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Interview zum Finanzanlagenvertrieb: Provisionen nur noch bei mehr Qualität für den Kunden – was MiFID II wirklich ändert
Mehr Anlegerschutz, mehr Wettbewerb und einheitlichere Regeln für den europäischen Finanzmarkt – das soll MiFID II bringen. Die Abkürzung steht für "Markets in Financial Instruments Directive". Das Gesetzespaket aus Richtlinie und Verordnung greift auch in die Anlageberatung und -vermittlung ein. Ab 2018 soll nun MiFID II gültig werden. Wie sich das konkret auswirken wird, erklärt Rechtsanwalt Dr. Matthias Gündel im ECOreporter-Interview. Er ist Geschäftsführer der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei GK-law.de aus Göttingen.
ECOreporter: Herr Gündel, wer ist von MiFID II betroffen und wer nicht?
Dr. Matthias Gündel: Betroffen sind vorrangig Finanzdienstleistungsinstitute und Kreditinstitute im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG), die der Aufsicht der BaFin unterliegen. Derzeit noch nicht – aber künftig wohl auch – betroffen werden freie Vermittler sein. In Deutschland wird MiFID II Anfang 2018 erst einmal nur im Wertpapierhandelsgesetz umgesetzt. Das gilt eben nur für Banken und Finanzdienstleistungsinstitute mit KWG-Erlaubnis, die der Aufsicht durch die BaFin unterliegen. Für freie Vermittler (mit Erlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung) gelten dagegen die Vorgaben der Finanzanlagenvermittlerverordnung (FinVermV). MiFID II gibt vor, dass durch die FinvermV hinsichtlich der Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten ein Anlegerschutzniveau herzustellen ist, das den Regelungen des WpHG vergleichbar sein soll. Den Entwurf einer entsprechend geänderten Finanzanlagenvermittlerverordnung will das Bundeswirtschaftsministerium bald veröffentlichen.
MiFID II soll den Wettbewerb stärken und den europäischen Finanzmarkt harmonisieren. Wird das passieren?
Wie immer kommt es auf das Marktsegment an, auf die Kapitalanlageprodukte. Börsennotierte Werte sind am stärksten betroffen von den Verschärfungen im Bereich Transparenzregeln. Für alle Wertpapierfirmen gilt die Pflicht zur Nachhandelstransparenz, also die Pflicht, für die tatsächlich abgeschlossenen Geschäfte das Volumen, den Kurs und Abschlusszeitpunkt dieser Geschäfte zu veröffentlichen.
Für börsennotierte Werte gehen die Nachhandelstransparenzpflichten künftig über die geltenden Regelungen im neuen WpHG hinaus und sind in Art. 27 MiFIR geregelt.
Für Aktien und Schuldverschreibungen gibt es Nachhandelstransparenzpflichten insbesondere auch dann, wenn sie im Freiverkehr notiert sind.
Keine Nachhandelstransparenzpflichten gelten dagegen für die meisten Investmentfonds (sogenannte OGAW-V-Vermögen).
Auch die Anbieter von Produkten scheinen mehr Pflichten erfüllen zu müssen?
Ja, weil die neue Regelung Produktüberwachungspflichten einführt, eine sogenannte "Product-Governance". Die Produktüberwachung beginnt dann bereits bei der Konzeption eines Finanzinstruments und reicht über die Zielmarktbestimmung bis zur "lebenslangen" Überwachungspflicht auf Produktebene.
Welcher Sinn steckt dahinter?
Das soll gewährleisten, dass tatsächlich der gesamte Produktzyklus durch die Aufsicht kontrolliert wird und Anlegern nur solche Kapitalanlagen angeboten werden, die zur Erreichung ihrer Anlageziele geeignet sind.
Was bedeutet das für die Anbieter?
Produkt-Konzepteure müssen künftig ein Produktfreigabeverfahren einrichten und dieses regelmäßig überprüfen. Jedes Kapitalanlageprodukt muss dieses Verfahren durchlaufen. Außerdem muss der Kundenkreis festgelegt werden, mit dessen Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen das Produkt im Einklang steht. Ebenso muss festgelegt werden, für welche Kundengruppe das Produkt nicht geeignet ist.
Ist der Vertrieb auch davon berührt?
Ja: Das Vertriebsunternehmen hat eine eigenständige Zielmarktbestimmung durchzuführen und darf sich nicht auf die des Anbieters verlassen! Selbst wenn keine Zielmarktbestimmung des Anbieters vorliegt, muss der Vertrieb sie vornehmen.
Und die § 34 f-Vermittler?
Die organisatorischen Anforderungen gelten zunächst für die Wertpapierfirma selbst, die Geschäftsleitung, Beschäftigte und vertraglich gebundene Vermittler. Es ist aber davon auszugehen, dass die Finanzanlagenvermittlerverordnung entsprechend geändert wird und dann auch die §34f-Vermittler von diesen neuen Pflichten betroffen sein werden.
Was ändert sich bei den Telefon-Aufzeichnungspflichten?
