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Geraten Offshore-Windkraftprojektierer in eine Kostenfalle?


Nach dem Willen der Bundesregierung soll die Hochsee-Windkraft im deutschen Energiemix der Zukunft eine tragende Rolle spielen. Deshalb wird unter anderem der Strom aus Offshore-Windturbinen seit Jahresbeginn mit zwei Eurocent je Kilowattstunde mehr vergütet als früher. Statt 13 erhalten die Betreiber seither 15 Cent je Kilowattstunde Hochseewindstrom, fest für zwölf Jahre. Wahlweise können sie den Vergütungszeitraum auf acht Jahre stauchen lassen und dafür in dieser Zeit 19 Euro-Cent je Kilowattstunde eingespeisten Offshore-Windstroms kassieren. Das Problem ist nur, dass die meisten Offshore-Windkraftprojekte noch in der Planungs- oder Bauphase stecken, also noch relativ weit von der Einspeisung ins Stromnetz entfernt sind. Einer aktuellen Studie der europäischen Windenergie-Vereinigung European Wind Energy Association zufolge trifft dies auf neue Offshore-Windfarmen mit 5,6 Gigawatt (GW) Gesamtkapazität zu, die derzeit in Großbritannien, Deutschland und Belgien geplant oder gebaut werden.

Bard Offshore 1 ein Milliarden-Grab?

Eins dieser Projekte ist der von der HVB finanzierte Windpark Bard Offshore 1. Laut Plan sollen dazu bis 2013 in 100 Kilometer Entfernung 80 Windräder der Fünf-Megawattklasse zu einer 400 MW starken Windfarm zusammengeschlossen werden. Faktoren wie Witterung und Seegang machen die Realisierung von Hochsee-Windparks wesentlich schwieriger als die Installation von Windkraftwerken an Land. Von den für Bard 1 Offshore geplanten 80 Windturbinen sind durch Verzögerungen im Baufortschritt bislang erst 19 installiert. Insgesamt liegt der Bau bereits zwei Jahre hinter dem Zeitplan.

Dies hat offenbar zu einer Kostenexplosion beigetragen. In einem Börsenprospekt zu einer Kapitalerhöhung der italienischen Muttergesellschaft UniCredit Bank legte die HVB als Eigentümerin der Projektrechte an Bard Offshore 1 kürzlich beängstigende Zahlen offen (ECOreporter.de Opens external link in new windowberichtete). Nachdem die HVB im August 2011 bereits 860 Millionen Euro zusätzliche Kredite für Bard 1 bereitgestellt hatte, wurde in der vergangenen Woche bekannt, dass die Münchner Bank die Risikovorsorge für drohende Verluste um 70 Prozent auf 710 Millionen Euro aufgestockt hat. So sollen die bisherigen Kosten für den Nordsee-Windpark auf geschätzte 2,9 Milliarden Euro angestiegen sein. Prekär: Der Wiederverkaufswert nach Fertigstellung wird auf weniger als zwei Milliarden Euro geschätzt. Es droht also ein Milliardenverlust, auf dem die Eigentümerin sitzen bleiben könnte. Denn der geplante Verkauf der Projektrechte kam bislang nicht zu Stande.

Eigentlich sollen zwei Energieversorger-Gesellschafterverbünde die Projektrechte von der HVB kaufen. 70 Prozent soll die SüdWeststrom Windpark GmbH und Co. KG, ein Gesellschafterverbund aus Stadtwerken, übernehmen. Für den Verkauf der übrigen 30 Prozent der Projektrechte ist die WV Energie AG vorgesehen, ein Verbund kommunaler Versorger mit Sitzen in Frankfurt, Kassel und München. In einer SüdWeststrom-Presseerklärung heißt es, ein Kauf-  und ein Betreibervertrag  seien „ausverhandelt“. Dennoch ist es bislang mit keinem der beiden Käufer zum Geschäftsabschluss gekommen, wie beide auf Anfrage von ECOreporter.de erklärten. Zu den Gründen äußerten sich die Unternehmen nicht. SüdWeststrom verwies dabei auf eine Verschwiegenheitsvereinbarung, die zwischen der Bank und dem Käufer bestehe. 
Bildnachweis: Bau einer Windturbine für den Windpark Bard Offshore 1 / Quelle: Unternehmen

Im noch jungen Offshore-Windkraft-Projektgeschäft sind auch kleinere Marktakteure als der Finanzkonzern UniCredit aktiv. Unternehmen, die Verluste wie sie Bard 1 nun UniCredit einzubringen droht, wohl kaum verkraften könnten. Und die Kapital bei Anlegern eingesammelt haben. Wie reagieren die auf die Hiobsbotschaft über das Bard-Projekt?

