Einfach E-Mail-Adresse eintragen und auf "Abschicken" klicken - willkommen!
„Die EU sollte dafür sorgen, das Emissionsrechte teurer werden“, Raik Oliver Heinzelmann, Advantag AG
Die Advantag AG ist einer der zahlreichen Aussteller der Messe Grünes Geld am 29.9. in Hamburg. Die für Besucher kostenlose Veranstaltung im Curio-Haus an der Rothenbaumchaussee bietet Einsteigen wie Finanzprofis einen aktuellen Überblick über Entwicklungen, Trends und Angebote am Markt für nachhaltige Geldanlagen im deutschsprachigen Europaraum. Von ethischen Banken über Mikrofinanzspezialisten bis hin zu Anbietern von Holzinvestments und Erneuerbare-Energie-Beteiligungen ist alles vertreten. Abgerundet wird die Messe durch eine Podiumsdiskussion, zahlreiche Vorträge und ein Kinderprogramm für kleine Besucher ab 5 Jahre. Mehr dazu erfahren Sie hier.
ECOreporter.de: Die Advantag AG ist im Bereich Emissionsrechte-Handel aktiv. Wie arbeiten Sie in diesem Bereich und inwiefern können sich Anleger dabei beteiligen?
Raik Oliver Heinzelmann: Das Kerngeschäft der Advantag AG ist der Handel von CO2-Emissionszertifikaten an den Energie- und Klimabörsen. Dabei handeln wir selbst und im Kundenauftrag, etwa als Broker. Hierbei sind wir speziell für Unternehmen tätig, die jährlich ihre Verpflichtung zur Abgabe von Emissionsrechten erfüllen müssen oder für Unternehmen und Privatpersonen, die ihren eigenen CO2–Fußabdruck freiwillig kompensieren möchten. Da wir CO2–Emissionszertifikate auch als neue und interessante Geldanlage-Klasse sehen, haben wir für ökologisch orientierte Investoren ein neues Produkt geschaffen – das Klimakonto. Hier können Investoren direkt börsengehandelte CO2–Emissionsrechte erwerben und diese dann jederzeit - auch entsprechend der Kursentwicklung - wieder veräußern.
ECOreporter.de: Außerdem beraten und begleiten Sie Unternehmen bei der Emission von Wertpapieren. Was bedeutet das?
Heinzelmann: Das Corporate Finance Consulting ist ebenfalls ein Unternehmensbereich der Advantag AG, den wir seit Gründung des Unternehmens durchführen. Hierbei beraten wir Unternehmen im Bereich der Beschaffung von Eigen- und Fremdkapital und erarbeiten für Emittenten von Wertpapieren die erforderlichen Wertpapierprospekte oder Prospekte für Vermögensanlagen, die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei öffentlich angebotenen Finanzinstrumenten gefordert werden. Die BaFin muss die Prospekte solcher Beteiligungsangebote billigen. Im Verhältnis zum Emissionsrechtehandel macht die Beratung jedoch einen wesentlich geringen Teil unserer Tätigkeit aus.
ECOreporter.de: Inwiefern setzen Sie als beratender Finanzdienstleister branchenspezifische oder regionale Schwerpunkte? Was für Kunden nehmen Ihre Dienstleistungen in Anspruch?
Heinzelmann: Im Emissionshandel sind speziell solche Unternehmen unsere Kunden, die aufgrund des Kyoto–Protokolls im Europäischen Emissionshandelssystem integriert sind. Daher sind die meisten unserer Kunden in Deutschland oder den benachbarten Ländern ansässig. Dazu gehören unter anderem Energieversorger, Universitäten oder sonstige Anlagenbetreiber. Wir beraten jedoch auch Unternehmen zur Kompensation ihres eigenen CO2– Fußabdrucks, wenn diese das gesamte Unternehmen, Teilbereiche oder Produkte klimaneutral stellen wollen.