Vereinfacht gesagt: Ein Finanzdienstleister mit Erlaubnis zur Anlagevermittlung oder Anlageberatung nach § 32 KWG darf Geschäfte telefonisch nur dann abschließen, wenn er das Telefonat aufzeichnet und der Kunde mit der Aufzeichnung einverstanden ist.
Es ist fest damit zu rechnen, dass mit einer FinVermV-Änderung entsprechende Pflichten auch für unabhängige Finanzanlagenvermittler mit § 34f GewO-Erlaubnis einführt werden.
Inwieweit betrifft MiFID II Provisionen?
Hier gibt es verschärfte Anforderungen. So sind Provisionen ungefragt offenzulegen. Über fortlaufende Zuwendungen ist bei dauerhaften Geschäftsbeziehungen mindestens einmal jährlich zu informieren. Aufzudecken sind auch die sonstigen Kosten des Finanzinstruments. Um Auswirkungen auf die Rendite transparent zu machen, sind die Gesamtkosten in Bezug auf den tatsächlichen Investitionsbetrag in Euro auszuweisen.
Was ist genau unter Zuwendungen zu verstehen?
Per gesetzlicher Definition sind Zuwendungen Provisionen, Gebühren oder sonstige Geldleistungen sowie alle geldwerten Vorteile, die der Gewerbetreibende vom Emittenten, Anbieter einer Finanzanlage oder von einem sonstigen Dritten für die Vermittlung oder Beratung hinsichtlich einer Finanzanlage erhält oder an Dritte gewährt. (Es findet also keine Unterscheidung danach statt, wer die Zuwendung letztendlich erhält und behalten darf).
Zuwendungen sind im Rahmen von MiFID II aber nur noch eingeschränkt zulässig. So besteht für unabhängige Anlageberater ein ausnahmsloses Zuwendungsverbot. Vermögensverwalter dagegen dürfen nur geringfügige nicht-monetäre Vorteile, wie etwa die Teilnahme an Konferenzen, Seminaren und anderen Bildungsveranstaltungen oder geringfügige Bewirtungskosten annehmen. Lediglich bei anderen Wertpapierdienstleistern, wie Anlage- oder Abschlussvermittlern besteht faktisch kein generelles Verbot, Zuwendungen zu gewähren oder entgegenzunehmen.
Jedoch gilt hier: Zuwendungen sind nur noch dann zulässig, wenn der Kunde eine Qualitätsverbesserung erhält. Beispielsweise eine zusätzliche oder bessere Dienstleistung, etwa den Zugang zu einer breiten Produktpalette oder die jährliche Prüfung des Portfolios. Außerdem dürfen die Zuwendungen nicht unmittelbar der Empfängerfirma, deren Anteilseignern oder deren Mitarbeitern zugute kommen, ohne dass es einen materiellen Vorteil für den Kunden gibt.
Herr Gündel, vielen Dank für das Gespräch.
ECOreporter: Herr Gündel, wer ist von MiFID II betroffen und wer nicht?
Dr. Matthias Gündel: Betroffen sind vorrangig Finanzdienstleistungsinstitute und Kreditinstitute im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG), die der Aufsicht der BaFin unterliegen. Derzeit noch nicht – aber künftig wohl auch – betroffen werden freie Vermittler sein. In Deutschland wird MiFID II Anfang 2018 erst einmal nur im Wertpapierhandelsgesetz umgesetzt. Das gilt eben nur für Banken und Finanzdienstleistungsinstitute mit KWG-Erlaubnis, die der Aufsicht durch die BaFin unterliegen. Für freie Vermittler (mit Erlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung) gelten dagegen die Vorgaben der Finanzanlagenvermittlerverordnung (FinVermV). MiFID II gibt vor, dass durch die FinvermV hinsichtlich der Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten ein Anlegerschutzniveau herzustellen ist, das den Regelungen des WpHG vergleichbar sein soll. Den Entwurf einer entsprechend geänderten Finanzanlagenvermittlerverordnung will das Bundeswirtschaftsministerium bald veröffentlichen.
MiFID II soll den Wettbewerb stärken und den europäischen Finanzmarkt harmonisieren. Wird das passieren?
Wie immer kommt es auf das Marktsegment an, auf die Kapitalanlageprodukte. Börsennotierte Werte sind am stärksten betroffen von den Verschärfungen im Bereich Transparenzregeln. Für alle Wertpapierfirmen gilt die Pflicht zur Nachhandelstransparenz, also die Pflicht, für die tatsächlich abgeschlossenen Geschäfte das Volumen, den Kurs und Abschlusszeitpunkt dieser Geschäfte zu veröffentlichen.
Für börsennotierte Werte gehen die Nachhandelstransparenzpflichten künftig über die geltenden Regelungen im neuen WpHG hinaus und sind in Art. 27 MiFIR geregelt.
Für Aktien und Schuldverschreibungen gibt es Nachhandelstransparenzpflichten insbesondere auch dann, wenn sie im Freiverkehr notiert sind.
