Erneuerbare Energie

Jahrestag der Atomkatastrophe in Fukushima – Umweltschützer fordern EU-weiten Atomausstieg

Vor drei Jahren, am 11. März 2011, hat sich im japanischen Fukushima der bislang größte Atomunfall dieses Jahrhunderts ereignet. Er hat in Deutschland dazu geführt, dass parteiübergreifend für das Jahr 2022 das Ende der Stromproduktion aus Kernenergie beschlossen wurde. Aber in anderen Ländern könnte die Bundesrepublik weiter die Atomkraft unterstützen. Darauf weisen Umweltschützer hin.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat aus Anlass des traurigen Jahrestages auf die „verheerenden Folgen für Mensch und Natur“ hingewiesen, die der Atomunfall in Japan hat. Vor drei Jahren hatte ein Seebeben einen Tsunami ausgelöst, der nicht nur viele Tausende Menschen sofort das Leben kostete, sondern auch im Atomkraftwerk Fukushima eine Kernschmelze auslöste. Großer Mengen an Radioaktivität verseuchten die Umgebung und die See vor der Ostküste von Japan. „In Fukushima stellen aktuelle Probleme wie austretendes radioaktives Wasser, mögliche Kontaminationen des Meeres sowie Leckagen im Containment, das den radioaktiven Kern von der Umwelt trennt, den Betreiber und die japanische Aufsichtsbehörde vor immense Herausforderungen“, stellte Hendricks dazu fest und ergänzte: „Fukushima hat auf traurige und erschreckende Weise erneut deutlich gemacht, dass der schnellstmögliche Ausstieg aus der Atomenergienutzung und das nachdrückliche Vorantreiben der Energiewende der richtige Weg sind“. In Deutschland hätten jetzt noch neun der zuvor 17 Atomkraftwerke eine Berechtigung zum Leistungsbetrieb.

"Keine Bürgschaften mehr für Atomexporte"

Zum Jahrestag des Atomunfalls von Fukushima fordert die Umweltorganisation urgewald, den Atomausstieg konsequent auf die Außenwirtschaftsförderung auszuweiten. Man dürfe keine Bürgschaften mehr für Atomexporte vergeben müsse existierende bilaterale Atomverträge aufkündigen. Die Nicht-Regierungsorganisation (NGO) weist darauf hin, dass die Bundesrepublik in den 1970er und 80er Jahren mit zahlreichen Ländern bilaterale Verträge abgeschlossen hat, die die Zusammenarbeit bei der Atomkraftnutzung anstrebten. Dazu zählen laut urgewald etwa Argentinien und Brasilien, Indien, Südkorea und Indonesien, Ägypten und Saudi-Arabien. Aber diese Verträge könnten in regelmäßigen Abständen gekündigt werden. „Dieses Jahr bietet sich zum Beispiel die Chance, den Atomvertrag mit Brasilien zu beenden“, erklärt Regine Richter, Energieexpertin von urgewald und bedauert, dass der Ausschluss von Atomexporten keinen Eingang in den Koalitionsvertrag fand, den Union und SPD vor wenigen Monaten geschlossen haben. Dagegen habe sich die Union mit Erfolg gewehrt.

Die Vorgängerregierung von Union und FDP hatte in der letzten Legislaturperiode für sechs Atomprojekte Unterstützungsbekundungen (Letters of Interest) abgegeben: für Jaitapur in Indien und für fünf Atomkraftwerke in Europa. Dabei handelte es sich um Olkiluoto und Pyhäjoki in Finnland, um Wylfa in Großbritannien, Cernovoda in Rumänien und Temelin in Tschechien. Ein Letter of Interest bestätigt die grundsätzliche Bereitschaft der Regierung, einen Bürgschaftsantrag anzunehmen und zu prüfen. Alle diese Letters of Interest wurden nach dem Unfall von Fukushima und dem deutschen Atomausstiegsbeschluss ausgestellt.

„Wenn diese Projekte mit Bürgschaftsanträgen zurückkommen, müssen diese konsequent abgelehnt werden“, verlangt Richter. Harsch kritisiert sie insbesondere die Bereitschaft, den Bau des Atommeilers in Indien zu unterstützen: „Wieso ein Projekt wie Jaitapur in Indien, das nicht einmal den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat, nicht kategorisch abgelehnt worden ist, ist unbegreiflich“, so die Energieexpertin von urgewald. Zudem weise Jaitapur große Ähnlichkeit auf mit Fukushima, da es sich in einer Erdbeben-Hochrisikozone und direkt am offenen Ozean befinde. Richter dazu: „Auf der Grundlage der Letters of Interest können die Exportfirmen Bürgschaftsanträge stellen, wenn die genannten Projekte sich weiterentwickeln und die Exporte in den Bereich des Machbaren kommen. Würden die Bürgschaften dann genehmigt, unterstützte das „Atomausstiegsland“ Deutschland international den Ausbau der Atomenergie.“

Bildhinweis: Das tschechische Atomkraftwerk Temelin ist nur 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Es soll ausgebaut werden, obwohl dessen Sicherheit sehr umstritten ist. / Quelle: Fotolia

Polen plant Einstieg in Atomkraft

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace weist darauf hin, dass das Nachbarland Polen plant, in die Atomenergie einzusteigen. Premierminster Donald Tusk habe sich für den Bau eines Atommeilers bei Danzig. Die Universität Wien habe im Auftrag von Greenpeace errechnet, wie sich die Radioaktivität bei einem Unfall in diesem Reaktor verteilen würde. Die Forscher hätten ermittelt, dass der Fallout bei bestimmten Wetterlagen auch große Teile Deutschlands unbewohnbar machen würde. Betroffen wäre vor allem die Region Berlin-Brandenburg. „Der deutsche Atomausstieg ist ein wichtiger Schritt, aber er kann nur ein Anfang sein. Spätestens seit Fukushima muss jedem klar sein: Es gibt keine sichere Atomenergie. Bundeskanzlerin Merkel muss sich jetzt für einen europäischen Ausstieg aus der Atomenergie mit ihren unkalkulierbaren Risiken einsetzen“, sagt dazu Susanne Neubronner, Atomexpertin bei Greenpeace Deutschland.

