Erneuerbare Energie

14.1.2005: "Wagnisfinanzierer wollen eine Mischung aus ambitionierten Zielen und kluger Selbstbeschr?nkung sehen" - ECOreporter.de-Interview mit Dr. Rolf W?stenhagen, Universit?t St. Gallen

Seit einigen Wochen berichtet ECOreporter.de schwerpunktm??ig ?ber das Engagement von Private Equity und Wagniskapitalgesellschaften im Bereich der Erneuerbare Energien. Lesen Sie dazu heute ein Interview mit Dr. Rolf W?stenhagen, Dozent an der Universit?t St. Gallen, Vize-Direktor des Instituts für Wirtschaft und ?kologie (IW?-HSG) und von 2000 bis 2003 Energy und Private Equity Analyst bei SAM Sustainable Asset Management in Z?rich. Welche Technologien im Bereich der Erneuerbaren Energien haben das gr??te Potential? Was erwarten Venture Capital Investoren von jungen Unternehmen, wo liegen die besonderen Probleme dieser Engagements? Rolf W?stenhagen gibt umfassend Antwort.


ECOreporter.de: Herr W?stenhagen, welche Technologien im Bereich der Erneuerbaren haben aus Ihrer Sicht heute das gr??te Nutzungspotential?

Rolf W?stenhagen: Windenergie ist unter den erneuerbaren Energie diejenige Technologie, die bereits den gr??ten Fortschritt auf dem Weg von der Nische zum Massenmarkt gemacht hat. An guten Standorten ist Strom aus Windenergie heute praktisch wettbewerbsf?hig mit neuen fossil befeuerten Kraftwerken.
Von den anderen erneuerbaren Energien haben Biomasse, Geothermie, Solarenergie und Wellenenergie alle noch gro?e Potentiale vor sich, wobei die Attraktivit?t von Standort zu Standort unterschiedlich ist. S?dliche L?nder sind pr?destiniert für Strom und W?rmegewinnung aus Sonnenenergie. Auch bei uns sind solarthermische Anlagen schon heute in vielen F?llen eine gute Investition.
Biomasse empfiehlt sich insbesondere in Anlagen zur dezentralen Kraft-W?rme-Kopplung. Geothermie wird heute vor allem in Island, Kalifornien und Italien genutzt. Der Charme der Geothermie ist ihre F?higkeit, rund um die Uhr Grundlast bereitzustellen. Die Wellenenergie-Nutzung steht noch am Anfang, bietet sich jedoch in vielen K?stenregionen als Erg?nzung zur Windenergie an, beispielsweise in Schottland oder Portugal. Firmen wie zum Beispiel Ocean Power Delivery aus Edinburgh haben hier in letzter Zeit gro?e technologische Fortschritte gemacht (Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag vom 11. Januar).


ECOreporter.de: Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht das Engagement der Venture Capital Unternehmen (VC) im Bereich der Erneuerbaren Energien aktuell?

W?stenhagen: Im Jahr 2003 wurden weltweit 526 Millionen Dollar Venture Capital im Bereich nachhaltige Energie investiert. Dies umfasst nicht nur erneuerbare Energien, sondern das gesamte Spektrum nicht-fossiler und nicht-nuklearer Energieerzeugung, -umwandlung und -nutzung.


ECOreporter.de: Welche Techniken bieten die besten Aussichten und interessantesten Gewinnmargen für VC-Investoren?

