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Bafin-Entscheidung führt zu Kurssturz bei Biodieselaktie – Großaktionär muss kein Pflichtangebot machen
Mit einem Kurssturz von 0,90 bis auf 0,48 Euro je Aktie reagierte die Börse am Freitag letzter Woche auf eine Nachricht des Biodieselherstellers Petrotec AG. Das Unternehmen aus Borken hatte mitgeteilt, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Großaktionär IC Green Energy Ltd. von der Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots befreit hat. IC Green Energy hält den Angaben zufolge 42,83 Prozent der Aktien der Petrotec. Die Notierung der Aktie hat sich inzwischen auf 0,67 Euro erholt.
Das Bafin habe die Befreiung an eine Reihe von Auflage gebunden, so Petrotec weiter. So solle IC Green Energy Ltd. Ausleihungen an Petrotec innerhalb bestimmter Fristen in ein Darlehen in Höhe von 6,3 Millionen Euro mit einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren und einem Zinssatz von höchstens acht Prozent umwandeln. Zu denselben Bedingungen soll die Großaktionärin dem Unternehmen eine Kreditlinie in Höhe von 4,15 Millionen Euro gewähren. IC Green Energy solle ferner eine Kapitalerhöhung in Höhe von insgesamt 1,05 Millionen Euro zeichnen. Bei Bedarf seien der Petrotec zudem bestimmte Garantien (insbesondere Bürgschaften) zu gewähren, hieß es.
Nähere Einzelheiten zu dem Bescheid finden sich laut Petrotec in einer WpÜG-Mitteilung der IC Green Energy Ltd. Lesen Sie die Mitteilung anschließend im Wortlaut:
Befreiung; <DE000PET1111>
Zielgesellschaft: Petrotec AG; Bieter: IC Green Energy Ltd.
IC Green Energy Limited
Nachricht vom 27. Februar 2009
Befreiung
Zielgesellschaft: Petrotec AG
Bieter: IC Green Energy Limited, Israel Corporation u.a.
Veröffentlichung über die Erteilung einer Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Kontrollerlangung und zur Abgabe eines Pflichtangebots für die Aktien der Petrotec AG
Bieter/Antragsteller:
IC Green Energy Limited, 19 Harbaa Street, Tel Aviv 61204, Israel
- Antragstellerin zu 1) -
Israel Corporation Ltd., 23 Aranha Street, Tel-Aviv 61204, Israel
- Antragstellerin zu 2) -
Millenium Investments Elad Ltd., 9 Andre Saharov Street, Haifa 31905,
Israel
- Antragstellerin zu 3) -
Mashat (Investments) Ltd., 9 Andre Saharov Street, Haifa 31905, Israel
- Antragstellerin zu 4) -
Ansonia Holdings B.V., Einstein Building 21, Kabelweg 21, 1014 BA
Amsterdam, Niederlande
- Antragstellerin zu 5) -
Jelany Corporation N.V., Pareraweg 45, P.O. Box 4914, Curacao,
Niederländische Antillen
- Antragstellerin zu 6) -
Court Investments Ltd., 80 Broad Street, Monrovia, Republik Liberia
- Antragstellerin zu 7) -
CIBC Bank and Trust Company (Cayman) Limited, 11 Dr. Roy’s Drive, P.O. Box
694, George Town, Grand Cayman, KY 1 - 1107, Cayman Islands
- Antragstellerin zu 8) -
CIBC Holdings (Cayman) Limited, 11 Dr. Roy’s Drive, P.O. Box 694, George
Town, Grand Cayman, KY 1 - 1107, Cayman Islands
- Antragstellerin zu 9) -
Canadian Imperial Bank of Commerce, Commerce Court, Toronto, ON M5L 1A2,
Kanada
- Antragstellerin zu 10) -
Zielgesellschaft:
Petrotec AG, Fürst-zu-Salm-Salm Str. 18, 46325 Borken - ISIN: DE 000PET1111
1 Mit Bescheid vom 26. Februar 2009 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Antragstellerinnen zu 1) bis zu 10) gemäß § 37 Abs. 1, Abs 2 WpÜG i. V. m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO von den Verpflichtungen, nach § 35 Abs. 1 WpÜG die Erlangung der Kontrolle über die Petrotec AG zu veröffentlichen und gemäß § 35 Abs. 2 WpÜG innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Kontrollerlangung über die v. g. Gesellschaft der Bundesanstalt eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Angebot zu veröffentlichen, befreit.
2 Der Bescheid ist mit den folgenden Auflagen gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG
versehen:
(a) Die Umwandlung der in nachstehender Ziffer 3 lit. a) näher bezeichneten Mittel in ein Darlehen über € 6,3 Mio. mit einer Laufzeit von mindestens 5 Jahren und einem Zinssatz von höchstens 8 Prozent (a) anzuzeigen und (b) durch geeignete Unterlagen (z. B. Vertragskopien) nachzuweisen;
(b) Die Einräumung der in nachstehender Ziffer 3 lit. b) näher bezeichneten Kreditlinie von 4,15 Mio. (a) anzuzeigen und (b) durch geeignete Unterlagen (z. B. Vertragskopien) nachzuweisen;
(c) Die Zeichnung der in nachstehender Ziffer 3 lit. c) näher bezeichneten Kapitalerhöhung in voller Höhe sowie die Zahlung des Ausgabebetrags (a) anzuzeigen und (b) durch geeignete Unterlagen (z. B. Handelsregisterauszug, Depotauszüge) nachzuweisen;
(d) Die Bereitstellung von in nachstehender Ziffer 3 lit. d) näher bezeichneten Garantien (a) anzuzeigen und (b) durch geeignete Unterlagen (z. B. Handelsregisterauszug, Depotauszüge) nachzuweisen.
3 In dem Befreiungsbescheid behält sich die BaFin den Widerruf der Befreiung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG für den Fall vor, dass (a) die Antragstellerin zu 1) der Petrotec AG nicht bis spätestens 20.03.2009 zuvor gewährte Überbrückungskredite in einem Umfang von insgesamt € 3,5 Mio. (Kreditvertrag vom 13.11.08 über € 500.000.-, vom 26.11.2008 über € 500.000.-, vom 01.12.2008 über € 1 Mio., vom 08.01.2009 über € 600.000.- und vom 16.01.2009 über € 900.000.-) sowie Mittel aus einer Sale-and-sale-back-Transaktion in Höhe von ca. € 2,8 Mio. (Kauf- bzw. Rückkaufverträge vom 18.09. und 24.09.2008) in ein Darlehen über € 6,3 Mio. mit einer Laufzeit von mindestens 5 Jahren und einem Zinssatz von höchstens 8 Prozent umgewandelt hat;
(b) die Antragstellerin zu 1 ) der Petrotec AG nicht bis spätestens 31.03.2009 eine Kreditlinie von € 4,15 Mio., die von der Petrotec AG bei Bedarf auch in Teilbeträgen kurzfristig abgerufen werden kann, mit einer Laufzeit von mindestens 5 Jahren und einem Zinssatz von höchstens 8 Prozent eingeräumt hat;
(c) die Antragstellerin zu 1) nicht bis spätestens 30.06.2009 eine Kapitalerhöhung der Petrotec AG aus genehmigten Kapital in voller Höhe von € 1,05 Mio. gezeichnet und den Ausgabebetrag von insgesamt € 1,05 Mio. gezahlt hat;
(d) die Antragstellerin zu 1) der Petrotec AG nicht in den nächsten 5 Jahren bei Bedarf Garantien (insbesondere Bürgschaften) als Sicherheit zur Unterstützung ihres Handelsgeschäfts bis zu einer Höhe von insgesamt € 3,5 Mio. zur Verfügung stellt.
Die Befreiung beruht im Wesentlichen auf folgenden im Befreiungsbescheid dargelegten Gründen:
4 Die Petrotec AG (folgend: 'Zielgesellschaft“) ist eine deutsche Aktiengesellschaft mit Sitz in Borken. Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt 10,5 Mio. und ist eingeteilt in ebenso viele Inhaberaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von € 1,00 je Aktie.
Die Antragstellerin zu 1) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach israelischem Recht mit Sitz in Tel-Aviv, Israel.
