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24.9.2003: "Wir müssen das Geld so verändern, dass es uns dient." - Ein Gespräch über Geld und die Welt
Ganz handfest erscheint uns das Geld in Form von Münzen und Banknoten. Doch je näher man hinschaut, desto flüchtiger wird es. Schon der Kontostand ist eine abstrakte Größe. Und im Kern: Wird nicht etwas dadurch zu Geld, indem wir alle an seinen Wert glauben? Ist Geld ,in Münzen geprägtes Vertrauen"? Der BANKSPIEGEL, herausgegeben von der GLS Gemeinschaftsbank, sprach mit ECOreporter.de-Chefredakteur Jörg Weber, der Geldexpertin Margrit Kennedy sowie dem GLS-Vorstand Gerhard Waterstradt über ein allgegenwärtiges und doch wenig verstandenes Phänomen. Wir veröffentlichen das Gespräch mit freundlicher Genehmigung der GLS Gemeinschaftsbank.
"Geld regiert die Welt", sagt der Volksmund. Was ist Geld für ein Medium?
Gerhard Waterstradt: Geld ist das Medium, mit dem wir unsere Ideen verwirklichen und unsere sozialen Prozesse ermöglichen. Es regelt alle wirtschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander. Von einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte an ist das Geld über seine Tauschfunktion hinaus selbst zur begehrtesten Ware geworden. In dem ,Begehren" steckt die Gier; diese hat dem Geld seine Macht gegeben. Das Geld hat uns aber auch eine große Freiheit gebracht, eine Freiheit voneinander; es ermöglicht auch die heute weltweite Arbeitsteilung. Nur hat es seine Grenzen überschritten. Es kommt darauf an, diese Übermacht zu zähmen, ohne die positive Seite des Geldes zu verlieren.
Jörg Weber: Geld ist ein Kommunikationssystem, das effektiv funktioniert, das viele Entwicklungen erst möglich gemacht hat. Aber: Bei Geld kommt es darauf an, was man daraus macht. Es ist nicht nur ein Tauschinstrument und das blendet die öffentliche Diskussion weitgehend aus. Geld, vor allem die Geldanlage, gestaltet die Realität. Geldanlage im Bereich erneuerbarer Energie beispielsweise kann helfen, den Treibhaus-Effekt zu stoppen. Der Geldfluss in entsprechende Projekte ist auch eine Kommunikationsform; es wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Bürger die Energiewende wollen.
Margrit Kennedy: Solange wir das Geld nicht verstehen, wird es uns regieren, ohne dass wir in der Lage sind, es zu steuern. Wir müssen verstehen, wie man Geld verändern kann, um es zu einem idealen Tauschmittel, zu einem idealen Wertspeicher, zu einem idealen Wertmaßstab werden zu lassen. Wir müssen das Geld so verändern, dass es uns dient.
Waterstradt: Das Geld wurde zur Ware, als ihm von einem bestimmten Zeitpunkt an ein Preis beigefügt wurde. Dieser Preis ist der Zins oder der Ertrag, den man aus dem Geld erwartet. Das ist aber zugleich der Punkt, wo der eine Mensch vom Anderen frei geworden ist. Früher waren die Menschen auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen, man half sich wechselseitig mit Lebensmitteln aus, auch beim Hausbau oder wenn der Nachbar in Not war. Erst als diese Verpflichtung zur Gegenseitigkeit keine Realität mehr war, entfiel der Zwang zur Hilfe und es entstand Freiheit. Durch die Zusatzprämie des Zinses konnte man sich aus der persönlichen Verpflichtung lösen, dem wiederum zu helfen, der einem geholfen hatte. Dies ist ein wesentlicher Grund für die Anonymität und Unverbindlichkeit, wovon das Geldsystem heute beherrscht wird.
Wie hängen Geld und Angst zusammen?
Waterstradt: Erstaunlicherweise steigt bei vielen Menschen die Angst, nicht genug zu haben � umso mehr je mehr man besitzt. Es ist ein Teufelskreis ohne Ende. Gandhi hat dies einmal so ausgedrückt: "Die Welt hat genug für die Bedürfnisse eines jeden, aber nicht genug für die Gier eines einzigen".