Das muss man sich so ähnlich wie bei einem Auto vorstellen, wo in der Zulassung zu erkennen ist, wie viel CO2 durchschnittlich pro Kilometer ausgestoßen wird. Die Vermeidung von CO2–Ausstößen hat jedoch Vorrang vor der freiwilligen Kompensation. Die freiwillige Kompensation macht daher nur Sinn, wenn Sie schon alle ökonomisch und ökologisch sinnvollen Maßnahmen ergriffen haben, Ihren CO2–Ausstoß zu senken. Danach ist die Kompensation des unvermeidbaren CO2–Fußabdrucks durch den Kauf von Emissionszertifikaten und deren Vernichtung ein guter Weg, weltweit Klimaschutzprojekte mit zu finanzieren. Jedes Zertifikat verbrieft auch hierbei das Äquivalent einer Tonne Kohlendioxid. Je nach Art und Standard der Zertifikate sind die Projekte des freiwilligen Marktes und auch des verpflichtenden Handels nachhaltig und reduzieren den globalen CO2–Ausstoß um jeweils eine Tonne pro Zertifikat.
ECOreporter.de: Grundlage des Emissionshandels ist das Kyoto-Protokoll, das Klimaschutzziele festlegt. Dieses Protokoll läuft demnächst aus. Inwiefern beeinflusst dies laufende und kommende Projekte der Advantag AG?
Heinzelmann: Der Auslauf des Kyoto–Protokolls hat insbesondere etwas mit den entsprechend im verpflichtenden Handel einsetzbaren Zertifikattypen zu tun. Aktuell gibt es im verpflichtenden europäischen Handel vier verschiedene Zertifikattypen, wobei zwei direkte Emissionsrechte der EU sind: so genannte EUA für Anlagenbetreiber und EUAA für Luftfahrtgesellschaften. Zwei weitere Zertifikate sind Emissionsrechte aus weltweiten Kyoto–Klimaschutzprojekten: die sogenannten CER aus Entwicklungsländern und die ERU aus Industriestaaten. Mit dem Beginn der dritten Handelsperiode 2013 spielen die ERU, also Emissionsrechte aus Industriestaten vorerst keine Rolle mehr, solange diese nicht in einem Kyoto-Nachfolgeprotokoll beschlossen werden. Wir warten daher mit Spannung auf die Beschlüsse des diesjährigen Weltklimagipfel in Doha, Katar.
ECOreporter.de: Wie haben Sie sich auf die Zeit nach Kyoto vorbereitet? Wie verändert sich der Emissionsrechte-Handel dadurch?
Heinzelmann: Zertifikate vom Typ CER werden weiter eingesetzt werden. Dies jedoch auch nur aus bestimmten Projekten. Emissionsrechte aus Industriegasprojekten, etwa HFC23 oder N2O, werden in der kommenden Handelsperiode hingegen nicht mehr zum Einsatz kommen. Wir begrüßen das, weil dadurch teilweise keine reelle Reduktion an Treibhausgasen stattfindet. Unseren Kunden, die sich aufgrund der historisch niedrigen Preise bereits jetzt für die dritte Handelsperiode mit CERs eindecken, empfehlen wir, sogenannte Green-CERs zu kaufen, also Zertifikate, die nicht zu den oben benannten Industriegasprojekten zählen und voraussichtlich ohne große Probleme eingesetzt werden können. Wir gehen jedoch davon aus, dass bereits in Doha die Weichen für ein Kyoto–Nachfolgeprotokoll gestellt werden.
ECOreporter.de: Das aktuelle CO2-Barometer des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) moniert, dass der Emissionsrechte-Handel den CO2-Ausstoß der Industrie kaum gedrosselt habe. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?
Heinzelmann: Das stimmt nur teilweise. Trotz des höheren Einsatzes von Kohle wurde der europäische CO2–Ausstoß im Jahr 2011 nach aktuellen Kalkulationen um circa 2,5 Prozent gesenkt, was erkennbar sowohl am höheren Einsatz von CO2– armen Technologien als auch am Ausbau erneuerbarer Energien liegt. Der Einsatz von CO2-sparenden Techniken ist jedoch noch weiter ausbaufähig. Daher würden wir es begrüßen, wenn die EU ihr Einsparziel von 20 auf 30 Prozent erhöht und somit ein wichtigerer Impuls für den CO2–Markt gesetzt werden würde. Aktuell kosten die Emissionsrechte (EUA) circa acht Euro. Berechnungen haben ergeben, dass der ökonomische Zwang zu weiteren Klimaschutzmaßnahmen jedoch erst bei rund 17,50 Euro einsetzt. Von daher müssen weitere Maßnahmen durch die EU-Kommission veranlasst werden, die Preise erhöhen.
