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Darjeeling-Tee in der Krise - und was jetzt hilft
Die beste Teesorte der Welt ist bedroht: Klimawandel, Coronafolgen, Streiks und drastisch steigende Löhne machen allen Teegärten im indischen Distrikt Darjeeling zu schaffen. Billige Fälschungen fluten den Markt, und die Erfolge für soziale Arbeitsbedingungen, gegen Kinderarbeit und für biologischen Teearbeit drohen verloren zu gehen. Noch sind erst zarte Ansätze für Lösungen in Sicht.
Text: Horst Hamm, Fotos: Jacqueline Lindner
Hinduistische Kapelle im Teegarten Chamong.
Wer im Frühling den steilen und beschwerlichen Weg vom Flughafen Bagdogra in der 40 Grad heißen und schwülen Tiefebene in Westbengalen ins rund 2000 Meter hoch gelegene Darjeeling im südlichen Himalaja auf sich nimmt, bekommt sofort einen Eindruck von dem, was die gesamte Region prägt: Teegärten an nahezu allen Hängen, unterbrochen nur von den Dörfern, in denen die Pflückerinnen und Arbeiter leben. Es ist eine Landschaft wie gemalt.
Mitte April haben aber gleich an drei aufeinander folgenden Tagen schwere Gewitter mit Hagel die Idylle gestört. „An einzelnen Hängen im Teegarten Selimbong haben die Hagelkörner 60 Prozent der First-Flush-, der Frühlingsernte, vernichtet“, bestätigt Gautam Mohan, Chef der Tea Promoters India, denen neben Selimbong vier weitere Teegärten in Darjeeling gehören. „Früher hatten wir auch Hagelschäden, aber nicht in der Häufigkeit und Stärke wie seit einigen Jahren.“
Von den Südhängen des Himalaja stammt der beste Tee der Welt, weil die Blätter durch das kühle Klima nur langsam wachsen, dafür aber ein besonders gutes Aroma entwickeln. Aber der Klimawandel ist in all seinen Facetten spürbar. Nach der Trockenphase im Herbst bleibt oft der ersehnte Regen aus, den die Teekulturen zum Start ins neue Jahr brauchen, oder er kommt nur spärlich. Die Erträge sinken seit Jahren. Während der Monsunzeit regnet es dafür umso heftiger, was fruchtbare Erde von den Hängen spült.
Der Darjeeling wächst in Gärten wie Selimbong, von denen es in Darjeeling insgesamt 87 gibt. Selimbong kommt auf eine Fläche von 307 Hektar, von denen 160 mit Teebüschen bepflanzt sind. Die rund 200 Arbeiter und fast 300 Pflückerinnen wohnen in den acht Dörfern, die zu Selimbong gehören.
Die Gartenbesitzer haben aber noch mehr Probleme als den Klimawandel: 2017 legte ein Generalstreik über Monate das gesamte Darjeeling lahm, weil sich die Region als Gorkhaland von Westbengalen loslösen und ein eigenes Bundesland innerhalb Indiens bilden wollte. Die Einnahmen für Gartenbetreiber und Pflückerinnen waren in dieser Zeit gleich null. 2020 folgte Corona. Über eine halbe Million Menschen starben in Indien an dem Virus, obwohl die Staatsregierung das gesamte öffentliche Leben anderthalb Jahre drastisch einschränkte. Die Regierung von Westbengalen ordnete in dieser Zeit an, dass nur halb so viele Pflückerinnen gleichzeitig aufs Feld durften wie in normalen Zeiten. Also verkümmerte ein Teil der Ernte an den Büschen.
Teefabrik Samabeong.
Starke Gewerkschaften wiederum sorgten dafür, dass sich die Löhne binnen weniger Jahre mehr als verdoppelt haben. 250 Rupien erhält eine Pflückerin seit 1. Juni als Tageslohn, umgerechnet 2,82 Euro, und für jedes Kilo über der Mindestpflückmenge je nach Garten nochmals 6 bis 9 Rupien. Das ist in europäischen Augen nicht viel. Aber für indische Teeplantagen gilt der „Plantations Labour Act“. Eine Regelung, die seit 1951 soziale Sicherheit garantiert. Dadurch erhält jede Teepflückerin mietfrei ein kleines Haus und als Teil ihres Lohns ein Kilo Reis sowie 2,3 Kilo Weizen pro Woche und für jedes Kind nochmals ungefähr die Hälfte. Mindestlohn und Zulagen sind geregelt, die medizinische Versorgung ist kostenlos, die Schulpflicht für Kinder garantiert. Und immerhin zwei Drittel aller Teegärten Darjeelings tragen das EU-Bio- und zumeist auch das Naturland-Siegel.
