Anleihen / AIF

7.11.2007: Sieben gute und sieben schlechte Jahre? Der Streit um mangelhafte Windenergieprognosen und unrentable Windparks hält an. Eine Bestandsaufnahme.

Eigentlich paradiesisch für Geldanleger: Ein Gesetz schreibt für ein Produkt für 20 Jahre einen festen Preis und eine Abnahmegarantie vor. Die Technologie ist ausgereift. Wer wollte da nicht in Windfonds in Deutschland investieren? Doch trotz der Segnungen des Erneuerbare- Energie-Gesetz (EEG), etliche private Geldanleger, die sich als Kommanditist an einem Windfonds beteiligt haben, haben Grund zur Unzufriedenheit. Vor allem, wenn ihr Investment schon einige Jahre alt ist. Denn Ende der neunziger Jahre und Anfang des Jahrtausends entwickelte sich die Windkraft so schnell, dass kaum eine Anlagengeneration ohne Kinderkrankheiten verkauft wurde. Insbesondere gab es Schwierigkeiten mit den Getrieben der Windkraftanlagen. „Aufgrund der hohen Nachfrage wurden Systeme auf den Markt gebracht, die technisch noch nicht ausgereift waren“, erklärt Roger Lutgen von der Windwärts Energie GmbH, einem Windfondsanbieter aus Hannover. Die Projektierungsgesellschaft hat bisher 17 Windparks realisiert. Nach Lutgens Einschätzung haben sich die Hersteller von Windrädern mittlerweile allerdings deutlich verbessert. Eine Reihe kleinerer Windkraft-Anlagenhersteller ist zudem vom Markt verschwunden, und einige größere sind von ganz Großen übernommen worden: Der dänische Hersteller Bonus landete bei Siemens, General Electric verleibte sich die deutsche Tacke Wind ein.

Ein schlichtes Problem bleibt: der Wind. Er bläst oft nicht so, wie erwünscht und prognostiziert. Seit geraumer Zeit vermiesen schwache Winde die Leistungsbilanzen vieler Windparks. „In den letzen sieben Jahren lag die Windernte in Deutschland im Durchschnitt um zwölf Prozent unter den Erwartungen“, führt Lutgen aus. Die fließen in die Energieertragsprognosen ein. Sie wiederum sind die Basis für die Renditen, die dem Anleger versprochen sind. Die Windprognose ist demnach die Achillesferse der Windfonds. Manch´ erfahrener Windparkbetreiber kann zwar unter Aufwendung aller Tricks einige Prozent weniger Wind als geplant ausgleichen – wenn das aber nicht gelingt, sinken die Stromerträge. Und die Anleger merken das an weniger Ausschüttungen, die sie auf ihrem Konto verbuchen können. Viele Akteure der Windkraftbranche seien angesichts der langen Windflaute „hellhörig“ geworden, umschreibt Lutgen die intensive Diskussion von Betreibern, Finanziers und Windeexperten über die Berechnungsgrundlage für ein durchschnittliches Windjahr. Für das himmlische Kind gibt es seit vielen Jahren einen „Windindex“. Er soll helfen, die Winderträge zu berechnen. Weil er offensichtlich zu positiv war, wurde er in diesem Jahr erneuert. Der Berechnungszeitraum hat sich verdoppelt, und die Datengrundlage ist deutlich breiter geworden. Das Ergebnis: vor allem für norddeutsche Standorte gibt der Windindex jetzt niedrigere Orientierungswerte an.

Daniela Jacob ist Expertin für Klimamodellierung am Hamburger Max-Planck-Institut. Sie leitet die anemos-jacob GmbH, eines der führenden unabhängigen Windgutachterbüros in Deutschland. Nach ihrer Einschätzung ist der so genannte BDB-Windindex „nach wie vor für Windgutachter die wichtigste Basis für den Langzeitbezug“. Die schwachen Wind-Phasen in den letzten Jahren bewegten sich nach ihrer Einschätzung im Bereich der natürlichen Schwankungen. „Auf Sicht von 100 Jahren gab es immer wieder einmal Perioden mit geringem Windaufkommen, die fünf, zehn oder 15 Jahre dauerten“, so Jacob. Wind besitze ein „Potential zu großen, nicht vorhersehbaren Schwankungen“. Das sei für Planer von Windparks natürlich ein Problem: „Die möchten gern auf ein Prozent genau wissen, wie der Windertrag ausfällt. Doch das kann man messtechnisch im Gelände nicht leisten“, stellt Jacob fest.

