Finanzdienstleister

Erste AM: "Missstände bei Unternehmen aus dem Weg räumen"

Die Erste Asset Management aus Österreich betreibt für ihre Anleger aktives Engagement. Das bedeutet: Sie tritt mit anderen Unternehmen in einen Dialog, um deren Nachhaltigkeit zu verbessern. Zum Engagement als Investor gehört auch "Active Ownership", also die aktive Ausübung von Stimmrechten auf den Hauptversammlungen der Unternehmen. Wie funktioniert das konkret - und was erreicht der Finanzdienstleister damit? Wir sprachen darüber mit Senior ESG-Analyst Dominik Benedikt, Research-Analyst Walter Hatak und dem Head of Communications and PR, Paul Severin, von Erste Asset Management (Erste AM).


ECOreporter.de: Sie sehen Ihre Hauptaufgabe in einem langfristigen Anlageerfolg - dabei sollen die Anlegerinteressen gewahrt bleiben. Wieso ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Anlegerinteresse?

Domink Benedikt: Für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens spielen globale Megatrends eine Rolle. Dazu zählen etwa der demografische Wandel, der Klimawandel, der Schwund von Ressourcen. All dies wirkt sich auf das Investitionsumfeld aus. Innovative Unternehmen setzen Akzente für eine Verbesserung der Situation und lukrieren so Chancen. Wer langfristig erfolgreich sein will, muss die Megatrends im Auge behalten. Und genau das versucht die Nachhaltigkeitsanalyse zu bewerten.

Und wozu braucht man Engagement?

Dominik Benedikt: Engagement ist für uns ein Werkzeug, mit dem wir Unternehmen Risiken aufzeigen und Missstände bei der Nachhaltigkeit aus dem Weg räumen können. Die Reputation des Unternehmens ist auch ein wichtiges Thema. Letztlich geht es uns darum, durch Engagement einen Impact zu erzielen. Das funktioniert aber nur im Dialog, nicht durch Druck oder Bloßstellungen.

Im Dialog geht es oft um Fragen wie: "Was läuft schlecht - wie geht es besser?" Oder: "Wie kann mehr Nachhaltigkeit zu mehr Erfolg beitragen?" Manchmal haben sich Unternehmen zwischen zwei Optionen für den problematischen Weg entschieden. Das gilt es dann aufzuzeigen - und Lösungen anzubieten, zum Beispiel über Best-Practice-Beispiele. Bis sich etwas ändert, kann es aber dauern.

Und manchmal klappt es auch nicht, etwa im Fall von Unilever. Der hohe Zuckergehalt in manchen Unilever-Produkten war 2014 unserer Ansicht nach ein langfristiges Risiko aus nachhaltiger Sicht. Allerdings wollte der Konzern nicht in einen Dialog treten.

Beim Engagement setzt Erste AM ja auf unterschiedliche Strategien...

Walter Hatak: ...ja, das ist bei uns ein Prozess auf mehreren Ebenen, da wir einerseits das Know-How unseres internen ESG-Teams nutzen, andererseits auch Kooperationen mit externen Partnern haben. Bei unserem Engagement setzen wir auf vier Strategien:

- Thematisches Engagement: Im Rahmen unserer Recherche setzen wir regelmäßig thematische Schwerpunkte. Diese dienen uns auch als Ausgangspunkt zu Engagements, die jeweils ein kritisches Thema wie Kinderarbeit in der Zulieferkette von Schokoladeproduzenten oder Arbeitsrechtsverletzungen bei Transportunternehmen direkt bei den involvierten Unternehmen adressieren. Die Resultate berichten wir seit 2012 in unserem ESG-Letter  (ESG = Environment, Social, Governance - also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, Anm. d. R.) der mehrmals jährlich erscheint.

- Österreich-Engagement: Hier nutzen wir unseren Einfluss als Marktführer in Österreich, um einen Zugang zum Topmanagement von österreichischen Unternehmen zu bekommen. Bei regelmäßigen Investorentreffen werden bewusst ESG-Themen angesprochen, um die nötige Sensibilität für Nachhaltigkeitsthemen auch auf Unternehmensseite zu schaffen.