Aber das gesamte Geschäftsmodell des Darjeeling-Tees wankt immer mehr. Denn auch von außen nimmt der Druck zu. Ihre besten Blattqualitäten – die Ernte der First- und Second-Flush-Tees, der Frühlings- und Sommerernte – verkaufen die Gartenbetreiber Darjeelings bislang nach Japan, Europa und Nordamerika. Hauptabnehmer mit rund 350 Tonnen im Jahr ist die Teekampagne. Während die Teekampagne streng darauf achtet, ihren Kunden zu hundert Prozent reinen Darjeeling-Tee zu verkaufen, ist die Konkurrenz weniger sorgfältig.
Das Prinzip Teekampagne
1985 hat der Ökonomieprofessor Günter Faltin (s. Bild) die Teekampagne gegründet, um seinen Studenten und Studentinnen zu zeigen, dass eine bessere Art des Wirtschaftens möglich ist. Sein Ziel: Schadstoffe minimieren, soziale Bedingungen verbessern und gleichzeitig hochwertigen Tee zu konkurrenzlos günstigen Preisen anbieten. Seine Prinzipien: Direktkauf bei den Gartenbetreibern, Abschaffung teurer Kleinverpackungen und faire Preise. Über 50 Prozent des Endverkaufspreises von aktuell 39,50 Euro für ein Kilo First- oder Second-Flush Darjeeling-Tee gehen an sie. Weitere Infos: www.teekampagne.de
In Nepal, auf der anderen Seite der Himalajaberge, gedeiht der Tee unter vergleichbaren klimatischen Bedingungen wie in Darjeeling – aber unter vollkommen anderen sozialen Voraussetzungen.
Die dortigen Produzenten haben in den vergangenen Jahren viele neue Teebüsche gepflanzt, ihre Kapazität auf rund acht Millionen Kilo Tee im Jahr ausgeweitet und damit die Teeregion Darjeeling inzwischen überholt. Drei Millionen Kilo verkaufen sie kostengünstig als First- und Second Flush auf dem Weltmarkt. „Diese Menge wird nur zum kleinsten Teil als nepalesischer Tee verkauft, sondern meist mit hohen Aufschlägen als Darjeeling-Tee“, kritisiert Thomas Räuchle-Gehrig, der Geschäftsführer der Teekampagne. „Das wissen wir von den Anbauern in Darjeeling, von Vertretern auf dem deutschen Markt und aufgrund unseren eigenen Recherchen.“ Diese Form der Konkurrenz schadet allen Gartenbesitzern in Darjeeling – und ist nichts anderes als Betrug am Teetrinker. Das Bio-Siegel tragen nur fünf Prozent des Tees aus Nepal.
Dorf im Teegarten Selimbong.