W?stenhagen: Die Renditechancen von VC-Investitionen h?ngen von verschiedenen Faktoren ab. Neben der Attraktivit?t der Technologie spielen auch firmenspezifische Faktoren eine gro?e Rolle, und schlie?lich die Entwicklung der Finanzm?rkte, die für den einzelnen Investor kaum zu beeinflussen ist. Insofern ist es kaum m?glich, eine zuverl?ssige Prognose ?ber die Attraktivit?t einzelner Technologien zu machen. In der Tendenz sind Technologien im mittleren Bereich der Diffusionskurve besonders attraktiv, das hei?t jene, die nicht mehr im ganz fr?hen Stadium der Entwicklung stehen, aber auch noch nicht den Durchbruch auf dem Massenmarkt geschafft haben. Insofern ist beispielsweise der Bau von Windturbinen heute kein Venture Capital-Gesch?ft mehr.
Early-stage Technologies, wie etwa die Entwicklung nanotechnologischer Materialien für Solarzellen der dritten Generation, sind demgegen?ber noch nicht attraktiv für Venture Capital, au?er für einige spezialisierte Early-stage Funds, die das hohe Risiko entsprechend diversifizieren. Im spannenden Mittelfeld finden sich beispielsweise Wellen- und Meeresstr?mungskraftwerke, aber auch Techniken im Bereich der Kraft-W?rme-Kopplung (etwa Stirlingmotoren) oder der Energieeffizienz (etwa im Bereich der K?lteversorgung). Brennstoffzellen werden von vielen Venture Capitalists mit viel Hoffnung verfolgt, und einer der spektakul?rsten VC-Exits mit mehren tausend Prozent j?hrlicher Rendite war die Brennstoffzellen-Firma Plug Power in den USA, doch war hier auch ein gewisser Hype am Werk.


ECOreporter.de: Wo liegen die Hauptschwierigkeiten von Venture Capital Investments im Bereich der Erneuerbaren Energien?

W?stenhagen: Eine Hauptschwierigkeit ist es, dass erneuerbare Energien heute in vielen Bereichen ein dringendes gesellschaftliches Problem l?sen (Treibhauseffekt, Importabh?ngigkeit), aber dass der konkrete Kundennutzen nur in wenigen F?llen gegeben ist. Das f?hrt dazu, dass Regierungen auf aller Welt versuchen, erneuerbare Energien zu f?rdern, dass aber der Endkunde nur selten vor Sehnsucht nach diesem Produkt vergeht. Das ist in klassischen VC-Bereichen wie Telekommunikation oder Biotechnologie anders: F?r neue Ger?te für die mobile Kommunikation oder neue Arzneimittel zur Heilung schwerer Krankheiten gibt es einen offensichtlichen Markt mit sehr hoher Zahlungsbereitschaft. Nun verstehen die meisten VCs sehr viel von Marketing im klassischen Bereich, sie sehen hingegen die F?rderprogramme für erneuerbare Energien oft als unkalkulierbares Risiko an. Das f?hrt dazu, dass man entweder komplett die Finger vom Energiesektor l?sst, oder sich auf Technologien fokussiert, die auch ohne staatliche Unterst?tzung Kunden finden - ein Beispiel ist die Anwendung von Solarzellen zur Beleuchtung von Bushaltestellen, die wegen der hohen Kosten für den Bau neuer Stromleitungen in Innenst?dten heute schon wettbewerbsf?hig ist.

Ein zweiter Aspekt ist die Kapitalintensit?t von neuen Energietechnologien. Eine neue Brennstoffzelle zu entwickeln kostet schnell einmal mehrere hundert Millionen Euro, typische VC-Investitionen im einstelligen Millionenbereich sind da schnell einmal ein Tropfen auf den hei?en Stein. Das ist dann kein Problem, wenn es einen etablierten Exitkanal gibt wie beispielsweise in der Pharmabranche. Auch hier ist die Entwicklung neuer Arzneimittel sehr kapitalintensiv, doch sind die gro?en Unternehmen der Branche gewohnt, einen Teil ihrer Forschung und Entwicklung durch den Zukauf von Technologien aus Jungunternehmen abzuwickeln, auch wenn diese Technologien noch nicht marktreif sind. In der Energiebranche fehlt bislang diese externe Innovationsorientierung bei den gro?en Unternehmen der Branche. Zu den wenigen Ausnahmen geh?rt beispielsweise General Electric (GE), die in den letzten Jahren durch den Zukauf von Firmen wie Enron Wind, Astropower und Jenbacher ihr Portfolio von Kraftwerkstechnologien gezielt in Richtung erneuerbare Energie weiterentwickelt hat.