Weber: Geld erscheint vielen Leuten als Spaßfaktor, es gibt einen enormen Reiz von Geldgewinnspielen und Spekulation. Auf dem Höhepunkt des Börsenbooms am Neuen Markt haben Leute mit ungeheuren Geldbeträgen jongliert. Für sie war es ein Spiel, sie haben gar nicht gesehen, dass sie damit Existenzen schaffen oder vernichten.
Ist Geld ein so elegantes Machtinstrument, weil es so undurchschaubar ist?
Weber: Das Geldsystem ist nicht undurchschaubar, wir schauen nur meistens nicht genau hin. Zum Machtinstrument wird Geld, wenn man es intelligent einsetzt � ob zum Guten oder zum Schlechten. Das Wissen darüber, wie man Geld sinnvoll einsetzt, das müssen wir vertiefen und verbreiten.
Waterstradt: Mit Geld ist Macht eng verbunden. Je mehr Geld ich habe und ertragbringend anlegen kann, umso mehr Menschen lasse ich für mich arbeiten. Für jeden Ertrag, den ich bekomme, müssen andere Menschen arbeiten. Ob in meiner nächsten Umgebung oder in der Dritten Welt.
Kennedy: Diese Umverteilung wird durch unser Geld meisterhaft verschleiert. Die meisten Menschen wissen zum Beispiel nicht, dass in jedem Preis Zinsen enthalten sind. Denn jeder Unternehmer muss natürlich die Zinsen, die er der Bank bezahlt, in den Preis hineinkalkulieren. Im Durchschnitt aller Preise, die man zum Leben braucht, sind etwa 40 Prozent Zinsen enthalten. Man denkt dann: Weil wir alle diese einkalkulierten Zinsen zahlen, aber auf der anderen Seite auch Zinsen bekommen, gleicht sich das aus. Tatsächlich zahlen aber 80 Prozent der Menschen mehr Zinsen als sie zurück bekommen, bei zehn Prozent der deutschen Bevölkerung ist es etwa ausgeglichen und die vermögenden zehn Prozent bekommen die Erträge, die die ersten 80 Prozent zu viel gezahlt haben.
Sie sehen den Zins als versteckten Umverteilungsmechanismus von arm zu reich?
Kennedy: Ja, wobei in dem Zins, den eine Bank erhält, ganz unterschiedliche Elemente enthalten sind. Natürlich muss die Bank durch die Zinseinnahmen ihre Kosten decken und das Risiko von Kreditausfällen. Obendrauf kommt aber in unserem Geldsystem Inflationsausgleich und Liquiditätsprämie für den Sparer, damit er sein Geld überhaupt den Banken zur Verfügung stellt und es nicht hortet.
Aber wo liegt da das Problem, abgesehen vom Umverteilungseffekt?
Kennedy: Kein Unternehmen investiert, es sei denn, es kommt mindestens das raus, was man an Zinsen bezahlen muss. 90 Prozent der deutschen Wirtschaft wird aus Krediten finanziert, dann müssen Sie zumindest den Zinssatz erwirtschaften. Nun verdoppelt sich aber ein Geldbetrag bei jährlich drei Prozent in 24 Jahren, bei sechs Prozent in zwölf Jahren und dies exponentiell mit Zins und Zinseszins. Wenn sich ein Geldbetrag in zwölf Jahren verdoppelt, dann müsste sich im gleichen Zeitraum die Wirtschaftsleistung verdoppeln, um mit dem Geldwachstum mithalten zu können. Dastut sie aber nicht! Stattdessen führt diese auseinander klaffende Schere in regelmäßigen Abständen, also etwa alle 30 bis 60 Jahre, zu sozialen Revolutionen, wirtschaftlichen Zusammenbrüchen oder Krieg. Der allergrößte Teil der Bevölkerung würde profitieren, wenn wir einen anderen, intelligenteren Umlaufmechanismus erfinden würden als den Zins.
