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Gibt es einen lachenden Dritten? - Hintergründe zum Konflikt zwischen Q-Cells und LDK Solar

Wenn zwei sich streiten, stehen am Ende oft beide als Verlierer da. Der eskalierende Konflikt zwischen den Solarunternehmen Q-Cells SE und LDK Solar könnte eben darauf hinauslaufen. Das meinen zumindest Experten. Gestern hatte Q-Cells mit der Mitteilung für Aufsehen gesorgt, dass man aus einem im Dezember 2007 abgeschlossenen Liefervertrag mit der LDK Solar ausgestiegen sei, weil die chinesische Vertragspartnerin „wesentliche vertragliche Pflichten“ nicht erfüllt habe (wir Opens external link in new windowberichteten). Die Vereinbarung hatte vorgesehen, dass LDK von 2009 bis 2018 auf der Grundlage einer fixierten Siliziummenge von insgesamt 43.000 Tonnen Solarwafer an Q-Cells liefert. Q-Cells kündigte nun an, eine Bankgarantie in Höhe von 244,5 Millionen US-Dollar in Anspruch zu nehmen, mit der eine in 2008 geleistete Anzahlung abgesichert war.

Nach Einschätzung des Analysten Karsten von Blumenthal, Experte der SES Research aus Hamburg, kann Q-Cells diese „Finanzspritze“ gegenwärtig gut gebrauchen. Das Unternehmen hatte im August tiefrote Zahlen für das 2. Halbjahr gemeldet. Aufgrund des zwischenzeitlichen Preisverfalls bei Solarwafern sei es zudem ein Vorteil, aus dem zu wesentlich höheren Preisen abgeschlossenen Vertrag aussteigen zu können. Allerdings sei es möglich, dass sich LDK mit weiteren rechtlichen Schritten gegen die Kündigung des Vertrages durch die deutsche Kundin wehrt. Die Chinesen waren beim Landgericht Berlin mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Inanspruchnahme der Bankgarantie durch Q-Cells gescheitert.

LDK Solar hat heute mit einer Unternehmensmeldung auf die Schritte von Q-Cells reagiert und darin klargestellt, dass man sich „energisch“ dagegen zur Wehr setzen werde. Die Chinesen werfen den Deutschen vor, ohne Grund den abgeschlossenen Vertrag gebrochen zu haben. Aus ihrer Sicht hat das Landgericht Berlin ihrer Kundin auch nicht in der Sache recht gegeben, sondern die einstweilige Verfügung gegen die Auszahlung der Bankgarantie nur aus formalen Gründen aufgehoben. Die Waferproduzentin pocht auf die Einhaltung des Vertrages, man habe entsprechende Kapazitäten aufgebaut, um die vereinbarten Lieferungen an Q-Cells leisten zu können, die ersten bereits getätigt und im Frühjahr nur auf Wunsch der Deutschen vorübergehend die Lieferungen ausgesetzt, als diese Nachverhandlungen über die Vertragsbedingungen angemahnt hätten.

Eine sich hinziehende Klage von LDK gegen die Q-Cells sei ein Unsicherheitsfaktor, der sich belastend auf den Aktienkurs von Q-Cells auswirken könne, meint von Blumenthal. Der Aktienkurs hatte im Oktober eine erste Erholung gezeigt, ist aber nun wieder unter Druck geraten. Die Skepsis der Börsianer dürfte auch dadurch genährt werden, dass die Zusammenarbeit mit LDK Solar eigentlich ein zentraler Baustein für die zukünftige Strategie von Q-Cells ist. Die für die Planung und Errichtung großer Photovoltaik-Freiflächenanlagen zuständige Konzerntochter Q-Cells International soll in Zukunft die Hälfte der Erlöse erwirtschaften, nachdem das Geschäft mit Solarzellen kaum noch Wachstumspotential bietet. Um das Geschäft mit Solarparks zu beflügeln hatte Q-Cells erst im Frühjahr mit der LDK Solar ein joint venture für Photovoltaik-Systeme in Europa und China gegründet. Das Unternehmen aus Thalheim könnte damit die Last der durch die Finanzkrise stark erschwerten Projektfinanzierung auf mehrere Schultern verteilen und sich in Asien wichtige Verbindungen verschaffen. Diese Pläne dürften kaum noch zu verwirklichen sein, wenn sich die Partner vor Gericht beharken.

Aber vielleicht hat Q-Cells auch in aller Stille die Pferde gewechselt. Denn im Juli und damit wenige Wochen vor der öffentlichen Eskalation des Konflikts mit den Chinesen hat das TecDax-Unternehmen ein joint ventures mit der US-amerikanischen Waferproduzentin MEMC Electronic Materials gegründet. Auch dieses Gemeinschaftsunternehmen strebt die Errichtung von großflächigen Solarparks an (per Opens external link in new windowMausklick gelangen Sie zu unserem Bericht darüber). MEMC könnte die lachende Dritte im Streit der beiden anderen Unternehmen sein. Das wäre nicht ohne Ironie, denn im Streit mit der deutschen Conergy mussten die Amerikaner ebenfalls vor Gericht gehen, nachdem das Hamburger Solarunternehmen einseitig aus einem Liefervertrag über Solarwafer ausgestiegen war. Erst im Oktober war der Konflikt beigelegt worden, zu noch nicht veröffentlichten Konditionen. ECOreporter hat sich mit Fragen an Q-Cells gewandt, bislang aber noch keine Antworten erhalten.

Zunächst erschwert der Konflikt vor allem die Lage von LDK Solar. Deren Aktie ist bereits gestern stark eingebrochen. Durch die Inanspruchnahme der Bankgarantie werde die Bilanz der Chinesen massiv beeinträchtigt, stellt dazu Jesse Pichel fest, US-Analyst von Piper Jaffray. Es werde damit für LDK deutlich schwerer, neue Kreditlinien zu erhalten. Zudem sei es sehr wahrscheinlich, dass nun auch andere Kunden der Waferproduzentin Druck auf sie ausüben, Verträge nachzuverhandeln und deutlich geringere Preise durchzusetzen. Das werde deren Bilanz zusätzlich verhageln.

Dies trifft die Chinesen umso härter, da vor zwei Wochen der für die Siliziumproduktion von LDK Solar zuständige Vorstand Nick Sarno das Unternehmen verlassen hat und dessen Position seither vakant ist. Solarwafer werden aus Silizium hergestellt und durch eine effiziente eigene Produktion des Rohstoffes könnte LDK Solar ihre Kosten deutlich verringern. Angesichts dieser Gemengelage darf man gespannt auf die Stellungnahmen der Unternehmensführung bei der Präsentation der Zahlen für das 3. Quartal sein, die im November ansteht. LDK Solar hatte in der vergangenen Woche die Prognose für das Quartal angehoben, sich aber noch nicht zu den Aussichten für das Gesamtjahr und für 2010 geäußert (wir Opens external link in new windowberichteten). Auch ein Termin für die Veröffentlichung der Zahlen wurde noch nicht bekannt gegeben.

LDK Solar Co. Ltd.: WKN A0MSNX / ISIN US50183L1070
MEMC Electronic Materials, Inc.: ISIN US5527151048 / WKN 896182
Q-Cells SE: WKN 555866 / ISIN DE0005558662
Bildhinweis: Q-Cells will verstärkt auf das Geschäft mit großen Solarparks setzen. / Quelle: MPC
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