- Partnerschaftliches Engagement: Das betreiben wir gemeinsam mit anderen engagierten Investoren, um Veränderungen zu bewirken. Partner sind zum Beispiel Nachhaltigkeitsnetzwerke wie UN PRI (PRI = Prinzipien für Verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen) oder CRIC, die größte Investorengemeinschaft zur Förderung des ethisch-nachhaltigen Investments im deutschsprachigen Raum. Außerdem sind wir aktuell in einem Netzwerk internationaler Investoren vertreten, das einen tiefgehenden Dialog mit 150 Unternehmen führt. Dabei stehen die Pariser Klimaziele im Vordergrund - ein Schwerpunkt liegt aktuell auf dem Erdöl-Sektor.

- Mittelbares Engagement über externe Partner: Wir arbeiten zum Beispiel mit GES (Global Engagement Service) zusammen. GES bündelt das Kapital aller beteiligten Investoren, die dann von Unternehmen als Partner auf Augenhöhe akzeptiert werden. Das wirkt wie ein Hebel. Über die GES sind wir zum Beispiel in der Schweiz mit großen Schokoladeproduzenten zusammengekommen. Es gab durch den Dialog mit den Produzenten einige Fortschritte - etwa was die Zuliefererkette von Kakaobohnen betrifft.

Erste AM betreibt seit 2012 aktives Engagement. Was hat sich seitdem am meisten verändert?

Dominik Benedikt: Es hat sich viel getan. Seitens der Unternehmen wird dem Engagement eine größere Bedeutung eingeräumt. Früher mussten wir stärker kämpfen, um Zugang zu den höchsten Stellen zu bekommen. Heute ist das viel selbstverständlicher, selbst bei Unternehmen, die derzeit nicht in unseren Nachhaltigkeitsfonds vertreten sind. Zum Beispiel durften wir vor kurzem dem CFO von Nestlé gegenübersitzen. Und er hat  unseren Einschätzungen und Anliegen zugehört. Die Digitalisierung macht die Kommunikation ebenfalls leichter – aber sie ersetzt den menschlichen Dialog nicht.

Paul Severin: Außerdem ist die Zahl der Hauptversammlungen gestiegen, an denen wir teilnehmen - und das Volumen unserer nachhaltigen Fonds. Es beträgt aktuell 5 Milliarden Euro und hat sich damit seit 2012 fast verdoppelt. Dadurch wächst natürlich auch der Einfluss.

Auf wie vielen Hauptversammlungen hat Erste AM in 2017 abgestimmt?

Dominik Benedikt: Da wir nur vier Analysten sind, ist es für uns nicht möglich zu jeder Hauptversammlung zu fahren. Deswegen haben wir die Stimmrechtsausübung an den Dienstleister ISS (= Institutional Shareholder Services) übertragen. In der letzten Berichtsperiode wurde 314-mal das Stimmrecht ausgeübt, 218 Aktionärsanträge wurden gestellt und in 9 Prozent der Fälle gegen das Management abgestimmt. Aber auch abseits der Hauptversammlungen treten wir wie gesagt in Kontakt mit dem Top-Management von Unternehmen.

Unser Engagement betreiben wir anhand unserer nachhaltigen Policy - und zwar für sämtliche Aktien-Publikumsfonds der Erste AM, nicht nur für die nachhaltigen Fonds. Dadurch konnten wir zum Beispiel auch bei der Hauptversammlung des Ölkonzerns ExxonMobil abstimmen, obwohl das Unternehmen in keinem nachhaltigen Fonds gehalten wird.

Im Engagement-Report von Erste AM tauchen zum Beispiel Apple, Nintendo und Starbucks auf: Worum ging es konkret beim Dialog mit diesen Unternehmen?

Walter Hatak: Apple ist für uns nicht investierbar, da es seit 2009 Arbeitsrechtsverletzungen in der Zuliefererkette gibt. Unsere Ausschlusskriterien setzen wir strikt um! Aufgrund der Fortschritte im Reporting der Zuliefererkette wird im neuen Jahr eine Neu-Evaluierung des Sachverhaltes erfolgen. Nintendo ist ein jüngerer Fall: Das Problem ist hier der Bezug von Zinn aus nicht-nachhaltigem Abbau, bei dem es zu Arbeitsrechts- und Umweltverstößen kam. Ein positives Beispiel ist dagegen Starbucks: In Chile hat sich das Unternehmen noch vor einigen Jahren gewerkschaftsfeindlich verhalten. Das hat sich mittlerweile geändert. 

