Was Anwälte den Anlegern von Prokon raten

Genussrechte wie das von Prokon sind eine Mischung aus Anleihen und Aktien. Mit einem Genussrecht erwirbt ein Anleger Rechte am Reingewinn einer Gesellschaft. Anders als ein Aktionär kann ein Genussrechtinhaber jedoch keinen Einfluss auf die Unternehmensführung nehmen. Im Falle einer Insolvenz, wie sie Prokon nach eigenen Angaben nun droht, sind die Ansprüche von Genussrechteinhabern denen anderer Gläubiger nachrangig. Das heißt: Bevor ein Genussrechtsinhaber darauf hoffen kann, sein Geld ganz oder zum Teil zurück zu erhalten, werden erst andere Gläubiger – beispielsweise Banken oder Zulieferer – bedient. Bei den Prokon-Genussrechten heißt es in den Bedingungen, dass der Rückzahlungsanspruch der Genussrechtsinhaber nur gegenüber dem Stammkapital vorrangig ist. Alle anderen nicht nachrangigen Ansprüche von Gläubigern haben Vorrang vor den Genussrechtsansprüchen, erklärt der Anlageschutzanwalt Klaus Nieding, Partner der Frankfurter Kanzlei Nieding + Barth und Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).


Prokon verweist in seinem Appell an die Genussrechtsinhaber unter anderem auf eine Rückkaufgarantie, die das Unternehmen seinen Anlegern einräumt. Für Nieding ist dies kein schlagendes Argument, der Bitte von Prokon zu entsprechen: „Anleger können trotzdem ihr Kapital komplett verlieren“, sagt der Jurist. Dieses Recht würde den Genussrechteinhabern zwar die Übernahme der Genussrechte mindestens zum Nennwert zuzüglich der ausstehenden Grundverzinsung einräumen, sie könne sich für die Anleger in diesem Fall aber dennoch als nutzlos erweisen. „Die Rückkaufgarantie steht unter der Bedingung, dass sie nur dann von Genussrechteinhabern in Anspruch genommen werden kann, wenn dadurch keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im Sinne der Insolvenzverordnung bei der Garantiegeberin eintritt“, sagt Nieding.

Auswege aus der „Genussrechtefalle“ von Prokon?

Dennoch sind den Anlegern im Kampf um ihr Geld nicht gänzlich die Hände gebunden. Das erklärt zumindest der Rechtsanwalt Marc Gericke von der Kanzlei Göddicke Rechtsanwälte aus Siegburg. „Wir sehen zwei Möglichkeiten, unsere Mandanten aus der Genussrechtefalle zu befreien und ihre Forderungen aus der Nachrangigkeit zu holen“, sagt Gericke. Ein Hebel dazu seien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Genussrechte. Damit seien „Genussrechte für Anleger grundsätzlich zu knacken“, so der Anwalt weiter. „Für die AGB gilt das Transparenzgebot. Es kommt im Einzelfall nicht auf den Ablauf des Vertragsabschlusses an“, stellt er klar. Und weiter: „Ich denke, dass wir vor Gericht mit Erfolg begründen können, dass Prokon den Anlegern intransparente Vertragsklauseln aufgetischt hat.“ Wenn dies gelänge, wären die Verträge unwirksam und die Aussichten der Anleger bei der Verteilung der Insolvenzmasse würden sich verbessern, argumentiert Gericke. Der zweite Weg, den die Kanzlei als erfolgversprechend einstuft, sind Schadenersatzansprüche. Hier gebe „das Jonglieren mit Zahlen in der Anlegerkommunikation oder die Zahlung von Zinsen aus frischem Anlegerkapital“ Ansatzpunkte, um Schadenersatzansprüche in einem möglichen Insolvenzverfahren geltend zu machen oder einzuklagen, erklärt der Jurist.

Anwälte bezweifeln, dass die Kündigungswelle zum Erfolg führt

Ob es im Falle einer Pleite von Prokon zur Verteilung der Insolvenzmasse komme, sei allerdings noch offen, so Gericke weiter. „Selbst bei einer denkbaren Sanierung stehen Anleger besser da, wenn sie die Genussrechte mit der AGB-Rechtsprechung oder mit Schadenersatzansprüchen knacken“, erklärt die Kanzlei. In diesen Fällen müsse Prokon Geld zurückzahlen. Und anders als nach einer Kündigung der Genussrechte zum jetzigen Zeitpunkt unterläge dieses Vorgehen nicht dem Risiko einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter, so die Argumentation der Anwaltskanzlei.


Dass Kündigungen zum jetzigen Zeitpunkt zum Erfolg führen bezweifelt auch Klaus Nieding von Nieding + Barth: „Die Kündigungsmodalitäten richten sich nach den Genussrechtsbedingungen. Bei Prokon gibt es Genussrechte mit einer vertraglichen Mindestlaufzeit von sechs Monaten oder fünf Jahren sowie Genussrechte mit einer festen Gesamtlaufzeit und solche ohne jegliche feste Laufzeit. Es muss für jeden einzelnen Anleger individuell geprüft werden“, sagt Nieding- Bei den Genussrechten ohne feste Gesamtlaufzeit betrage die ordentliche Kündigungsfrist nach Ablauf der sechsmonatigen Mindestvertragsdauer beispielsweise vier Wochen zum Monatsende.
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