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Erneuerbare Energie, Anleihen / AIF
„Das EEG ist mittelfiristig unverzichtbar“ - Oliver Hummel, naturstrom AG
Die naturstrom AG ist einer der zahlreichen Aussteller der Messe Grünes Geld in Hamburg. Die für Besucher kostenlose Veranstaltung am 29. September im Curio-Haus an der Rothenbaumchaussee bietet Einsteigern wie Finanzprofis einen umfassenden Überblick über Trends und Angebote am nachhaltigen Finanzmarkt im deutschsprachigen Europaraum. Abgerundet wird das Messeprogramm durch zahlreiche Vorträge und eine Podiumsdiskussion sowie ein Kinderprogramm für kleine Besucher. Mehr zur Veranstaltung erfahren Sei hier.
ECOreporter.de: Die naturstrom AG ist ein unabhängiger Grünstromanbieter. Speziell nach der Atomkatastrophe in Japan war der Wechselwille der Stromverbraucher groß. Hat die Diskussion um die Einspeisevergütung für Solarstrom und die EEG-Umlage diese Stimmung verändert? Inwiefern macht sich das im Alltagsgeschäft der naturstrom AG bemerkbar?
Oliver Hummel: Wir gewinnen immer noch wöchentlich neue Kunden hinzu, aber weniger als in den Monaten nach Fukushima. Die Wechselbereitschaft der Stromkunden hat 2012 insgesamt spürbar abgenommen, das stellen auch andere Anbieter fest. Wir gehen aber davon aus, dass wir auch 2012 weiterhin stärker wachsen werden als der Gesamtmarkt.
Die permanenten Diskussionen um die Energiewende und speziell um die Entwicklung der Strompreise und der EEG-Umlage sorgen unter den Verbrauchern nicht gerade für Aufbruchsstimmung. Die öffentliche Debatte wird schon seit Monaten von den Gegnern der Energiewende bestimmt. Gefährlich ist, dass sie sich nicht mehr offen gegen Erneuerbare Energien äußern, sondern durch die immer wieder befeuerte Kosten- und Machbarkeitsdebatte Zweifel säen und die Energiewende diskreditieren.
ECOreporter.de: Auf welche Erneuerbare-Energie setzt die naturstrom AG derzeit am stärksten und in welchen Bereichen sehen Sie technisch, wirtschaftlich und regional die größten Ausbaupotenziale für Erneuerbare Energie in Deutschland?
Hummel: Wir konzentrieren uns derzeit besonders auf die Windenergie an Land. Neue Anlagentypen verfügen über hohe Leistungswerte und erzielen auch im Binnenland zuverlässig gute Erträge. Das Wichtigste aber: Neuanlagen erhalten eine EEG-Vergütung von rund 9 Cent, Altanlagen von knapp über 6 Cent – das ist schon recht nah am Börsenpreis für Strom.
Als Ökostromhändler, Anlagenprojektierer und –betreiber unter einem Unternehmensdach sind wir konkret an der Vermarktbarkeit von grünem Strom an Endkunden interessiert. Zudem sehen wir große Potenziale der Windenergie im Binnenland. Daher nimmt für uns die Windparkprojektierung mittlerweile einen hohen Stellenwert ein. In einigen Bundesländern wurde der Ausbau über Jahre behindert, seit Fukushima sind aber viele Hemmnisse abgebaut worden. Diese Chance wollen wir nutzen und beispielsweise in Oberfranken, wo wir ohnehin am Standort Forchheim präsent sind, verstärkt aktiv werden.
ECOreporter.de: Wo liegen die größten Hemmnisse, die Umsetzung der Energiewende bremsen und wie könnten diese bewältigt werden?
Hummel: Der Aufbau regenerativer Erzeugungskapazitäten kann, wenn die Branche nicht von der Politik gebremst wird, schnell vorangehen. Die politische Zielsetzung könnte in diesem Bereich womöglich sogar übertroffen werden.
Spannend wird sein, wie das Energiesystem grundlegend umgestaltet und auf eine Führungsrolle der Erneuerbaren Energien abgestimmt werden kann. Wie lassen sich Investitionen in Speicher anregen, wo doch der Strommarkt dank sinkender Börsenpreise keine Impulse dazu setzt? Wie rechnen sich zukünftig Gaskraftwerke, die zwar als Übergangslösung benötigt, gleichzeitig aber immer weniger Vollaststunden erreichen werden? Wie erfolgt in zehn Jahren die Preisbildung, wenn ein Großteil des an der Börse vermarkteten Stroms aus Erneuerbaren Energien stammt, die keinerlei Grenzkosten haben? Das Thema Netzumbau wird natürlich ebenfalls eine Rolle spielen.
