Nachhaltige Aktien, Meldungen

22.9.2003: Fannie Mae und Freddie Mac - brave Schwester, böser Bruder?

(JR) Aufgrund der Bilanzunregelmäßigkeiten bei Freddie Mac hat sich die Kritik an dem Immobilienfinanzierer und dem Schwesterunternehmen Fannie Mae verschärft. Nun fordert sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) eine stärkere Aufsicht über die beiden in vielen Nachhaltigkeitsfonds enthaltenen Unternehmen. Die Überwachung solle sogar besonders sorgfältig sein. Nahezu zeitgleich legte der US-amerikanische Finanzminister John Snow dem Kongress entsprechende Pläne vor. Das US-Parlament hatte die Finanzagenturen Ende der 60er Jahre als privatwirtschaftliche Aktienunternehmen mit eingeschränkter Informationspflicht gegründet. Sie sollten einkommensschwächeren Bürgern die Finanzierung von Immobilien erleichtern. Nach den Plänen von Snow wird in Zukunft die Aufsicht über die beiden Institute ausgeweitet werden und vom Wohnungsbauministerium auf das Finanzministerium übergehen. Das Ziel der Maßnahmen: Durch eine strengere Kontrolle soll das erschütterte Vertrauen in diese Gesellschaften wieder hergestellt werden, auch um weiteren Schaden für die Wirtschaft und die Finanzsysteme zu vermeiden.
Denn Fannie Mae und Freddie Mac gehören in den Vereinigten Staaten zu den größten Anbietern von Investmentprodukten im Immobiliensektor, der letzten stabilen Bastion der US-Wirtschaft. Die Nummer eins und zwei der Baufinanzierer verwalten derzeit Hypothekenkredite im Wert von über drei Billionen Dollar und kontrollieren fast 50 Prozent dieses Marktes. Allein Freddie Mac hat eigenen Angaben zufolge jedes sechste Eigenheim in den USA finanziert. Beide Unternehmen zählen zu den größten Finanzdienstleistern weltweit.

Freddie Mac-Spitze geht auf einen Schlag
Seit dem Frühjahr häufen sich jedoch die Verdachtsmomente dafür, dass es sich bei ihnen um Riesen auf tönernen Füßen handeln könnte. Im März kritisierte Währungshüter William Poole, die Eigenkapitalausstattung von Freddie Mac und Fannie Mae sei angesichts der hohen Verschuldung zu gering. Beide Institute seien existentiell gefährdet, sollte es nach Jahren des kräftigen Aufschwungs zu einer Abkühlung am Immobilienmarkt kommen. Zwar wies die zuständige Aufsichtsbehörde diese Behauptungen zurück, nach ihren Informationen verfügten beide Unternehmen über ausreichende Mittel. Aber die Kurseinbrüche der Aktien dieser Gesellschaften auf den tiefsten Stand seit Herbst 2000 wiesen auf einen Vertrauensverlust hin, der sich dann ab Juni dramatisch verschärfte. In dem Monat wurde überraschenderweise auf einen Schlag die gesamte Führungsriege von Freddie Mac entlassen. Der Vorwurf an Präsident, Vorstandschef und Finanzvorstand: Mangelnde Kooperation mit externen Revisoren.

Im Sog des Enron-Skandals
Freddie Mac hatte den durch den Enron-Skandal belasteten Wirtschaftsprüfer Arthur Anderson durch PriceWaterhouseCoopers ersetzen müssen. Die neuen Revisoren deckten auf, dass der Hypothekenfinanzierer mindestens seit 2000 die Bilanzerträge künstlich gedrückt hatte. In großem Umfang waren Derivate zum Parken von Gewinnen genutzt worden, um so Reserven für weniger erfolgreiche Jahre zu bilden. Der neue Vorstandsvorsitzende Gregory Parseghian kündigte an, dass der Gewinn der Jahre seit 2000 um 4 bis 4,5 Milliarden Dollar noch oben korrigiert werden muss. Für die Zukunft prognostizierte Parseghian fallende Gewinne. Er erklärte die Bilanzfehler mit einem "Mangel an Fachkenntnis, an Aufsicht und an internen Kontrollen". Wie es sich wenige Wochen später erwies, wusste der erst im Juni bestellte Chef von Freddie Mac, wovon er sprach: Ihm wurde die Beteiligung an den Bilanztricks nachgewiesen, so dass auch er seinen Posten zur Verfügung stellen musste.

Daraufhin brach der Aktienkurs des Hypothekenfinanzierers nach zwischenzeitlicher Erholung erneut ein. Und aufgrund ihrer Millionenverluste reichten einige Fondsgesellschaften Klagen gegen Freddie Mac wegen der Irreführung von Anlegern ein.

Fannie Mae mit in den Strudel gerissen
Unterdessen hat die Aktie des größeren Schwesterunternehmens Fannie Mae sogar noch stärker an Wert verloren. Seit Frühjahr stürzte sie im XETRA von über 90 auf rund 60 Euro ab. Zwar war Fannie Mae in den Skandal um den kleineren Bruder nicht verwickelt. Aber die Gesellschaft hatte wenig in der Hand, um dem Misstrauen der Anleger entgegen zu wirken. Schließlich unterlag auch sie statt der Börsenaufsicht einer staatlichen Aufsicht, der die Vorgänge bei Freddie Mac entgangen waren. Kritiker der hohen Verschuldung wie William Poole fanden nun zunehmend Gehör. Dass Milliardenverluste im Derivatgeschäft den Jahresgewinn von 2002 halbiert hatten, bereitete den Boden für weiteres Misstrauen.

Scharfe Aufsicht, neues Vertrauen?
Überdies belastete der Skandal den gesamten Wohnungsbaumarkt. Hypothekarisch gesicherte Wertpapiere wurden in so großem Umfang verkauft, dass die Rendite von US-Staatsanleihen auf ein 45-Jahres- Tief absank. Fannie Mae war genötigt, Investoren in ihre nun als riskanter angesehene Anleihen höhere Renditen zu bieten. Darunter könnte ihr Gewinn leiden, was weitere Unsicherheit schüren und gar eine Abwärtsspirale in Gang setzen könnte. Auch Fannie Mae muss daher daran gelegen sein, dass mit einer verschärften Aufsicht verlorenes Vertrauen neu gebildet wird. Die Pläne des Finanzministeriums dürften daher bei ihr auf wenig Widerstand stoßen. Der würde nur weitere Zweifel säen.
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