Weber: In vielen Punkten stimme ich Ihrer Kritik zu, aber ich halte nicht das Zinssystem für die Wurzel allen Übels. Mein Kernpunkt der Kritik an unserem Wirtschaftssystem ist ein anderer: Das Geldsystem ist in vielen Punkten vollkommen ,blind". Es nennt uns nicht die wahren Kosten unseres Lebens. Was kosten der Treibhausklimaeffekt oder die Regenwaldvernichtung, wie teuer ist es, wenn die Gorillas aussterben? In der Sprache des Geldes bisher: Das ist umsonst! Ein Beispiel: Der Sprit an der Tankstelle, der vielen ja schon so unglaublich teuer vorkommt, ist viel zu billig, denn er enthält nicht die Kosten für Öltankerkatastrophen und den Treibhauseffekt. Das ist das eigentliche Umverteilungsproblem, finde ich: Die letzten menschlichen Generationen haben in so gigantischer Weise Werte in der Natur vernichtet, ohne dafür irgendeinen Preis zu bezahlen, dass die künftigen Generationen erheblich ärmer sein werden: nämlich ärmer an natürlichen Lebensgrundlagen. Die einzige Chance in diesem Umverteilungskampf der Generationen liegt darin, die Kosten für Umweltzerstörungen in alle Preise mit hineinzukalkulieren. Das würde unser Wirtschaftssystem allerdings gewaltig ändern.
Kann man sagen, dass Geld eine Temperatur hat?
Waterstradt: Man kann schon sagen, es gibt kaltes Geld: die Anonymität, das bewusste Wegschauen, das den meisten Geldtransaktionen inne wohnt. Geld wird warm, wenn ich mit ihm eine persönliche Intention verbinde, wenn ich bewusst ökologisch einkaufe oder verwendungsorientiert Geld anlege. Das wärmste Geld ist das Schenkungsgeld, das überschüssige Geld einer Volkswirtschaft, aus dem Zukunft geschaffen wird. Davon wird Bildung bezahlt, davon wird Kultur bezahlt � alles, was den nächsten Kultur- und Wirtschaftskreislauf wieder mit Ideen, mit Phantasie, mit Visionen erfüllt. Auch Steuern sind in diesem Sinne Schenkungsgeld, wenn auch bei solchen Zwangs-Schenkungen in der Regel keine persönlichen Intentionen einfließen mehr können.
... oder eine Farbe?
Weber: Man denkt natürlich an rote und schwarze Zahlen. In den letzten acht Jahren ist auch grünes Geld zum Thema geworden. Die Ökobank wurde damit sehr identifiziert und damit war eine Gleichsetzung zwischen Ökobank und grüner Politik verbunden, ob richtig oder falsch. Ich glaube, dass die GLS-Bank in dieser Richtung neutraler und damit auf einem Erfolg versprechenderen Weg ist. Wir müssen im Geldwesen vor allem aus der Anonymität heraus. Mehr Transparenz ist die Voraussetzung einer freien Meinungsbildung.
Was müsste man denn am Geld verändern?
Kennedy: Wichtig ist zu begreifen, dass Geld ,nur" eine Vereinbarung ist. Dieser Geldschein hat den Wert 100 Euro, weil alle Beteiligten dies akzeptieren. In Wirklichkeit ist dieses Stückchen Papier keine 5 Cent wert. Das größte Problem ist, dass wir unser Geldsystem als so selbstverständlich hinnehmen, dass keiner auf die Idee kommt, dass man es verändern kann.
Ein schönes konkretes Beispiel ist der ,Chiemgauer" (siehe Reportage ab Seite 25). Ganz unabhängig vom Wegfall des Zinses ist es ein Riesenvorteil, wenn sich eine überschaubare Region, zu der Menschen ein Verhältnis haben, über ein regionales Geldsystem von der globalen Wirtschaft teilweise entkoppeln kann. Durch das zusätzliche regionale Geld entstehen plötzlich Austauschvorgänge, die vorher nicht möglich waren. Es gibt Millionen Arbeitslose und zugleich Millionen unerledigter Aufgaben. Heute sitzt ein arbeitsloser Installateur am einen Ende der Stadt und ein arbeitsloser Schreinermeister am anderen Ende. Beide kommen nicht zueinander, weil das Geld fehlt. Die zentrale Frage müßte doch eigentlich sein: Wie können wir ein Geldsystem so gestalten, dass es diese Leute zueinander finden lässt?