Wichtig ist uns beim Ausbau der Erneuerbaren Energien die Dezentralität und damit die vermehrte Wertschöpfung vor Ort. Dadurch kommt die Energiewende den Bürgern noch mehr zu Gute. Außerdem können auch die Kosten für den Netzausbau, anders als bei den von den Energiekonzernen favorisierten riesigen und teuren Offshore-Windprojekten oder Photovoltaik-Großprojekten wie Desertec, begrenzt werden. Denn mit der Abkehr von einer zentralistischen Erzeugungsstruktur wird der Bedarf an zusätzlichen Höchstspannungsleitungen, der derzeit für Diskussionen sorgt, spürbar geringer ausfallen. Was wir vermehrt brauchen werden, sind Leitungen auf Mittelspannungsebene. Und die werden schon heute in der Regel unterirdisch verlegt.
ECOreporter.de: Der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier hat ein energiepolitisches 10-Punkte-Programm vorgestellt, das unter anderem auf die Abschaffung von festen Einspeisevergütungen für Grünstrom abzielt. Was ist davon zu halten?
Hummel: Das EEG wird in seiner derzeitigen grundlegenden Form mittelfristig unverzichtbar bleiben. Dazu gehören auch fixe Einspeisevergütung und Einspeisevorrang. Nichtsdestotrotz sind innerhalb dieses Rahmens Änderungen sinnvoll und notwendig, insbesondere was die freie Vermarktbarkeit von Ökostrom außerhalb des EEG angeht. Das gut erprobte Modell des sogenannten Grünstromprivilegs, das eine Belieferung von Endkunden direkt aus EEG-vergütungsfähigen Anlagen erlaubt und das naturstrom als einziger Privatkundenlieferant seit 2008 nutzt, geht in eine solche Richtung. Besonders wichtig erscheint uns aber auch eine wieder zunehmende Beständigkeit in den gesetzlichen Regelungen, denn momentan feilt die Regierung alle paar Monate am EEG und anderen Regelungen, eine langfristige Planung ist so kaum noch möglich.
ECOreporter.de: Die Regierung hat speziell die Einspeisevergütung für Solarstrom oft als Kostentreiber der Energiewende dargestellt, zugleich aber immer am Plan festgehalten, vergleichsweise kostenintensive Offshore-Windparks so schnell wie möglich bauen zu wollen. Braucht Deutschland Offshore-Windparks, damit die Energiewende gelingen kann?
Hummel: Deutschland braucht vor allem die Wende hin zu einer dezentralen Versorgungsstruktur auf Basis mehrerer Arten sich ergänzender Erneuerbarer Energien. Die Energiewende wird nur dann gelingen, wenn sich die verschiedenen Technologien ergänzen. Offshore-Windparks werden in diesem System eine Rolle spielen, es wird allerdings nicht die Hauptrolle sein. Es ist schwer nachvollziehbar, dass Strom aus Offshore-Windparks mit 19 Cent pro Kilowattstunde (kWh) vergütet und die Haftung für den rechtzeitigen Netzanschluss auf den Verbraucher abgeschoben wird, während zugleich die ersten Vorstöße gewagt werden, den viel günstigeren Ausbau der Windenergie an Land zu beschränken.
ECOreporter.de: Welche Möglichkeiten haben Privatanleger, sich bei der naturstrom AG zu beteiligen? Sind die Beteiligungsangebote Ihren Stromkunden vorbehalten?
Hummel: Generell steht es allen interessierten Bürgern offen, sich an unseren Aktivitäten zu beteiligen und mit uns zusammen einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Derzeit platzieren wir eine Tranche von Genussrechten mit einem Emissionsvolumen von fünf Millionen Euro bei einer Stückelung zu 500 Euro. Die Grunddividende liegt bei vier Prozent, ab 2017 gibt es außerdem die Möglichkeit einer zusätzlichen variablen Dividende von bis zu vier Prozent – insgesamt also bis zu acht Prozent. Darüber hinaus können sich Privatanleger auch direkt an unseren Ökostromanlagen beteiligen. In der Gesellschaft „NaturStromQuelle Fränkische Schweiz“ haben wir beispielsweise Beteiligungen an mehreren Anlagen gebündelt, die wir im süddeutschen Raum betreiben. Aber auch an einzelnen Projekten können sich Bürger zum Beispiel als Kommanditisten beteiligen. Anwohnern unserer Windparks bieten wir zusätzlich einen Rabatt auf unseren naturstrom an. Auf diese Weise profitieren auch jene von der Energiewende in ihrer Region, die nicht direkt in die Anlagen investieren können oder möchten.
ECOreporter.de: Was werden Sie auf der Messe Grünes Geld präsentieren und mit welchen Erwartungen kommen Sie zu der Veranstaltung?
Hummel: Wir werden natürlich unsere Beteiligungsangebote vorstellen und hoffen darauf, viele Kontakte zu knüpfen und zu vertiefen. Für die nächsten Jahre haben wir uns ambitionierte Ziele im Bereich der Anlagenprojektierung gesetzt und nehmen daher gerne Partner mit an Bord, die unsere Ziele teilen.
ECOreporter.de: Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Hummel.