wartung, Pacht sowie für neue Gutachten und Genehmigungen nach Ablauf der Förderzeit an. "Viele Windmüller stehen schon jetzt vor der Frage, ob sie Weiterbetriebsgutachten in Auftrag geben und Verträge neu aushandeln", erläutert Anna-Kathrin Wallasch, Abteilungsleiterin Markets & Politics bei der Deutsche WindGuard GmbH und Mitautorin der Studie.

Denn nur so könnten die Windmüller ihre Anlagen über die Nutzungsdauer von 20 Jahren hinaus weiter betreiben und den Strom nach 2020 am Markt verkaufen. "In Summe entsteht den Windmüllern dadurch erheblicher Aufwand", so Wallasch.

In der Studie haben Wallasch und ihre Kollegen abgeschätzt, wie die Altanlagen unter unterschiedlichen Annahmen für Ertrags- und Kostenstrukturen weiterhin produzieren können. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass ein deutlicher Teil der älteren Windenergieanlagen ab einem Erlös von etwa 3,5 Cent pro Kilowattstunde (kWh) weiterbetrieben werden kann. Wirtschaftlich wird es aber für den Großteil der Anlagen voraussichtlich erst bei über 4 Cent je kWh.

Windparkbetreiber wie die wpd aus Bremen würden den Preis sogar noch höher ansetzen: "Der Betrieb über 2020/21 hinaus wäre gegebenenfalls bei einem Strompreis von 5 Cent aufwärts denkbar. So ist er es nicht", sagte wpd-Sprecher Christian Schnibbe gegenüber ECOreporter.de.

Nur sehr wenige Anlagen, bei denen sowohl die Ertrags- als auch die Kostenstrukturen extrem günstig ausfallen, könnten laut Studie ihren Strom schon für knapp unter 3 Cent je kWh produzieren.

Deutsche Umwelthilfe: "Verpasste Chance für die deutschen Klimaziele"

Dr. Peter Ahmels, Leiter Energie und Klimaschutz bei der DUH, fürchtet angesichts der erwarteten Abschaltungen um die deutschen Klimaziele: "Es wird bei der Windenergie schlimmstenfalls Jahre brauchen, um die wegfallenden alten Anlagen durch Neubau auszugleichen und wieder auf den Stand von Dezember 2020 zu kommen. Und dies zu merklich höheren Kosten. Denn der Bedarf an erneuerbarem Strom nimmt zu, für den Klimaschutz und für die Bereiche Verkehr und Wärme."

Der Branchenverband BWE will noch vor der Bundestagswahl im September 2017 Vorschläge unterbreiten, wie einerseits ein energiepolitisch sinnvoller Weiterbetrieb der betroffenen Anlagen möglich ist – und andererseits den Betreibern ein Weg für ein Repowering eröffnet werden kann. Eine der Forderungen ist eine Vermarktung von Windstrom als klar gekennzeichnetem Ökostrom.

Repowering alter Anlagen eine Chance für die Windmüller?

Vor allem auf dem Repowering ruhen die Hoffnungen der Windpark-Betreiber, deren Anlagen aus der Vergütung fallen – und die Erwartungen der Projektierer sind hoch. Allerdings ist nach dem neuen EEG ein solcher Austausch von Altanlagen nicht mehr so einfach.Mehr dazu lesen Sie im zweiten Teil unserer Serie. Was das Auslaufen der EEG-Förderung für alte Windräder für Anleger bedeuten könnte, beleuchten wir in Teil 3.

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