ECOreporter.de: Ist der Emissionsrechte-Handel in seiner aktuellen Form das richtige Instrument, um die Treibhausgasemissionen zu senken, oder bedarf es Reformen?
Heinzelmann: Der Emissionsrechtehandel anhand des sogenannten Cap-and-Trade ist ein sinnvolles und erfolgreiches Modell, was diejenigen Unternehmen belohnt, welche wenig CO2-Ausstoß haben und diejenigen bestraft, welche nicht in sparsame Technologien investieren. Hier hat Europa 2005 einen wichtigen Schritt mit der Einführung des Systems getan, welches nun auch weltweit Nachahmer findet. So werden Australien und die Schweiz in wenigen Jahren ihre Systeme mit den unsrigen verlinken.
Im US-Bundesstaat Kalifornien beginnt die Testphase des Emissionshandels 2013, ebenso in einigen chinesischen Provinzen, also in genau den Ländern, die das Kyoto-Protokoll damals nicht ratifiziert haben. Wir in Europa haben dies durch unser Vorangehen erreicht und allein die weltweiten Projekte, die hierdurch entstanden sind, haben zu einer globalen Einsparung von CO2 geführt, denn Kohlendioxid und dem Klima ist es egal, ob es in Deutschland oder etwa Südamerika eingespart wird. Aktuell plant die EU-Kommission zudem eine Verschiebung der Auktionen von Zertifikaten der drittenHandelsperiode nach hinten, um den CO2–Preis hoch zu treiben und so die Investitionsbereitschaft der Industrie in CO2-sparende Technologien zu steigern.
ECOreporter.de: Wie wird sich der Emissionsrechte-Handel in bis 2020 und darüber hinaus entwickeln und was sind die maßgeblichen Faktoren dieser Entwicklung?
Heinzelmann: Bis 2020 sehen wir und die Analysten anderer Banken und Finanzdienstleister einen starken Anstieg der Preise für Emissionsrechte auf – je nach Szenario und Analyst – 37 bis 83 Euro pro EUA, da die Gesamtzahl aller verfügbaren Zertifikate ab 2013 jährlich reduziert wird und dadurch die Nachfrage steigt. Zudem sinken die kostenlos ausgegeben Zertifikate für die Anlagenbetreiber von 70 Prozent in 2013 auf 30 Prozent in 2020. Ab 2027 soll es dann gar keine kostenlose Zuteilung mehr geben. Dies zwingt die Industrie in hohem Maße, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. In den kommenden Jahren sehen wir weiterhin die Tendenz zu einem weltweiten System. Der Internationale Emissionszertifikate-Handel wird sich mehr und mehr mit dem europäischen Emissionsrechte-Markt verbinden und somit zu einem globalen Emissionshandelssystem, wo der Wert sauberer Luft überall bilanziell erfasst wird. Schon heute müssen zum Beispiel alle Dax–Konzerne einen Nachhaltigkeitsbericht abgeben. Das führt dazu, dass diese auch schon bei ihren Zulieferern auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz achten. Aus dieser Entwicklung heraus gibt es schon heute ein Umdenken. Manche Pläne und Vorschläge gehen sogar so weit, jeden Privathaushalt in den Emissionshandel mit einzubeziehen, damit diese für klimaschonendes und nachhaltig orientiertes Handeln belohnt werden.
ECOreporter.de: Was werden Sie auf der Messe Grünes Geld in Hamburg präsentieren?
Heinzelmann: Wir zeigen auf der Messe unser Produkt „Mein Klimakonto“. Hier haben ökologisch und ökonomisch orientierte Investoren die Möglichkeit, zum Direktinvestment in CO2–Zertifikate. Wir sind hier Vorreiter in einer absolut neuen Asset–Klasse in Deutschland, wobei jedoch auch ausdrücklich im Kyoto–Protokoll gewünscht wird, dass Privatinvestoren am Klimahandel teilnehmen.
ECOreporter.de: Herr Heinzelmann, wir danken für das Gespräch.