Keine Nachhandelstransparenzpflichten gelten dagegen für die meisten Investmentfonds (sogenannte OGAW-V-Vermögen).
Auch die Anbieter von Produkten scheinen mehr Pflichten erfüllen zu müssen?
Ja, weil die neue Regelung Produktüberwachungspflichten einführt, eine sogenannte "Product-Governance". Die Produktüberwachung beginnt dann bereits bei der Konzeption eines Finanzinstruments und reicht über die Zielmarktbestimmung bis zur "lebenslangen" Überwachungspflicht auf Produktebene.
Welcher Sinn steckt dahinter?
Das soll gewährleisten, dass tatsächlich der gesamte Produktzyklus durch die Aufsicht kontrolliert wird und Anlegern nur solche Kapitalanlagen angeboten werden, die zur Erreichung ihrer Anlageziele geeignet sind.
Was bedeutet das für die Anbieter?
Produkt-Konzepteure müssen künftig ein Produktfreigabeverfahren einrichten und dieses regelmäßig überprüfen. Jedes Kapitalanlageprodukt muss dieses Verfahren durchlaufen. Außerdem muss der Kundenkreis festgelegt werden, mit dessen Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen das Produkt im Einklang steht. Ebenso muss festgelegt werden, für welche Kundengruppe das Produkt nicht geeignet ist.
Ist der Vertrieb auch davon berührt?
Ja: Das Vertriebsunternehmen hat eine eigenständige Zielmarktbestimmung durchzuführen und darf sich nicht auf die des Anbieters verlassen! Selbst wenn keine Zielmarktbestimmung des Anbieters vorliegt, muss der Vertrieb sie vornehmen.
Und die § 34 f-Vermittler?
Die organisatorischen Anforderungen gelten zunächst für die Wertpapierfirma selbst, die Geschäftsleitung, Beschäftigte und vertraglich gebundene Vermittler. Es ist aber davon auszugehen, dass die Finanzanlagenvermittlerverordnung entsprechend geändert wird und dann auch die §34f-Vermittler von diesen neuen Pflichten betroffen sein werden.
Was ändert sich bei den Telefon-Aufzeichnungspflichten?
Vereinfacht gesagt: Ein Finanzdienstleister mit Erlaubnis zur Anlagevermittlung oder Anlageberatung nach § 32 KWG darf Geschäfte telefonisch nur dann abschließen, wenn er das Telefonat aufzeichnet und der Kunde mit der Aufzeichnung einverstanden ist.
Es ist fest damit zu rechnen, dass mit einer FinVermV-Änderung entsprechende Pflichten auch für unabhängige Finanzanlagenvermittler mit § 34f GewO-Erlaubnis einführt werden.
Inwieweit betrifft MiFID II Provisionen?
Hier gibt es verschärfte Anforderungen. So sind Provisionen ungefragt offenzulegen. Über fortlaufende Zuwendungen ist bei dauerhaften Geschäftsbeziehungen mindestens einmal jährlich zu informieren. Aufzudecken sind auch die sonstigen Kosten des Finanzinstruments. Um Auswirkungen auf die Rendite transparent zu machen, sind die Gesamtkosten in Bezug auf den tatsächlichen Investitionsbetrag in Euro auszuweisen.
Was ist genau unter Zuwendungen zu verstehen?
Per gesetzlicher Definition sind Zuwendungen Provisionen, Gebühren oder sonstige Geldleistungen sowie alle geldwerten Vorteile, die der Gewerbetreibende vom Emittenten, Anbieter einer Finanzanlage oder von einem sonstigen Dritten für die Vermittlung oder Beratung hinsichtlich einer Finanzanlage erhält oder an Dritte gewährt. (Es findet also keine Unterscheidung danach statt, wer die Zuwendung letztendlich erhält und behalten darf).
Zuwendungen sind im Rahmen von MiFID II aber nur noch eingeschränkt zulässig. So besteht für unabhängige Anlageberater ein ausnahmsloses Zuwendungsverbot. Vermögensverwalter dagegen dürfen nur geringfügige nicht-monetäre Vorteile, wie etwa die Teilnahme an Konferenzen, Seminaren und anderen Bildungsveranstaltungen oder geringfügige Bewirtungskosten annehmen. Lediglich bei anderen Wertpapierdienstleistern, wie Anlage- oder Abschlussvermittlern besteht faktisch kein generelles Verbot, Zuwendungen zu gewähren oder entgegenzunehmen.
Jedoch gilt hier: Zuwendungen sind nur noch dann zulässig, wenn der Kunde eine Qualitätsverbesserung erhält. Beispielsweise eine zusätzliche oder bessere Dienstleistung, etwa den Zugang zu einer breiten Produktpalette oder die jährliche Prüfung des Portfolios. Außerdem dürfen die Zuwendungen nicht unmittelbar der Empfängerfirma, deren Anteilseignern oder deren Mitarbeitern zugute kommen, ohne dass es einen materiellen Vorteil für den Kunden gibt.
Herr Gündel, vielen Dank für das Gespräch.