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Italien-Solarfonds: Sollten die Betreiber wegen der Tarifkürzungen vor Gericht ziehen?

Klagen oder Abwarten? Vor dieser Frage stehen derzeit zahlreiche geschlossene Italien-Solarfonds. Die jüngste Reform des Erneuerbare-Energie-Gesetzes Conto Energia beeinträchtigt die Rentabilität vieler Beteiligungen so, dass die Ausschüttungen an die Anleger ausgesetzt wurden.  Welcher Weg wäre im Falle einer Klage der richtige und worauf müssten sich die Fonds und ihre Anleger dann einstellen?
Viele Millionen Euro sind über geschlossene Solarfonds langfristig in Spanien und Italien investiert, die reichlich Sonnenstrom produzieren. Beide Staaten haben jedoch im Nachgang der Euroschuldenkrise unter anderem bei den Erneuerbaren Energien auf die Kostenbremse gedrückt und ihre Tarifsysteme für Solarstrom deutlich beschnitten. Das setze Solarfonds und ihre Anleger teils schwer unter Druck (lesen Sie  hier, wie Fondsanbieter wie Chorus und Leonidas Associates auf die Änderungen in Italien reagiert haben).

In Spanien führen Solarfonds und andere Großinvestoren bereits Sammelklagen gegen den Staat. In Italien erscheint die Ausgangslage dafür nach Einschätzung von Rechtsexperten komplex: „Die jetzt beschlossenen Normen - der sogenannte spalma incentivi - sind sehr politisch und mit dem Ziel verabschiedet worden, die italienische Erneuerbare-Energien-Umlage, die auf die Stromkunden umgelegt wird, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen zu senken“, erklären Svenja Bartels, Partnerin der Rechtsanwaltskanzlei Rödl & Partner Padua und Gennaro Sposato von Rödl & Partner Rom. Trotz diverser Analogien gebe es zwischen Spanien und Italien deutliche Unterschiede im Umgang mit dem Tarifsystem für Solarstrom. Die spanische Regierung  habe erst rückwirkend gekürzt, um die staatlich garantierte Einspeisevergütung schließlich ganz abzuschaffen. In Italien seien alle bisherigen Kürzungen stets nur für neu zu installierende Anlagen eingeführt worden, also nicht rückwirkend, so die Experten für Photovoltaik-Rechtsfragen.

Mit dem spalma incentivi kommt nun aber ein Umbruch: Alle Betreiber großer Solaranlagen müssen sich zum 30. November 2014 zwischen drei unterschiedlichen neuen Tarifmodellen entscheiden, die den bisherigen Status Quo ablösen und die Stromkunden entlasten sollen (ECOreporter.de  berichtete). „Im Unterschied zu Spanien ist der Schaden in Italien aber nicht auf den ersten Blick sichtbar: Die Optionen, zwischen welchen der Träger der Photovoltaikanlage entscheiden muss, sehen immerhin die Möglichkeit vor, die durch die Einschnitte verursachten Verluste durch eine staatlich garantierte Finanzierung - über die Cassa Depositi e Prestiti, eine Art italienische KfW  Bank -  abzufedern“, erklären die Experten von Rödl & Partner.

Genau kalkulieren: Klageaussichten hängen an einer Rechenaufgabe

Zudem weisen die Juristen darauf hin, dass das neue Optionsmodell nach dem aktuellen Stand der Dinge für die Betreiber nicht zwangsläufig eine Tarifkürzung bedeuten muss. Eine der drei zur Wahl stehenden Optionen sehe vor, „dass die Fördertarife für einen anfänglichen Zeitraum reduziert und anschließend, in einem zweiten Zeitraum, wieder erhöht werden um in der Summe (angeblich) auf das gleiche Ergebnis zu kommen.“ In diesem Fall könnte der Solarparkbetreiber Modernisierungen und sogenannte Repowering-Maßnahmen so planen, dass die Anlage im zweiten Tarifabschnitt profitabler laufen könne, so die Juristen. Das Optionsmodell sei ein Versuch der italienischen Regierung, die Stromkunden zu entlasten, ohne die Businesspläne der Photovoltaik-Betreiber aus der Bahn zu werfen. Daher wiederum kämen die Anlagenbetreiber nicht darum herum, ihre Klageaussichten im Einzelfall zu prüfen. „Aufgrund der Tatsache, dass diese ‚Gegengewichte‘ geschaffen wurden, ist es notwendig, fallbezogen zu kalkulieren. Kommt man trotz der Finanzierung über die Cassa Depositi e Prestiti zu dem Schluss, dass durch die verabschiedeten Normen ein Schaden entstanden ist, sollte man in Erwägung ziehen, seine Interessen gerichtlich zu schützen“, so die Kanzlei.