Ein Erneuerbare-Energien-Projektierer, der unter anderem mit finanzieller Unterstützung zahlreicher Investoren und Kleinanleger im großen Stil  Offshore-Windkraftprojekte in der Nordsee umsetzen will, ist die Windreich AG aus Wolfschungen. „Die Windreich AG hat bisher circa eine Milliarde Euro Kapital eingeworben“, sagt Windreich-Vorstandschef Willi Balz dazu. Rund 115 Millionen Euro davon entfielen ihm zufolge auf Anleihen (Opens external link in new windowHier im ECOanlagecheck), mit denen die Windreich AG unter anderem ihren Marktanteil an der Nordsee-Windkraft ausbauen wolle. Weitere 800 Millionen Euro Eigenkapital seien außerhalb des Börsensegments Bondm für den Offshore-Windpark Global Tech I bei Investoren eingesammelt worden. Mit MEG Offshore 1 und Global Tech 1, arbeitet Windreich derzeit gleich an zwei Nordsee-Windparks die mit 400 MW  geplanter Leistungskapazität exakt der des Problem-Projektes Bard Offshore 1 entsprechen. Diese Projekte sollen bereits 2013 beziehungsweise 2014 voll ausgebaut Strom produzieren.

Ein vergleichbares Szenario für diese Projekte fürchtet Balz nicht: „Im Gegensatz zu Bard bauen wir keine Komponenten selbst, sondern lassen diese von europäischen Zulieferern mit exzellenter Bonität fertigen“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Windreich AG mit Blick auf Global Tech 1. „Die Errichtungsrisiken des Windparks und die gesamte Schiffslogistik liegen inklusive des Wetterrisikos bei Hochtief“, so Balz weiter. Auch gegen mögliche Kostentreiber wie  Bauzeitverzögerung sieht sich Balz gefeit: „Alle erkennbaren und vermuteten Risiken sind in den Verträgen mit unseren Partnern abgedeckt. Beim Versicherungskonzept ist an alles gedacht worden“, beteuert Balz. Die bisher geleistete Anschubfinanzierung im Offshore-Geschäft der Windreich AG habe Werte in dreistelliger Millionenhöhe geschaffen. „Die uns über die Anleihen zugeführten Mittel sind also in entsprechende Vermögenswerte investiert worden“, folgert der Windreich-Vorstandsvorsitzende.

Bildnachweis: Willi Balz, Vorstandsvorsitzender der Windreich AG. / Quelle: Unternehmen


Angesichts des Projektfortschritts klingen die Worte von Balz allerdings eher wie Versprechen. Denn anders als bei Bard Offshore 1 haben weder für MEG 1 noch für Global Tech 1 die Bauarbeiten begonnen. „Wir haben für Global Tech I und MEG 1 die Baugenehmigung, haben die erste Baufreigabe erhalten und Netzzusagen garantiert“, erläutert Balz. Dennoch geht er nach eigenem Bekunden fest davon aus, dass alle laufenden Offshore-Projekte der Windreich AG fristgerecht und ohne Verzögerung fertig werden. Sie ergeben ein Portfolio mit 1.000 MW geplanter Leistungskapazität.


Ein weiterer deutscher Akteur auf dem Offshore-Windmarkt ist die Energiekontor AG aus Bremen, ein Pionier der deutschen Windkraftbranche. Im Gegensatz zur jungen Windreich AG ist sie bereits seit über 20 Jahren am Markt, ihr Schwerpunkt liegt aber bei Projekten an Land. „Energiekontor verfolgt eine völlig andere Konzeption im Offshore-Bereich als BARD. Im Gegensatz zu Bard setzt Energiekontor nicht auf die Eigenentwicklung der Windkraftanlage, der Gründungsstrukturen und der Errichterschiffe, sondern kauft alle Gewerke von erfahrenen Partnern zu“, stellt der Vorstandsvorsitzende Peter Szabo gegenüber ECOreporter.de klar.


Bislang ist Energiekontor als Planer und Projektierer in zwei größere Nordsee-Projekte involviert: den Hochsee-Windpark Borkum Riffgrund West und das Offshore-Vorhaben Nordergründe,  15 Kilometer nordöstlich der Insel Wangerooge, wo zwölf Windräder errichtet werden sollen. Letzteres hatte sich aufgrund eines Rechtsstreits mit den Umweltschutzorganisationen BUND und WWF lange verzögert (ECOreporter.de Opens external link in new windowberichtete). „Dieses Projekt weist ein völlig anderes Risikoprofil auf als Offshore-Projekte in Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) nach UN-Seerecht [Zone bis zu 200 Seemeilen (=370 Kilometer) jenseits der Küste Anm. d. Red.]. Die Entfernung zum Land beträgt beispielsweise nur 30 Kilometer. Dadurch ist eine wesentlich bessere Zugänglichkeit und Erreichbarkeit als bei den AWZ-Parks gegeben, deren Entfernung zur Küste rund 90 km beträgt", erläutert Szabo. Dies eröffne mehr technische Alternativen beim Anlegen der Gründungsstrukturen und beim Errichtungsgerät.


