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Experten–Interview zum Best-in-class-Ansatz
Prof. Dr. Stefan Schaltegger begleitet das nachhaltige Investment seit vielen Jahren als Wissenschaftler. Er ist Leiter und Gründer des Centre for Sustainability Management (CSM) und des MBA Sustainability Management an der Leuphana Universität Lüneburg. ECOreporter befragte ihn zum Best-in-class-Ansatz nachhaltiger Fonds.
ECOreporter.de: Worin unterscheidet sich nach Ihrer Einschätzung das nachhaltige Investment von konventionellen Anlageprodukten? Was muss etwa ein Investmentfonds erfüllen, um zu Recht als nachhaltig zu firmieren?
Stefan Schaltegger: Nachhaltigkeitsinvestments sind themenbezogene Finanzanlagen, die den Anspruch erheben, nicht in unnachhaltige Firmen und Projekte zu investieren. Viele streben sogar an, ausschließlich in besonders nachhaltige Unternehmen und Projekte zu investieren. Dies erfordert eine Nachhaltigkeitsanalyse, die je den Nachhaltigkeitsanspruch der Investmentstrategie widerspiegelt. Nachhaltigkeitsratings und -analysen sind themenorientierte Beurteilungsansätze, die auf alle Finanzanlagen bezogen werden können. Man kann also auch die (Un-)Nachhaltigkeit eines konventionellen Investmentprodukts beurteilen. Bei Nachhaltigkeitsfonds wird neben der konventionellen Finanzanalyse zusätzlich eine Nachhaltigkeitsanalyse vorgenommen, die der Entscheidung hilft, in besonders nachhaltige Unternehmen oder Projekte zu investieren und unnachhaltige zu vermeiden. Diese Analyse muss seriös und glaubwürdig sein. Nachhaltiges Investment ohne eine differenzierte Nachhaltigkeitsanalyse ist kein nachhaltiges Investment. Wie bei der Finanzanalyse muss das Know-how dafür über Jahre aufgebaut werden.
ECOreporter.de: Inwiefern kann das nachhaltige Investment nachweisbar den Anspruch erfüllen, soziale und ökologische Fortschritte anzustoßen, die über das hinausgehen, was ohnehin geschehen würde?
Schaltegger: Die Auswirkungen lassen sich nicht in Cent oder Tonnen messen. Aber wir sehen, dass durch nachhaltige Investments und Nachhaltigkeitsanalysen beobachtbare Prozesse angestoßen werden, die erstens über die gesetzlichen Anforderungen weit hinausgehen und zweitens Entscheidungsträger ansprechen, die sich sonst nicht so intensiv mit Nachhaltigkeit befassen. Unternehmensvertreter bis in das Topmanagement streben danach, ihr Unternehmen in Nachhaltigkeitsindices und -fonds zu bekommen. Nachhaltigkeitsratings und die Aufnahme in einen Nachhaltigkeitsfonds liefern Motivation und Orientierung, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Die in Sachen Nachhaltigkeit führenden Unternehmen, die Leader, erhalten durch gute Nachhaltigkeitsratings eine Bestätigung. Darüber hinaus erhalten die bereits eingerichteten Nachhaltigkeitsabteilungen und die Befürworter von Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit in den Unternehmen Auftrieb. Ihre Position wird durch die mit nachhaltigen Investments einhergehenden Prozesse gestärkt.
Viele große Unternehmen führen regelmäßig und systematisch interne Selbstchecks anhand der von Analysten verwendeten Nachhaltigkeitskriterien durch. Damit werden Impulse für weitere Verbesserungen gegeben. Dass Finanzakteure auf Nachhaltigkeitsthemen achten, hat in den Führungsetagen Denkprozesse angestoßen, die sich auch in den Unternehmensstrategien, der Produktgestaltung, dem Risikomanagement und der Kommunikation wiederspiegeln. Nachhaltigkeitsratings und -investments spielen diesbezüglich schon eine bedeutende Rolle.
