Erneuerbare Energie

juwi-Gründer kritisiert Windkraftpläne der Bundesregierung und stellt Gegenmodell vor

Energiewende paradox - Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesumweltminister Peter Altmaier wollen den Bau neuer Windkraftanlagen bremsen. Die Begründung: Es geht ihnen zu schnell voran. Das geht aus ihren Erklärungen hervor, über die wir berichtet haben (per Mausklick gelangen Sie zu ECOreporter.de-Beiträgen über die Stellungnahmen von Opens external link in new windowMerkel und Opens external link in new windowAltmeier). Deren Argumentation hat sich jetzt juwi-Vorstand Matthias Willenbacher entgegen gestellt.

Willenbacher zählt zu den Pionieren der deutschen Windkraft. Er hat die Wörrstädter juwi Gruppe aus Rheinland-Pfalz 1996 gemeinsam mit Vorstand Fred Jung gegründet und einem weltweit tätigen Unternehmen mit mehr als 1.800 Mitarbeiter in 15 Ländern gemacht, das im Jahr 2011 einen Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro erzielt hat. Für die Realisierung der Energieprojekte hat juwi nach eigenen Angaben bisher ein Investitionsvolumen von insgesamt rund fünf Milliarden Euro initiiert.

Willenbacher führt an, dass noch vor Jahresfrist von einer „Stromlücke“ die Rede gewesen sei, von möglichen „Blackouts“ aufgrund einer mangelnden Energieversorgung infolge des Atomausstiegs. Nun aber gehe der schwarz-gelben Regierungskoalition der Ausbau der erneuerbaren Energien plötzlich zu schnell. Begründet werde der erneute Sinneswandel mit den angeblich viel zu hohen Kosten und den damit verbunden Belastungen für die Bürger. „Aber stimmt das wirklich?“ fragt der juwi-Gründer und führt aus: „Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Gut 5.000 Euro muss ein bundesdeutscher Durchschnittshaushalt im Jahr für Energie aufwenden. Jeweils etwa 2.000 Euro entfallen für Heizung (Öl oder Gas) und Mobilität (Benzin oder Diesel). Von den rund 1.000 Euro für Strom sind gerade mal 120 Euro Kosten für die sogenannte EEG-Umlage. Diese wird oft fälschlicherweise mit den Kosten der Energiewende gleichgesetzt. Dagegen werden fossile Brennstoffe von Jahr zu Jahr teurer. Selbst wenn diese EEG-Differenzkosten auf 160 oder gar 180 Euro pro Jahr und Haushalt steigen sollten, ist dies immer noch billiger als ein plumpes Weiter so“, rechnet Willenbacher vor und stellt fest, dass sich der Preisanstieg bei fossilen Brennstoffe auch im Strompreis niederschlagen werde. „Im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es dagegen eine rasante Entwicklung mit Innovationen, die die Erzeugerpreise immer weiter purzeln lassen“, ist sich der juwi-Chef sicher. „Und ist ein Windrad erst einmal am Netz liefert es 25 Jahre lang Strom zu gleichbleibend niedrigen Kosten – garantiert günstiger als Gas- oder Kohlekraftwerke.“

Laut Willenbacher können Windräder an Land „den mit Abstand günstigsten Strom erzeugen“. Dagegen stünden immense Kosten für den Ausbau der Windenergienutzung auf hoher See, den die Bundesregierung besonders fördert. Offshore-Windräder sind für ihn der teuerste Weg, Strom in großen Mengen zu produzieren. Hinzu kämen tausende Kilometer Stromtrassen auf Höchstspannungsebene, die kreuz und quer durchs Land gezogen werden müssen und den Stromkunden mit schätzungsweise 20 bis 30 Milliarden Euro belasten werden. „Zu alledem dürfen die großen Stromkonzerne ihre Windräder in der Nordsee aufbauen, obwohl in absehbarer Zeit kein Netzanschluss verfügbar sein wird“, so der juwi- Vorstand. „Auch dafür werden wieder die Verbraucher zur Kasse gebeten.“

