Fonds / ETF

„Es müssen große Investitionen getätigt werden, um die Energiewende hinzubekommen.“ – Interview mit Stefan Maiss, zum Dachfonds der ProVita GmbH



ECOreporter.de: Welche Anlagestrategie verfolgt der IAM ProVita world fund?

Stefan Maiss: Der IAM ProVita world fund (ISIN LU0206716028) ist ein international anlegender Dachfonds. Er investiert ausschließlich in Fonds aus dem Bereich Ökologie und Nachhaltigkeit. Unser Anlageausschuss definiert das Nachhaltigkeitsverständnis für den Fonds und passt das Anlageuniversum entsprechend an - Basis dessen sind die „Opens external link in new windowDarmstädter Definitionen Nachhaltiger Geldanlagen“.

ECOreporter.de: Nach welchen konkreten Nachhaltigkeitskriterien werden die Fonds für den IAM ProVita world fund ausgewählt?

Maiss: Die Darmstädter Definitionen berücksichtigen drei Aspekte. In ökologischer Sicht wird darauf geachtet, dass die Gewinnerzielung im Einklang mit folgenden Punkten steht: der Steigerung der Ressourcenproduktivität, Investition in erneuerbare Ressourcen, der Wiedergewinnung und Wiederverwendung gebrauchter Stoffe sowie
Der Funktionsfähigkeit globaler und lokaler Ökosysteme. Dazu zählen beispielsweise Regenwälder und Meere. In sozial-kultureller Sicht wird darauf geachtet, dass die Gewinnerzielung im Einklang steht mit der Entwicklung des Humankapitals. Damit ist die Verantwortung für Arbeitsplätze, Aus- und Weiterbildung, die Förderung selbstverantwortlichen Arbeitens, die Vereinbarung von Beruf und Familie und der Respekt vor der Individualität des Einzelnen gemeint. Ebenso müssen die Investments der Entwicklung des Sozialkapitals förderlich sein. Dabei geht es um die Schaffung von Erwerbschancen, die Ausgewogenheit zwischen den Generationen, den diskriminierungsfreien Umgang mit Minderheiten, die Funktionsfähigkeit der Regionen und die Förderung zivilgesellschaftlichen Handelns. Dritte sozio-kulturelle Maßgabe ist der Einklang mit der Entwicklung des Kulturkapitals Dies meint den Respekt vor kultureller Vielfalt, persönlichen Freiheitsrechtem und der gesellschaftlichen Integrität. In ökonomischer Sicht wird darauf geachtet, dass  Gewinne auf Basis langfristiger Produktions- und Investitionsstrategien statt aus kurzsichtiger Gewinnmaximierung erwirtschaftet werden. Zudem sollen die Erträge aus Finanzanlagen in vertretbarer Relation mit Erträgen aus realer Wertschöpfung stehen. Die Gewinne dürfen elementare  Bedürfnisse, etwa den Zugang zu frischem Wasser nicht gefährden. Außerdem ist Korruption tabu.

ECOreporter.de: Wie konkret funktioniert die Titelwahl? Nennen Sie Beispiele bitte Beispiele für die wichtigsten Negativ- und auch Positivkriterien, nach denen der Fonds sein Portfolio ausrichtet?

Maiss: So gut wie keine Berücksichtigung finden in unserem internen Bewertungssystem Fonds, die nur nach dem Prinzip „best in class“ investieren. Dieser Ansatz ist für unser Verständnis nicht auseichend, um den Anspruch der Darmstädter Definitionen zu erfüllen. Aus diesem Grund sind in unserem Portfolio zum Beispiel keine Öl-Titel  enthalten.

ECOreporter.de: Mit DWS Geldmarkt Plus und DWS Institutional Cash plus gehören zwei Geldmarktfonds der DWS zu den größten Investmentpositionen. Inwiefern deckt sich die Anlagestrategie dieser Fonds mit ihrem Nachhaltigkeitsansatz?

Maiss: Aufgrund unserer Anlagerichtlinien und unseres mathematischen Handelsansatzes sind wir – um Kursverluste einzudämmen - in längerfristigen Abwärtstrends auch in Cash und Geldmarktpositionen investiert. Wir müssen eine gewisse Streuung erreichen und dürfen von den angewählten Fonds keine zu großen Positionen im Verhältnis zu deren Fondsvolumen besitzen. Deshalb kann es vorkommen, dass wir auf mehrere Geldmarktfonds ausweichen. Allerdings gibt es nur zwei nachhaltige Geldmarktfonds. So erklärt es sich, dass wir für einen kurzen Zeitraum - gezwungenermaßen - auch in konventionellen Geldmarktfonds Bestände parken mussten.
Bei Rückführung in die Aktienmärkte und Auflösung der Geldmarktpositionen wurden und werden zuerst konventionelle Geldmarktfonds abgelöst, wie auch die beiden DWS-Fonds. Die beiden letzten Geldmarktpositionen waren der ESPA Vinis Cash und der Superior Ethik 5. Beide sind nachhaltige Geldmarktfonds, in die wir zum Teil - Stand Ende August 2010 - mit kleinen Beständen noch investiert sind.

ECOreporter.de: Welchen Stellenwert haben Geldmarktfonds generell in der Strategie des Provita World fund und warum?

Maiss: Unser Handelsmodell macht es notwendig, manchmal auf weniger volatile Anlagen umschichten zu können. Das haben auch die extremen Abwärtsbewegungen vor allem im Jahr 2008 gezeigt. Ein Dachfonds wie der ProVita world fund kann entsprechend umschichten. Bei einem reinen Aktienfonds ist dies nicht möglich. Die meisten Fonds haben in dieser Zeit zwischen 40 und 50 Prozent an Wert verloren. Und bei minus 50 Prozent benötigt der Anleger ganze 100 Prozent Wertzuwachs, um seinen Verlust aus dem Vorjahr wieder auszugleichen. Bei minus 28 Prozent benötigt er beispielsweise nur 39 Prozent Zuwachs, wie beim ProVita world fund.