Diese Wirkungen sind allerdings alle indirekt und deshalb nicht immer einfach verständlich. Direktere Nachhaltigkeitswirkungen können mit Direktinvestments in zum Beispiel regenerative Energien oder soziale Projekte erzielt und sichtbar gemacht werden.
ECOreporter.de: Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen sicherstellen, ihr Nachhaltigkeitspotential wirksam zu entfalten? Ab wann sind solche Bemühungen mehr als nur ein Feigenblatt?
Schaltegger: Seriöses, systematisches Nachhaltigkeitsmanagement zeichnet sich durch die Verbindung von Umwelt- und Sozialmaßnahmen mit dem Kerngeschäft aus, anstatt dass Parallel- und Korrekturmaßnahmen eingeführt werden, die das eigentliche Geschäft im Nachhinein versuchen etwas "sauberer" zu machen oder darzustellen. Dazu gehört mehr, als einen Nachhaltigkeitsbericht herauszugeben und Philanthropie zu betreiben. Vielmehr muss das Geschäftsmodell aus Nachhaltigkeitssicht überdacht und weiterentwickelt werden.
Leitlinien wie die der Global Reporting Initiative für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Kriterien der Nachhaltigkeitsanalysten liefern ökologische und soziale Indikatoren, die eine kriteriengestützte Orientierung und Weiterentwicklung der Organisation erlauben. Nachhaltige Entwicklung ist eine Daueraufgabe. Zwischen dem Extrem des Feigenblatts und der ambitionierten Umsetzung von Nachhaltigkeit spannt sich ein Spektrum auf. Wer auf „Quick Fixes“ hofft und mit ein bisschen Spenden und Kommunizieren aufwartet, ist sicherlich am einen Ende, wer das Geschäftsmodell so ausgestaltet, dass mit jedem Umsatzeuro ein substanziellen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft leistet, befindet sich am anderen Ende.
ECOreporter.de: Viele Nachhaltigkeitsfonds orientieren sich am so genannten Best-in-Class-Ansatz? Wie funktioniert dieser Ansatz, was unterscheidet ihn von anderen nachhaltigen Auswahlstrategien?
Schaltegger: Von Portfoliomanagern, auch von Managern von Nachhaltigkeitsfonds, wird erwartet, dass sie im Rahmen der Anlagestrategie das Risiko reduzieren und Erträge steigern. Deshalb diversifizieren sie die Investments. Der best-in-class Ansatz folgt dem Prinzip, in die nachhaltigsten (oder am wenigsten unnachhaltigen) jeder Branche zu investieren. Der Ansatz eröffnet damit Möglichkeiten, in viele zu Branchen diversifizieren und pro Branche die jeweils nachhaltigsten und ertragsstärksten auszuwählen. Ein weiterer Aspekt ist die Marktkapitalisierung der Unternehmen. In Deutschland sind zum Beispiel die Automobilhersteller in dieser Hinsicht eine so dominante Größe, dass man sie als Portfoliomanager nicht ignorieren möchte. Das ist von Region zu Region unterschiedlich. Was hier die Automobilindustrie, ist etwa in der Schweiz die Finanz- und Pharmabranche.
Durch den best-in-class Ansatz soll mit der Auswahl der Nachhaltigkeitsbesten ein Anreiz geschaffen werden, dass sich eine Branche voran bewegt. Durch die Brancheneinteilung ist auch eine bessere Vergleichbarkeit der Unternehmen gegeben. Die direkten Nachhaltigkeitswirkungen eines Finanzinstituts können ja nicht mit denen eines Automobilkonzerns verglichen werden. Die Brancheneinteilung ermöglicht einen faireren Vergleich zwischen Unternehmen, besonders gegenüber Problembranchen.