ECOreporter.de: Gibt es in diesem Zusammenhang gro?e Unterschiede zwischen der deutschen VC-Branche und den Kollegen in den USA oder Gro?britannien?

W?stenhagen: Das Ausma? an VC-Invesitionen im Energietechnologiebereich ist heute in Deutschland kleiner als in den USA oder Gro?britannien. Eine besondere Chance liegt jedoch in den klaren Zielen und Ma?nahmen zur F?rderung erneuerbarer Energien und des Klimaschutzes, dies insbesondere im Unterschied zu den USA. Wie oben gesagt kann man diesen politischen R?ckenwind nicht 1:1 in Wachstumsraten auf dem VC-Markt ?bersetzen, doch mehren sich die Stimmen auch aus Mainstream-Venture Capital-H?usern, die hierin eine einzigartige Chance des Standortes Deutschland sehen.

Was den anderen bereits genannten Punkt, die mangelnde Innovationsorientierung der gro?en Unternehmen der Energiebranche, anbelangt, so gibt es in Deutschland unterschiedliche Tendenzen. Ein ermutigendes Zeichen ist es, dass Siemens zweieinhalb Jahre nach dem Konkurrenten GE nun durch die Akquisition von Bonus ebenfalls in den Windenergie-Sektor eingestiegen ist. Auch die Corporate Venture Capital-Aktivit?ten der gro?en Energieversorgungsunternehmen sind ein Pluspunkt, doch fehlt diesen Aktivit?ten bislang die Durchg?ngigkeit zu den Innovationsstrategien der Muttergeselllschaften. Und solange man im Kerngesch?ft so gutes Geld verdient wie heute, ist der Anreiz zum Aufbau eines wirklich umfassenden Corporate Venturing-Portfolio nat?rlich relativ gering.


ECOreporter.de: Wie kann ein junges Unternehmen seine Attraktivit?t für Venture Capital Investoren erh?hen? Wodurch zeichnet sich aus Sicht eines VC-Investoren beispielsweise ein gelungenes Gesch?ftsmodell aus?

W?stenhagen: F?r den VC ist es wichtig, dass er innerhalb seines typischen Investitionshorizonts von 3-5 Jahren einen klaren Weg zur Profitabilit?t erkennen kann. Das bedeutet, dass man schon fr?h eine Kundengruppen identifizieren kann, für die das eigene Produkt einen konkreten Nutzen aufweist, und die daher auch eine entsprechende Zahlungsbereitschaft haben. Dieser "Kunde" kann nat?rlich auch der Staat sein (also z.B. Erl?se aus dem EEG), doch f?hlen sich die meisten VCs wohler, wenn dies nicht der einzige Kunde ist.

Ein weiterer Aspekt sind Markteintrittsbarrieren. Wenn die Gesch?ftsidee wirklich so gut ist, wird der Wettbewerb nicht lange ausbleiben, und dann ist es wichtig, dass beispielsweise ?ber eine patentierte Technologie ein gen?gender Vorsprung durchhaltbar ist. Schlie?lich wollen VCs eine Mischung aus ambitionierten Zielen und kluger Selbstbeschr?nkung sehen. Ein Jungunternehmen sollte in seinem Businessplan einerseits Ehrgeiz und Zuversicht ausstrahlen, es muss deutlich werden, dass man nicht nur ein kleines bisschen besser sein will als die heutige Technologie, sondern dass ein Quantensprung erm?glicht wird. Andererseits sehen erfahrene VCs nat?rlich auch, dass ein kleines Unternehmen mit begrenzten Ressourcen nicht alles machen kann. Eine intelligente Fokussierung auf die profitabelsten Teile der Wertsch?pfungskette ist daher ein klarer Pluspunkt.

ECOreporter.de: Herr W?stenhagen, wir danken Ihnen für das Gespr?ch!


Bild: Rolf W?stenhagen / Quelle: privat


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