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Deutsche Photovoltaik endgültig am Abgrund? - Expertenkritik an der schwarz-gelben Solarpolitik



In den vergangenen Wochen haben sich mit Q-Cells SE aus Bitterfeld und Solon SE aus Berlin gleich zwei einstige Branchenschwergewichte nach Insolvenz und Übernahme vom Börsenparkett verabschiedet. Während der Kern der Insolvenzmasse von Solon nun zum indisch-arabischen Solarkonzern Microsol gehört, fehlt dem Kauf des Unternehmenskerns von Q-Cells durch den koreanischen Mischkonzern Hanwha Group nur noch die Zustimmung durch die Kartellbehörden.

Und dies sind nur zwei prominente Schlaglichter der Branchenkrise die 2008 im Schatten der Finanzkrise ihren Anfang nahm, als Grünstrom-Projektierer immer schwieriger an Kredite für Solarstrom-Vorhaben kamen. „Die jüngsten Zahlen des deutschen Branchenprimus SolarWorld AG waren schockierend“, sagt Andrew Murphy, geschäftsführender Gesellschafter der Murphy & Spitz Umwelt Consult GmbH, die auf nachhaltige Geldanlagen spezialisiert ist. SolarWorld hatte sowohl das zweite Quartal als auch das erste Halbjahr 2012 mit jeweils dreistelligem Millionenverlust beschlossen. Während sich der Verlust vor Zinsen und Steuern (EBIT) im zweiten Quartal auf 170,4 Millionen Euro summierte, verbuchte der Bonner Solarkonzern für die erste Jahreshälfte 143,8 Millionen Euro.

Ähnlich verheerende Bilanzen legten zuletzt auch die großen chinesischen Konkurrenten Suntech, Trina Solar, Yingli Green Energy und LDK Solar vor (mehr dazu lesen Sie Opens external link in new windowhier, Opens external link in new windowhier, Opens external link in new windowhier und Opens external link in new windowhier). „Mittlerweile erwirtschaften durchweg alle Photovoltaik-Produzenten Verluste. Man fragt sich, wie es Solarworld und die gesamte Branche bei dem sich kontinuierlich verschärfenden Margendruck schaffen sollen, überhaupt wieder positive Zahlen zu schreiben“, sagt Murphy.

Und das, obwohl weltweit immer mehr Solaranlagen in Betrieb gehen. Einer aktuellen Studie zufolge des US-Marktforschungsunternehmens IMS Research aus Austin im US-Bundestaat Texas zufolge sind in den ersten sechs Monaten 2012 rund um den Erdball Photovoltaikanlagen mit 13.000 Megawatt (MW) Leistungskapazität installiert worden. Bei Volllast hätten diese Grünstromkraftwerke das Potenzial, 13 Atomkraftwerke zu ersetzen. Der Löwenanteil dieses Wachstums spielte sich allerdings in den USA und in Asien (dort speziell in China) ab.
Die Einzigen, die in der Solarwirtschaft heute noch Geld verdienen, sind die Banken. Nicht die Sonnenkönige wie Frank Asbeck oder der Selbstständige mit seiner Solaranlage auf dem Dach, nein, die Banken mit ihren horrenden Provisionen reißen tiefe Gräben in die Bilanzen“, sagt Murphy mit Blick auf die für viele prekäre Marktlage am Photovoltaik-Weltmarkt. Diese wird weiterhin durch die rasante Abwärtsspirale bei den Preisen für Solartechnik aller Art dominiert.

Bildnachweis: Andrew Murphy, Geschäftsführer von Murphy & Spitz. / Quelle: Untwernehmen


Dass so viele Konzerne ins Straucheln geraten sind, schreibt Murphy jedoch nicht allein den vorhandenen Überkapazitäten dem anhaltenden Preisverfall bei Solartechnik zu. Bei Solon Q-Cells und Suntech, dem chinesischen Weltmarktführer für kristalline Solarmodule, haben Murphy zufolge auch Managementfehler zum Niedergang beigetragen.

Allerdings sieht der Experte die einstmals weltweit führende deutsche Photovoltaik-Branche in besonderem Maße bedroht. „Die Anschubfinanzierung für eine neue Industrie, mit der Deutschland selbst erklärter Umwelt- und Exportweltmeister ist, fällt schlichtweg zu schnell“, kritisiert Murphy die Energiewende-Politik der Bundesregierung. „Entlang der gesamten Wertschöpfungskette wird kein Geld mehr verdient. Und wo kein Geld mehr verdient werden kann, da setzen sich entweder jene durch, die über einen langen Atem verfügen oder jene, die auf einen strategischen Partner zurückgreifen können wie aktuell die chinesischen Solarfirmen auf den chinesischen Staat. Die Alternative: das Wirtschaften wird eingestellt.“ Anders als Deutschland stütze China sein Zukunftstechnologie-Standbein Photovoltaik massiv, erklärt Murphy.

Ähnlich sieht das Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen. „Die Bundesregierung hatte nach der Insolvenzwelle in der Solarbranche auf die Hilferufe der Branche nicht reagiert. Nun gibt es viele Insolvenzen, Konkurse, aber vor allem auch Aufkäufe deutscher Unternehmen durch chinesische oder koreanische Investoren“, kommentiert Fell den fortlaufenden Wandel am heimischen Solarmarkt. Es sei erfreulich, dass Aufkäufe stattfänden, anstatt dass die Unternehmen in Konkurs gingen, so Fell: „Aber die verheerende Solarpolitik der Bundesregierung ist schuld am Ausverkauf der hochinnovativen Unternehmen. Viele Experten aus Asien wissen, welche Solarperlen es in Deutschland gibt.“ Die Bunderegierung aber treffe keinerlei Vorkehrungen, um über die Finanzklemmen der deutschen Solarunternehmen hinwegzuhelfen. „Stattdessen erhöhen sie noch den Druck auf die Solarunternehmen, indem sie die Kampagne gegen den angeblichen Preistreiber Photovoltaik noch weiter anheizen“, fährt der Energiepolitiker fort.  „Die Asiaten wissen den Technologiestandort Deutschland im Bereich der Erneuerbaren Energien im Gegensatz zur Bundesregierung zu schätzen“, so Fell mit Blick auf die Übernahme von Q-Cells durch die Hanwha Group aus Korea.

Bildnachweis: Hans-Josef Fell, Energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen. / Quelle: Bundestag



Das Bild werde sich erst grundlegend wandeln, wenn auch in Deutschland das Potenzial der Solarenergie erkannt werde, sagt Murphy-&-Spitz-Geschäftsführer Andrew Murphy. „Schon heute sind die Gestehungskosten von Solarstrom preiswerter als von Strom aus Offshore-Windparks. Und nicht nur das. Die dezentrale Struktur der Photovoltaik macht kontrovers diskutierte Überland-Hochspannungsleitungen teilweise obsolet.“ Die massive Subventionierung des Ausbaus der Überlandleitungen komme einer staatlichen Subventionierung der Energieriesen RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall gleich. so Murphy weiter.
LDK Solar Co. Ltd: ISIN US50183L1070 / WKN A0MSNX
SolarWorld AG: ISIN DE0005108401 / WKN 510840
Suntech Power Holdings Co., Ltd: ISIN US86800C1045 / WKN A0HL4L
Trina Solar Ltd: ISIN US89628E1047 /WKN A0LF3P
Yingli Green Energy Holding Co. Ltd: ISIN US98584B1035 / WKN A0MR90
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