Der große Nachteil des best-in-class Ansatzes ist natürlich, dass auch ein Unternehmen mit großer Umwelt- und Sozialbelastung das nachhaltigkeitsbeste Unternehmen seiner Branche sein kann. Dieses Unternehmen ist dann der am wenigsten Unnachhaltige einer unnachhaltigen Branche. Ein solches Investment ist insbesondere aus rein ökologischer oder sozialer Sicht oft nur schwer nachzuvollziehen. Zu bedenken ist allerdings, dass gerade in Branchen, die als relativ unnachhaltig gelten, wie die Energie-, Automobil-, Chemie- oder Ölbranche, das größte Potential liegt, die meisten Nachhaltigkeitsfortschritte zu erzielen.
Es gibt auch bestimmte Unternehmen oder Branchen, die zu weit von einer nachhaltigen Entwicklung entfernt sind. Diese sollten - zumindest solange keine nennenswerten Fortschritte erzielt werden - von einem nachhaltigen Investment ausgeschlossen werden. Eine Möglichkeit besteht darin, das best-in-class Prinzip mit bestimmten Ausschlusskriterien zu kombinieren. Eine andere Möglichkeit ist der Best-of-Class-Ansatz, der sich aus einer Beurteilung der Nachhaltigkeit einer Branche und einer Beurteilung der Nachhaltigkeit der Unternehmen in der Branche zusammensetzt. Dabei kann man zu dem Ergebnis kommen, das der Nachhaltigkeitsbeste noch immer zu schlecht ist, um ausgewählt zu werden. Diese Ansicht vertreten zum Beispiel viele für die Öl- und Automobilbranche.
Letztendlich muss der Anleger entscheiden, ob ihn die jeweilige Kombination überzeugt. So gibt es zum Beispiel aus meiner Sicht keine nachhaltige Rüstung. Aber es gibt auch Anleger, die Rüstungsfirmen akzeptieren, etwa weil sie ihrer Meinung nach einem Staat die Verteidigung und Friedenssicherung ermöglichen. In diesem Bereich könnte sich meines Erachtens nur ein Friedensinstitut für ein nachhaltiges Investment qualifizieren, das mit einem guten Geschäftsmodell ökonomisch erfolgreich ist.
ECOreporter.de: Wer hat den Best-in-Class-Ansatz eigentlich für Nachhaltigkeitsfonds entwickelt, wie kam es dazu?
Schaltegger: Der Ansatz wurde als Alternative zu einem Branchenfonds, der in Umwelttechnologieunternehmen investiert, vorgeschlagen und von der Bank Sarasin weltweit erstmals als Öko-Effizienzfonds angeboten. Dies war eine substanzielle Innovation, da erstens mit der Weiterentwicklung integrierter Umwelttechnologien immer unklarer wurde, welche Unternehmen der Umwelttechnologiebranche zuzurechnen sind und zweitens es bei nachhaltiger Entwicklung darum geht, die Nachhaltigkeit aller Unternehmen zu verbessern. Wenige Jahre danach haben andere Finanzinstitute wie Sustainable Asset Management (SAM) und der Schweizerische Bankverein (heute UBS) ähnliche Finanzprodukte angeboten. Sarasin hat ihren Ansatz dann zu einem Best-of-Class-Ansatz weiterentwickelt, so dass in bestimmte Branchen nicht investiert wird, während viele andere bis heute beim Best-in-Class-Ansatz geblieben sind.
ECOreporter.de: In Nachhaltigkeitsfonds mit dem Best-in-Class-Ansatz finden sich Aktien von Autokonzernen, AKW-Betreibern, umstrittenen Finanzkonzernen und Luftfahrtgesellschaften. Kann das Investment in solche Aktien nachhaltig sein?
Schaltegger: Nachhaltig sein oder Anregung liefern, nachhaltig zu werden, ist die wesentliche Frage. Was ist das Ziel? Gerade unnachhaltige Branchen und Unternehmen haben oft die größten Verbesserungspotenziale. Während ich einigen, derzeit sicherlich noch nicht nachhaltigen Automobil- und Luftfahrtunternehmen trotz ihrer hohen Umweltbelastungen ernsthafte Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit attestieren würde, erachte ich dies bei AKW-Betreibern als illusorisch. Die Bewertung der Kernkraft sieht in Frankreich aber selbst bei Umweltschutzorganisationen deutlich anders aus. Aufgrund der unterschiedlichen Nachhaltigkeitsvorstellungen sollte die Forderung darin bestehen, dass das Nachhaltigkeitskonzept eines Fonds möglichst transparent und explizit kommuniziert wird. Dann können Anleger entscheiden, was ihren Vorstellungen entspricht.
