Der Arbeitskreis Kirchlicher Investoren hat die vierte, aktualisierte Auflage seines „Leitfadens für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche“ herausgegeben. / Foto: Pixabay

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"Keine ethisch-nachhaltige Geldanlage ohne Klimastrategie"

Der Klimawandel bewegt die Kirche auch beim Thema Geldanlage. Eindeutiger Beleg: Der Arbeitskreis Kirchlicher Investoren, ein Gremium der evangelischen Kirche, hat seinen Leitfaden für die Geldanlage erneuert. Klima ist ein Schwerpunkt der Änderungen. Aber auch Green Bonds und die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) sind neu im Fokus.

Wer aus kirchlicher Sicht mit Geldanlage zu tun hat – vom Aktienfonds über die Rentenkasse bis zum Sparbuch der Gläubigen –, der findet hier neue Regeln. Die promovierte Theologin und Diplom-Kauffrau Dr. Karin Bassler ist Geschäftsführerin des AKI. Im ECOreporter-Interview legt sie dar, welchen Stand das Thema kirchliche Geldanlage heute hat.

ECOreporter: Frau Dr. Bassler, beim Klimaschutz scheint sich mehr und mehr die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Situation ernst ist. Geht die neue Auflage des Leitfadens für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche auf das Thema Klima ein?

Frau Dr. Bassler: Das Thema Klima war ein wesentlicher Anlass für die Aktualisierung des Leitfadens. Wie ernst die Situation ist, wissen wir spätestens seit der Verabschiedung der beiden großen Agenden im Jahr 2015, dem Klimaabkommen von Paris und der Agenda 2030. Im AKI (Arbeitskreis Kirchlicher Investoren) waren wir uns einig, dass das Thema zu wichtig ist, um darauf nur mit Divestmentankündigungen zu reagieren. Wir wollten Klimaschutz mit allen seinen Aspekten aus Anlegerperspektive verstehen und berücksichtigen. Unsere Fachgruppe Klima hat sich darum in mehreren Sitzungen mit Expertinnen und Dienstleistern getroffen und dann die Punkte herausgearbeitet, die für kirchliche Investoren von Bedeutung sind. Herausgekommen ist das neue Leitfaden-Kapitel Klimastrategien und dazu noch eine umfangreiche Handreichung.

Dr. Karin Bassler, Pfarrerin der württembergischen Landeskirche, Dr. theol., Diplom-Kauffrau, Studium der Evangelischen Theologie in Tübingen und Bochum und der Betriebswirtschaft an der FernUniversität Hagen, Promotion mit einem Thema zum kirchlichen Finanzmanagement an der Universität Göttingen, seit 1999 als Studienassistentin an der Ev. Akademie Bad Boll mit dem Thema ethisch-nachhaltiges Investment befasst, zahlreiche Fachpublikationen dazu und zum Themenkreis "Kirche und Geld" im Allgemeinen, Hochschulpfarrerin in Stuttgart-Hohenheim und Referentin für Finanzmarktordnung und ethische Geldanlagen bei "Brot für die Welt", seit 2012 beim AKI, dem Autorenkreis des EKD-Leitfadens, seit seiner Neukonstituierung als Arbeitskreis Kirchlicher Investoren in der Evangelischen Kirche in Deutschland dessen Geschäftsführerin.
Karin Bassler ist zusammen mit Dr. Helge Wulsdorf Autorin des Buchs "Ethisch-nachhaltige Geldanlage - Die Positionen der evangelischen und katholischen Kirche. Eine Synopse".
Herausgeber: Jörg Weber; 2016, ECOreporter:edition, Dortmund, ISBN 978-3-9811660-5-7. Bestellen können Sie das Buch hier!

Welches sind die Hauptpunkte im Kapitel Klimastrategien?

Es kann künftig keine ethisch-nachhaltige Geldanlage im Sinne des Leitfadens ohne Klimastrategie mehr geben. Um die für ihre Organisation passende Strategie zu entwickeln, haben sich Investoren mit drei Fragen auseinanderzusetzen:

  1. Welche Rohstoffe werden berücksichtigt?
  2. Welche Sektoren sind einzubeziehen?
  3. An welcher Stelle und wie wird die Klimawirkung gemessen?

Dann muss entschieden werden, mit welchem Instrumente-Mix und für welche Assetklassen die Strategie umgesetzt werden soll. Nicht zu vergessen ist schließlich die Kommunikation der klimasensitiven Anlagepolitik und die Einbettung in Klimaschutzkonzepte, die nicht nur die Investments, sondern alle Lebensbereiche der Kirche umfassen.

Haben Sie sich auch mit Divestment befasst?