Bei den Antragstellerinnen zu 1) bis zu 10) erfolgt eine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG wegen des Mutter-Tochter-Verhältnisses. Am 04.12.2008 hat die Antragstellerin zu 1) 42,83 % der Aktien und der Stimmrechte an der Zielgesellschaft von der Petrotec S.a.r.l. (folgend 'Verkäuferin“) erworben, die den Antragstellerinnen zu 2) bis zu 10) gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG zugerechnet werden.
Bei der Verkäuferin handelt es sich um eine Akquisitionsgesellschaft mit Sitz in Luxemburg, zu deren Gesellschaftern auch ein von Warburg Pincus Deutschland GmbH zur Verfügung.
Am 04.02.2008 hat die Antragstellerin zu 1) 42,83% der Aktien und der Stimmrechte an der Zielgesellschaft von der Petrotec S.a.r.l. (Verkäuferin) erworben, die den Antragstellerinnen zu 2) bis zu 10) gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG zugerechnet werden.
Bei der Verkäuferin handelt es sich um eine Akquisitionsgesellschaft mit Sitz in Luxemburg, zu deren Gesellschaftern auch ein von Warburg Pincus beratener institutioneller Investmentfond gehört(e). Als inländischer Ansprechpartner stand der Antragstellerin zu 1) die Warburg Pincus Deutschland GmbH zur Verfügung.
Dem Erwerb ging angabegemäß im Juli 2008 die Entscheidung der Antragstellerin zu 1) voraus, den Erwerb eines Aktienpakets im vorgenannten Umfang in Betracht zu ziehen.
In der Zeit von 25.07.2008 bis 21.08.2008 erhielt die Antragstellerin zu 1) im Rahmen einer sog. Due Diligence Gelegenheit, in einem elektronischen Datenraum Informationen über die rechtliche, finanzielle und operative Situation der Zielgesellschaft und der mit ihr verbundenen Unternehmen einzusehen. Die Due Diligence beschränkte sich nach den Darlegungen der Antragstellerin zu 1) hauptsächlich auf öffentlich zugängliche Informationen; beispielsweise Protokolle der Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat seien der Antragstellerin zu 1) auch auf Anforderung nicht vorgelegt worden. Dementsprechend habe sich die Antragstellerin zu 1) teils auf Aussagen der beratenden Investmentbanken und der Verkäuferin verlassen (müssen), wonach die Zielgesellschaft zwar Verluste für das laufende Geschäftsjahr erwarte, doch über eine ausreichende Liquidität verfüge. Insbesondere sollte sich die finanzielle Situation der Zielgesellschaft nach der Planung ihres Leitungsorgans ab Oktober 2008 wieder verbessern, in den Folgejahren seien gar Gewinne zu erwarten.
Die Antragstellerin zu 1) hielt den avisierten Aktienerwerb angabegemäß für ein interessantes Investment und die Zielgesellschaft für ein Unternehmen mit großem Entwicklungspotential. Bereits in diesem Stadium habe die Antragstellerin zusätzlichen finanziellen Aufwand eingeplant, um der Zielgesellschaft eine mittel- und langfristig gewinnorientierte Perspektive zu verschaffen.
Im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen habe der Vorstand der Zielgesellschaft der Antragstellerin zu 1) am 18.08. und 19.08.2008 den Geschäftsbericht für das zweite Quartal 2008 präsentiert und einen kurzfristigen Liquiditätsbedarf von € 3,9 Mio., mitgeteilt. Daraufhin erklärte sich die Antragstellerin zu 1) bereit, der Zielgesellschaft bis zu € 5,0 Mio., die bereits als mittel- und langfristiger Aufwand eingeplant waren, für kurzfristig notwendige Überbrückungskredite zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund sei die Verkäuferin bereit gewesen, anstelle der ursprünglich anvisierten € 3,10 je Aktie einen Kaufpreis von € 2,70 je Aktie zu akzeptieren. Ein entsprechender Kaufvertrag wurde auf dieser Grundlage am 31.08.2008 abgeschlossen (sog. Share Purchase and Transfer Agreement regarding shares in Petrotec AG vom 31.08.2008). In Umsetzung der Finanzierungszusage schlossen die Antragstellerin zu 1) und die Zielgesellschaft ferner einen sog. Sale-and-sale-back-Vertrag ab, aufgrund dessen der Zielgesellschaft kurzfristig Mittel in Höhe von € 2,8 Mio. zur Verfügung gestellt wurden. Die Zielgesellschaft habe der Antragstellerin zu 1) versichert, dass diese Zwischenfinanzierung ausreichend sei, und eine Rückzahlung im Dezember 2008 in Aussicht gestellt.
Am 31.08.2008 veröffentlichte die Antragstellerin zu 1) ihre Entscheidung zur Abgabe eines freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots gemäß § 10 Abs. 1 WpÜG. Bis zur Untersagung des Übernahmeangebots durch die Bundesanstalt am 17.10.2008 habe sich die Informationslage der Antragstellerin zu 1) nicht wesentlich verändert.
Erst im Nachgang habe die Antragstellerin zu 1) festgestellt, dass ihre Einschätzung der finanziellen Lage der Zielgesellschaft auf unzutreffenden Informationen beruhte. Unverzüglich nach Kenntniserlangung fasste die Antragstellerin zu 1) dies am 28.102008 in einem Brief an die Warburg Pincus Deutschland GmbH zusammen und forderte die Verkäuferseite zur Stellungnahme auf.
Die Antragsstellerin zu 1) und die Verkäuferin nahmen daraufhin Nachverhandlungen auf. Zudem äußerte sich der Vorstandsvorsitzende der Zielgesellschaft am 30.10.2008 unter Bezugnahme auf das v.g. Schreiben per E-Mail gegenüber der Antragstellerin zu 1) dahingehend, dass eine schnelle Einigung zwischen den Vertragsparteien im Mittelpunkt stehen müsse.
Wörtlich heißt es darin:
' If ICG [die Antragstellerin zu 1)] and Warburg Pincus do not reach a common understanding and solution to the closing of the share purchase agreement and, thus, ICG´s commitment of the binding offer dated 21. August to fund Petrotec with 5m € will not be put in place, Petrotec runs the risk of having to file for bankruptcy in two weeks time as the current line of credit runs out tomorrow”.
Am 31.10.2008 verlängerte die VR-Bank Westmünsterland eG eine Kreditlinie der Zielgesellschaft über € 2,0 Mio. nicht.
Auf Grund dieser Entwicklung habe die Antragstellerin zu 1) abwägen müssen, ob sie eine Aufhebung des Kaufvertrages anstrebt oder an der Vollziehung des Kaufvertrages festhält. Spätestens in diesem Stadium habe aus Sicht der Antragstellerin zu 1) festgestanden, dass die Zielgesellschaft die drohende Zahlungsunfähigkeit nicht ohne fremde Hilfe würde abwenden können. Nach angabegemäß langwierigen Verhandlungen einigten sich die Antragstellerin zu 1) und die Verkäuferin am 11.11.2008 auf die Aufrechterhaltung des am 31.08.2008 geschlossenen Vertrages und dessen Vollzug am 01.12.2008 (sog. Amendment Agreement vom 11.11.2008) Von November 2008 bis Januar 2009 gewährte die Antragstellerin zu 1) der Zielgesellschaft fünf Überbrückungskredite in einem Umfang von insgesamt € 3,5 Mio.
Am 01.12.2008 zahlte die Antragstellerin zu 1) den vereinbarten Kaufpreis für das verfahrensgegenständliche Aktienpakt, am 04.12.2008 wurden die entsprechenden Aktien von der Verkäuferin auf die Antragstellerin zu 1) übertragen.
Die Befreiung von den Verpflichtungen des § 35 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG sei vorliegend gerechtfertigt, da die Antragstellerinnen die Kontrolle über die Zielgesellschaft im Zusammenhang mit deren Sanierung erlangt haben. Der Befreiungsgrund des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO sei einschlägig. Insbesondere sei die Zielgesellschaft sanierungsbedürftig, da sie sich bestandsgefährdenden Risiken ausgesetzt sehe. Die Zielgesellschaft verfüge nicht über die zur Herstellung der erforderliche Liquidität bzw. Rentabilität erforderlichen Mittel.