ECOreporter.de: In den letzten Jahren hat es für Unmut gesorgt, dass in Nachhaltigkeitsfonds Aktien von Skandal-Unternehmen gefunden wurden: so war die Aktie von BP zur Zeit der von ihr zu verantwortenden Ölpest im Golf von Mexiko in etlichen Nachhaltigkeitsfonds mit dem Best-in-Class-Ansatz enthalten und zur Zeit von Fukushima sogar die Aktie des japanischen Atomkonzerns Tepco? Wie bewerten Sie das? Ist es bei Best-in-Class-Fonds letztlich unvermeidlich, dass auch sehr große Umweltsünder oder andere Firmen mit starken Nachhaltigkeitsdefiziten ins Portfolio gelangen?
Schaltegger: Dies ist aus meiner Sicht ein großes Problem und lässt sich nur aus der Logik des Best-in-Class-Ansatzes erklären.
Ja, es ist unvermeidlich, dass Umweltsünder in das Portfolio gelangen können, wenn der Best-in-Class-Ansatz konsequent umgesetzt wird, es sei denn man verbindet den Best-in-Class-Ansatz mit Ausschlusskriterien. Dies hat aber den Nachteil, dass dieser Branche keinerlei Anreiz gegeben wird, sich zu verbessern. Deshalb erachte ich den Best-of-class Ansatz, also eine Nachhaltigkeitsbeurteilung der Branche kombiniert mit einer Unternehmensbeurteilung, als sinnvoller.
ECOreporter.de: Wirft eine solche Praxis nicht ein schlechtes Licht auf den gesamten Bereich des nachhaltigen Investments?
Schaltegger: Ja und das kann ich auch nachvollziehen. Es ist aber bedauerlich, da meist keine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Konzepten der Nachhaltigkeitsanalyse und des Nachhaltigkeitsinvestments gemacht wird. Nachhaltigkeitsinvestments haben insgesamt wichtige Impulse für nachhaltiges Wirtschaften geliefert und es wäre problematisch, dies zu übersehen und alle Ansätze in den gleichen Topf zu werfen. Es ist zu hoffen, dass die Anbieter, die ausschließlich auf Best-in-Class gesetzt haben, entsprechende Konsequenzen für die Weiterentwicklung ihrer Konzepte ziehen.
ECOreporter.de: Vor rund zehn Jahren war der Best-in-Class-Ansatz für Nachhaltigkeitsfonds eine Innovation. Welche weitere Entwicklung sehen Sie?
Schaltegger: Ich bin ein klarer Verfechter des Best-of-Class-Konzepts. Dieser ermöglicht den Ausschluss zum Beispiel der Ölbranche und von Kernkraftwerken aufgrund ihrer großen Unnachhaltigkeit. Ein Investment in solche Branchen könnte auch mit Ausschlusskriterien erreicht werden. Der Best-of-Class-Ansatz hat gegenüber einfachen Ausschlusskriterien allerdings den Vorteil, dass im Prinzip einem außerordentlich nachhaltigen Unternehmen in einer unnachhaltigen Branche, die Chance gegeben wird, sich für einen Nachhaltigkeitsfonds zu qualifizieren. Diese Option erscheint mir sehr wertvoll zu sein, da wir gerade in diesen Branchen große Fortschritte benötigen.
Ich würde mir deshalb wünschen, dass der Best-in-Class-Ansatz an Bedeutung verliert und vermehrt durch einen Best-of-Class-Ansatz substituiert wird. Wesentliche Weiterentwicklungspotenziale sehe in der Beantwortung der Frage, was die genauen Wirkungen eines Unternehmens für eine Nachhaltigkeitstransformation von Wirtschaft und Gesellschaft sind.
