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Auf dem Weg zum Weltmarktführer – ECOreporter.de-Interview mit Dr. Dirk Neupert, Vorstand der Envio AG


ECOreporter.de: Herr Dr. Neupert, die Envio AG recycelt alte Transformatoren. Bekommen Sie Geld für das Recycling oder bezahlen Sie den Alt-Eigentümern die Geräte bezahlen, weil sie Rohstoffe enthalten, die mittlerweile richtig teuer geworden sind?

Dr. Dirk Neupert: Für die Entsorgung PCB-haltiger Geräte müssen die Kunden uns natürlich bezahlen, das ist eine hochspezialisierte Dienstleistung, die wir als einer von ganz wenigen Anbietern weltweit erbringen können. Wenn es um die Verwertung „normaler“, also nicht schadstoffhaltiger Transformatoren geht, erwarten die Kunden inzwischen aufgrund der hohen Rohstoffpreise eine Zuzahlung.

ECOreporter.de: Was ist das Schwierige beim Recycling alter Transformatoren?
Neupert: Die Transformatoren enthalten PCB, das in den meistens über 20 Betriebsjahren in alle Ritzen gedrungen ist. Auch das im Transformator enthaltene Papier und Holz haben sich damit vollgesogen. Mit unserer mehrstufigen Dekontaminierungstechnologie haben wir die Möglichkeit, diesen Gefahrstoff effektiv abzutrennen und so die hochwertigen Rohstoffe aus dem Transformator wiederzugewinnen.

ECOreporter.de: Wo liegt das besondere Know-How der Envio AG?
Neupert: Gerade beim Entsorgen PCB-haltiger Transformatoren kommt es auf die richtige Technologie und langjährige Erfahrung an. Bei der Technologie hat uns natürlich geholfen, dass wir früher ein Teil von ABB waren, dem weltgrößten Hersteller von Transformatoren. Dieses Know-How hat kein anderer Anbieter im Markt.

ECOreporter.de: Wenn Sie die heutige Situation der Envio mit Ihren Erwartungen bei der Übernahme des Unternehmens vor gut vier Jahren vergleichen: Was hat Sie positiv überrascht?
Neupert: Am meisten gefreut, wenn auch nicht wirklich überrascht, hat mich dass uns alle Kunden treu geblieben sind. Schon eher überraschend war, wie stark wir in den letzten Jahren unser Geschäft ausbauen konnten: Immerhin haben wir im vergangenen Jahr fast viermal so viel Umsatz erzielt wie 2004.. Wenn in den nächsten Wochen unsere Anlage in Korea in Betrieb geht, die verdoppelt sich unsere Entsorgungskapazität - im Umsatz noch einmal ein deutlicher Schritt nach vorn.

ECOreporter.de: In welcher Wettbewerbssituation steht Envio?
Neupert: In der Entsorgung PCB-haltiger Transformatoren gibt es weltweit nur eine Handvoll von Anbietern; wir gehören dabei derzeit mindestens zu den Top 3 in der Welt. Mit unserer neuen Anlage in Südkorea sind wir auf dem Weg, in den nächsten Jahren der Weltmarktführer zu werden.

ECOreporter.de: Wo sehen Sie die größte Änderung, die sich aus Ihrem Wechsel vom Manager zum Geschäftsführer im eigenen Unternehmen ergeben hat?
Neupert: Als Geschäftsführer im eigenen Unternehmen ist man niemandem mehr Rechenschaft schuldig. Das ist ein Vorteil, denn dadurch konnten wir in den letzten Jahren sehr schnell Entscheidungen treffen und viele Dinge erreichen, die ein konzerngebundenes Unternehmen nie - oder nur sehr viel langsamer - geschafft hätte. Diese Flexibilität und Schnelligkeit ist ein wichtiger Baustein für den Erfolg der Envio. Die Kehrseite der Unabhängigkeit ist die viel umfassendere Verantwortung. Wo es im Konzern früher immer mindestens drei Vorgesetzte gab, die Einfluss genommen haben, nimmt mir heute niemand eine Entscheidung ab.

