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Was kann das kleine Unternehmen Windreich auf dem Meer besser als die Riesen, die sich an Offshore-Windkraft versuchen?
Der Ausbau der Offshore-Windkraft in der deutschen Nordsee verläuft schleppend. Von den bis 2020 geplanten 10.000 Megawatt Leistung ist bisher nur ein Bruchteil tatsächlich in Betrieb. Dabei ist die Offshore-Windkraft ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende, so wie sie sich die Bundesregierung ausmalt. Doch Probleme wie fehlende Netzanschlüsse und Engpässe bei der notwendigen Logistik führen zu teuren Verzögerungen. Deshalb haben Großkonzerne wie E.on, RWE und EnBW jüngst einige dieser milliardenschweren Offshore-Windkraft-Vorhaben zum Teil auf Eis zu gelegt. Der Windkraftprojektierer Windreich AG ist einer der wenigen Marktakteure, die bisher ausschließlich planmäßige Projektfortschritte ihrer Hochsee-Windkraftvorhaben vermelden. Von den Schwierigkeiten der großen Mitbewerber sei Windreich „kaum betroffen“, heißt es. Wie ist das möglich?
Die Windreich AG aus Wolfschungen bei Stuttgart hat rund 130 Mitarbeiter. Zum Bau von Hochseewindparks in der Nordsee braucht der Windkraftprojektierer Anlegerkapital. Nach eigenen Angaben hat er schon nahezu eine Milliarde Euro Eigenkapital von Anlegern eingeworben. Seit August 2012 arbeitete Windreich konkret am Börsendebüt. Dies allerdings wurde in dieser Woche „bis auf Weiteres“ verschoben. Das berichtet das „Handelsblatt“. Ex-Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick, der neuer Finanzvorstand bei Windreich werden sollte, sah laut dem Bericht „auf absehbare Zukunft keinen Weg“ für einen erfolgreichen Börsengang der Windreich AG. Zudem habe Eick, der erst im September 2012 Berater bei Windreich wurde, den Plan aufgegeben, Windreich-Finanzchefzu werden. Diese Personalie reiht sich nahtlos in die Rochaden in der Windreich-Führungsetage ein: Seit knapp zehn Tagen ist der Marketing-Fachmann Peter Vest, ehemals unter anderem bei EnBW beschäftigt, offiziell im Windreich-Vorstand für Marketing und Geschäftsentwicklung verantwortlich. Anfang Mai 2012 war der damalige Finanzchef Matthias Hassels mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Für ihn übernahm Willi Balz, Gründer, Alleinaktionär und Vorstandschef von Windreich, auch diese Funktion.
Ein Jahr vor Ablauf seines Vertrages verließ Walter Döring, Ex-Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg im Ende Juni 2012 die Windreich AG. Er war bis dahin stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Zugleich stellte die Windreich AG Anil Srivastava als neuen Vorstand International und fürs operative Geschäft (Chief Operating Officer, kurz COO) vor. Dieser war erst im April 2012 als Vertriebsleiter International zur Windreich AG gekommen. Mit Ihm gab Windreich eine ganze Reihe Neuzugänge bekannt (ECOreporter.de berichtete). Auch im Aufsichtsrat gab es einen zwei Wechsel: Im Januar 2012 ersetzten Ralph Jacoby und August von Joest dort Dr. Hans Jörg Bullinger und Dr. Eberhard Veit.
Mit dem Geld der Anleger und entsprechenden Bankfinanzierungen arbeitet Windreich vor allem an drei Hochsee-Projekten: „GlobalTech1“ und „MEG1“ mit jeweils 400 Megawatt (MW) geplanter Leistungskapazität und „Deutsche Bucht“ (voll ausgebaut 210 MW). In dieser Reihenfolge sollen die Offshore-Windfarmen bereits 2013, 2014 und 2015 in Betrieb gehen. Und während Großkonzerne wie RWE und EnBW ihre Investitionen in vergleichbare Nordsee-Großprojekte im laufenden Jahr eingefroren haben, bezeichnete sich die Windreich AG in ihren regelmäßig verschickten Pressemitteilungen als einzigen Marktakteur der deutschen Offshore-Windkraftbranche mit drei planmäßig laufenden Bauvorhaben.