ECOreporter.de: Herr Schaltegger, wir danken Ihnen für das Gespräch.
ECOreporter.de: Worin unterscheidet sich nach Ihrer Einschätzung das nachhaltige Investment von konventionellen Anlageprodukten? Was muss etwa ein Investmentfonds erfüllen, um zu Recht als nachhaltig zu firmieren?
Stefan Schaltegger: Nachhaltigkeitsinvestments sind themenbezogene Finanzanlagen, die den Anspruch erheben, nicht in unnachhaltige Firmen und Projekte zu investieren. Viele streben sogar an, ausschließlich in besonders nachhaltige Unternehmen und Projekte zu investieren. Dies erfordert eine Nachhaltigkeitsanalyse, die je den Nachhaltigkeitsanspruch der Investmentstrategie widerspiegelt. Nachhaltigkeitsratings und -analysen sind themenorientierte Beurteilungsansätze, die auf alle Finanzanlagen bezogen werden können. Man kann also auch die (Un-)Nachhaltigkeit eines konventionellen Investmentprodukts beurteilen. Bei Nachhaltigkeitsfonds wird neben der konventionellen Finanzanalyse zusätzlich eine Nachhaltigkeitsanalyse vorgenommen, die der Entscheidung hilft, in besonders nachhaltige Unternehmen oder Projekte zu investieren und unnachhaltige zu vermeiden. Diese Analyse muss seriös und glaubwürdig sein. Nachhaltiges Investment ohne eine differenzierte Nachhaltigkeitsanalyse ist kein nachhaltiges Investment. Wie bei der Finanzanalyse muss das Know-how dafür über Jahre aufgebaut werden.
ECOreporter.de: Inwiefern kann das nachhaltige Investment nachweisbar den Anspruch erfüllen, soziale und ökologische Fortschritte anzustoßen, die über das hinausgehen, was ohnehin geschehen würde?
Schaltegger: Die Auswirkungen lassen sich nicht in Cent oder Tonnen messen. Aber wir sehen, dass durch nachhaltige Investments und Nachhaltigkeitsanalysen beobachtbare Prozesse angestoßen werden, die erstens über die gesetzlichen Anforderungen weit hinausgehen und zweitens Entscheidungsträger ansprechen, die sich sonst nicht so intensiv mit Nachhaltigkeit befassen. Unternehmensvertreter bis in das Topmanagement streben danach, ihr Unternehmen in Nachhaltigkeitsindices und -fonds zu bekommen. Nachhaltigkeitsratings und die Aufnahme in einen Nachhaltigkeitsfonds liefern Motivation und Orientierung, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Die in Sachen Nachhaltigkeit führenden Unternehmen, die Leader, erhalten durch gute Nachhaltigkeitsratings eine Bestätigung. Darüber hinaus erhalten die bereits eingerichteten Nachhaltigkeitsabteilungen und die Befürworter von Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit in den Unternehmen Auftrieb. Ihre Position wird durch die mit nachhaltigen Investments einhergehenden Prozesse gestärkt.
Viele große Unternehmen führen regelmäßig und systematisch interne Selbstchecks anhand der von Analysten verwendeten Nachhaltigkeitskriterien durch. Damit werden Impulse für weitere Verbesserungen gegeben. Dass Finanzakteure auf Nachhaltigkeitsthemen achten, hat in den Führungsetagen Denkprozesse angestoßen, die sich auch in den Unternehmensstrategien, der Produktgestaltung, dem Risikomanagement und der Kommunikation wiederspiegeln. Nachhaltigkeitsratings und -investments spielen diesbezüglich schon eine bedeutende Rolle.
Diese Wirkungen sind allerdings alle indirekt und deshalb nicht immer einfach verständlich. Direktere Nachhaltigkeitswirkungen können mit Direktinvestments in zum Beispiel regenerative Energien oder soziale Projekte erzielt und sichtbar gemacht werden.