Verschlechtert haben sich für den indischen Darjeeling allerdings auch die Bedingungen auf dem heimischen Markt. Anbieter aus Kenia und Vietnam bieten ihren Tee für etwa zwei US-Dollar pro Kilo an. „Auf dem indischen Markt konnten wir bisher unsere schlechteren Blattqualitäten verkaufen“, betont Ashok Lohia, Chef des Familienunternehmens Chamong, das in Darjeeling 13 Gärten betreibt und wichtigster Lieferant der Teekampagne ist, „aber mit solchen Preisen können wir nicht mithalten.“ Lohia rechnet alleine für die Produktionskosten mit rund acht US-Dollar für jedes Kilo Tee – unabhängig von der Blattqualität. Bei den guten Qualitäten, mit denen die Chamong-Gruppe bisher ihre Gewinne machte, konkurriert sie nun mit Produzenten aus Nepal. Und bei den schlechteren mit Billig-Anbietern aus dem Ausland. „Das hat für uns gravierende Folgen“, rechnet der Chamong-Chef gegenüber ECOreporter vor: „Wir haben in den vergangenen drei Jahren jeweils einen Verlust von umgerechnet rund 1,5 Millionen Euro gemacht.“ Heil überstanden hat er die Krise, weil die Chamong-Gruppe mit anderen Geschäftsbereichen und mit Gärten in Assam im fruchtbaren und 100 Kilometer breiten Tal des Brahmaputra im Nordosten Indiens Gewinne machen und die Verluste ausgleichen konnte. Weil sich in der Ebene auf einer Länge von 800 Kilometern ein Teegarten an den anderen reiht und der Tee zu ganz anderen Bedingungen und das gesamte Jahr wächst, hat sich Assam zur größten Tee-Region der Welt entwickelt. Andere Tee-Produzenten in Darjeeling hatten weniger Substanz: Sanjay Bansal, einer der führenden Köpfe der Bio-Bewegung in Darjeeling, musste seine Ambootia-Gärten verkaufen.
Pflückerinnen bei der First-Flush-Ernte im Samabeong Teegarten.
Eine Lösung der Krise ist noch nicht in Sicht, und sie erfordert vielschichtige Ansätze. Sowohl in den Gärten von Chamong als auch der Tea Promotors werden derzeit schicke Touristen-Unterkünfte gebaut, um Gästen aus dem In- und Ausland „Ferien im Teegarten“ anzubieten. „Damit lösen wir die finanziellen Probleme nicht grundsätzlich“, sagt Gautam Mohan, „aber es bringt uns zumindest gute Nebeneinkünfte.“ Die Teekampagne will jedenfalls unter ihren Kunden für diese Unterkünfte werben. Und der Autor kann bestätigen, dass es kaum etwas Erholsameres gibt, als einige Tage durch die Teegärten im südlichen Himalaja zu streifen.
Gautam Mohan, der Chef der Tea Promoters, hofft auf mehr: „Kann sich die Teekampagne vorstellen, mit ihrem guten deutschen Namen und ihrem Tee-Direktverkaufsmodell auf dem indischen Markt einzusteigen und dort für die weniger guten Blattqualitäten zu werben?“ fragt er. Die Teekampagne hat noch nicht geantwortet, aber eine Überprüfung des Vorschlags zugesichert.
Am besten wäre es, die Deutschen würden mehr Tee aus Darjeeling trinken. Denn dann würden die Kosten der Produzenten auf eine größere Absatzmenge verteilt, so dass die Teekampagne einen noch höheren Anteil vom Verkaufserlös an die indischen Partner überweisen könnte. Schon heute bekommen sie rund 50 Prozent des Verkaufserlöses, wie das Unternehmen auf seiner Internetseite nachweist.
Gautam Mohan sagt aber auch vorher: Er sei sich sicher, dass binnen weniger Jahre der „Plantations Labour Act“ stark reformiert werde. Anders sei die Krise in Darjeeling nicht zu lösen. „Als Gartenbesitzer müssen wir unseren Pflückerinnen das ganze Jahr über den vollen Lohn bezahlen, obwohl wir sie eigentlich nur ein halbes Jahr sinnvoll beschäftigen.“ Im Klartext: Er könnte seine Angestellten ein halbes Jahr einfach freistellen. Das hat Sprengstoff für eine soziale Revolution und würde die Region Tee-Darjeeling auf den Kopf stellen.
Kleine Teekunde Darjeeling
Teegarten Selimbong: Fermentieren der frisch gepflückten Teebüscheblätter.
87 Teegärten produzieren in Darjeeling auf einer Anbaufläche von 17.500 Hektar rund 7000 bis 8000 Tonnen Tee im Jahr. Vor zehn Jahren waren es noch 10.000. First- und Second-Flush gelten als die besten Sorten und machen 25 bis 30 Prozent der Ernte aus.
- First Flush: Sobald sich nach der Winterruhe zwei Blätter und die Knospe gebildet haben, beginnt die Frühlingsernte (März bis Mitte April). Die Blätter sind zart und lassen sich zu einem besonders feinen Aroma brühen.