Hinsichtlich der Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit der Zielgesellschaft haben die Antragstellerinnen auf eine 'Gutachterliche Stellungnahme zum Sanierungsplan im Zusammenhang mit dem Befreiungsantrag in Sachen Petrotec AG“ der Erst & Young AG vom 05.12.2008, 'Erläuterungen zur gutachterlichen Stellungnahme …“ vom 15.01.2009 und 'Erläuternde Ergänzungen …“ der Ernst & Young AG vom 30.01.2009 verwiesen. Die Sanierungsbeiträge der Antragstellerin zu 1), die sich aus verschiedenen Einzelmaßnahmen zusammensetzen und insgesamt ein Volumen von € 15,0 Mio. erreichen, wurden zuletzt mit Schriftsatz vom 30.01.2009 (weiter) konkretisiert.
5 Dem Antrag war stattzugeben, da er zulässig und begründet ist. Die Voraussetzung für eine Sanierungsbefreiung gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO liegen vor.
5.1 Die Antragstellerinnen haben die Kontrolle im Zusammenhang mit der Sanierung der Zielgesellschaft im Sinne von § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO erlangt. Dagegen spricht nicht, dass die Antragstellerinnen bei Abschluss des Aktienkaufvertrages am 31.08.2008 noch (allein) strategische Interessen verfolgt und seinerzeit (noch) nicht in der Absicht gehandelt haben, Petrotec AG zu sanieren.
Zwar stellt der Befreiungsgrund des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO eine Exemplifizierung der in § 37 Abs. 1 Alt. 1 WpÜG geregelten Kategorie 'mit der Erlangung der Kontrolle beabsichtigte Zielsetzung“ dar (Versteegen, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, Anhang § 37, Rn. 12; Krause/Pötsch, in: Assmann/Pötsch/Schneider, WpÜG, § 37, Rn. 45 ff., insbes. 51; vgl. auch BT-Ds. 14/7034, S. 61), so dass es nicht fernzuliegen scheint, (allein) auf das Ziel des Bieters zum Zeitpunkt des dem dinglichen Erwerb vorangegangenen schuldrechtlichen Geschäfts - vorliegend dem Abschluss des Paketkaufvertrages am 31.08.2008 - abzustellen. Bezogen auf den hier zu beurteilenden Fall hätte dies zur Folge, dass sich die Antragstellerinnen nicht (mehr) auf das sog. Sanierungsprivileg des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO berufen könnten. Denn ausweislich ihrer Veröffentlichung nach § 10 WpÜG am 31.08.2008 beabsichtigte die Antragstellerin zu 1) bei Vertragsschluss (allein), den Aktionären der Petrotec AG ein öffentliches Übernahmeangebot zu unterbreiten.
Diese Ansicht verkennt indes Wortlaut, Systematik und Zweck der verfahrensmaßgeblichen Vorschriften. So kann nicht vernachlässigt werden, dass §§ 35 ff. WpÜG sowie §§ 8 f. WpÜG-AngebotsVO durchgängig auf die Erlangung der Kontrolle, der wiederum das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG zu Grunde liegt, und damit auf das dingliche Rechtsgeschäft abstellen. Insbesondere § 9 WpÜG-AngebotsVO spricht ausdrücklich davon, dass eine Befreiung von den Pflichten aus § 35 WpÜG bzw. § 8 Satz 1 WpÜG-AngebotsVO bei Erlangung der Kontrolle ausgesprochen werden kann, wenn sie im Zusammenhang mit der Sanierung der Zielgesellschaft steht. Entscheidend ist danach die - ggf. auch zwischenzeitlich veränderte - Zielsetzung des Erwerbers bei Vollzug eines die Kontrolle i. S. von § 29 Abs. 2 WpÜG vermittelnden Geschäfts. Auch ein Vergleich mit anderen in § 9 Abs. 1 WpÜG-AngebotsVO genannten Befreiungstatbeständen und deren Voraussetzungen legt nahe, die Formulierung 'im Zusammenhang mit der Sanierung“ eher weit auszulegen und nicht nur solche Sachverhalte zu erfassen, denen eine ursprüngliche - schon bei Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts bestehende - Sanierungsabsicht des Erwerbers zugrunde liegt. Denn in § 9 Satz 1 WpÜG-AngebotsVO finden sich abweichend davon auch engere Formulierungen wie 'durch …“ (§ 9 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 WpÜG-AngebotsVO oder 'zum Zwecke …“ (§ 9 Satz 1 Nr. 4 WpÜG-AngebotsVO), die zudem teils an schuldrechtliche Begriffe wie 'Schenkung“ anknüpfen.
Es fällt ferner auf, dass der Gesetzgeber dann, wenn im Übernahmerecht ausnahmsweise auf den Zeitpunkt des schuldrechtlichen Erwerbs abzustellen ist, dies - beispielsweise in § 31 Abs. 6 WpÜG im Zusammenhang mit der angemessenen Gegenleistung - ausdrücklich gesetzlich angeordnet hat; ansonsten kommt es immer auf den dinglichen Erwerb an. Dass es an einer mit § 31 Abs. 6 WpÜG vergleichbaren Regelung in §§ 30, 35, 37 WpÜG, 9 WpÜG-AngebotsVO fehlt, kann unter systematischen Gesichtspunkten als Hinweis darauf verstanden werden, dass der übernahmerechtlich tradierte Begriff des Haltens i. S. von § 29 Abs. 2 WpÜG (verfahrens-) maßgeblich ist.
Der erklärte Wille des historischen Gesetz- und Verordnungsgebers geht dahin, '… [durch] die ausnahmslose Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots unerwünschte Auswirkungen auf die Bereitschaft [eines Investors] zur Beteiligung an Sanierungsbemühungen …“ im Interesse auch der Minderheitsaktionäre und Arbeitnehmer einer Zielgesellschaft zu vermeiden (vgl. BT-Ds. 14/7034, S. 81). Da es an einem Hinweis darauf, dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommen könnte, von welchem Zeitpunkt an ein Investor diese Bereitschaft aufbringt, fehlt, erscheint es unter Berücksichtigung der explizit angesprochenen Interessen auch der Minderheitsaktionäre und Arbeitnehmer einer Zielgesellschaft nicht sachgerecht, danach zu differenzieren, ob ein Investor bereits bei Abschluss eines schuldrechtlichen Geschäfts oder erst später zur Beteiligung an Sanierungsbemühungen bereit ist, solange er dieses Ansinnen vor Vollzug des Vertrages herausbildet. In beiden Fällen können die Aktivitäten des Investors geeignet sein, die Bestandsgefährdung der Zielgesellschaft zu beseitigen, so dass es gerechtfertigt erscheint auch in der zweit genannten Fallkonstellation das Vorliegen der Tatbestandvoraussetzungen des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO anzunehmen und im Rahmen der infolgedessen vorzunehmenden Ermessensentscheidung die Interessen des Erwerbers mit denjenigen der außen stehenden Aktionären abzuwägen.
Diese vorzugswürdige Auslegung trägt nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass sich der Erwerber von Aktien - freilich abhängig von der konkreten Ausgestaltung der vertraglichen Abrede - möglicherweise noch vor Vollzug von einem Vertrag lösen kann. Hält der Investor hingegen - wie im vorliegenden Fall - in zwischenzeitlicher Kenntnis der (möglicherweise) erforderlichen Sanierung der Zielgesellschaft an der Durchführung des Vertrages fest, darf ihm eine Abwägung seiner Interessen mit denjenigen der außen stehenden Aktionären nicht verwehrt werden.
Die Antragstellerinnen erfuhren nach Lage der Akte erst Ende Oktober 2008 davon, dass ihre Einschätzung der finanziellen Lage der Zielgesellschaft auf unzutreffenden Informationen beruhte. Dass die Antragstellerinnen im Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb über die Absicht der Sanierung hinaus (weiter) wirtschaftliche und/oder strategische Interessen verfolgen, ist dem Zweck jedweder unternehmerischer Aktivität geschuldet und selbstredend unschädlich (vgl. Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 37, Rn. 80).