ECOreporter.de: Eines Tages werden alle Transformatoren entsorgt sein, die mit PCB gefüllt sind. Was macht Envio dann?
Neupert: Bis dahin haben wir schon noch ein bisschen Zeit, ich denke dass es noch mindestens 30 Jahre dauern wird, bis dieses Geschäft ausläuft. Aber wir haben ja schon damit begonnen, neue Geschäftsfelder zu entwickeln, beispielsweise im Bereich Biogas.

ECOreporter.de: Wie sehen Sie hier Chancen und Risiken?

Neupert: Die Energieversorgung ist in Zeiten des Klimawandels ein wichtiges Thema, deshalb haben wir begonnen, uns im Bereich der regenerativen Energien zu engagieren. Wie schon im Recycling-Bereich wollen wir uns hier durch besondere innovative Technologien aus dem großen Feld der anderen Marktteilnehmer abheben. Ein Beispiel ist unsere Gasaufbereitungstechnologie. Damit können Betreiber von Biogasanlagen, das Biogas so aufbereiten, dass es in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. Die Kosten sind dabei deutlich niedriger sind als bei den Verfahren anderer Anbieter. Außerdem nutzen wir natürlich unsere guten Kontakte auf der ganzen Welt, die wir durch unser Recyclinggeschäft in den letzten 20 Jahren aufgebaut haben. Viele unserer Kunden oder Geschäftspartner sind auch am Thema regenerative Energien sehr interessiert, deshalb konnten wir schon im ersten Jahr zum Beispiel in Südkorea 20 Vorverträge über den Bau von Biogasanlagen abschließen.

ECOreporter.de: Ein Blick voraus: In drei Jahren, in fünf Jahren: Wo sehen Sie Envio?
Neupert: Wenn unsere Entsorgungsanlage in Korea rund läuft, werden wir wahrscheinlich schon bald der Weltmarktführer im Bereich der PCB-Entsorgung sein. Und da dies sicher nicht die letzte Envio-Anlage im Ausland sein wird – große Teile der Welt stehen ja noch voll von PCB-Transformatoren – werden wir das sicher auch in fünf Jahren noch sein. Unser Biogasgeschäft wird sich, insbesondere durch unsere innovativen Verfahren zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen, bis dahin auch national wie international erfolgreich etabliert haben.

ECOreporter.de: Was werden die schwierigsten Hindernisse auf dem Weg dahin sein?
Neupert: Natürlich kann sich die Gesetzgebung ändern, und PCB-Transformatoren werden erst später entsorgt. Oder die Energiepreise fallen, und niemand braucht mehr Biogasanlagen. Aber das ist meiner Meinung nach alles ziemlich unwahrscheinlich. Ich glaube, am wichtigsten sind gute und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

ECOreporter.de: Herr Dr. Neupert, wir danken Ihnen für das Gespräch!


Zur Person:
Der Diplom-Ingenieur und Kaufmann Dr. Dirk Neupert, 43 Jahre, studierte Elektrotechnik und Betriebswirtschaft. Bei ABB sah er die besten Möglichkeiten, seine fachübergreifenden Qualifikationen einzusetzen. Nebenher promovierte er an der RWTH Aachen. Nach 10 Jahren in einem Konzern übernahm er zusammen mit seinem Kollegen Christoph Harks Form eines Management-Buy-Outs den Bereich Transformatoren-Recycling von ABB. Sie gründeten 2007 in Dortmund die Envio AG. Neuperts persönliche Zwischenbilanz: „Ich genieße jetzt die Freiheit, ohne Hierarchien,, nur in Abstimmung mit meinem Vorstandkollegen, unternehmerisch zu entscheiden und den Erfolg der Envio AG selbst zu gestalten“.

Envio AG: WKN A0N4P1 / ISIN DE000A0N4P19

Bilder: Arbeiter der Envio AG. / Quelle: Unternehmen
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