Ja, im Zusammenhang mit verhindernden Instrumenten, die ebenso wie die fördernden und gestaltenden zum Einsatz kommen können, um eine Klimastrategie umzusetzen. Ein neues Ausschlusskriterium wurde formuliert: Unternehmen, die Kohle oder Öl aus Ölsand und Ölschiefer fördern und/oder signifikante Reserven dieser Rohstoffe vorhalten. Wird dieses Kriterium auf ein Portfolio angewandt, das bisher Titel solcher Unternehmen enthalten hat, dann ist das Fossil Fuel Divestment.

Gibt es noch ein weiteres neues Schwerpunktthema im neuen Leitfaden?

Ebenfalls neu sind das Kapitel über Green Bonds und die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs), die als grundlegender Bezugsrahmen eingeführt wurden. Die SDGs der Agenda 2030 haben den großen Vorteil, dass damit der oft beliebig verwendete Begriff Nachhaltigkeit konkretisiert wird, und zwar auf eine weltweit anerkannte Art und Weise. Für uns war es keine große Überraschung, dass sich jedes unserer Kriterien einem oder mehrerer SDGs zuordnen lässt. Entsprechende Listen haben wir im Anhang der Neuauflage ergänzt. Aber umgekehrt waren die SDGs eine Anregung, die Positivkriterien für Unternehmen zu ergänzen und die Frage nach den Produkten und ihren Wirkungen mit neuem Nachdruck zu stellen. Ein Beispiel ist die Bevorzugung von Unternehmen, die zu nachhaltigem Tourismus beitragen, der Arbeitsplätze schafft und/oder die lokale Kultur und lokale Produkte fördert.

Zeigt der Leitfaden auch, wie kirchliche Investoren diese neuen Themen in der Praxis bei ihren Anlagen berücksichtigen können?

Ja, das ist sein Sinn und Zweck. Aber im Leitfaden versuchen wir, das möglichst kompakt darzustellen. Darum gibt es die Handreichungen für kirchliche Investoren, die ausführlicher auf einzelne Themen eingehen. Diese Handreichungen standen bisher nur intern unseren Mitgliedern und Partnern zur Verfügung. Für die Themen Klimastrategie und SDGs haben wir sie auch auf unserer Website veröffentlicht als Hilfestellung für alle anderen, die sich intensiver mit der Materie befassen möchten.

Sie führen als Arbeitskreis Kirchlicher Investoren auch Engagementdialoge mit vielen Firmen. Worum geht es dabei, was ist das Ziel dieser Dialoge?

Die Themen unserer Dialoge legen wir nicht unabhängig fest, sondern wir greifen Anliegen auf, die uns von kirchlichen Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten vorgeschlagen werden, zum Beispiel von „Brot für die Welt“, vom Südwind-Institut oder von den Umweltbeauftragten der Kirchen. Wir ergänzen also das kirchliche Nachhaltigkeitshandeln dieser Organisationen durch die speziellen Methoden und die Nutzung der Kanäle, die uns als Investoren zur Verfügung stehen. Zusätzlich zum moralischen werfen wir das finanzielle Gewicht der Kirche in die Waagschale und nehmen so zugleich die Verantwortung für das uns anvertraute Geld wahr. Das ist eine Besonderheit kirchlichen Engagements. 2018 haben wir auf dieser Grundlage Gespräche mit 33 Unternehmen zu Themen wie Klimaverantwortung und existenzsichernde Löhne in der Lieferkette geführt. Ziel der Dialoge ist immer eine Verbesserung der Unternehmen im Sinn kirchlicher Nachhaltigkeitsanliegen.

Gibt es eine Auswertung dazu, wie hoch der Anteil der kirchlichen Investoren ist, die die Grundsätze des Leitfadens ganz oder teilweise verwirklichen?

Es gibt Anhaltspunkte, aber keine Zahlen für alle evangelisch-kirchlichen Investoren in Deutschland. Dazu gehören ja auch Institutionen wie Kirchengemeinden, Kirchenkreise, diakonische Einrichtungen und kirchliche Stiftungen aller Größenordnungen. Das sind alles eigenständig handelnde Anleger, die zwar ihren jeweiligen Gremien gegenüber verantwortlich sind, aber deren Aktivitäten nicht zentral erfasst werden. Im AKI sind die großen institutionellen Anleger versammelt und sehr viele von ihnen setzen den Leitfaden direkt über die Anlagerichtlinien um. Ein guter Teil der kleineren Investoren wird über die Kirchenbanken erreicht, die den Leitfaden in ihren Angeboten für kirchliche Kunden integriert haben.

Wenn Sie die letzten zehn Jahre ethisch-nachhaltiges Investment kirchlicher Anleger Revue passieren lassen: Wo waren die Veränderungen am größten, was hat sich getan?