Im vorliegenden Fall musste schließlich auch Berücksichtigung finden, dass sich die Zielgesellschaft ausweislich der 'Erläuterungen zur gutachterlichen Stellungnahme …“ der Ernst & Young AG vom 15.01.2009 objektiv bereits bei Abschluss des Paketkaufvertrages am 31.08.2008 bestandsgefährdenden Risiken ausgesetzt sah. Daher hätten die Antragstellerinnen - Kenntnis dieses Sachverhalts unterstellt - schon zu diesem Zeitpunkt einen Befreiungsantrag stellen und sich auf das Sanierungsprivileg des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO berufen können. 5.2 Die Zielgesellschaft ist sanierungsbedürftig.
Die Ernst & Young AG kommt in ihrer 'Gutachterliche[n] Stellungnahme zum Sanierungsplan in Zusammenhang mit dem Befreiungsantrag in Sachen Petrotec AG“ vom 05.12.2008 zu dem Ergebnis, dass die Petrotec AG '… dringend finanziell und operativ saniert werden [muss]“ und '… ohne die bereits erfolgte finanzielle Unterstützung von ICG [der Antragstellerin zu 1)] Insolvenzantrag hätte stellen müssen und ohne weitere künftige Unterstützung durch ICG wird stellen müssen“). Der Liquiditätsbedarf (Stand 05.12.2008) sei spätestens ab der 51. KW/2008 nicht mehr gedeckt: die Petrotec AG sein stand-alone nicht mehr überlebensfähig. Diesen bestandsgefährdenden Risiken i. S. von § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB sah sich die Zielgesellschaft objektiv schon bei Abschluss des Kaufvertrages zwischen der Antragstellerin zu 1) und der Verkäuferin am 31.08.2008 ausgesetzt.
Dieser Befund der Ernst & Young AG entspricht auch der Eigeneinschätzung
der Zielgesellschaft.
Auch die Bilanzentwicklung der Zielgesellschaft ist als Hinweis für die sich verschlechternde finanzielle Situation der Petrotec AG und das Bestehen bestandsgefährdender Risiken zu verstehen. Die schwierige und sich zusehend verschlechternde wirtschaftliche Lage der Zielgesellschaft dokumentiert auch die Cashflow-Rechnung für die ersten neun Monate des Jahres 2008. Auf diesen Rückgang sind die rückläufigen liquiden Mittel zurückzuführen. Schließlich zeigt die kurzfristige Liquiditätsplanung (Stand: 24.11.2008) der Zielgesellschaft auf, dass die Petrotec AG auf Grundlage der darin enthaltenen Annahmen nicht in der Lage sein wird, in der betrachteten Planungsperiode alle fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Eine Liquiditätsunterdeckung ergibt sich demnach erstmals in Kalenderwoche 49/2008, der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (er-)folgt in Kalenderwoche 51/2008.
5.3 Überdies haben die Antragstellerinnen ein tragfähiges Sanierungskonzept vorgelegt. Die Antragstellerinnen beabsichtigen danach, die Sanierung der Zielgesellschaft sowohl auf operative, finanzwirtschaftliche als auch personelle Maßnahmen zu stützen.
5.3.1 Im Mittelpunkt der avisierten operativen Maßnahmen zum Zweck der Sanierung der Petrotec AG steht die Einführung einer sog. Hedging-Strategie.
5.3.2 Wesentlicher Bestandteil des Sanierungskonzepts der Antragstellerinnen sind überdies - teils bereits erbrachte - Maßnahmen, die der finanziellen Restrukturierung der Zielgesellschaft dienen. Schon im September 2008 wurde die Petrotec AG von der Antragstellerin zu 1) aus Anlass einer kurzfristigen Finanzierung im Gesamtwert von rund € 2,8 Mio. finanziell unterstützt. Zwischen November 2008 und Januar 2009 stellte die Antragstellerin zu 1) der Zielgesellschaft ferner Zwischenfinanzierungen in Höhe von insgesamt € 3,5 Mio. zum Zweck der Abwendung ihrer Insolvenz zur Verfügung.
In der Summe werde die Zielgesellschaft mit finanziellen Mitteln im Umfang von rund € 11,5 Mio. unterstützt. Der Liquiditätsbedarf der Petrotec AG belaufe sich auf insgesamt € 10,5 Mio.; ergänzend werde der Zielgesellschaft eine Liquiditätsreserve in Höhe von € 1,0 Mio. im Rahmen einer Kapitalerhöhung und ein Garantievolumen von € 3,5 Mio. eingeräumt. Die vorstehend genannten kurzfristigen Finanzierungen sind Teil der finanziellen Sanierungsmaßnahmen und werden daher in mittel- bzw. langfristige Finanzierungen umgewandelt, weitere rund € 6,0 Mio. werden der Petrotec AG im Zuge der Umsetzung des Sanierungskonzepts zufliesen. 5.3.3 Des Weiteren beabsichtigt die Antragstellerin zu 1), das Management der Zielgesellschaft durch erfahrene Mitarbeiter zu verstärken. Diese Maßnahme soll vor allem der Umsetzung der angeführten operativen und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen dienen.
5.4 Auf Grundlage des von den Antragstellerinnen vorgelegten Sanierungskonzepts ist von der Sanierungsfähigkeit der Petrotec AG auszugehen. Der gutachterlichen Stellungnahme vom 05.12.2008 und den ergänzenden Stellungnahmen vom 15.01.2009 sowie 30.01.2009 folgend erscheint das für die Zielgesellschaft erarbeitete Sanierungskonzept plausibel.
Dabei unterscheidet das Sanierungskonzept zwei Phasen, deren erste (Phase 1) angabegemäß der Konsolidierung des Geschäfts der Petrotec AG bei (noch) negativem Cashflow unter der Zuführung liquider Mittel dient. In der zweiten Phase (Phase 2) ab 2010 sei - in Umsetzung des geplanten Mengenwachstums - die Generierung positiven Cashflows zu erwarten. Das Gesamtvolumen der geleisteten oder in Aussicht gestellten Sanierungsbeiträge beträgt rund € 15 Mio. Die vorgenannten Sanierungsbeiträge der Antragstellerin zu 1) sind auch den Antragstellerinnen zu 2) bis 10) im jeweils bestehenden Mutter-/Tochterverhältnis zu Gute zu halten.
5.5 Zu der Interessenabwägung bei der Ermessensausübung durch die BaFin wird in dem Befreiungsbescheid festgehalten, dass grundsätzlich von einem Vorrang der Interessen der potentiellen Bieter auszugehen ist. Im Falle des Befreiungstatbestands des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO soll im Wege der Sanierung der Fortbestand der Zielgesellschaft gesichert werden, was im Interesse aller Aktionäre der Zielgesellschaft ist, die ansonsten die drohende Illiquidität dieser Gesellschaft zu gegenwärtigen hätten. Da die Antragstellerinnen im Rahmen der Sanierung durch die o. g. Sanierungsbeiträge zum Fortbestand der Petrotec AG beitragen (werden), kann ihnen nicht zugemutet werden, darüber hinaus gegenüber den außen stehenden Aktionären der Zielgesellschaft ein Pflichtangebot zum Erwerb aller Aktien abzugeben. Denn ihre Sanierungsbeiträge sollen vorrangig der Petrotec AG und damit mittelbar auch deren Aktionären zu Gute kommen. Daher ist die Befreiung nach § 37 WpÜG i. V. m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO - wenn auch mit den genannten Nebenbestimmungen - zu erteilen. Für eine Ermessensausübung im Sinne der Antragstellerinnen spricht schließlich auch das Maximalvolumen der erbrachten und vorgesehenen Sanierungsbeiträge der Antragstellerin zu 1), welches sich auf rund € 15 Mio. beläuft. Denn das maximale wirtschaftliche Gewicht dieser Sanierungsbeiträge hält gar einem Vergleich mit dem (hypothetischen) maximalen Transaktionsvolumen eine Pflichtangebots, dem die Annahme einer Gegenleistung von € 2,70 je Aktie zugrunde liegt und das daher rund € 16 Mio. betragen würde, nahezu stand.
