Nachhaltige Aktien, Meldungen

Die andere Rendite: Christian Hiß, Vorstand und Gründer der Regionalwert AG, im Interview

Immer mehr, das ist bei der Geldanlage meist die Devise. Aber es gibt auf der Erde nun einmal vieles, das man gar nicht vermehren kann. Land beispielsweise. Speziell Ackerland in Deutschland wird eher weniger als mehr. Kann man also überhaupt eine Geldanlage schaffen, in der es um eine regionale, ökologische Ernährungswirtschaft geht, vom Acker bis zum Teller? In der es nicht nur um Preise geht, sondern vor allem auch um Werte? Die Regionalwert AG aus Freiburg setzt genau hier an. Christian Hiß, Vorstand und Gründer dieses Unternehmens, erläutert, was es von anderen Aktiengesellschaften unterscheidet und wieso Aktien den Salat wachsen lassen.

ECOreporter.de: Herr Hiß, das von Ihnen gegründete Unternehmen Regionalwert ist eine Bürgeraktiengesellschaft. Was bedeutet das „Bürger“ hier?


Christian Hiß:  Die Regionalwert AG hat sich den Namen Bürgeraktiengesellschaft gegeben, weil sie versucht, die Menschen in der Region direkter in die ökologische Land- und Ernährungswirtschaft in der Region einzubinden. Die Aktiengesellschaft schien uns als Gesellschaftsform dazu geeignet.

ECOreporter.de: Die Aktionäre kaufen die Aktie von der Regionalwert AG, also fließt das Geld direkt in das Unternehmen, es kursiert nicht an Börsen. Was macht die Regionalwert mit dem Geld?

Hiß:  Ja, mit der Aktienbörse hat die Regionalwert AG wirklich nichts zu tun, im Gegenteil, wir arbeiten mit sogenannten vinkulierten Namensaktien, die nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates verkauft werden dürfen. Die Regionalwert AG investiert das eingeworbene Geld direkt in kleine Betriebe der regionalen ökologischen Land- und Ernährungswirtschaft. Sie finanziert auch Existenzgründungen in dem Bereich. Das Kapital bleibt langfristig in den Betrieben. Die kaufen z.B. gutes Acker- und Weideland, das sie nicht mit Chemikalien „verbessern“. Man kann auch sagen: Letztlich wachsen aus einer Aktie viele Postelein-Salate, das ist eine alte Salatsorte, die lecker und gesund ist, aber ansonsten kaum noch hergestellt wird.

ECOreporter.de: Aktionäre wollen üblicherweise die Aussicht auf höhere Kurse, mindestens aber Dividenden. Welche Aussicht bietet die Regionalwert AG?


Hiß:  Die Regionalwert AG, das heißt die Aktionäre und damit die Bürger der Region, sind an den Betrieben gewinn- und verlustbeteiligt. Sie erhalten erst einen Geldzins, wenn die Betriebe auch einen Gewinn erzielt haben. Bisher gab es noch keinen finanziellen Gewinn. Wir begreifen aber Gewinn und Verlust von Anfang an auch nicht nur finanziell. Wir ermitteln jedes Jahr, was außer dem finanziellen Ergebnis in den Betrieben noch an Wertschöpfung entstanden ist. Wir weisen den Aktionären im sozialen Bereich nach, wie viele Arbeitsplätze entstanden sind und wie viel Auszubildende in den Betrieben zu Gärtnern und Landwirten ausgebildet wurden. Im Ökologischen zeigen wir die Maßnahmen, die für die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und der Agrobiodiversität getroffen wurden. Insgesamt setzen wir 60 Indikatoren aus dem sozialen und ökologischen Bereich an. Da gehört auch, wie hoch der Anteil an alten Sorten im Gemüsebau in den Regionalwert-Betrieben ist.

ECOreporter.de: Wenn Geld ein Tauschmittel ist, dann tauscht man als Aktionär der Regionalwert Geld gegen.....was?

Hiß:  Gegen Gesellschafteranteile an Betrieben der regionalen ökologischen Wertschöpfungskette. Mit dem Kapital arbeiten die Unternehmerinnen und Unternehmer und bringen Wertschöpfung hervor: Zum Beispiel, dass mehrere hundert Kindergartenkinder pro Tag gesundes Mittagessen erhalten. Auch den offenen Zugang zu Saatgut sehen wir als Kapitalertrag an!

ECOreporter.de: Mindestens seit der Finanzkrise steht Geld für Sinnlosigkeit statt Sinn, Globalisierung statt Heimat und Misstrauen statt Zutrauen. Kann überhaupt etwas Gutes aus Geld erwachsen?

Hiß:  Geld an sich ist doch neutral. Was ihm Inhalt, Sinn und Intention gibt, ist immer der Eigner. Insofern muss man fragen, was die Eigner damit anstellen wollen. Wenn wir in der Region etwas ökologisch und sozial Sinnvolles entstehen lassen wollen, dann braucht es dazu Geld. Wir fragen die Menschen in der Region, ob sie mit ihrem Geld in der Region ökologische Unternehmen finanzieren wollen. Wenn die Wirkung entstanden ist, die wir im Wertpapierprospekt versprochen haben, dann sind die Aktionäre mit dem Ergebnis einverstanden.

ECOreporter.de: Wenn Sie nun eine Bilanz der Regionalwert erstellen: Geht es da um Finanzen oder auch um Inhalte?

Hiß:  Wir haben ein Verfahren entwickelt, mit dem wir die sozialen, ökologischen und regionalwirtschaftlichen Effekte des Wirtschaftens in den Betrieben der Regionalwert AG jährlich untersuchen und im sozialökologischen Geschäftsbericht nachweisen. Dieser Teil der Wertschöpfung, der normalerweise immer unter den Tisch fällt ist, ist bei uns satzungsgemäß Teil des Jahresergebnisses. Die normale Bilanz erstellen wir natürlich auch. Ein negatives Ergebnis in der klassischen Bilanz, wie wir sie in den letzten beiden Jahren hatten, wird mit der sozial-ökologischen Bilanz zusammen zu einem ganzen Bild über das tatsächliche Geschäftsergebnis.

ECOreporter.de: Was hat die Regionalwert AG mit dem Geld ihrer Aktionäre bewirkt?

Hiß:  Wir konnten in den letzten fünf Jahren bis heute 16 Betriebe der ökologischen Land- und Ernährungswirtschaft teilweise oder ganz finanzieren. So konnten z.B. vier außerfamiliäre Hofnachfolger in der Landwirtschaft überhaupt erst mal an einen Hof zur Bewirtschaftung heran kommen. Wir haben aber auch zwei Bioläden finanziert. Obwohl wir erst am Anfang stehen, haben wir schon ganz schön viel an positiver Wirkung für die Region erzielt.

ECOreporter.de: Fühlen sich die Regionalwert-Aktionäre verbunden mit dem Unternehmen, oder ist das in der Regel so: Investition erfolgt – und dann aus den Augen, aus dem Sinn?

Hiß:  Die Verbindung zwischen den Betrieben und den Aktionären herzustellen ist ganz schön viel Arbeit. Am besten gelingt es auf den Hauptversammlungen, in denen die Regionalwert AG-Unternehmer sich vorstellen und Rede und Antwort stehen. Dabei kommt unglaublich viel ´rüber über die Wirkung, die Kapital entfalten kann!

ECOreporter.de: Danke für das Gespräch, Herr Hiß!
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