ECOreporter.de: Setzt der Fonds im Bezug auf die Strategien seiner Portfolio-Objekte weitere Schwerpunkte, regional oder in Assetklassen?

Maiss: Das liegt ganz an der Marktentwicklung, der Volatilität und dem Trendverhalten der einzelnen Märkte und Fonds. Regionale Schwerpunkte und Schwerpunkte bei den Assetklassen werden systemrelevant berücksichtigt.

ECOreporter.de: Wie viel Anlegervermögen wird aktuell in dem Fonds verwaltet? Streben Sie bestimmte Ziele an, diese Vermögen in der nächsten Zeit zu erweitern?

Maiss: Derzeit liegt das Fondsvolumen bei knapp 21 Millionen Euro. Selbstverständlich wünschen wir uns eine steigende Zahl von Anlegern. Richtiggehend Volumenziele haben wir uns aber nicht gesetzt.

ECOreporter.de: Wie haben sich die Finanzmarktkrisenjahre auf den Fonds ausgewirkt?

Maiss: Selbstverständlich hat uns die Finanzkrise genau wie alle anderen auch betroffen und wir haben es seither noch nicht geschafft, ins Plus zu kommen.

ECOreporter.de: Wie haben Sie auf diese Entwicklung reagiert?

Maiss: Neben den marktbedingten Veränderungen im Portfolio wurde vor zwei Jahren das Fondsmanagement gewechselt. Diesen Schritt sind wir gegangen, da beim bisherigen Handelsansatz als Benchmark nur von konventionellen Märkten Kauf-oder Verkaufssignale generiert werden konnten. Das führte was zum Teil zu Performanceabweichungen.  Einen nachhaltigen Index, der tagesgenaue Daten liefert, gibt es leider bis heute nicht - deshalb die Umstellung. Unser jetziges Management ist in der Lage, aus den Zielfonds direkt Kauf- und Verkaufssignale zu generieren, damit sind wir deutlich näher an den Märkten.

ECOreporter.de: Für welchen Anlegertyp haben Sie den Fonds aufgelegt?

Maiss: Der Fonds eignet sich für jeden Investor, der sich mittel- bis langfristig an einem soliden, nachhaltigen und zukunftsorientierten Investment beteiligen möchte. Durch den vermögensverwaltenden Ansatz muss unser Anleger sich nicht selbst ständig um eventuelles notweniges Umschichten der Fonds kümmern, denn dies wird durch unser aktives Handelsmodell erfüllt.

ECOreporter.de: Welche Gebühren werden erhoben? Gibt es eine Mindesteinlage? und welche Renditen haben Anleger zu erwarten?

Maiss: Es werden 1,5 Prozent  Verwaltungsgebühren jährlich und bis zu 5 Prozent Ausgabeaufschlag verlangt. Interessant ist die Total Expense Ratio (TER), deutsch: Gesamtkostenquote. Diese ist in der Wertentwicklung eines jeden Fonds bereits eingepreist. Die lag beim ProVita world fund im vergangenen Jahr bei 2,23 Prozent und war damit nicht einmal höher als diverse andere Einzel-Umweltfonds. Der Mindestmonatssparbetrag liegt bei 40 Euro. Die Einmalanlage Mindestanlage liegt bei 1.000 Euro. Wir sehen unsere Benchmark beim MSCI World Index und sind davon überzeugt, dass wir diesen Index langfristig um 2 bis 3 Prozent pro Jahr übertreffen werden.

ECOreporter.de: Was unterscheidet den IAM ProVita world fund von anderen nachhaltigen Dachfonds?

Maiss: Zum einen ist unser mathematisches Handelsmodell, das so in keinem anderen Umweltdachfonds existiert, ein Unterschied. Zum zweiten sind unsere Auswahlkriterien nach den „Darmstädter Definitionen“ vergleichsweise streng.

ECOreporter.de: Wie wird sich der Markt für Nachhaltige Dachfonds in Zukunft weiter entwickeln und wovon hängt diese Entwicklung maßgeblich ab? Gibt es Trends?

Maiss: Allgemein wird sich der Markt für nachhaltiges Investment weiterhin stark entwickeln. Es müssen große Investitionen getätigt werden, um die Energiewende hinzubekommen. Märkte von Morgen entstehen dort, wo der Innovationsdruck am größten ist. Zur Erklärung das folgende Beispiele: Das Industriezeitalter begann und die schweren Maschinen und Güter mussten vom Herstellungsort an den Bestimmungsort transportiert werden. Es gab aber 1850 keine Straßennetze oder Lastkraftwagen wie heute. Die Lösung für das Transportproblem hieß Eisenbahn.
Wenn wir heute in die Zukunft schauen, so heißen unsere gravierendsten und globalen Probleme Energie- und Ressourcenverknappung im Zusammenhang mit Klimawandel und Umweltschutz. Alles was dazu beiträgt, unsere Umwelt, unsere Natur, Artenvielfalt und Gesundheit - sprich unsere Lebensgrundlage - so gut wie möglich zu erhalten, ist der nächste Langzeitwirtschaftszyklus, der mehrere Jahrzehnte anhalten wird.

ECOreporter.de: Herzlichen Dank für das Interview!


Stefan Maiss ist 46 Jahre alt und verheiratet. Er ist Geschäftsführer der ProVita GmbH mit Sitz in Stuttgart.


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