Entgegenstehende Interessen der Aktionäre der Zielgesellschaft, die auch unter Berücksichtigung der bereits in § 9 WpÜG-AngebotsVO durch den Gesetzgeber vorweggenommenen Interessenabwägung besonderes Gewicht haben, sind nicht ersichtlich.
Petrotec AG: WKN PET111 / ISIN DE000PET1111
Das Bafin habe die Befreiung an eine Reihe von Auflage gebunden, so Petrotec weiter. So solle IC Green Energy Ltd. Ausleihungen an Petrotec innerhalb bestimmter Fristen in ein Darlehen in Höhe von 6,3 Millionen Euro mit einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren und einem Zinssatz von höchstens acht Prozent umwandeln. Zu denselben Bedingungen soll die Großaktionärin dem Unternehmen eine Kreditlinie in Höhe von 4,15 Millionen Euro gewähren. IC Green Energy solle ferner eine Kapitalerhöhung in Höhe von insgesamt 1,05 Millionen Euro zeichnen. Bei Bedarf seien der Petrotec zudem bestimmte Garantien (insbesondere Bürgschaften) zu gewähren, hieß es.
Nähere Einzelheiten zu dem Bescheid finden sich laut Petrotec in einer WpÜG-Mitteilung der IC Green Energy Ltd. Lesen Sie die Mitteilung anschließend im Wortlaut:
Befreiung; <DE000PET1111>
Zielgesellschaft: Petrotec AG; Bieter: IC Green Energy Ltd.
IC Green Energy Limited
Nachricht vom 27. Februar 2009
Befreiung
Zielgesellschaft: Petrotec AG
Bieter: IC Green Energy Limited, Israel Corporation u.a.
Veröffentlichung über die Erteilung einer Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Kontrollerlangung und zur Abgabe eines Pflichtangebots für die Aktien der Petrotec AG
Bieter/Antragsteller:
IC Green Energy Limited, 19 Harbaa Street, Tel Aviv 61204, Israel
- Antragstellerin zu 1) -
Israel Corporation Ltd., 23 Aranha Street, Tel-Aviv 61204, Israel
- Antragstellerin zu 2) -
Millenium Investments Elad Ltd., 9 Andre Saharov Street, Haifa 31905,
Israel
- Antragstellerin zu 3) -
Mashat (Investments) Ltd., 9 Andre Saharov Street, Haifa 31905, Israel
- Antragstellerin zu 4) -
Ansonia Holdings B.V., Einstein Building 21, Kabelweg 21, 1014 BA
Amsterdam, Niederlande
- Antragstellerin zu 5) -
Jelany Corporation N.V., Pareraweg 45, P.O. Box 4914, Curacao,
Niederländische Antillen
- Antragstellerin zu 6) -
Court Investments Ltd., 80 Broad Street, Monrovia, Republik Liberia
- Antragstellerin zu 7) -
CIBC Bank and Trust Company (Cayman) Limited, 11 Dr. Roy’s Drive, P.O. Box
694, George Town, Grand Cayman, KY 1 - 1107, Cayman Islands
- Antragstellerin zu 8) -
CIBC Holdings (Cayman) Limited, 11 Dr. Roy’s Drive, P.O. Box 694, George
Town, Grand Cayman, KY 1 - 1107, Cayman Islands
- Antragstellerin zu 9) -
Canadian Imperial Bank of Commerce, Commerce Court, Toronto, ON M5L 1A2,
Kanada
- Antragstellerin zu 10) -
Zielgesellschaft:
Petrotec AG, Fürst-zu-Salm-Salm Str. 18, 46325 Borken - ISIN: DE 000PET1111
1 Mit Bescheid vom 26. Februar 2009 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Antragstellerinnen zu 1) bis zu 10) gemäß § 37 Abs. 1, Abs 2 WpÜG i. V. m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO von den Verpflichtungen, nach § 35 Abs. 1 WpÜG die Erlangung der Kontrolle über die Petrotec AG zu veröffentlichen und gemäß § 35 Abs. 2 WpÜG innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Kontrollerlangung über die v. g. Gesellschaft der Bundesanstalt eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Angebot zu veröffentlichen, befreit.
2 Der Bescheid ist mit den folgenden Auflagen gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG
versehen:
(a) Die Umwandlung der in nachstehender Ziffer 3 lit. a) näher bezeichneten Mittel in ein Darlehen über € 6,3 Mio. mit einer Laufzeit von mindestens 5 Jahren und einem Zinssatz von höchstens 8 Prozent (a) anzuzeigen und (b) durch geeignete Unterlagen (z. B. Vertragskopien) nachzuweisen;
(b) Die Einräumung der in nachstehender Ziffer 3 lit. b) näher bezeichneten Kreditlinie von 4,15 Mio. (a) anzuzeigen und (b) durch geeignete Unterlagen (z. B. Vertragskopien) nachzuweisen;
(c) Die Zeichnung der in nachstehender Ziffer 3 lit. c) näher bezeichneten Kapitalerhöhung in voller Höhe sowie die Zahlung des Ausgabebetrags (a) anzuzeigen und (b) durch geeignete Unterlagen (z. B. Handelsregisterauszug, Depotauszüge) nachzuweisen;
(d) Die Bereitstellung von in nachstehender Ziffer 3 lit. d) näher bezeichneten Garantien (a) anzuzeigen und (b) durch geeignete Unterlagen (z. B. Handelsregisterauszug, Depotauszüge) nachzuweisen.
3 In dem Befreiungsbescheid behält sich die BaFin den Widerruf der Befreiung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG für den Fall vor, dass (a) die Antragstellerin zu 1) der Petrotec AG nicht bis spätestens 20.03.2009 zuvor gewährte Überbrückungskredite in einem Umfang von insgesamt € 3,5 Mio. (Kreditvertrag vom 13.11.08 über € 500.000.-, vom 26.11.2008 über € 500.000.-, vom 01.12.2008 über € 1 Mio., vom 08.01.2009 über € 600.000.- und vom 16.01.2009 über € 900.000.-) sowie Mittel aus einer Sale-and-sale-back-Transaktion in Höhe von ca. € 2,8 Mio. (Kauf- bzw. Rückkaufverträge vom 18.09. und 24.09.2008) in ein Darlehen über € 6,3 Mio. mit einer Laufzeit von mindestens 5 Jahren und einem Zinssatz von höchstens 8 Prozent umgewandelt hat;
(b) die Antragstellerin zu 1 ) der Petrotec AG nicht bis spätestens 31.03.2009 eine Kreditlinie von € 4,15 Mio., die von der Petrotec AG bei Bedarf auch in Teilbeträgen kurzfristig abgerufen werden kann, mit einer Laufzeit von mindestens 5 Jahren und einem Zinssatz von höchstens 8 Prozent eingeräumt hat;
(c) die Antragstellerin zu 1) nicht bis spätestens 30.06.2009 eine Kapitalerhöhung der Petrotec AG aus genehmigten Kapital in voller Höhe von € 1,05 Mio. gezeichnet und den Ausgabebetrag von insgesamt € 1,05 Mio. gezahlt hat;
(d) die Antragstellerin zu 1) der Petrotec AG nicht in den nächsten 5 Jahren bei Bedarf Garantien (insbesondere Bürgschaften) als Sicherheit zur Unterstützung ihres Handelsgeschäfts bis zu einer Höhe von insgesamt € 3,5 Mio. zur Verfügung stellt.
Die Befreiung beruht im Wesentlichen auf folgenden im Befreiungsbescheid dargelegten Gründen:
4 Die Petrotec AG (folgend: 'Zielgesellschaft“) ist eine deutsche Aktiengesellschaft mit Sitz in Borken. Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt 10,5 Mio. und ist eingeteilt in ebenso viele Inhaberaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von € 1,00 je Aktie.
Die Antragstellerin zu 1) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach israelischem Recht mit Sitz in Tel-Aviv, Israel.
Bei den Antragstellerinnen zu 1) bis zu 10) erfolgt eine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG wegen des Mutter-Tochter-Verhältnisses. Am 04.12.2008 hat die Antragstellerin zu 1) 42,83 % der Aktien und der Stimmrechte an der Zielgesellschaft von der Petrotec S.a.r.l. (folgend 'Verkäuferin“) erworben, die den Antragstellerinnen zu 2) bis zu 10) gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG zugerechnet werden.