Pflückerinnen bei der First-Flush-Ernte. - In Between: Nach der Frühlingsernte wird weiter geerntet (Mitte April bis Mai), die Qualität ist aber nicht mehr ganz so hoch, so dass die Blätter meist für Teemischungen verwendet werden.
- Second Flush: Mit dem Höhepunkt der Vegetationsperiode beginnt die Sommerernte (Ende Mai bis Juli). Die Triebe haben die größte Kraft, die Blätter sind dunkelgrün. Dieser Tee entfaltet sich goldbraun in der Tasse mit einem kräftigen, blumig-süßen und nussigen Geschmack.
- Monsun-Tee: Die Regenzeit (Juli bis Anfang Oktober) bringt auch in Darjeeling größere Teemengen, die Qualität ist aber nicht vergleichbar mit der Frühlings- und Sommerernte. Diese Tees werden hauptsächlich im Inland verkauft.
- Autumnal-Tee: Nach dem Regen beginnt die letzte Ernteperiode (Oktober) vor der Trocken- und Ruhephase in Darjeeling mit nochmals guten Tees.
- Grüner Darjeeling: Kann aus allen Sorten gemacht werden. Die Blätter des Grünen Tees werden gleich nach der Ernte gedämpft, so dass die Fermentation gestoppt wird, sprich die Oxidation der Zellsäfte mit Luft, wodurch Gerb- und Bitterstoffe zu weicheren Geschmacksvarianten umgewandelt werden. Grüner Tee hat deshalb einen zartbitteren Geschmack. Weil First- und Second-Flush als besonders edel gelten, wird vor allem die Herbsternte zu grünem Tee verarbeitet.
Teegarten Selimbong: Fermentieren der frisch gepflückten Teebüscheblätter.
Betrug mit Darjeeling-Tee: Darjeeling-Tee gilt als der Champagner unter den Tees, als der beste Tee der Welt. Das Tea Board India, die indische Teebehörde, schätzt, dass in Darjeeling jährlich bis zu 8000 Tonnen Tee geerntet werden, weltweit aber ein Vielfaches dieser Menge als Darjeeling-Tee verkauft wird. Achten Sie deshalb auf die Herkunftsangabe und Lizenznummer auf der Rückseite.
FTGFOP1: Die Buchstabenkombination auf einer Packung garantiert die Qualität. FTG steht für Finest Tippy Golden und besagt, dass der Tee viele feine, helle Spitzen (Tips) enthält. OP steht für Orange Pekoe, wobei sich Orange auf das niederländische Oranje zurückführen lässt, das „königlich“ bedeutet. Pekoe – bzw. im chinesischen pak-ho – steht für den feinen Flaum auf der Unterseite der jungen Blätter. Das F vor OP besagt, dass für diesen Tee die duftig zarten Blattknospen gepflückt wurden. Die Zahl 1 wird in Darjeeling ausschließlich für Blatt-Tees vergeben, die aus unzerkleinerten feinen Blättern bestehen. Im Gegensatz zu den Blatt-Tees gibt es durch Schneiden zerkleinerte Tees (Broken). In der letzten Produktionsstufe werden Tees gesiebt. Dabei fallen kleine Blattteilchen an (Fannings) und besonders feinen Aussiebungen (Dust). Beide gelten als qualitativ nicht hochwertig und werden aufgrund ihrer Menge in einfachen Teebeuteln verwendet.
Foto: Stella Lindner
ECOreporter-Autor Dr. Horst Hamm, Jahrgang 1953, studierte Literaturwissenschaften an den Universitäten Freiburg und Oldenburg. Seit über 40 Jahren arbeitet er als Umweltjournalist, Moderator und Buchautor mit den Schwerpunkten Klimakrise, Erneuerbare Energien, Atomkraft und Bio-Landbau. Er war viele Jahre als Redakteur und stellvertretender Chefredakteur bei der Zeitschrift „natur“ tätig, initiierte das „MehrWERT-Magazin“ und den „Uranatlas“, den es inzwischen auch in Englisch, Französisch, Tschechisch, Italienisch und Türkisch gibt. Seine neueste Buchveröffentlichung: „Das unheimliche Element. Die Geschichte des Urans zwischen vermeintlicher Klimarettung und atomarer Bedrohung“, oekom 2023.