Mit Projektvolumina von jeweils deutlich mehr als einer Milliarde Euro sind GlobalTech1 und MEG von der Größe her mit teils stillgelegten Vorhaben der Konzerne vollauf vergleichbar. „Als mittelständisches, ingenieursgeführtes Unternehmen können wir uns bei Projekten dieser Größenordnung keine Fehler und auch keine erheblichen Mehrkosten leisten“, erklärt Willi Balz, Alleinaktionär und Gründer von Windreich, gegenüber ECOreporter.de.
Bildnachweis: Windreich-Gründer und Vorstandschef: Willi Balz. / Quelle: Unternehmen
Solche Fehlentwicklungen würden wohl auch zahlreiche Kleinanleger treffen. Denn allein 149 Millionen Euro des Eigenkapitals, das Windreich bislang für die Hochseewindkraft einsammelte, stammen von Anleihe-Gläubigern, die 2010 und 2011 zwei Teilschuldverschreibungen der des Unternehmens gezeichnet haben. Für das erste dieser Wertpapiere (ISIN DEOOOA1CRMQ7) warb Windreich 74 Millionen Euro ein; versprochener Zinssatz: 6,5 Prozent. Laut Wertpapierprospekt muss Windreich das Geld bereits im Juni 2015 an die Anleger zurückzahlen (vergleiche hier den ECOanlagecheck zu diesem Produkt). Den Gläubigern einer ein Jahr jüngeren Anleihe (DE000A1H3V38) muss Windreich im Juli 2016 dann 75 Millionen Euro zurückzahlen(dieser Link führt zum ECOanlagecheck dieser Anleihe); jährlich versprochener Zinssatz hier: ebenfalls 6,5 Prozent.
Auch bei den Anleihen liefe bisher alles nach Plan, betont der 52-jährige Diplom-Ingenieur Balz auf Nachfrage: „Alle Anleger haben im Jahr 2012 wie auch in den Vorjahren ihre Zinszahlungen erhalten. Demgemäß sind in diesem Jahr knapp 9,7 Millionen Euro an unsere Anleger geflossen.“ Daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern. Balz: „Sollte sich trotz aller Akribie in der Vorbereitung und im Projektmanagement etwas verzögern, haben wir durch umfassende Garantien in unseren Partnerverträgen, zum Beispiel mit den Herstellern und Errichtern unserer Anlagen, die bestmöglichen Vorkehrungen getroffen.“
Was macht die Windreich AG anders als wesentlich größere und finanzstärkere Konzerne? Diese haben teilweise bereits dreistellige Millionenbeträge im Hochseewindkraft-Geschäft verloren (lesen Sie dazu auch diesen Beitrag zum Offshore-Windkraftprojekt Bard Offshore 1) oder aus Angst vor schweren Verlusten Baustopps ausgerufen (So geschehen beim Dong-Energy-ProjektBorkum-Riffgrund 2)? „Wir sind Windkraftspezialisten und setzen voll auf die Offshore-Windkraft in der Nordsee. Insbesondere haben wir nicht parallel auf die Auslastung von umweltschädlichen deutschen Kohlekraftwerken zu achten“, führt Balz an: „Wir verfügen über eine schlanke Organisation, die schnelle Entscheidungen ermöglicht und müssen nicht monatelange Gremien-Prozesse durchlaufen, wenn eigentlich eine schnelle unternehmerische Reaktion notwendig ist“, fährt der Vorstandsvorsitzende fort.
