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BaFin erwartet zunehmend scharia-konforme Finanzprodukte in Deutschland

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bereitet sich darauf vor, dass in Deutschland zunehmend scharia-konforme Finanzprodukte vertrieben werden. Wie die Behörde mit Sitz in Bonn berichtete, hat sie Ende Oktober erstmals eine Konferenz zum Thema Islamic Finance abgehalten. Auf der Veranstaltung in Frankfurt hätten sich etwa 160 Besucher aus dem In- und Ausland über scharia-konforme Finanzprodukte informiert. Derzeit gebe es hierzulande noch kein Institut, das solche Investments oder Finanzierungen anbiete. Deutschland hinke dem Wachstumsmarkt weit hinterher, sagte BaFin-Präsident Jochen Sanio. Die Finanzaufsicht wolle im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten dazu beitragen, scharia-konformen Produkten regulatorisch und aufsichtlich den Boden zu bereiten. Es gebe keine grundsätzlichen aufsichtsrechtlichen Hindernisse, die der Gründung und Lizensierung einer islamischen Bank im Wege stünden.

Grundlage jeglicher islamischer Finanzierung sei das Zinsverbot, hieß es weiter; verzinsliche Darlehen dürften also nicht Geschäftsgegenstand islamischer Banken sein. Verboten seien ferner Spekulation und Glücksspiel. Jede Finanzierung müsse also mit einem realen Vermögenswert verbunden sein. Weltweit sind nach Angaben der BaFin geschätzt rund 700 Milliarden US-Dollar in scharia-konformen Finanzprodukten angelegt. Die jährliche Wachstumsrate liege laut Muhammad Al-Jasser, Gouverneur der saudi-arabischen Zentralbank SAMA (Saudi-Arabian Monetary Agency), bei rund 15 Prozent. Viele Produkte würden nicht über spezielle Islam-Banken angeboten, sondern über konventionelle Institute, die entsprechende Islamic Finance-Bereiche eingerichtet hätten. Als Islamic Finance bezeichne Al- Jasser Produkte, die laut Feststellung eines Scharia- Boards nicht gegen die Prinzipien der Scharia verstießen. Viele konventionelle Produkte trügen zwar nicht ausdrücklich die Bezeichnung islamkonform, verstießen aber nicht per se gegen die Scharia. Al-Jasser habe darauf hingewiesen, dass islamische Finanzinstitute grundsätzlich auf den gleichen Finanzmärkten und in dem gleichen regulatorischen Umfeld tätig seien wie konventionelle Banken. Eine zusätzliche Herausforderung für die Islamic Finance-Industrie bestehe indes darin, das Vertrauen in islamkonforme Produkte weiter zu stärken. Knackpunkte dabei seien etwa der Umgang mit unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten der Scharia oder die Frage, ob konventionelle und islamische Standards übereinstimmen, beispielsweise hinsichtlich der Bilanzierung, der Corporate Governance oder der Ermittlung angemessener Eigenkapitalausstattung. Seit 2002 gebe es das Islamic Financial Services Board (IFSB), das wesentliche Standards für Institute und Aufseher setze.

Der BaFin zufolge gibt es nach islamischem Recht zum einen fremdkapital- und eigenkapital-basierte Techniken. Zum anderen gebe es noch das islamische Leasing und Dienstleistungen im Zusammenhang mit islamischen Anleihen, den Sukuks. Dabei handele es sich um Schuldverschreibungen, denen zwingend ein Vermögenswert zugrunde liegen muss. Eine Verbriefung von reinen Zahlungsströmen, etwa aus Kreditportfolios, sei nicht erlaubt. Aufgabe der BaFin sei es zu prüfen, inwieweit Unternehmen mit dem Angebot solcher Finanzprodukte erlaubnispflichtige Bank- oder Finanzdienstleistungen im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) betreiben. Die Qard Hassan etwa, eine fremdkapital-basierte Finanzierungstechnik, sei eine Form des zinslosen Darlehens: Der Kunde erhalte einen zinslosen Kredit, wenn er eine Kreditsicherheit, etwa in Form von Gold, hinterlege. Die Bank verwahre diese Sicherheit und verlange für diese Verwahrung eine Gebühr, aus der sie die Kosten für die Administration des Kredits trage. Diese Finanzierungstechnik sei mit dem Kreditgeschäft vergleichbar und daher erlaubnispflichtig. Auch das islamische Leasing unterscheide sich nicht vom „normalen“ Leasing im Hinblick auf eine etwaige Erlaubnispflicht nach dem KWG.

Islamische Schuldverschreibungen dürften nach Einschätzung der BaFin Finanzinstrumente im Sinne des KWG darstellen und hierauf bezogene Dienstleistungen damit eine Erlaubnis erfordern. Als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen kämen hier beispielsweise das Finanzkommissions- und das Depotgeschäft sowie die Anlage-/Abschlussvermittlung, die Finanzportfolioverwaltung oder die Anlageberatung in Frage. Schwieriger seien Mudarabah-Geschäfte abzugrenzen: „Das sind Finanzgeschäfte, bei denen die Bank einem Unternehmen das gesamte Kapital für ein Projekt zur Verfügung stellt, während der Unternehmer seine Zeit und Erfahrung einbringt. Die Bank bekommt nur dann Einnahmen, wenn das finanzierte Projekt Gewinn erwirtschaftet. Bei Mudarabah- Geschäften kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sie erlaubnispflichtig sind, weil es häufig an einem unbedingten Rückzahlungsanspruch fehlt – entscheidend ist die Vertragsgestaltung im Einzelfall.“
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