Warum macht die Bundesregierung so etwas? „Wer die wahren Beweggründe von Merkel, Altmaier & Co. in Sachen Energiepolitik ergründen möchte, sollte sich anschauen, wer in Windparks in Nord- oder Ostsee investiert“, rät Willenbacher. „Es sind die vier großen Energieversorger, die als Trost für den Verlust ihrer Kernkraftwerke neue Gelddruckmaschinen auf hoher See bekommen sollen. Und das, obwohl sie schon heute mehr verdienen als alle Stromkunden für die EEG-Umlage zahlen müssen.“

Bildhinweis: Aufbau einer Offshore-Windkraftanlage für ein Projekt des Energiekonzerns Vattenfall. / Quelle: Unternehmen


Damit die Kostensenkungspotenziale der Onshore-Windenergie gegenüber der Offshore-Variante noch deutlicher als bisher realisiert werden können, sind laut dem Grünstrom-Unternehmer Änderungen in der bestehenden Vergütungsstruktur notwendig: „Diese sieht bislang vor, dass Strom aus jeder Anlage – egal wie gut der Standort ist – am Anfang mit einem erhöhten Satz von knapp 9 Cent pro Kilowattstunde vergütet wird. Erst nach einer gewissen Zeit – laut Gesetz mindestens fünf Jahre – fallen auch gute oder sehr gute Standorte auf die Grundvergütung von knapp fünf Cent. Für mich ist nicht ersichtlich, warum Standorte, an denen für 5, 6 oder 7 Cent pro Kilowattstunde wirtschaftlich Windstrom erzeugt werden kann, fünf Jahre oder länger mit fast 9 Cent pro Kilowattstunde vergütet werden. Hier wird das Geld der Verbraucher buchstäblich in den Wind geworfen“, so Willenbacher.

juwi trete deshalb für ein Preismodell ein, bei dem sehr gute Standorte passgenau nur die Vergütung erhalten, die für ihren wirtschaftlichen Betrieb notwendig ist. „Diese Vergütung wird dann aber konstant über die gesamte Betriebsdauer gewährt“, betont er. Für weniger windstarke Standorte bedeute dies, dass die Vergütung höher ausfällt – bis zu einem Betrag, der nahe der heutigen Anfangsvergütung liegt. Wenn gleichzeitig die Vergütungsdauer auf 25 Jahre verlängert und so die längere Betriebsdauer der Anlagen berücksichtigt werde, könnten heute schon „gewaltige volkswirtschaftliche Kosten eingespart werden“, ohne dass der rasche Ausbau der Windenergie in Deutschland an Schwung verliere.

„Wir können Windenergie im Binnenland schon heute günstiger als mit neuen Kohle- oder Gaskraftwerken erzeugen“, erläutert Willenbacher. „Voraussetzung ist, dass wir weitere gute Standorte erschließen und auf die richtige Technik setzen. Höhere Türme und größere Rotoren sorgen bei gleicher oder sogar kleinerer Generatorleistung auch fernab der Küsten dafür, dass Windräder im Jahr mehr als 4.000 Volllaststunden erreichen. Das sind Werte, die auch auf dem Meer nicht wesentlich übertroffen werden“, so der juwi-Vorstand. „In der Summe führt die verbrauchsnahe, räumlich ausgewogen verteilte und mit der richtigen Technik erzeugte Kilowattstunde Windstrom dazu, dass weniger Reservekraftwerke, kein Netzausbau auf Höchstspannungsebene und weniger als die Hälfte an Speicherkapazität benötigt werden. Das bewirkt eine dramatische Reduzierung der Kosten für die Energiewende und macht Strom auch in Zukunft verlässlich verfügbar und für Jedermann bezahlbar.“
Aktuell, seriös und kostenlos: Der ECOreporter-Newsletter. Seit 1999.
Nach oben scrollen
ECOreporter Journalistenpreise
Anmelden
x