Bei der Verkäuferin handelt es sich um eine Akquisitionsgesellschaft mit Sitz in Luxemburg, zu deren Gesellschaftern auch ein von Warburg Pincus Deutschland GmbH zur Verfügung.
Am 04.02.2008 hat die Antragstellerin zu 1) 42,83% der Aktien und der Stimmrechte an der Zielgesellschaft von der Petrotec S.a.r.l. (Verkäuferin) erworben, die den Antragstellerinnen zu 2) bis zu 10) gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG zugerechnet werden.
Bei der Verkäuferin handelt es sich um eine Akquisitionsgesellschaft mit Sitz in Luxemburg, zu deren Gesellschaftern auch ein von Warburg Pincus beratener institutioneller Investmentfond gehört(e). Als inländischer Ansprechpartner stand der Antragstellerin zu 1) die Warburg Pincus Deutschland GmbH zur Verfügung.
Dem Erwerb ging angabegemäß im Juli 2008 die Entscheidung der Antragstellerin zu 1) voraus, den Erwerb eines Aktienpakets im vorgenannten Umfang in Betracht zu ziehen.
In der Zeit von 25.07.2008 bis 21.08.2008 erhielt die Antragstellerin zu 1) im Rahmen einer sog. Due Diligence Gelegenheit, in einem elektronischen Datenraum Informationen über die rechtliche, finanzielle und operative Situation der Zielgesellschaft und der mit ihr verbundenen Unternehmen einzusehen. Die Due Diligence beschränkte sich nach den Darlegungen der Antragstellerin zu 1) hauptsächlich auf öffentlich zugängliche Informationen; beispielsweise Protokolle der Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat seien der Antragstellerin zu 1) auch auf Anforderung nicht vorgelegt worden. Dementsprechend habe sich die Antragstellerin zu 1) teils auf Aussagen der beratenden Investmentbanken und der Verkäuferin verlassen (müssen), wonach die Zielgesellschaft zwar Verluste für das laufende Geschäftsjahr erwarte, doch über eine ausreichende Liquidität verfüge. Insbesondere sollte sich die finanzielle Situation der Zielgesellschaft nach der Planung ihres Leitungsorgans ab Oktober 2008 wieder verbessern, in den Folgejahren seien gar Gewinne zu erwarten.
Die Antragstellerin zu 1) hielt den avisierten Aktienerwerb angabegemäß für ein interessantes Investment und die Zielgesellschaft für ein Unternehmen mit großem Entwicklungspotential. Bereits in diesem Stadium habe die Antragstellerin zusätzlichen finanziellen Aufwand eingeplant, um der Zielgesellschaft eine mittel- und langfristig gewinnorientierte Perspektive zu verschaffen.
Im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen habe der Vorstand der Zielgesellschaft der Antragstellerin zu 1) am 18.08. und 19.08.2008 den Geschäftsbericht für das zweite Quartal 2008 präsentiert und einen kurzfristigen Liquiditätsbedarf von € 3,9 Mio., mitgeteilt. Daraufhin erklärte sich die Antragstellerin zu 1) bereit, der Zielgesellschaft bis zu € 5,0 Mio., die bereits als mittel- und langfristiger Aufwand eingeplant waren, für kurzfristig notwendige Überbrückungskredite zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund sei die Verkäuferin bereit gewesen, anstelle der ursprünglich anvisierten € 3,10 je Aktie einen Kaufpreis von € 2,70 je Aktie zu akzeptieren. Ein entsprechender Kaufvertrag wurde auf dieser Grundlage am 31.08.2008 abgeschlossen (sog. Share Purchase and Transfer Agreement regarding shares in Petrotec AG vom 31.08.2008). In Umsetzung der Finanzierungszusage schlossen die Antragstellerin zu 1) und die Zielgesellschaft ferner einen sog. Sale-and-sale-back-Vertrag ab, aufgrund dessen der Zielgesellschaft kurzfristig Mittel in Höhe von € 2,8 Mio. zur Verfügung gestellt wurden. Die Zielgesellschaft habe der Antragstellerin zu 1) versichert, dass diese Zwischenfinanzierung ausreichend sei, und eine Rückzahlung im Dezember 2008 in Aussicht gestellt.
Am 31.08.2008 veröffentlichte die Antragstellerin zu 1) ihre Entscheidung zur Abgabe eines freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots gemäß § 10 Abs. 1 WpÜG. Bis zur Untersagung des Übernahmeangebots durch die Bundesanstalt am 17.10.2008 habe sich die Informationslage der Antragstellerin zu 1) nicht wesentlich verändert.
Erst im Nachgang habe die Antragstellerin zu 1) festgestellt, dass ihre Einschätzung der finanziellen Lage der Zielgesellschaft auf unzutreffenden Informationen beruhte. Unverzüglich nach Kenntniserlangung fasste die Antragstellerin zu 1) dies am 28.102008 in einem Brief an die Warburg Pincus Deutschland GmbH zusammen und forderte die Verkäuferseite zur Stellungnahme auf.
Die Antragsstellerin zu 1) und die Verkäuferin nahmen daraufhin Nachverhandlungen auf. Zudem äußerte sich der Vorstandsvorsitzende der Zielgesellschaft am 30.10.2008 unter Bezugnahme auf das v.g. Schreiben per E-Mail gegenüber der Antragstellerin zu 1) dahingehend, dass eine schnelle Einigung zwischen den Vertragsparteien im Mittelpunkt stehen müsse.
Wörtlich heißt es darin:
' If ICG [die Antragstellerin zu 1)] and Warburg Pincus do not reach a common understanding and solution to the closing of the share purchase agreement and, thus, ICG´s commitment of the binding offer dated 21. August to fund Petrotec with 5m € will not be put in place, Petrotec runs the risk of having to file for bankruptcy in two weeks time as the current line of credit runs out tomorrow”.
Am 31.10.2008 verlängerte die VR-Bank Westmünsterland eG eine Kreditlinie der Zielgesellschaft über € 2,0 Mio. nicht.
Auf Grund dieser Entwicklung habe die Antragstellerin zu 1) abwägen müssen, ob sie eine Aufhebung des Kaufvertrages anstrebt oder an der Vollziehung des Kaufvertrages festhält. Spätestens in diesem Stadium habe aus Sicht der Antragstellerin zu 1) festgestanden, dass die Zielgesellschaft die drohende Zahlungsunfähigkeit nicht ohne fremde Hilfe würde abwenden können. Nach angabegemäß langwierigen Verhandlungen einigten sich die Antragstellerin zu 1) und die Verkäuferin am 11.11.2008 auf die Aufrechterhaltung des am 31.08.2008 geschlossenen Vertrages und dessen Vollzug am 01.12.2008 (sog. Amendment Agreement vom 11.11.2008) Von November 2008 bis Januar 2009 gewährte die Antragstellerin zu 1) der Zielgesellschaft fünf Überbrückungskredite in einem Umfang von insgesamt € 3,5 Mio.
Am 01.12.2008 zahlte die Antragstellerin zu 1) den vereinbarten Kaufpreis für das verfahrensgegenständliche Aktienpakt, am 04.12.2008 wurden die entsprechenden Aktien von der Verkäuferin auf die Antragstellerin zu 1) übertragen.
Die Befreiung von den Verpflichtungen des § 35 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG sei vorliegend gerechtfertigt, da die Antragstellerinnen die Kontrolle über die Zielgesellschaft im Zusammenhang mit deren Sanierung erlangt haben. Der Befreiungsgrund des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO sei einschlägig. Insbesondere sei die Zielgesellschaft sanierungsbedürftig, da sie sich bestandsgefährdenden Risiken ausgesetzt sehe. Die Zielgesellschaft verfüge nicht über die zur Herstellung der erforderliche Liquidität bzw. Rentabilität erforderlichen Mittel.
