"Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon" steht in der Bibel. Darf man als Christ also keine Renditen erzielen? / Foto: Pixabay

  Gut erklärt - Christliche Geldanlage

Welche Geldanlage erlaubt die Bibel?

Gott und das liebe oder böse Geld – für viele Christen ein widersprüchliches Thema. Dürfen Christen Geld verdienen – mit Geld?

Dient der Gottesgläubige nicht dem schnöden Mammon, wenn er Zinsen einnimmt, Renditen erwirtschaftet, Erträge anhäuft? Oder gestattet die Bibel das etwa? Und wenn ja: Welche Arten der Geldanlage sind dann erlaubt?

Moralische Regeln für die Finanzsysteme, als Grenze, als Richtschnur – das wünschen sich verunsicherte Anleger. Denn die ungezähmten Kapitalmärkte gelten vielen Menschen als Hauptursache vieler globaler Probleme. Wenn Kirchenvertreter und Theologen sich in die Diskussion über die Finanzkrise einmischen, sind Anleger daher heute in der Regel nicht skeptisch, sondern erfreut. Doch auf welcher Basis steht die Einmischung? Was erlaubt die Bibel, was gebietet der christliche Glaube?

Dr. Helge Wulsdorf, Theologe und Bankkaufmann, ist der Nachhaltigkeitsbeauftragte der Bank für Kirche und Caritas in Paderborn. Warum befasst sich ein Theologe mit Geld? Ist es nicht nur ein allgemeines Tausch- und Zahlungsmittel, besser zu handhaben als die Muscheln, die unsere Ur-Urahnen tauschten?

"Natürlich, Geld ist eine Recheneinheit, es ist ein Wertaufbewahrungsmittel, es ist sozusagen das Schmiermittel, das den reibungslosen Ablauf des Wirtschaftslebens gewährleisten soll", sagt Wulsdorf. Aber eins sei es nicht: ethisch neutral. "Man kann es benutzen, aber eben auch missbrauchen. Mit ihm lässt sich Positives wie Negatives erzielen", sagt Wulsdorf.

"Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon" - Matthäus 6,24; Lukas 16,13

Im Register des Katechismus der Katholischen Kirche, ihrem Handbuch der Unterweisung in den Grundfragen des christlichen Glaubens, taucht das Stichwort Geld nicht auf. Und Jesus Haltung? Sie erscheint zwar klar, aber auch radikal: "Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird zu dem einen halten und den anderen verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon" (Matthäus 6,24; Lukas 16,13).

"Beim Geld hört die Freundschaft auf" - Volksmund

Also ein entweder – oder. Nicht beides gleichzeitig. Wulsdorf weist auf die Zeitumstände hin, in denen Jesus Aussage entstand: "Weite Teile der Bevölkerung litten damals unter mehrfacher Besteuerung. Immer mehr Besitz konzentrierte sich in immer weniger Händen. Die Schere zwischen reich und arm wurde zusehends größer."

Wie gesagt: Das ist ein Hinweisauf die Zeit vor gut 2.000 Jahren, nicht auf die Gegenwart. Die Gegenwart: Es gibt in der Kirche immer wieder Diskussionen über Gott und das Geld, mit vielen, auch sehr unterschiedlichen Positionen. Weitgehende Einigkeit besteht in einem Punkt: Privateigentum ist zulässig. Es dient dem Ziel, den Lebensunterhalt dauerhaft abzusichern. Kein Ziel ist es, derart viel Geld anzuhäufen, dass etwa Arbeit überflüssig wird.

"Geld ist das Brecheisen der Macht" - Friedrich Nietzsche

Theologie müsse nicht zwangsläufig über Wert und Unwert des Geldes befinden, so Wulsdorf. Vielmehr gehe es darum, die Gefahren im Umgang mit Geld aufzudecken und eine verantwortungsvolle Position gegenüber dem Geld zu beziehen. "Im Grundsatz gilt: Zinsen sind erlaubt. Aber nur, wenn jemand damit nicht die Notlage eines anderen ausnutzt", erläutert Wulsdorf. Man spreche dann von Wucher, und der sei nicht gestattet.

Anders als im Islam gebe es im christlichen Glauben aber kein generelles Zinsverbot. "Bei islamischen Bankgeschäften dürfen allerdings Renditen erzielt werden, das Zinsverbot im Islam ist insofern abgemildert", sagt Dirk Grah, Leiter der GLS Bank in Hamburg.

"Das biblische Gleichnis von den Talenten (Matthäus 25, 14-30) besagt, wir haben mit dem uns anvertrauten Geld zu wirtschaften. Wir dürfen, ja wir sollen unsere Talente sogar einsetzen, um Zinsen zu bekommen", erläutert Pastor Andreas Kalkowski, Leiter des  evangelisch-Lutherischen Bildungs- und Tagungszentrums "Haus am Schüberg" in Hamburg. Zinsen einnehmen, Renditen erzielen – das setzt ein Wirtschaftssystem voraus.

Jede Wirtschaft greift jedoch in die Natur und damit in die göttliche Schöpfung ein. Ein Widerspruch? Wulsdorf verneint und verweist auf den biblischen Schöpfungsauftrag: "Gott, der Herr, nahm den Men-schen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren" (Buch Genesis/ 1. Mose 2,15). 'Bebauen' ist abgeleitet vom hebräischen 'abad', das man auch mit dienen, kultivieren, nutzen übersetzen kann", sagt Wulsdorf.

Ein Widerspruch dazu sei auf den ersten Blick das hebräische "schamar", das "ein Auge auf etwas haben" bedeute, und "bewahren" meine. "Albert Schweitzers Ehrfrucht vor dem Leben bezieht sich hierauf", verdeutlicht Wulsdorf.

"Die Phönizier haben das Geld erfunden – aber warum so wenig?" - Johann Nepomuk Nestroy, Schauspieler und Dramatiker aus Österreich

Der jahrtausende alte Text der Schöpfungsgeschichte beschreibt genau das Spannungsfeld, in dem wir uns heute befinden. Wie viel Bebauung oder – extremer formuliert – Vernichtung ist verantwortbar, und wie viel Bewahrung ist notwendig, um die Schöpfung nachhaltig sichern zu können?

"Die Übertragung dieser Frage auf die Geldanlage ist nur ein kleiner Schritt. Als christlicher Anleger muss ich mich daher ernsthaft damit auseinandersetzen, ob meine Geldanlage zerstörerische Kräfte freisetzt oder ob sie zukunftsweisende Wirtschafts- und Gesellschaftspraktiken fördert", sagt Wulsdorf. Biblischer Schöpfungsauftrag und christlich orientierte Geldanlage lägen damit ganz dicht beieinander. "Nachhaltige Geldanlagen bieten die Möglichkeit, dem Schöpfungsauftrag gerecht zu werden. Dieser Verantwortung kann sich der Anleger heute nicht mehr entziehen", betont er.

Fazit: Der christliche Glaube gestattet es, Renditen zu erzielen und Zinsen einzunehmen. Aber die Geldanlage muss dem Schöpfungsauftrag gerecht werden und darf ihm nicht widersprechen.

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