Haben solche Experimente längerfristig eine Chance?
Kennedy: Vielleicht länger als das bestehende Geldsystem. Ich sehe das so, dass wir z.B. mit komplementären Regionalwährungen Rettungsboote bauen. Falls das große Boot ins Schlingern kommt, sind diese Boote vielleicht ganz nützlich und wenn sie sich als seetüchtig erweisen, dann kann man sie vielleicht in größerem Maße nutzen.
Was kann durch bewusste Geldanlage bewirkt werden?
Weber: Sie ändert die Realität, ist auf ihre Art vergleichbar mit dem ,Marsch durch die Instiututionen". Grünes Geld beispielsweise hat eine ganze Branche hervorgebracht: die Windkraft. Sie entstand ja nicht, wie uns die Politiker heute gerne weismachen wollen, durch Staatsunterstützung, sondern aus dem Geld privater Anleger, die sich an Bürgerwindrädern beteiligten. Mittlerweile hat das alleine in dieser Branche zu etwa 50.000 neuen Arbeitsplätzen geführt, und die Atomkraftwerksbetreiber blicken mit Sorge auf die nächsten Entwicklungssprünge der Windkraft.
Wieviel Suggestion steckt in grünen Geldanlagen? Haben zum Beispiel grüne Aktienfonds, die die GLS-Bank mit dem Ökovision-Fonds jetzt auch anbietet, überhaupt eine Wirkung?
Weber: Die Wirkung ist nicht so offensichtlich wie bei der Vergabe von Bankkrediten, sie ist indirekter, aber trotzdem kräftig. Wenn sich ein Nachhaltigkeitsfonds für bestimmte Aktien entscheidet, hat dies in der Regel einen hohen Imagegewinn für das Unternehmen zur Folge. Das und einige andere Effekte stärken die Mitarbeiter in den Firmen, die sich für Nachhaltigkeit einsetzen. Das ist ein langer schleichender Prozess, da sind dicke Bretter zu bohren, aber hinter den Kulissen merkt man schon, dass sich viel tut!
Für den Bankspiegel führten Stephan Rotthaus und Christof Lützel das Gespräch.
Informationen zur GLS Gemeinschaftsbank erhalten Sie unter GLS Gemeinschaftsbank
"Geld regiert die Welt", sagt der Volksmund. Was ist Geld für ein Medium?
Gerhard Waterstradt: Geld ist das Medium, mit dem wir unsere Ideen verwirklichen und unsere sozialen Prozesse ermöglichen. Es regelt alle wirtschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander. Von einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte an ist das Geld über seine Tauschfunktion hinaus selbst zur begehrtesten Ware geworden. In dem ,Begehren" steckt die Gier; diese hat dem Geld seine Macht gegeben. Das Geld hat uns aber auch eine große Freiheit gebracht, eine Freiheit voneinander; es ermöglicht auch die heute weltweite Arbeitsteilung. Nur hat es seine Grenzen überschritten. Es kommt darauf an, diese Übermacht zu zähmen, ohne die positive Seite des Geldes zu verlieren.
Jörg Weber: Geld ist ein Kommunikationssystem, das effektiv funktioniert, das viele Entwicklungen erst möglich gemacht hat. Aber: Bei Geld kommt es darauf an, was man daraus macht. Es ist nicht nur ein Tauschinstrument und das blendet die öffentliche Diskussion weitgehend aus. Geld, vor allem die Geldanlage, gestaltet die Realität. Geldanlage im Bereich erneuerbarer Energie beispielsweise kann helfen, den Treibhaus-Effekt zu stoppen. Der Geldfluss in entsprechende Projekte ist auch eine Kommunikationsform; es wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Bürger die Energiewende wollen.