ECOreporter.de: Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen sicherstellen, ihr Nachhaltigkeitspotential wirksam zu entfalten? Ab wann sind solche Bemühungen mehr als nur ein Feigenblatt?
Schaltegger: Seriöses, systematisches Nachhaltigkeitsmanagement zeichnet sich durch die Verbindung von Umwelt- und Sozialmaßnahmen mit dem Kerngeschäft aus, anstatt dass Parallel- und Korrekturmaßnahmen eingeführt werden, die das eigentliche Geschäft im Nachhinein versuchen etwas "sauberer" zu machen oder darzustellen. Dazu gehört mehr, als einen Nachhaltigkeitsbericht herauszugeben und Philanthropie zu betreiben. Vielmehr muss das Geschäftsmodell aus Nachhaltigkeitssicht überdacht und weiterentwickelt werden.
Leitlinien wie die der Global Reporting Initiative für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Kriterien der Nachhaltigkeitsanalysten liefern ökologische und soziale Indikatoren, die eine kriteriengestützte Orientierung und Weiterentwicklung der Organisation erlauben. Nachhaltige Entwicklung ist eine Daueraufgabe. Zwischen dem Extrem des Feigenblatts und der ambitionierten Umsetzung von Nachhaltigkeit spannt sich ein Spektrum auf. Wer auf „Quick Fixes“ hofft und mit ein bisschen Spenden und Kommunizieren aufwartet, ist sicherlich am einen Ende, wer das Geschäftsmodell so ausgestaltet, dass mit jedem Umsatzeuro ein substanziellen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft leistet, befindet sich am anderen Ende.
ECOreporter.de: Viele Nachhaltigkeitsfonds orientieren sich am so genannten Best-in-Class-Ansatz? Wie funktioniert dieser Ansatz, was unterscheidet ihn von anderen nachhaltigen Auswahlstrategien?
Schaltegger: Von Portfoliomanagern, auch von Managern von Nachhaltigkeitsfonds, wird erwartet, dass sie im Rahmen der Anlagestrategie das Risiko reduzieren und Erträge steigern. Deshalb diversifizieren sie die Investments. Der best-in-class Ansatz folgt dem Prinzip, in die nachhaltigsten (oder am wenigsten unnachhaltigen) jeder Branche zu investieren. Der Ansatz eröffnet damit Möglichkeiten, in viele zu Branchen diversifizieren und pro Branche die jeweils nachhaltigsten und ertragsstärksten auszuwählen. Ein weiterer Aspekt ist die Marktkapitalisierung der Unternehmen. In Deutschland sind zum Beispiel die Automobilhersteller in dieser Hinsicht eine so dominante Größe, dass man sie als Portfoliomanager nicht ignorieren möchte. Das ist von Region zu Region unterschiedlich. Was hier die Automobilindustrie, ist etwa in der Schweiz die Finanz- und Pharmabranche.
Durch den best-in-class Ansatz soll mit der Auswahl der Nachhaltigkeitsbesten ein Anreiz geschaffen werden, dass sich eine Branche voran bewegt. Durch die Brancheneinteilung ist auch eine bessere Vergleichbarkeit der Unternehmen gegeben. Die direkten Nachhaltigkeitswirkungen eines Finanzinstituts können ja nicht mit denen eines Automobilkonzerns verglichen werden. Die Brancheneinteilung ermöglicht einen faireren Vergleich zwischen Unternehmen, besonders gegenüber Problembranchen.
Der große Nachteil des best-in-class Ansatzes ist natürlich, dass auch ein Unternehmen mit großer Umwelt- und Sozialbelastung das nachhaltigkeitsbeste Unternehmen seiner Branche sein kann. Dieses Unternehmen ist dann der am wenigsten Unnachhaltige einer unnachhaltigen Branche. Ein solches Investment ist insbesondere aus rein ökologischer oder sozialer Sicht oft nur schwer nachzuvollziehen. Zu bedenken ist allerdings, dass gerade in Branchen, die als relativ unnachhaltig gelten, wie die Energie-, Automobil-, Chemie- oder Ölbranche, das größte Potential liegt, die meisten Nachhaltigkeitsfortschritte zu erzielen.