Wenngleich Balz immer wieder betont, alle drei Vorhaben lägen „voll im Plan oder sogar davor“, so muss er doch Schwierigkeiten einräumen - und zwar beim Netzanschluss der Windfarm Deutsche Bucht. Denn der zuständige Netzbetreiber TenneT hinkt mit dem Bau des Umspannwerks hinterher. Deshalb kam es zum Rechtsstreit. Einvernehmlich beilegen konnte TenneT den Streit durch die unbedingte Zusage an Windreich, den Windpark per Bypass-Kabel an ein anderes Umspannwerk anzuschließen – das allerdings auch erst 2013 gebaut werden soll. Der entscheidende Unterschied: Während das eine Umspannwerk in der Planung feststeckt, ist das andere bereits beauftragt. Die Konsequenz: Anders als in älteren Verlautbarungen der Windreich AG rechnet Balz nunmehr damit, dass die Windfarm Deutsche Bucht „spätestens im Frühjahr 2016 den ersten Strom produzieren und einspeisen wird.“ Bislang war als Inbetriebnahme-Termin 2015 genannt worden. Für Balz ist sein Unternehmen damit „von den Netzanschlussproblemen anderer Parks kaum betroffen.“
„In unseren ersten Projekten liegen wir voll im Plan: Die Fundamente von Global Tech I werden derzeit so schnell wie möglich errichtet“, erläutert Balz. „Die Umspannplattform unserer Partner Alstom Grid und Keppel Verolme ist in Rotterdam im Frachthafen fertig zur Verschiffung und wird sobald wie möglich in den Windpark geschleppt. Ab April 2013 werden die ersten Anlagen von Global Tech I wie geplant ins Netz einspeisen“, geht er ins Detail. Bei geplanten Offshore-Windpark MEG 1 laufe die Vorbereitungsphase zum ab August 2013 geplanten Baustart auf Hochtouren.
Künftig zahlt in erster Linie die Allgemeinheit der Stromkunden über die EEG-Umlage, wenn Stromnetzanschlüsse von Offshore-Windkraftprojekten sich verzögern. So will es eine aktuelle Gesetzesvorlage, die jüngst den Bundesrat passierte. Dies gebe den Anlegern der Windreich AG zusätzliche Sicherheit, folgert Balz.
An der Börse Stuttgart, wo die Anleihen der Windreich AG schwerpunktmäßig gehandelt werden, scheint das Vertrauen in die beiden Windreich-Wertpapiere aktuell nicht sonderlich hoch zu sein. Beide notieren deutlich unter Ihren Ausgabekursen. Befragt zur Kursschwäche der Anleihe 2011/2016 sagt Balz: „Wir können uns leider auch nicht von der allgemeinen Nachrichtenlage zum Ausbau der Erneuerbaren Energien abkoppeln, sondern nur, soweit es uns möglich ist - ohne Hunderte von Lobby-Arbeitern in Berlin – Richtigstellung betreiben. Gleichwohl hat sich unsere Anleihe mittlerweile deutlich erholt und ist auf einem guten Weg. Die Anleger honorieren, dass unsere Projekte im Gegensatz zu denen der Konkurrenz planmäßig vorankommen.“
Die Windreich-Anleihe 2011/2016 wird seit längerem für knapp als die Hälfte des Ausgangswerts gehandelt. Den Handelstag vom 20. Dezember 2012 beschloss sie mit gerade einmal 41,53 Prozent. Mit nur 53 Prozent ihres Nominalwertes lag die Windreich-Anleihe 2010/2015 zum Handelsschluss des 20. Dezember 2012 auch nicht gerade so, dass sich Anleger, die zum Ausgabekurs eingestiegen sind, in vorweihnachtliche Stimmung versetzt fühlen dürften.
Wenn die Windreich AG bei ihren Offshore-Projekten erste Anlagen in Betrieb nimmt, kann es sich für Anleger lohnen, über ein Investment in die Anleihen nachzudenken. Bevor sich die Rotoren drehen, ist das Risiko für private Anleger, die ihr Erspartes aufbringen, jedoch unkalkulierbar. Natürlich: Eine Anleihe mit 6,5 Prozent Zinsversprechen für etwa die Hälfte des Ausgabekurses zu erwerben, das ist eine Spekulation auf eine wahre Rendite von ungefähr 13 Prozent. Aber trotz des festen Zinsversprechens: Eine solche Anleihe ist keine Bankeinlage, für die es eine Rückzahlungsgarantie gibt. Auch ein Verlust ist möglich. Das sollten Anleger bedenken, bei denen die Sicherheit Vorrang hat.