Bei der Finanzierung ihrer Erneuerbare-Energievorhaben setzt auch die Energiekontor AG auf die Unterstützung von Investoren und Kleinanlegern. „Keiner unserer Anleger ist direkt an einem Offshore-Windpark beteiligt. Das haben wir vor dem Hintergrund der Baurisiken und der Unwägbarkeiten in der Errichtungsphase immer abgelehnt“, betont  Szabo „Beteiligungen bestehen ausschließlich an der Planung des Windparks Nordergründe und Borkum Riffgrund West Pilotphase (BRWP)“, fährt Szabo fort. Das dänische Energieunternehmen Dong Energy kaufte Energiekontor die Projektrechte an dem 400 Megawatt-Vorhaben ab (mehr lesen Sie Opens external link in new windowhier).  „Aufgrund der Veräußerung des Projektes konnten die Anleger bereits erste Gewinne realisieren. Mit weiteren Gewinnen können die Anleger bei der Umsetzung des Windparks Nordergründe rechnen“, sagt Szabo.

Bildnachweis: Peter Szabo, Vorstandsvorsitzender der Energiekontor AG. / Quelle: Unternehmen.


Offshore-Direktbeteiligungen, beispielsweise Anleihen oder Genussrechte, werde die Energiekontor AG in nächster Zeit nicht anbieten, betont Szabo. „Die Risiken und Unwägbarkeiten in der Planungs- und Bauphase von Offshore-Windparks sind einfach noch zu hoch, um Kleinanleger in diesem Stadium direkt zu beteiligen. Aktuell würde auch keine Bank die Eigenkapitalbeteiligung von Kleinanlegern im Rahmen der Projektfinanzierung akzeptieren“, so der Vorstandsvorsitzende.

Offshore-Ausbauziele der Bundesregierung bis 2020 „zweifelhaft“
Szabo prognostiziert weitere Verzögerungen insbesondere bei der Umsetzung  deutscher Offshore-Windfarmen: „Problematisch sind die nach wie vor noch fehlenden Kapazitäten bei den Anlagenherstellern und Zulieferern, vor allem wenn gleichzeitig mehrere große Parks errichtet werden sollen. Hinzu kommen die Probleme der Übertragungsnetzbetreiber, die benötigten Netzanschlüsse zeitnah zur Verfügung zu stellen. Aktuell geht der Stromnetzbetreiber TenneT von 45 Monaten ab Vorliegen der unbedingten Netzanschlusszusage aus. Allein deshalb bestehen erhebliche Zweifel daran, ob die Ausbauziele der Bundesregierung bis zum Jahr 2020 erreichbar sind“, fährt er fort.


Ebenfalls stark im Offshore-Windgeschäft tätig ist der Windkraftprojektierer PNE Wind AG aus Cuxhaven. Kurz vor Jahresfrist hatte die PNE Wind AG den Verkauf der Nordsee-Windparks Gode Wind II an den dänischen Investor Brancor Capital Partners bekannt gegeben (ECOreporter.de Opens external link in new windowberichtete). Diese Transaktion werde in drei Schritten vollzogen.  Einem aktuellen Gutachten über den Wert des Nordseewindparks mit 252 MW geplanter Leistungskapazität soll der Projektierer dafür rund 80 Millionen Euro erhalten.

Dass die PNE Wind AG mit einem ihrer Offshore-Projekte in eine vergleichbare Gemengelage geraten könnte, wie sie um Bard 1 Offshore entstanden ist, schließt Unternehmenssprecher Rainer Heinsohn aus: „Das Nordsee-Windkraft-Projekt Bard Offshore 1 ist in seiner Form einzigartig in der Branche. Dort hat sich ein Unternehmen vorgenommen, alles selbst zu entwickeln und zu errichten – von den Fundamenten über die Turbinen bis hin zum Umspannwerk. Das ist eine Konstellation, die es bei den Unternehmen, die bislang Offshore-Windkraftprojekte in Angriff genommen haben, so noch nicht gab. Die PNE Wind AG hat ein gänzlich anderes Geschäftsmodell. Wir konzentrieren uns auf die Projektentwicklung und verkaufen den Windpark entweder nach der Genehmigung durch das Bundesamts für Seeschifffahrt oder wenn es baureif entwickelt ist. Nach dem Verkauf liegen alle weiteren Entscheidungen in der Verantwortung des neuen Eigentümers“, sagt Heinsohn. Verzögerungen im Baufortschritt wie bei Bard I seien für das Offshore-Geschäft der PNE Wind AG damit kein Thema. Wie bei Gode Wind II lässt sich die PNE Wind AG auch andere Projekte in mehreren Stufen bezahlen - abhängig vom Projektfortschritt in der Regel allerdings vor Baubeginn.

Bildnachweis: Rainer Heinsohn, Sprecher der PNE Wind AG. Quelle: Unternehmen
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