Margrit Kennedy: Solange wir das Geld nicht verstehen, wird es uns regieren, ohne dass wir in der Lage sind, es zu steuern. Wir müssen verstehen, wie man Geld verändern kann, um es zu einem idealen Tauschmittel, zu einem idealen Wertspeicher, zu einem idealen Wertmaßstab werden zu lassen. Wir müssen das Geld so verändern, dass es uns dient.
Waterstradt: Das Geld wurde zur Ware, als ihm von einem bestimmten Zeitpunkt an ein Preis beigefügt wurde. Dieser Preis ist der Zins oder der Ertrag, den man aus dem Geld erwartet. Das ist aber zugleich der Punkt, wo der eine Mensch vom Anderen frei geworden ist. Früher waren die Menschen auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen, man half sich wechselseitig mit Lebensmitteln aus, auch beim Hausbau oder wenn der Nachbar in Not war. Erst als diese Verpflichtung zur Gegenseitigkeit keine Realität mehr war, entfiel der Zwang zur Hilfe und es entstand Freiheit. Durch die Zusatzprämie des Zinses konnte man sich aus der persönlichen Verpflichtung lösen, dem wiederum zu helfen, der einem geholfen hatte. Dies ist ein wesentlicher Grund für die Anonymität und Unverbindlichkeit, wovon das Geldsystem heute beherrscht wird.
Wie hängen Geld und Angst zusammen?
Waterstradt: Erstaunlicherweise steigt bei vielen Menschen die Angst, nicht genug zu haben � umso mehr je mehr man besitzt. Es ist ein Teufelskreis ohne Ende. Gandhi hat dies einmal so ausgedrückt: "Die Welt hat genug für die Bedürfnisse eines jeden, aber nicht genug für die Gier eines einzigen".
Weber: Geld erscheint vielen Leuten als Spaßfaktor, es gibt einen enormen Reiz von Geldgewinnspielen und Spekulation. Auf dem Höhepunkt des Börsenbooms am Neuen Markt haben Leute mit ungeheuren Geldbeträgen jongliert. Für sie war es ein Spiel, sie haben gar nicht gesehen, dass sie damit Existenzen schaffen oder vernichten.
Ist Geld ein so elegantes Machtinstrument, weil es so undurchschaubar ist?
Weber: Das Geldsystem ist nicht undurchschaubar, wir schauen nur meistens nicht genau hin. Zum Machtinstrument wird Geld, wenn man es intelligent einsetzt � ob zum Guten oder zum Schlechten. Das Wissen darüber, wie man Geld sinnvoll einsetzt, das müssen wir vertiefen und verbreiten.
Waterstradt: Mit Geld ist Macht eng verbunden. Je mehr Geld ich habe und ertragbringend anlegen kann, umso mehr Menschen lasse ich für mich arbeiten. Für jeden Ertrag, den ich bekomme, müssen andere Menschen arbeiten. Ob in meiner nächsten Umgebung oder in der Dritten Welt.
Kennedy: Diese Umverteilung wird durch unser Geld meisterhaft verschleiert. Die meisten Menschen wissen zum Beispiel nicht, dass in jedem Preis Zinsen enthalten sind. Denn jeder Unternehmer muss natürlich die Zinsen, die er der Bank bezahlt, in den Preis hineinkalkulieren. Im Durchschnitt aller Preise, die man zum Leben braucht, sind etwa 40 Prozent Zinsen enthalten. Man denkt dann: Weil wir alle diese einkalkulierten Zinsen zahlen, aber auf der anderen Seite auch Zinsen bekommen, gleicht sich das aus. Tatsächlich zahlen aber 80 Prozent der Menschen mehr Zinsen als sie zurück bekommen, bei zehn Prozent der deutschen Bevölkerung ist es etwa ausgeglichen und die vermögenden zehn Prozent bekommen die Erträge, die die ersten 80 Prozent zu viel gezahlt haben.
