Anleihen / AIF

4.4.2006: Einkäufer mit hohen Ansprüchen - Großinvestoren suchen deutsche Windkraftprojekte

Die Zahlen sprechen Bände: Von 2002 bis 2005 hat sich der Anteil der Projektfinanzierungen über Kommanditgesellschaften am deutschen Windmarkt mehr als halbiert. Wie die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) ermittelte, schrumpfte er in dieser Zeit von 53 Prozent auf nur noch 25 Prozent. Vor allem im vergangenen Jahr brach der Anteil dieser gängigsten Rechtsform für Windfondsbeteiligungen ein. Dies nicht zuletzt aufgrund der Diskussion über das Aus der Steuervorteile für die Privatanleger, die über Windfonds bisher am stärksten den Ausbau der Windkraft in Deutschland finanzierten. Im November hat dann die Großen Koalition auch die steuerlichen Vorteile der geschlossenen Energiefonds stark eingegrenzt. Ihre einstmals dominierende Position haben nun Investoren ganz anderen Kalibers übernommen: Beteiligungsgesellschaften mit Milliarden-Portfolios wie GE Financial Services, dem Investmentzweig des US-Mischkonzerns General Electric, oder institutionelle Investoren wie die Allianz AG. Sie will über eine neu gegründete Tochtergesellschaft bis 2010 mindestens 300 Millionen Euro in erneuerbare Energien investieren. Der Marktanteil solcher Großinvestoren ist 2005 in Deutschland laut PwC auf 40 Prozent gestiegen.

Das Interesse der Großinvestoren mag überraschen, ist doch die deutsche Windernte in den vergangenen Jahren eher mau ausgefallen und der Ausbau der hierzulande installierten Kapazität seit 2002 rückläufig. Doch noch immer lassen sich mit Windkraft in Deutschland gute Geschäfte machen. Das stellt etwa Dietmar Löhne von der Norddeutschen Landesbank fest, einem der führenden Finanzdienstleister für die einheimische Windkraftbranche. Er verweist auf die Planungssicherheit und die attraktive Vergütung, die das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) garantiert. Torsten Hinsche, Leiter des Competence Center Renewable Energies (COC) der Commerzbank pflichtet ihm bei. Sein Unternehmen hat bereits drei Milliarden Euro in Erneuerbare Energie Projekte investiert, zum größten Teil in Deutschland. Ihm zufolge sind deutsche Projekte auch deshalb für Großinvestoren attraktiv, weil der hiesige Markt den Pionierstatus bereits überwunden hat. So biete er unter anderem eine gut entwickelte Infrastruktur und ausreichend realistischen Daten, auf die ausländische Investoren zugreifen können. Zudem würden sich Großinvestoren meist mit Windparks in verschiedenen Staaten mit unterschiedlichen Bedingungen eindecken, um das Risiko zu streuen. Dennoch gibt er eines zu bedenken: "Mit dem Aufmarsch der internationalen Investoren ist für den deutschen Windmarkt eine neue Situation entstanden - die Branche in Deutschland ist darauf aber noch nicht vorbereitet."

Das stellte auch Stefan Küver von der PricewaterhouseCoopers Corporate Finance Beratung GmbH fest. Er sprach in der vergangenen Woche in Berlin auf einer internationalen Veranstaltung der britischen Euromoney Energy Events, die Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energie mit Finanzdienstleistern und Großinvestoren zusammenbrachte. Küvers bemängelte für den deutschen Markt eine Lücke zwischen dem Bedarf von Großinvestoren an Windkraftprojekten und dem, was die Branche anzubieten habe. So würden meist möglichst große Windparks nachgefragt, mit einer Kapazität von 20 bis 100 Megawatt Leistung. Davon würden in Deutschland, dem mit installierten 18.428 Megawatt weltweit größten Windmarkt, jedoch nur wenige angeboten. Auch täten sich die deutschen Projektierer schwer, umfassende, internationalen Standards genügende Unterlagen beizubringen. Auf dem deutschen Windmarkt kämen daher weitaus weniger Geschäfte zustande als eigentlich möglich. Dem schloss sich auf der Veranstaltung auch Mortimer Menzel von der Londoner Handelsbank Augusta & Co PLC an, die Mittelständler mit institutionellen Fremd- und Eigenkapitalgebern zusammen bringt. "Zu viel Geld ist auf der Suche nach zu wenigen Angeboten", brachte er das Dilemma auf den Punkt. Er schätzt, dass Großinvestoren für Erneuerbare Energie Projekte in Europa rund 2,5 Milliarden Euro bereit halten. Dabei interessierten sie sich vor allem für Windparks, Solar- und Biomasseprojekte würden bislang kaum nachgefragt.

Diese Vorliebe bestätigt Dirk Kruse, bei der Mainzer juwi-Gruppe für die Betreuung von Großinvestoren zuständig. Das Unternehmen setzt Erneuerbare Energie Projekte in mehreren europäischen Ländern und in Übersee um. Kruse bestätigt, dass Abschlüsse mit solchen Kunden einen großen Aufwand erfordern, zumal Großinvestoren bevorzugt in große Pakete investierten. Unter anderem müssten die Vertragswerke in englischer Sprache verfasst werden und die Eigenheiten ausländischer Rechtsvorschriften beachtet werden, wodurch Bedarf an qualifizierter Beratung entstehe. Schließlich seien bei Geschäften mit solchen Investoren auch Risiken zu beachten. In den Verträgen nach englischem Recht müsse alles dezidiert geregelt werden. Die Bedeutung qualifizierter Beratung betont auch Detlev Hartmann, Finanzchef der ostdeutschen Enertrag AG. Er sprach ebenfalls auf der Berliner Veranstaltung. Vor der Beratung müsse man als Entwickler den Bedarf an zusätzlichem Know-how möglichst exakt ermitteln. Eine gute Vorbereitung sei entscheidend für den erfolgreichen Abschluss mit einem großen Investor. Aus Sicht von Jörg-Peter Voß, Projektleiter bei der Wiesbadener ABO Wind AG, hält sich der erforderliche Aufwand dennoch in Grenzen. Schließlich falle bei einem Geschäft mit einem Großinvestor der Aufwand für die Erstellung eines Anlageprospekts weg, der mit der Auflage eines geschlossenen Energiefonds einher gehe. Zudem lasse sich das für den Abschluss mit einem solchen Investor einmal entwickelte Muster bei den nächsten Großkunden im Wesentlichen wieder anwenden.

Auch Enertrag und ABO Wind haben bereits in ausländischen Windmärkten Fuß fassen können. Laut Stefan Küver von PwC sind Geschäfte mit Großinvestoren eine gute Schule für den Schritt ins Ausland. Und nur dort gebe es auf lange Sicht Wachstumschancen für deutsche Windkraftprojektierer. Für den von kleinen und mittleren Gesellschaften dominierten deutschen Markt rechnen viele Experten dagegen mit einer Konsolidierung. Dietmar Löhne von der Norddeutschen Landesbank etwa meint, dass für sie die Anforderungen der Großinvestoren zu hoch sind. Sie müssen wohl vor allem auf das schrumpfende Fondsgeschäft hoffen.

Bildhinweis:
Windturbinen von AN Bonus / Quelle: Unternehmen;
Windkraftprojekt in Deutschland/ Quelle: Enersys;
Montage einer Windkraftanlage der REpower AG / Quelle: Unternehmen
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