Bislang stehen in Polen keine Atomreaktoren. Jedoch deckt das Land seinen Energiebedarf zu knapp 90 Prozent mit schmutziger Kohle. Um seine Klimaziele zu erreichen, muss Polen in den kommenden Jahren viele Kohlemeiler vom Netz nehmen. „Wer schmutzigen Kohlestrom gegen gefährliche Atomenergie tauscht, treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus“, so Neubronner. Polens müsse stattdessen seine bislang brachliegende Potenziale bei den Erneuerbaren Energien nutzen.

Gefahren durch bestehende Atommeiler steigen

Greenpeace berichtet auch über das Gefahrenpotenzial alternder Atomkraftwerke in Europa hin. In dem Report "Alternde Atomreaktoren: Eine neue Ära des Risikos" verweist die Umweltschutzorganisation darauf, dass europäische Atommeiler ein Durchschnittsalter von 29 Jahren aufweisen. Ihre Laufzeit sei meist nur auf 30 bis 40 Jahre ausgerichtet. Dass sich viele Betreiber darum bemühen, die Laufzeit zu verlängern, stelle eine unkalkulierbare Gefahr dar. "Das Motiv für die Laufzeitverlängerung von alten, sich in schlechtem Zustand befindlichen AKW ist klar: Weil Atomkraftwerke viel teurer sind als zuvor angenommen, setzen die Betreiber alles daran, ihre Kraftwerke unverantwortlich lange am Netz zu halten. Dass damit das Risiko von nuklearen Unfällen um ein Vielfaches steigt, ist in ihrer Rechnung kein Faktor", erklärt Julia Kerschbaumsteiner, Energiesprecherin von Greenpeace Österreich.

In dem Report weist Greenpeace darauf hin, dass für die Sicherheit wesentliche Komponenten, zum Beispiel die Druckbehälter in den Reaktoren oder das Reaktorgebäude, nicht ersetzt werden können. Bei einer Laufzeitverlängerung steige daher die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Unfalls oder möglicher Komplikationen kontinuierlich. Die Umweltschutzorganisation fordert die umgehende Schließung von Atomkraftwerken, deren ursprüngliche Laufzeit beendet ist und ruft Regulationsbehörden in Europa dazu auf, keine weiteren Verlängerungen mehr zu genehmigen.

Bildhinweis: Bei manchen Atomkraftwerken in Europa sind nicht nur die Warnschilder veraltet. / Quelle: Fotolia

In der kommenden Woche wollen die Regierungschefs der EU darüber diskutieren, wie der europäische Energiemix im Jahr 2030 aussehen soll. Welche Rolle dabei Atomkraft spielt, wird diese Debatte maßgeblich beeinflussen. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren von „mindestens 27 Prozent“ bewertet Greenpeace als deutlich zu niedrig, um einen Systemwechsel von Kohle und Atom hin zu Sonne und Wind einzuleiten. Die Umweltschutzorganisation fordert ein für jedes Mitgliedsland verbindliches Ausbauziel für Erneuerbare Energien von mindestens 45 Prozent bis zum Jahr 2030. Ohne einen solchen Ausbau werde Europa noch über Jahrzehnte abhängig bleiben von Atomkraft und Kohleenergie. Per  Mausklick  gelangen Sie zu unserem Bericht darüber, wie Wirtschaftforscher die Vorschläge der EU-Kommission zur Klima- und Energiepolitik der Union bewerten.

Nach wie vor machen viele herkömmliche Banken Geschäfte mit Unternehmen aus der Atombranche, etwa die Deutsche Bank und die HypoVereinsbank. Über die finanzielle Unterstützung deutscher Banken für Atomkonzerne wie Areva und die Uranfirmen Rio Tinto und BHP Billiton haben wir  berichtet. Für nachhaltige Banken sind solche Geschäfte tabu.  Hier (Link entfernt)  gelangen Sie zu unserer Übersicht über die Konditionen nachhaltiger Banken für Privatkunden und hier zu Kurzportraits nachhaltiger Finanzinstutute.

Dass die Erneuerbaren Energien sich binnen weniger Jahre zu einer Alternative zur Atomenergie entwickelt hat, ist auch ein Erfolg des nachhaltigen Investments. Vor allem weil viele Anleger in Direktbeteiligungen an Grünstromprojekten investiert haben, ist es in Deutschland gelungen, den Anteil der regenerativen Energien an der Stromversorgung auf fast 25 Prozent zu steigern. Zuletzt haben aber einige Pleitefälle wie Prokon dieses Segment in Misskredit gebracht. Wir analysieren seit vielen Jahren solche Angebote in ECOanlagechecks und haben dabei früh über die Risiken eines Investments in Genussrechte von Prokon gewarnt (mit einem Mausklick gelangen Sie zu einer  Sonderseite über den Fall Prokon (Link entfernt)). Ebenso finden von Anlagepleiten betroffene Anleger auf ECOreporter.de Informationen darüber, was sie unternehmen können. Etwa in diesem  Interview  mit dem Rechtanwalt Klaus Nieding, der Anleger berät, die von Pleitefällen wie Prokon, Windwärts und Solar Millenniumbetroffen sind.
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