Sie sehen den Zins als versteckten Umverteilungsmechanismus von arm zu reich?
Kennedy: Ja, wobei in dem Zins, den eine Bank erhält, ganz unterschiedliche Elemente enthalten sind. Natürlich muss die Bank durch die Zinseinnahmen ihre Kosten decken und das Risiko von Kreditausfällen. Obendrauf kommt aber in unserem Geldsystem Inflationsausgleich und Liquiditätsprämie für den Sparer, damit er sein Geld überhaupt den Banken zur Verfügung stellt und es nicht hortet.
Aber wo liegt da das Problem, abgesehen vom Umverteilungseffekt?
Kennedy: Kein Unternehmen investiert, es sei denn, es kommt mindestens das raus, was man an Zinsen bezahlen muss. 90 Prozent der deutschen Wirtschaft wird aus Krediten finanziert, dann müssen Sie zumindest den Zinssatz erwirtschaften. Nun verdoppelt sich aber ein Geldbetrag bei jährlich drei Prozent in 24 Jahren, bei sechs Prozent in zwölf Jahren und dies exponentiell mit Zins und Zinseszins. Wenn sich ein Geldbetrag in zwölf Jahren verdoppelt, dann müsste sich im gleichen Zeitraum die Wirtschaftsleistung verdoppeln, um mit dem Geldwachstum mithalten zu können. Dastut sie aber nicht! Stattdessen führt diese auseinander klaffende Schere in regelmäßigen Abständen, also etwa alle 30 bis 60 Jahre, zu sozialen Revolutionen, wirtschaftlichen Zusammenbrüchen oder Krieg. Der allergrößte Teil der Bevölkerung würde profitieren, wenn wir einen anderen, intelligenteren Umlaufmechanismus erfinden würden als den Zins.
Weber: In vielen Punkten stimme ich Ihrer Kritik zu, aber ich halte nicht das Zinssystem für die Wurzel allen Übels. Mein Kernpunkt der Kritik an unserem Wirtschaftssystem ist ein anderer: Das Geldsystem ist in vielen Punkten vollkommen ,blind". Es nennt uns nicht die wahren Kosten unseres Lebens. Was kosten der Treibhausklimaeffekt oder die Regenwaldvernichtung, wie teuer ist es, wenn die Gorillas aussterben? In der Sprache des Geldes bisher: Das ist umsonst! Ein Beispiel: Der Sprit an der Tankstelle, der vielen ja schon so unglaublich teuer vorkommt, ist viel zu billig, denn er enthält nicht die Kosten für Öltankerkatastrophen und den Treibhauseffekt. Das ist das eigentliche Umverteilungsproblem, finde ich: Die letzten menschlichen Generationen haben in so gigantischer Weise Werte in der Natur vernichtet, ohne dafür irgendeinen Preis zu bezahlen, dass die künftigen Generationen erheblich ärmer sein werden: nämlich ärmer an natürlichen Lebensgrundlagen. Die einzige Chance in diesem Umverteilungskampf der Generationen liegt darin, die Kosten für Umweltzerstörungen in alle Preise mit hineinzukalkulieren. Das würde unser Wirtschaftssystem allerdings gewaltig ändern.
Kann man sagen, dass Geld eine Temperatur hat?
Waterstradt: Man kann schon sagen, es gibt kaltes Geld: die Anonymität, das bewusste Wegschauen, das den meisten Geldtransaktionen inne wohnt. Geld wird warm, wenn ich mit ihm eine persönliche Intention verbinde, wenn ich bewusst ökologisch einkaufe oder verwendungsorientiert Geld anlege. Das wärmste Geld ist das Schenkungsgeld, das überschüssige Geld einer Volkswirtschaft, aus dem Zukunft geschaffen wird. Davon wird Bildung bezahlt, davon wird Kultur bezahlt � alles, was den nächsten Kultur- und Wirtschaftskreislauf wieder mit Ideen, mit Phantasie, mit Visionen erfüllt. Auch Steuern sind in diesem Sinne Schenkungsgeld, wenn auch bei solchen Zwangs-Schenkungen in der Regel keine persönlichen Intentionen einfließen mehr können.