Hinsichtlich der Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit der Zielgesellschaft haben die Antragstellerinnen auf eine 'Gutachterliche Stellungnahme zum Sanierungsplan im Zusammenhang mit dem Befreiungsantrag in Sachen Petrotec AG“ der Erst & Young AG vom 05.12.2008, 'Erläuterungen zur gutachterlichen Stellungnahme …“ vom 15.01.2009 und 'Erläuternde Ergänzungen …“ der Ernst & Young AG vom 30.01.2009 verwiesen. Die Sanierungsbeiträge der Antragstellerin zu 1), die sich aus verschiedenen Einzelmaßnahmen zusammensetzen und insgesamt ein Volumen von € 15,0 Mio. erreichen, wurden zuletzt mit Schriftsatz vom 30.01.2009 (weiter) konkretisiert.
5 Dem Antrag war stattzugeben, da er zulässig und begründet ist. Die Voraussetzung für eine Sanierungsbefreiung gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO liegen vor.
5.1 Die Antragstellerinnen haben die Kontrolle im Zusammenhang mit der Sanierung der Zielgesellschaft im Sinne von § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO erlangt. Dagegen spricht nicht, dass die Antragstellerinnen bei Abschluss des Aktienkaufvertrages am 31.08.2008 noch (allein) strategische Interessen verfolgt und seinerzeit (noch) nicht in der Absicht gehandelt haben, Petrotec AG zu sanieren.
Zwar stellt der Befreiungsgrund des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO eine Exemplifizierung der in § 37 Abs. 1 Alt. 1 WpÜG geregelten Kategorie 'mit der Erlangung der Kontrolle beabsichtigte Zielsetzung“ dar (Versteegen, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, Anhang § 37, Rn. 12; Krause/Pötsch, in: Assmann/Pötsch/Schneider, WpÜG, § 37, Rn. 45 ff., insbes. 51; vgl. auch BT-Ds. 14/7034, S. 61), so dass es nicht fernzuliegen scheint, (allein) auf das Ziel des Bieters zum Zeitpunkt des dem dinglichen Erwerb vorangegangenen schuldrechtlichen Geschäfts - vorliegend dem Abschluss des Paketkaufvertrages am 31.08.2008 - abzustellen. Bezogen auf den hier zu beurteilenden Fall hätte dies zur Folge, dass sich die Antragstellerinnen nicht (mehr) auf das sog. Sanierungsprivileg des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO berufen könnten. Denn ausweislich ihrer Veröffentlichung nach § 10 WpÜG am 31.08.2008 beabsichtigte die Antragstellerin zu 1) bei Vertragsschluss (allein), den Aktionären der Petrotec AG ein öffentliches Übernahmeangebot zu unterbreiten.
Diese Ansicht verkennt indes Wortlaut, Systematik und Zweck der verfahrensmaßgeblichen Vorschriften. So kann nicht vernachlässigt werden, dass §§ 35 ff. WpÜG sowie §§ 8 f. WpÜG-AngebotsVO durchgängig auf die Erlangung der Kontrolle, der wiederum das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG zu Grunde liegt, und damit auf das dingliche Rechtsgeschäft abstellen. Insbesondere § 9 WpÜG-AngebotsVO spricht ausdrücklich davon, dass eine Befreiung von den Pflichten aus § 35 WpÜG bzw. § 8 Satz 1 WpÜG-AngebotsVO bei Erlangung der Kontrolle ausgesprochen werden kann, wenn sie im Zusammenhang mit der Sanierung der Zielgesellschaft steht. Entscheidend ist danach die - ggf. auch zwischenzeitlich veränderte - Zielsetzung des Erwerbers bei Vollzug eines die Kontrolle i. S. von § 29 Abs. 2 WpÜG vermittelnden Geschäfts. Auch ein Vergleich mit anderen in § 9 Abs. 1 WpÜG-AngebotsVO genannten Befreiungstatbeständen und deren Voraussetzungen legt nahe, die Formulierung 'im Zusammenhang mit der Sanierung“ eher weit auszulegen und nicht nur solche Sachverhalte zu erfassen, denen eine ursprüngliche - schon bei Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts bestehende - Sanierungsabsicht des Erwerbers zugrunde liegt. Denn in § 9 Satz 1 WpÜG-AngebotsVO finden sich abweichend davon auch engere Formulierungen wie 'durch …“ (§ 9 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 WpÜG-AngebotsVO oder 'zum Zwecke …“ (§ 9 Satz 1 Nr. 4 WpÜG-AngebotsVO), die zudem teils an schuldrechtliche Begriffe wie 'Schenkung“ anknüpfen.
Es fällt ferner auf, dass der Gesetzgeber dann, wenn im Übernahmerecht ausnahmsweise auf den Zeitpunkt des schuldrechtlichen Erwerbs abzustellen ist, dies - beispielsweise in § 31 Abs. 6 WpÜG im Zusammenhang mit der angemessenen Gegenleistung - ausdrücklich gesetzlich angeordnet hat; ansonsten kommt es immer auf den dinglichen Erwerb an. Dass es an einer mit § 31 Abs. 6 WpÜG vergleichbaren Regelung in §§ 30, 35, 37 WpÜG, 9 WpÜG-AngebotsVO fehlt, kann unter systematischen Gesichtspunkten als Hinweis darauf verstanden werden, dass der übernahmerechtlich tradierte Begriff des Haltens i. S. von § 29 Abs. 2 WpÜG (verfahrens-) maßgeblich ist.
Der erklärte Wille des historischen Gesetz- und Verordnungsgebers geht dahin, '… [durch] die ausnahmslose Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots unerwünschte Auswirkungen auf die Bereitschaft [eines Investors] zur Beteiligung an Sanierungsbemühungen …“ im Interesse auch der Minderheitsaktionäre und Arbeitnehmer einer Zielgesellschaft zu vermeiden (vgl. BT-Ds. 14/7034, S. 81). Da es an einem Hinweis darauf, dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommen könnte, von welchem Zeitpunkt an ein Investor diese Bereitschaft aufbringt, fehlt, erscheint es unter Berücksichtigung der explizit angesprochenen Interessen auch der Minderheitsaktionäre und Arbeitnehmer einer Zielgesellschaft nicht sachgerecht, danach zu differenzieren, ob ein Investor bereits bei Abschluss eines schuldrechtlichen Geschäfts oder erst später zur Beteiligung an Sanierungsbemühungen bereit ist, solange er dieses Ansinnen vor Vollzug des Vertrages herausbildet. In beiden Fällen können die Aktivitäten des Investors geeignet sein, die Bestandsgefährdung der Zielgesellschaft zu beseitigen, so dass es gerechtfertigt erscheint auch in der zweit genannten Fallkonstellation das Vorliegen der Tatbestandvoraussetzungen des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO anzunehmen und im Rahmen der infolgedessen vorzunehmenden Ermessensentscheidung die Interessen des Erwerbers mit denjenigen der außen stehenden Aktionären abzuwägen.
Diese vorzugswürdige Auslegung trägt nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass sich der Erwerber von Aktien - freilich abhängig von der konkreten Ausgestaltung der vertraglichen Abrede - möglicherweise noch vor Vollzug von einem Vertrag lösen kann. Hält der Investor hingegen - wie im vorliegenden Fall - in zwischenzeitlicher Kenntnis der (möglicherweise) erforderlichen Sanierung der Zielgesellschaft an der Durchführung des Vertrages fest, darf ihm eine Abwägung seiner Interessen mit denjenigen der außen stehenden Aktionären nicht verwehrt werden.
Die Antragstellerinnen erfuhren nach Lage der Akte erst Ende Oktober 2008 davon, dass ihre Einschätzung der finanziellen Lage der Zielgesellschaft auf unzutreffenden Informationen beruhte. Dass die Antragstellerinnen im Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb über die Absicht der Sanierung hinaus (weiter) wirtschaftliche und/oder strategische Interessen verfolgen, ist dem Zweck jedweder unternehmerischer Aktivität geschuldet und selbstredend unschädlich (vgl. Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 37, Rn. 80).