Es gibt auch bestimmte Unternehmen oder Branchen, die zu weit von einer nachhaltigen Entwicklung entfernt sind. Diese sollten - zumindest solange keine nennenswerten Fortschritte erzielt werden - von einem nachhaltigen Investment ausgeschlossen werden. Eine Möglichkeit besteht darin, das best-in-class Prinzip mit bestimmten Ausschlusskriterien zu kombinieren. Eine andere Möglichkeit ist der Best-of-Class-Ansatz, der sich aus einer Beurteilung der Nachhaltigkeit einer Branche und einer Beurteilung der Nachhaltigkeit der Unternehmen in der Branche zusammensetzt. Dabei kann man zu dem Ergebnis kommen, das der Nachhaltigkeitsbeste noch immer zu schlecht ist, um ausgewählt zu werden. Diese Ansicht vertreten zum Beispiel viele für die Öl- und Automobilbranche.
Letztendlich muss der Anleger entscheiden, ob ihn die jeweilige Kombination überzeugt. So gibt es zum Beispiel aus meiner Sicht keine nachhaltige Rüstung. Aber es gibt auch Anleger, die Rüstungsfirmen akzeptieren, etwa weil sie ihrer Meinung nach einem Staat die Verteidigung und Friedenssicherung ermöglichen. In diesem Bereich könnte sich meines Erachtens nur ein Friedensinstitut für ein nachhaltiges Investment qualifizieren, das mit einem guten Geschäftsmodell ökonomisch erfolgreich ist.
ECOreporter.de: Wer hat den Best-in-Class-Ansatz eigentlich für Nachhaltigkeitsfonds entwickelt, wie kam es dazu?
Schaltegger: Der Ansatz wurde als Alternative zu einem Branchenfonds, der in Umwelttechnologieunternehmen investiert, vorgeschlagen und von der Bank Sarasin weltweit erstmals als Öko-Effizienzfonds angeboten. Dies war eine substanzielle Innovation, da erstens mit der Weiterentwicklung integrierter Umwelttechnologien immer unklarer wurde, welche Unternehmen der Umwelttechnologiebranche zuzurechnen sind und zweitens es bei nachhaltiger Entwicklung darum geht, die Nachhaltigkeit aller Unternehmen zu verbessern. Wenige Jahre danach haben andere Finanzinstitute wie Sustainable Asset Management (SAM) und der Schweizerische Bankverein (heute UBS) ähnliche Finanzprodukte angeboten. Sarasin hat ihren Ansatz dann zu einem Best-of-Class-Ansatz weiterentwickelt, so dass in bestimmte Branchen nicht investiert wird, während viele andere bis heute beim Best-in-Class-Ansatz geblieben sind.
ECOreporter.de: In Nachhaltigkeitsfonds mit dem Best-in-Class-Ansatz finden sich Aktien von Autokonzernen, AKW-Betreibern, umstrittenen Finanzkonzernen und Luftfahrtgesellschaften. Kann das Investment in solche Aktien nachhaltig sein?
Schaltegger: Nachhaltig sein oder Anregung liefern, nachhaltig zu werden, ist die wesentliche Frage. Was ist das Ziel? Gerade unnachhaltige Branchen und Unternehmen haben oft die größten Verbesserungspotenziale. Während ich einigen, derzeit sicherlich noch nicht nachhaltigen Automobil- und Luftfahrtunternehmen trotz ihrer hohen Umweltbelastungen ernsthafte Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit attestieren würde, erachte ich dies bei AKW-Betreibern als illusorisch. Die Bewertung der Kernkraft sieht in Frankreich aber selbst bei Umweltschutzorganisationen deutlich anders aus. Aufgrund der unterschiedlichen Nachhaltigkeitsvorstellungen sollte die Forderung darin bestehen, dass das Nachhaltigkeitskonzept eines Fonds möglichst transparent und explizit kommuniziert wird. Dann können Anleger entscheiden, was ihren Vorstellungen entspricht.