Bildhinweis: Walter Hatak ist Research-Analyst bei Erste AM in Wien. / Foto: Unternehmen


Die Unternehmen Colgate-Palmolive, Johnson & Johnson, Siemens Gamesa sowie Procter & Gamble sind auf der sogenannten Evaluate List von Erste AM. Was heißt das?

Dominik Benedikt: Evaluate List bedeutet, dass wir klären müssen, ob es sich um einen Engagement-Fall handelt oder nicht. Zu den einzelnen Unternehmen:

- Colgate-Palmolive und Procter & Gamble sind mit denselben Vorwürfe konfrontiert. Hier geht es um die Problematik von Kinderarbeit und Arbeitsrechtsverletzungen in indonesischen Palmöl-Fabriken von Wilmar International Ltd.. Noch ist aber nicht vollständig geklärt, ob Wilmar das Palmöl tatsächlich an Procter & Gamble sowie an Colgate-Palmolive liefert.

- Johnson & Johnson beschäftigt uns aufgrund der Konzerntochter DePuy, die fehlerhafte Hüftprothesen zurückrufen musste. Der Vorwurf lautet zudem, dass die künstlichen Gelenke sehr aggressiv vermarktet wurden – auch durch sogenannte Kickback-Zahlungen von Johnson & Johnson an Ärzte – die das Unternehmen versucht hat, zu verdecken. Ein endgültiges Urteil steht allerdings noch aus.

- Siemens Gamesa ist eigentlich in einem sehr nachhaltigen Geschäftsfeld tätig. Allerdings hat das Unternehmen Windräder für ein Projekt in der Konfliktregion Westsahara im Auftrag von Marokko geliefert. Das Gebiet wird von Marokko beansprucht und größtenteils besetzt. Es ist noch in Klärung, ob Siemens Gamesa dadurch die Souveränität der Westsahara untergraben hat oder nicht.

Sie sprechen weiterhin mit den vom Investment ausgeschlossenen deutschen Autounternehmen BWM, Daimler und VW über den Abgasskandal. Wohin steuert der Dialog?

Walter Hatak: Seit Bekanntwerden des Einsatzes von Schummelsoftware durch Volkswagen zur Manipulation der Emissionswerte gab es bisher eine starke Distanzierung seitens der anderen deutschen Autobauer. Beim jüngsten Dieselgipfel hingegen haben die deutschen Autobauer zu unserer Überraschung mit einer Stimme gesprochen - nämlich mit der Stimme des VW-Chefs. Es war zu diesem Zeitpunkt für uns unklar, ob die unterschiedliche Bewertung der deutschen Autobauer aus Nachhaltigkeitssicht weiterhin gerechtfertigt ist. Deshalb entschieden wir uns, bis zur Klärung unserer offenen Fragen, sämtliche beim deutschen Dieselgipfel vertretenen Autobauer vorerst auszuschließen.

Begleitet wurde der Schritt von einer Aussendung eines umfassenden Fragebogens, der von sämtlichen Unternehmen in unterschiedlichem Detaillierungsgrad bereits beantwortet wurde. Wir sind noch in der Evaluierung der Antworten, die im nächsten Jahr eine Neubewertung des Sachverhaltes zur Folge haben könnte.

Gibt es besondere Engagement-Vorhaben für 2018?

Dominik Benedikt: Ein wichtiges Thema wird im kommenden Jahr der Umgang mit dem Klimawandel und seine Auswirkung auf die Werthaltigkeit von Investitionen sein. Wir arbeiten darüber hinaus weiterhin mit anderen Investorennetzwerken zusammen und planen auch dazu mehrere Veröffentlichungen  im neuen Jahr, etwa zu Korruptionsfällen bei einem deutschen Großkonzern.

Herr Benedikt, Herr Hatak und Herr Severin, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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