Im vorliegenden Fall musste schließlich auch Berücksichtigung finden, dass sich die Zielgesellschaft ausweislich der 'Erläuterungen zur gutachterlichen Stellungnahme …“ der Ernst & Young AG vom 15.01.2009 objektiv bereits bei Abschluss des Paketkaufvertrages am 31.08.2008 bestandsgefährdenden Risiken ausgesetzt sah. Daher hätten die Antragstellerinnen - Kenntnis dieses Sachverhalts unterstellt - schon zu diesem Zeitpunkt einen Befreiungsantrag stellen und sich auf das Sanierungsprivileg des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO berufen können. 5.2 Die Zielgesellschaft ist sanierungsbedürftig.
Die Ernst & Young AG kommt in ihrer 'Gutachterliche[n] Stellungnahme zum Sanierungsplan in Zusammenhang mit dem Befreiungsantrag in Sachen Petrotec AG“ vom 05.12.2008 zu dem Ergebnis, dass die Petrotec AG '… dringend finanziell und operativ saniert werden [muss]“ und '… ohne die bereits erfolgte finanzielle Unterstützung von ICG [der Antragstellerin zu 1)] Insolvenzantrag hätte stellen müssen und ohne weitere künftige Unterstützung durch ICG wird stellen müssen“). Der Liquiditätsbedarf (Stand 05.12.2008) sei spätestens ab der 51. KW/2008 nicht mehr gedeckt: die Petrotec AG sein stand-alone nicht mehr überlebensfähig. Diesen bestandsgefährdenden Risiken i. S. von § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB sah sich die Zielgesellschaft objektiv schon bei Abschluss des Kaufvertrages zwischen der Antragstellerin zu 1) und der Verkäuferin am 31.08.2008 ausgesetzt.
Dieser Befund der Ernst & Young AG entspricht auch der Eigeneinschätzung
der Zielgesellschaft.
Auch die Bilanzentwicklung der Zielgesellschaft ist als Hinweis für die sich verschlechternde finanzielle Situation der Petrotec AG und das Bestehen bestandsgefährdender Risiken zu verstehen. Die schwierige und sich zusehend verschlechternde wirtschaftliche Lage der Zielgesellschaft dokumentiert auch die Cashflow-Rechnung für die ersten neun Monate des Jahres 2008. Auf diesen Rückgang sind die rückläufigen liquiden Mittel zurückzuführen. Schließlich zeigt die kurzfristige Liquiditätsplanung (Stand: 24.11.2008) der Zielgesellschaft auf, dass die Petrotec AG auf Grundlage der darin enthaltenen Annahmen nicht in der Lage sein wird, in der betrachteten Planungsperiode alle fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Eine Liquiditätsunterdeckung ergibt sich demnach erstmals in Kalenderwoche 49/2008, der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (er-)folgt in Kalenderwoche 51/2008.
5.3 Überdies haben die Antragstellerinnen ein tragfähiges Sanierungskonzept vorgelegt. Die Antragstellerinnen beabsichtigen danach, die Sanierung der Zielgesellschaft sowohl auf operative, finanzwirtschaftliche als auch personelle Maßnahmen zu stützen.
5.3.1 Im Mittelpunkt der avisierten operativen Maßnahmen zum Zweck der Sanierung der Petrotec AG steht die Einführung einer sog. Hedging-Strategie.
5.3.2 Wesentlicher Bestandteil des Sanierungskonzepts der Antragstellerinnen sind überdies - teils bereits erbrachte - Maßnahmen, die der finanziellen Restrukturierung der Zielgesellschaft dienen. Schon im September 2008 wurde die Petrotec AG von der Antragstellerin zu 1) aus Anlass einer kurzfristigen Finanzierung im Gesamtwert von rund € 2,8 Mio. finanziell unterstützt. Zwischen November 2008 und Januar 2009 stellte die Antragstellerin zu 1) der Zielgesellschaft ferner Zwischenfinanzierungen in Höhe von insgesamt € 3,5 Mio. zum Zweck der Abwendung ihrer Insolvenz zur Verfügung.
In der Summe werde die Zielgesellschaft mit finanziellen Mitteln im Umfang von rund € 11,5 Mio. unterstützt. Der Liquiditätsbedarf der Petrotec AG belaufe sich auf insgesamt € 10,5 Mio.; ergänzend werde der Zielgesellschaft eine Liquiditätsreserve in Höhe von € 1,0 Mio. im Rahmen einer Kapitalerhöhung und ein Garantievolumen von € 3,5 Mio. eingeräumt. Die vorstehend genannten kurzfristigen Finanzierungen sind Teil der finanziellen Sanierungsmaßnahmen und werden daher in mittel- bzw. langfristige Finanzierungen umgewandelt, weitere rund € 6,0 Mio. werden der Petrotec AG im Zuge der Umsetzung des Sanierungskonzepts zufliesen. 5.3.3 Des Weiteren beabsichtigt die Antragstellerin zu 1), das Management der Zielgesellschaft durch erfahrene Mitarbeiter zu verstärken. Diese Maßnahme soll vor allem der Umsetzung der angeführten operativen und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen dienen.
5.4 Auf Grundlage des von den Antragstellerinnen vorgelegten Sanierungskonzepts ist von der Sanierungsfähigkeit der Petrotec AG auszugehen. Der gutachterlichen Stellungnahme vom 05.12.2008 und den ergänzenden Stellungnahmen vom 15.01.2009 sowie 30.01.2009 folgend erscheint das für die Zielgesellschaft erarbeitete Sanierungskonzept plausibel.
Dabei unterscheidet das Sanierungskonzept zwei Phasen, deren erste (Phase 1) angabegemäß der Konsolidierung des Geschäfts der Petrotec AG bei (noch) negativem Cashflow unter der Zuführung liquider Mittel dient. In der zweiten Phase (Phase 2) ab 2010 sei - in Umsetzung des geplanten Mengenwachstums - die Generierung positiven Cashflows zu erwarten. Das Gesamtvolumen der geleisteten oder in Aussicht gestellten Sanierungsbeiträge beträgt rund € 15 Mio. Die vorgenannten Sanierungsbeiträge der Antragstellerin zu 1) sind auch den Antragstellerinnen zu 2) bis 10) im jeweils bestehenden Mutter-/Tochterverhältnis zu Gute zu halten.
5.5 Zu der Interessenabwägung bei der Ermessensausübung durch die BaFin wird in dem Befreiungsbescheid festgehalten, dass grundsätzlich von einem Vorrang der Interessen der potentiellen Bieter auszugehen ist. Im Falle des Befreiungstatbestands des § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO soll im Wege der Sanierung der Fortbestand der Zielgesellschaft gesichert werden, was im Interesse aller Aktionäre der Zielgesellschaft ist, die ansonsten die drohende Illiquidität dieser Gesellschaft zu gegenwärtigen hätten. Da die Antragstellerinnen im Rahmen der Sanierung durch die o. g. Sanierungsbeiträge zum Fortbestand der Petrotec AG beitragen (werden), kann ihnen nicht zugemutet werden, darüber hinaus gegenüber den außen stehenden Aktionären der Zielgesellschaft ein Pflichtangebot zum Erwerb aller Aktien abzugeben. Denn ihre Sanierungsbeiträge sollen vorrangig der Petrotec AG und damit mittelbar auch deren Aktionären zu Gute kommen. Daher ist die Befreiung nach § 37 WpÜG i. V. m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO - wenn auch mit den genannten Nebenbestimmungen - zu erteilen. Für eine Ermessensausübung im Sinne der Antragstellerinnen spricht schließlich auch das Maximalvolumen der erbrachten und vorgesehenen Sanierungsbeiträge der Antragstellerin zu 1), welches sich auf rund € 15 Mio. beläuft. Denn das maximale wirtschaftliche Gewicht dieser Sanierungsbeiträge hält gar einem Vergleich mit dem (hypothetischen) maximalen Transaktionsvolumen eine Pflichtangebots, dem die Annahme einer Gegenleistung von € 2,70 je Aktie zugrunde liegt und das daher rund € 16 Mio. betragen würde, nahezu stand.
Entgegenstehende Interessen der Aktionäre der Zielgesellschaft, die auch unter Berücksichtigung der bereits in § 9 WpÜG-AngebotsVO durch den Gesetzgeber vorweggenommenen Interessenabwägung besonderes Gewicht haben, sind nicht ersichtlich.
Petrotec AG: WKN PET111 / ISIN DE000PET1111