Bild: Solarpark in Italien mit Technik von Kyocera. / Foto: Unternemen


Nationale Verfahren in Italien sind billiger, dauern aber länger als EU-Klagen

Die Anwälte empfehlen den betroffenen Fonds ohnehin, vorerst abzuwarten: „Es ist aus unserer Sicht, zu früh um für oder gegen eine Klage zu entscheiden, da die Bedingungen, zu welchen die Finanzierungen der Cassa Depositi e Prestiti gewährt werden, noch nicht bekannt sind. Und auch  weitere Details zur sogenannten Option B, die die anfängliche Verringerung der Tarife und anschließende Erhöhung vorsieht,  fehlen“, erklären die Juristen. Die Prozentsätze dieser Anpassung sollten eigentlich per Dekret des Wirtschaftsministeriums bis zum 1. Oktober 2014 festgelegt werden. Das ist jedoch noch nicht passiert. Ob dieses Dekret in nächster Zeit verabschiedet wird, ist offen.

Entscheide sich ein Anlagenbetreiber letztendlich doch für den Rechtsweg, bestimme dieser auch, mit welcher Verfahrensdauer zu rechnen sei, so die Rechtsanwälte von Rödl & Partner:  „Ein internationales Schiedsgericht hat ganz andere Zeiten und Kosten als die Klage vor italienischen Gerichten. Bei einer internationalen Klage gegen einen Verstoß gegen die Energy Charta sollte man 12 bis 18 Monate einkalkulieren“, erläutern die Experten. „Dies ist sicherlich schneller als ein Verfahren in Italien, wo man in erster Instanz die Prüfung der potentiellen Verfassungswidrigkeit durchführen muss“, so die Juristen weiter. Das könne ein Jahr in Anspruch nehmen. Falle die Entscheidung negativ aus, müsste ein Kläger in Berufung, was nochmal ein Jahr dauern könne. „Sollte man dann vor das Verfassungsgericht kommen - dies geht nur über den ordentlichen Richter, eine direkte Verfassungsklage wie in Deutschland ist in Italien nicht möglich - muss man für dieses Verfahren auch mit einem Jahr oder länger rechnen. Unter dem Strich sei für einen Prozess vor italienischen Gerichten mit drei Jahren Verfahrensdauer zu rechnen. „Die Kosten wären aber erheblich niedriger als die, die für ein internationales Schiedsverfahren aufkommen“, erklären die Experten der Kanzlei Rödl & Partner.

Banken können Anlegern den Geldhahn zudrehen

Etliche geschlossene Fonds mit Projekten in Spanien oder Italien haben ihre Ausschüttungen an Anleger vorübergehend ausgesetzt. Das geschah allerdings nicht immer ganz freiwillig. Bisweilen drehte die Bank  als Fremdkapitalgeber den Geldhahn zu (ECOreporter.de erläuterte dies an  diesem Beispiel aus Spanien). Ob eine Bank so handeln dürfe, hänge in erster Linie davon ab, was in den Verträgen zur Finanzierung vereinbart wurde, stellt die Kanzlei dazu klar. „Sollte aber aus außerordentlichen Gründen wie zum Beispiel durch die neuen Regelungen zu den Einspeisetarifen die Tilgung der Finanzierung in Frage gestellt werden, kann die Bank fordern, dass keine oder niedrigere Ausschüttungen durchgeführt werden“, stellen die Anwälte klar. Das bedeutet, dass die Anleger in einem solchen Fall zumeist am kürzeren Hebel sitzen.

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