Windpark-Experte Lutgen empfiehlt, es zu akzeptieren, dass Phasen mit sieben bis acht schlechten Windjahren möglich seien. Abgerechnet werde ein Windfonds in der Regel schließlich erst nach 20 Jahren. Ein Windpark mit einem Ertragspotential von etwa acht Prozent über dem Vergleichswert des BDB-Windindex verfügt nach seiner Einschätzung über einen guten Puffer. Ein solcher Sicherheitspuffer ist in vielen Projekten eingerechnet. Lutgen räumt ein, dass trotzdem viele Laien das Vertrauen in die Prognosen für Windparks verloren hätten. Dagegen zeigten professionelle Investoren weiter starkes Interesse. Sie ließen von Experten das Risiko durchkalkulieren und würden sehen, dass Windfonds sich als langfristiges Investment lohnten. „Die Investitionsbereitschaft hängt hier inzwischen sehr von den betriebswirtschaftlichen Kenntnissen des Anlegers ab“, so Lutgen. Klaus Meier sieht das ähnlich. Er ist Vorstand des Bremer Windprojektieres WPD AG, dem Marktführer für geschlossene Windfonds. Sein Resumee: Privatanleger interessierten sich kaum noch für Windfonds, sagt er. Stattdessen stiegen vermehrt Energieversorger ein, die klimafreundliche Energieprojekte für ihr Portfolio suchten. Die sind mittlerweile in aller Stille dabei, bestehende Windparks zu übernehmen, indem sie die Anleger auszahlen und dann die Windkraftanlagen weiterbetreiben. Gebrauchte Windparkanteile sind derzeit höchst begehrt – vor allem, wenn der ganze Park den Eigentümer wechselt.


Interview mit Jochen Keiler, Initiator des BDB-Windindex (BDB=Betriebsdatenbank)

ECOreporter.de: Herr Keiler, was ist der BDB-Windindex, was zeigt er der Wind-Branche?
Jochen Keiler: Der BDB-Windindex ist eine Kenngröße für die monatliche Produktion von Windenergieanlagen für 25 Regionen in Deutschland. Der BDB-Index vergleicht die Erträge von ca. 4000 Windenergieanlagen mit einem 30-jährigen Mittelwert. Der basiert auf meteorologischen Langzeitdaten. Der BDB-Index kann Betreibern helfen, die Monatsergebnisse ihrer Anlagen besser einzuschätzen.

ECOreporter.de: Warum wurde der BDB-Index in diesem Jahr neu berechnet?
Keiler: Der Wind ist ein etwas unzuverlässiger Geselle. So hat es in den frühen 90er Jahren, als in Deutschland die ersten Winenergieanlagen gebaut wurden, bis etwa 1995 eher gute Windjahre gegeben. Diese guten Ertragsdaten sind in die Berechnung für den langjährigen Mittelwert eingeflossen. Das hat dann in den späteren Jahren mit deutlich niedrigerem Windaufkommen und folglich deutlich geringeren Erträgen zu sehr niedrigen Indexwerten geführt.

ECOreporter.de: Inwiefern hat sich der Index nun geändert?
Keiler: Bis zur neu berechneten Indexversion "BDB-Index Version 2006" wurde der langjährige Mittelwert auf Basis der vorliegenden Ertragsdaten seit 1989 berechnet. Nun beträgt der Berechnungszeitraum 30 Jahre. Damit nimmt der Einfluss der windstarken 90er Jahre ab. Das führt vor allen im Norden zu einem niedrigeren langjährigen Mittelwert. Im Süden Deutschlands erhöhen sich die Mittelwerte in einigen Regionen

ECOreporter.de: Werden weitere Überarbeitungen des BDB-Indexes nötig sein?
Keiler: Die Diskussion über die Zuverlässigkeit von Windprognosen wird wohl nie beendet sein. Wir haben den BDB-Windindex in den letzten 15 Jahren vier Mal überarbeitet. Eine weitere Neuberechnung ist momentan nicht geplant, aber es kann dazu kommen.

ECOreporter.de: Worauf müssen sich Windfonds-Investoren und Windparkbetreiber einstellen?
Keiler: Nicht nur die monatlichen und jährlichen Schwankungen der Erträge können relativ groß ausfallen. Auch die Auswertungen der langjährigen Wetterdaten zeigen, dass selbst bei Zeiträumen von 15 Jahren die zu erwartenden Erträge Streuungen von über 10 Prozent aufweisen können.

Bild: Windpark im winterlichen Ostfriesland. / Quelle: ECOreporter.de
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