ECOreporter.de: In den letzten Jahren hat es für Unmut gesorgt, dass in Nachhaltigkeitsfonds Aktien von Skandal-Unternehmen gefunden wurden: so war die Aktie von BP zur Zeit der von ihr zu verantwortenden Ölpest im Golf von Mexiko in etlichen Nachhaltigkeitsfonds mit dem Best-in-Class-Ansatz enthalten und zur Zeit von Fukushima sogar die Aktie des japanischen Atomkonzerns Tepco? Wie bewerten Sie das? Ist es bei Best-in-Class-Fonds letztlich unvermeidlich, dass auch sehr große Umweltsünder oder andere Firmen mit starken Nachhaltigkeitsdefiziten ins Portfolio gelangen?
Schaltegger: Dies ist aus meiner Sicht ein großes Problem und lässt sich nur aus der Logik des Best-in-Class-Ansatzes erklären.
Ja, es ist unvermeidlich, dass Umweltsünder in das Portfolio gelangen können, wenn der Best-in-Class-Ansatz konsequent umgesetzt wird, es sei denn man verbindet den Best-in-Class-Ansatz mit Ausschlusskriterien. Dies hat aber den Nachteil, dass dieser Branche keinerlei Anreiz gegeben wird, sich zu verbessern. Deshalb erachte ich den Best-of-class Ansatz, also eine Nachhaltigkeitsbeurteilung der Branche kombiniert mit einer Unternehmensbeurteilung, als sinnvoller.
ECOreporter.de: Wirft eine solche Praxis nicht ein schlechtes Licht auf den gesamten Bereich des nachhaltigen Investments?
Schaltegger: Ja und das kann ich auch nachvollziehen. Es ist aber bedauerlich, da meist keine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Konzepten der Nachhaltigkeitsanalyse und des Nachhaltigkeitsinvestments gemacht wird. Nachhaltigkeitsinvestments haben insgesamt wichtige Impulse für nachhaltiges Wirtschaften geliefert und es wäre problematisch, dies zu übersehen und alle Ansätze in den gleichen Topf zu werfen. Es ist zu hoffen, dass die Anbieter, die ausschließlich auf Best-in-Class gesetzt haben, entsprechende Konsequenzen für die Weiterentwicklung ihrer Konzepte ziehen.
ECOreporter.de: Vor rund zehn Jahren war der Best-in-Class-Ansatz für Nachhaltigkeitsfonds eine Innovation. Welche weitere Entwicklung sehen Sie?
Schaltegger: Ich bin ein klarer Verfechter des Best-of-Class-Konzepts. Dieser ermöglicht den Ausschluss zum Beispiel der Ölbranche und von Kernkraftwerken aufgrund ihrer großen Unnachhaltigkeit. Ein Investment in solche Branchen könnte auch mit Ausschlusskriterien erreicht werden. Der Best-of-Class-Ansatz hat gegenüber einfachen Ausschlusskriterien allerdings den Vorteil, dass im Prinzip einem außerordentlich nachhaltigen Unternehmen in einer unnachhaltigen Branche, die Chance gegeben wird, sich für einen Nachhaltigkeitsfonds zu qualifizieren. Diese Option erscheint mir sehr wertvoll zu sein, da wir gerade in diesen Branchen große Fortschritte benötigen.
Ich würde mir deshalb wünschen, dass der Best-in-Class-Ansatz an Bedeutung verliert und vermehrt durch einen Best-of-Class-Ansatz substituiert wird. Wesentliche Weiterentwicklungspotenziale sehe in der Beantwortung der Frage, was die genauen Wirkungen eines Unternehmens für eine Nachhaltigkeitstransformation von Wirtschaft und Gesellschaft sind.
ECOreporter.de: Herr Schaltegger, wir danken Ihnen für das Gespräch.