... oder eine Farbe?
Weber: Man denkt natürlich an rote und schwarze Zahlen. In den letzten acht Jahren ist auch grünes Geld zum Thema geworden. Die Ökobank wurde damit sehr identifiziert und damit war eine Gleichsetzung zwischen Ökobank und grüner Politik verbunden, ob richtig oder falsch. Ich glaube, dass die GLS-Bank in dieser Richtung neutraler und damit auf einem Erfolg versprechenderen Weg ist. Wir müssen im Geldwesen vor allem aus der Anonymität heraus. Mehr Transparenz ist die Voraussetzung einer freien Meinungsbildung.
Was müsste man denn am Geld verändern?
Kennedy: Wichtig ist zu begreifen, dass Geld ,nur" eine Vereinbarung ist. Dieser Geldschein hat den Wert 100 Euro, weil alle Beteiligten dies akzeptieren. In Wirklichkeit ist dieses Stückchen Papier keine 5 Cent wert. Das größte Problem ist, dass wir unser Geldsystem als so selbstverständlich hinnehmen, dass keiner auf die Idee kommt, dass man es verändern kann.
Ein schönes konkretes Beispiel ist der ,Chiemgauer" (siehe Reportage ab Seite 25). Ganz unabhängig vom Wegfall des Zinses ist es ein Riesenvorteil, wenn sich eine überschaubare Region, zu der Menschen ein Verhältnis haben, über ein regionales Geldsystem von der globalen Wirtschaft teilweise entkoppeln kann. Durch das zusätzliche regionale Geld entstehen plötzlich Austauschvorgänge, die vorher nicht möglich waren. Es gibt Millionen Arbeitslose und zugleich Millionen unerledigter Aufgaben. Heute sitzt ein arbeitsloser Installateur am einen Ende der Stadt und ein arbeitsloser Schreinermeister am anderen Ende. Beide kommen nicht zueinander, weil das Geld fehlt. Die zentrale Frage müßte doch eigentlich sein: Wie können wir ein Geldsystem so gestalten, dass es diese Leute zueinander finden lässt?
Haben solche Experimente längerfristig eine Chance?

Was kann durch bewusste Geldanlage bewirkt werden?
Weber: Sie ändert die Realität, ist auf ihre Art vergleichbar mit dem ,Marsch durch die Instiututionen". Grünes Geld beispielsweise hat eine ganze Branche hervorgebracht: die Windkraft. Sie entstand ja nicht, wie uns die Politiker heute gerne weismachen wollen, durch Staatsunterstützung, sondern aus dem Geld privater Anleger, die sich an Bürgerwindrädern beteiligten. Mittlerweile hat das alleine in dieser Branche zu etwa 50.000 neuen Arbeitsplätzen geführt, und die Atomkraftwerksbetreiber blicken mit Sorge auf die nächsten Entwicklungssprünge der Windkraft.
Wieviel Suggestion steckt in grünen Geldanlagen? Haben zum Beispiel grüne Aktienfonds, die die GLS-Bank mit dem Ökovision-Fonds jetzt auch anbietet, überhaupt eine Wirkung?
Weber: Die Wirkung ist nicht so offensichtlich wie bei der Vergabe von Bankkrediten, sie ist indirekter, aber trotzdem kräftig. Wenn sich ein Nachhaltigkeitsfonds für bestimmte Aktien entscheidet, hat dies in der Regel einen hohen Imagegewinn für das Unternehmen zur Folge. Das und einige andere Effekte stärken die Mitarbeiter in den Firmen, die sich für Nachhaltigkeit einsetzen. Das ist ein langer schleichender Prozess, da sind dicke Bretter zu bohren, aber hinter den Kulissen merkt man schon, dass sich viel tut!
Für den Bankspiegel führten Stephan Rotthaus und Christof Lützel das Gespräch.
Informationen zur GLS Gemeinschaftsbank erhalten Sie unter GLS Gemeinschaftsbank