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7.6.2006: Streit um die Folgekosten: Windparkbetreiber fühlen sich von Anlagenbauern unfair behandelt - Beschwerde beim Bundeskartellamt gestartet

In der Windkraftbranche gibt es Ärger. Eine Gruppe von Anlagenbetreibern um die Eckernförder wind 7 AG hat eine Beschwerde beim Bonner Bundeskartellamt gestartet. Die Initiatoren werfen verschiedenen Windturbinenbauern vor, sie würden den Windparkbetreibern nur unvollständige Unterlagen zu ihren Windrädern aushändigen. Konsequenz daraus seien höhere Kosten für die Führung der Windparks, zudem ist nach Ansicht der Beschwerdeführer kein freier Wettbewerb um die Wartung und Instandhaltung der Maschinen möglich. ECOreporter.de sprach mit Dirk Jesaitis, Vorstand der wind 7 AG, und hat auch die Windanlagenbauer zu den Vorwürfen befragt.

Die wind 7 AG bemühe sich gemeinsam mit anderen Betreibern schon seit Jahren um eine Verständigung mit den Windanlagenherstellern, erklärt Jesaitis gegenüber ECOreporter.de. Vor allem mit der dänischen Vestas Wind Systems A/S habe man häufig gesprochen. "Wir haben das ziemlich lange mitgemacht und schließlich festgestellt, dass die meisten Hersteller scheinbar überhaupt nicht ernsthaft an einer friedlichen Einigung interessiert sind. Sie haben zwar immer wieder Versprechungen gemacht, gehalten haben sie die aber selten", so der Vorstand der wind 7.

Verschiedene einzelne Betreiber wehrten sich laut Jesaitis bisher nur zivilrechtlich gegen das Vorgehen der Anlagenbauer. Vor anderthalb Jahren schlossen sie sich dann mit anderen Windparkbetreibern zusammen und bereiteten seitdem die Beschwerde beim Bundeskartellamt vor. Das Ziel: Eine allgemein gültige Regelung, von der am Ende alle Betreiber, Betriebsführungsgesellschaften und insbesondere die freien Serviceunternehmen profitieren sollen.

Der wind-7-Vorstand erklärt, was den Herstellern konkret vorgeworfen wird: "Im Wesentlichen geht es um die Herausgabe von Dokumenten, die für die Wartung und Instandhaltung der Maschinen erforderlich sind. Der zweite wichtige Punkt betrifft die Ersatzteile: Durch entsprechende Vereinbarungen mit Zulieferern haben die Windkrafthersteller dafür gesorgt, dass es oft nicht möglich ist, sich über unabhängige Zulieferer mit Ersatzteilen zu versorgen. Die Anlagenhersteller verdienen zurzeit auch an Ersatzteilen, die sie selbst überhaupt nicht produzieren. Da kann es schon mal vorkommen, dass beispielsweise ein Bauteil für ein Getriebe in Deutschland gebaut wird, und sich auf dem "Umweg" über Dänemark drastisch verteuert. Aufschläge von mehr als 400 Prozent auf den Preis des Zulieferers sind keine Seltenheit."

Und Jesaitis geht noch einen Schritt weiter: er vermutet, dass die Blockademaßnahmen unter den Herstellern abgestimmt wurden. Es hätten "mehrere Treffen" der beteiligten Unternehmen stattgefunden, sagt er im Gespräch mit ECOreporter.de. Teilweise sei dies im "Rahmen des VDMA" (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.) geschehen. Die Windkrafthersteller sind als Maschinenbauer dort Mitglied.

Durch ihr Verhalten versuchten die Unternehmen das Entstehen einer unabhängigen Servicelandschaft zu verhindern, argumentiert Jesaitis. Darüber hinaus würden sie den Betreibern die Durchsetzung von Regressforderungen bei Schäden an den Maschinen erschweren. "Ohne die genauen Konstruktions- und Baupläne lassen sich die viel schwerer lokalisieren und analysieren."

Es handele sich um ein "deutsches Problem", meint der wind-7-Vorstand. In anderen Ländern gebe es diese Schwierigkeiten mit den Herstellern nur selten. Dort würden meist Großinvestoren wie die jeweiligen Energieversorger oder schwergewichtige Financiers in Windparks investieren. "Denen gegenüber nehmen sich die Hersteller solche Dinge einfach nicht heraus. In Deutschland ist der Markt aber in zahlreiche kleine und kleinste Projektierer und Betreiber zersplittert", so Jesaitis.