Zwei erfreuliche Trends lassen sich ausmachen. Der eine betrifft die gestaltenden Instrumente, die nach der Anwendung von Kriterien zum Einsatz kommen: Engagement gegenüber Unternehmen, aber auch gegenüber Regulatoren, und Beteiligung an Investoren-Initiativen. In Deutschland waren kirchliche Anleger lange sehr zurückhaltend, was diese Möglichkeiten angeht. Aber die positiven Erfahrungen im AKI – und zum Beispiel auch bei CRIC - haben dazu beigetragen, dass die Chancen, die darin für kirchliche Akteure liegen, zunehmend ergriffen werden. Und der andere Trend, den wir wahrnehmen, ist die wachsende Bereitschaft kirchlicher Investoren, sich zu vernetzen. Der AKI hat allein im letzten Jahr zwei internationale Partnerorganisationen hinzugewonnen, so dass wir nun im direkten Kontakt mit kirchlichen Anlegern in Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz stehen. Die jüngste gemeinsame Aktion war ein Brief an die EU-Kommission zur Regulierung von Green Bonds, der eine Einladung nach Brüssel und dort ein sehr ergiebiges Gespräch zur Folge hatte. Aber auch der Austausch mit den katholischen Kollegen und Kolleginnen in Deutschland ist in Gang gekommen und verbessert sich auf mehreren Ebenen.

Wo sehen Sie derzeit die größten Hindernisse für ein noch konsequenteres, flächendeckenderes ethisch-nachhaltiges Investment kirchlicher Investoren?

Kirchliche Finanzabteilungen haben keine großen Stäbe, die sich um die ethisch-nachhaltigen Aspekte der Geldanlage kümmern könnten. Das heißt, der damit verbundene zeitliche Einsatz wird oft zusätzlich zu allen anderen Aufgaben erbracht. Angesichts dessen finde ich es immer wieder beeindruckend, was unsere Mitglieder in den Fachgruppen, im Vorstand und in den Sitzungen leisten und an Ergebnissen zustande bringen. Mit besserer Personalausstattung könnte sicher noch mehr bewegt und auch manches konsequenter umgesetzt werden.

Zum Schluss die Frage nach den Kirchenbanken: Wie beurteilen Sie die Institute und deren Angebote bei den Themen Ethik und Nachhaltigkeit?

Eines der Erfolgsgeheimnisse des AKI besteht darin, dass von Anfang an Vertreter aller Anlegergruppen im Bereich der evangelischen Kirche in Deutschland das Verbindende bei den Themen Ethik und Nachhaltigkeit gesucht haben: EKD, Landeskirchen, (Zusatz-)Versorgungskassen, Kirchenbanken und Diakonie. Dadurch sind in den letzten zehn Jahren Lernprozesse in Gang gekommen, die nicht nur die Inhalte, sondern auch alle diese Gruppen vorangebracht haben. Die Evangelische Bank und die Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank) waren und sind dafür unverzichtbar – und sie haben ihrerseits davon profitiert. Außerdem sind sie nicht nur Treiber und Unterstützer der Weiterentwicklung unserer Themen, sondern auch Multiplikatoren. Als Transmissionsriemen transportieren sie mit ihrer Beratung und entsprechenden Produktangeboten die ethisch-nachhaltigen Aspekte in die vielfältige Landschaft der kirchlichen Geldanlage.

Frau Dr. Bassler, vielen Dank für Ihre Antworten!

In vierter Auflage ist nun der „Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche“ erschienen. Herausgeber ist der Arbeitskreis Kirchlicher Investoren, kurz AKI. Er fördert seit 2008 die ethisch-nachhaltige Geldanlage im Bereich der evangelischen Kirche und Diakonie. Als eine gemeinsame Initiative seiner Mitglieder und Partner unterstützt und ergänzt er deren eigene Aktivitäten. Der Leitfaden entstand im Auftrag des Rates der EKD. Neu gegenüber der dritten Auflage sind unter anderem die Kapitel über Klimastrategien und Green Bonds bzw. Social Bonds sowie an mehreren Stellen die Bezugnahme auf die Sustainable Development Goals (SDGs). Überarbeitet und ergänzt sind nun die Texte zu Immobilien, Ausschluss- und Positivkriterien für Unternehmen sowie das Glossar. Der Leitfaden versteht sich unverändert als ein Kompendium von Standards und richtet sich in erster Linie an kirchlich-institutionelle Anleger, soll aber auch Privatpersonen bei der Geldanlage helfen. Der Leitfaden kann auch als PDF kostenlos heruntergeladen werden.

EKD-TEXTE 113, Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche (4., aktualisierte Auflage, März 2019)
Herausgegeben vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover

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