Der Initiative bei Bundeskartellamt haben sich über 30 Unternehmen angeschlossen. Inzwischen sind rund 50.000 Euro an Verfahrenskosten angefallen. Das Amt entscheidet aktuell darüber, ob es die Beschwerde annimmt. Die Initiatoren rechnen sich dafür gute Chancen aus. Anschließend wird es nach ihrer Einschätzung zwischen einem und zwei Jahren dauern, bis eine Entscheidung der Behörde fällt.

Wie stellen sich die Windanlagenbauer zu den Vorwürfen? Wir konfrontierten sechs große Anbieter auf dem deutschen Markt mit den Kernpunkten der Beschwerde: Enercon GmbH, Vestas Wind Systems, GE Energy, REpower Systems AG, Nordex AG und Siemens Power Generation.

Gaby Braun, Sprecherin der GE Energy aus Salzbergen fasst sich kurz: "Wir geben kein Statement zu Ihrer Anfrage ab." Etwas länger, dennoch gleichermaßen hart in der Sache das Statement der Hamburger REpower Systems AG. Daniela Puttenat, Leiterin Unternehmenskommunikation & Öffentlichkeitsarbeit: "Nach interner Rücksprache kann ich Ihnen mitteilen, dass wir uns zu einer solchen generellen Anfrage, die sich pauschal an alle Hersteller richtet, nicht äußern."

Verbindlicher formuliert Andreas Eichler vom dänischen Weltmarktführer Vestas Wind Systems A/S. Er habe die Anfrage "mit Verwunderung zur Kenntnis genommen", so der Sprecher. Seine Antwort ist allgemein gehalten: "Wir stehen sehr lange in Gesprächen zum Beispiel mit dem BWE Vestas Betreiberforum (Bundesverband Windenergie), wo wir gemeinsam eine Einigung gefunden haben hinsichtlich der Herausgabe von Dokumentationen." Vestas befinde sich in einem ständigen Prozess, um die Dokumentationen den Anforderungen entsprechend anzupassen, so Eichler. Man habe dem BWE in Absprache mit dem Forum Anlagendokumentationen zur Verfügung gestellt. Der Verband leite sie an entsprechende Interessenten weiter.


Offensiv begegnet der Sprecher dem Vorwurf, es werde mit zweierlei Maß gemessen, größeren Betreibern würden umfangreichere Unterlagen zur Verfügung gestellt. "Es gibt es verschieden Stufen in der Bedienerführung der Anlagen. Und es ist natürlich auch Verhandlungssache, wie die Kunden ihre Verträge aushandeln. Das hängt von verschiedenen Dingen ab, wie der Größe der Windparks und den Anlagentypen. Letztlich müssen wir aber auch berücksichtigen, wie viel Erfahrung der Kunde mit dem Betrieb von Windturbinen hat. Es kommt auch auf seine Fachkompetenz an." Wenn Nordex die Wartung selbst durchführe, sehe man sich schließlich auch in der Verantwortung, erklärt Losada. "Wir sichern die Lebensdauer der Turbinen."

Die Klage der Betreiber, dass sie beim Bezug von Ersatzteilen erhebliche Preisaufschläge zahlen müssten, will der Nordex-Sprecher nicht gelten lassen. Das Ersatzteilegeschäft gehöre mit zum Business, sagt er: "Das macht jede Branche so." Und von Verträgen zwischen Anlagenbauern und Zulieferern weiß er nichts. Es gebe seines Wissens keine Vereinbarungen, die ausschließen, dass Ersatzteile auch direkt beim Zulieferer bezogen werden können. Auch von allgemeinen Absprachen unter den Anlagenherstellern wisse er nichts, so Losada gegenüber ECOreporter.de.

Michael Dahm, vom deutschen Marktführer Enercon, verweist auf das "Enercon PartnerKonzept". Die Betreiber von Enercon-Turbinen würden in der Regel dieses "Sorglospaket" für die ersten zwölf Betriebsjahre abschließen. Es beinhalte alle Wartungs- und Reparaturarbeiten. "Das von Ihnen skizzierte Problem stellt sich somit für unsere Betreiber nicht", so der Sprecher.

Von der Siemens-Tochter Siemens Power Generation, erhielten wir trotz schriftlicher und telefonischer Anfrage keine Stellungnahme zu den Vorwürfen der Windparkbetreiber.

Bilder: Dirk Jesaitis; Fertigung Rotoblättern für Windräder bei Vestas; Fertigung einer Nordex N90 / Quelle: Unternehmen
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