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“Klimarisiko auf dem Bierdeckel“ – Interview mit Sebastian Müller von right.

Wie viel trägt ein Unternehmen konkret zur Erderwärmung bei? Ist es schmutziger als die Konkurrenz? Wie kann es seine Emissionen so weit reduzieren, dass es zum Klimavorbild wird? Und wie erkennen Investoren, wo sich die Klimarisiken einer Aktie oder eines ganzen Portfolios verbergen?

Fragen wie diese beantwortet ein Rechenmodell des Frankfurter Beratungsunternehmens right. – in der einfachsten Variante innerhalb von zehn Minuten. Was sich hinter dem XDC Modell genau verbirgt, verrät right.-Geschäftsführer Dr. Sebastian Müller im Interview mit ECOreporter.

Der folgende Premium-Inhalt ist aufgrund des Artikelalters nun frei verfügbar.

ECOreporter: Herr Müller, welchen Nutzen hat die Leistung, die Ihr Unternehmen bietet?

Dr. Sebastian Müller: Es klingt ein bisschen dramatisch, ist aber leider so: Der Klimawandel ist so ein gewaltiges Risiko, dass er die globale Finanzstabilität untergraben könnte. Das ergäbe ein ziemliches Problem – um einiges größer als die Finanzkrise 2007. Deshalb möchte der Gesetzgeber in absehbarer Zeit wissen, wie genau ein Unternehmen auf den Klimawandel einwirkt und wie es betroffen ist. Beides wiederum interessiert natürlich die Banken und Investoren. Alle drei Parteien sind unsere Kernzielgruppe, denn wir generieren diese Informationen.

Wie bekommen Sie das hin?

Wir messen den Beitrag eines Unternehmens zur Globalen Erderwärmung, den wir X-Degree Compatibility (XDC) nennen. Berechnen wir für ein Unternehmen beispielsweise eine XDC von 2,3°C, dann bedeutet das, dass sich die Erde um 2,3°C erwärmen würde, wenn alle Unternehmen so emissionsintensiv wirtschaften würden wie das betrachtete.

Wozu dient das XDC Modell?

Es dient dazu, klimarelevante Chancen und Risiken angemessen zu steuern. Die sogenannte  Standard XDC mit sektorspezifischen Standardannahmen erlaubt es Unternehmen, sich in ihrem Einfluss auf den Klimawandel mit anderen Unternehmen aus ihrer Branche zu vergleichen. Unsere sogenannte szenariobasierte XDC mit individuell getroffenen Annahmen erlaubt die Ermittlung der XDC unter verschiedenen Szenarien. Klimarelevante Aspekte können so für jedes Unternehmen analysiert werden. Für jedes Szenario kann ein Ziel gesetzt und der entsprechende Emissionsreduktionspfad berechnet werden. Im Unternehmen geplante Klimaschutzmaßnahmen können dann z.B. daraufhin bewertet werden, ob sie ausreichend Emissionen reduzieren, um das Ziel zu erreichen. Das XDC Modell kann zudem die XDC einer Kapitalanlage berechnen oder zur Bewertung der Klimarisiken eines Portfolios dienen.

Wie erbringen Sie diese Leistungen?

Unser XDC Modell ist ein Handwerkszeug. Ohne starre Vorgaben kann es – richtig eingesetzt – Experten für Strategie, Risiko, Nachhaltigkeit und Kommunikation sowie die Geschäftsleitung unterstützen, klimarelevante Chancen und Risiken zu erkennen, Handlungsbedarf abzuschätzen, Ziele zu setzen, Maßnahmen zu bewerten und den Fortschritt an Investoren und Stakeholder zu berichten.

Da draußen in der echten Welt, jenseits von Nachhaltigkeitsberichten und Umweltbilanzen – was ändert bzw. bewirkt oder verbessert Ihre Dienstleistung dort?

Durch die Berechnung der XDC unter verschiedenen Zukunftsszenarien lernen Unternehmen Schritt für Schritt die Klimakrise und ihre Bedeutung für das Unternehmen selbst kennen – das aber in einem Tempo und auf fast spielerische Art und Weise, dass die Zahlen nicht abschreckend, sondern mobilisierend erscheinen lässt.
Außerdem lässt es das XDC Modell zu, weg von einer schlichten Kategorisierung wie “grün“/“braun“ und hin zu einer Bestimmung von Klimarisiken zu kommen. Soll z.B. eine Investition eines Unternehmens sicherstellen, dass sich das Unternehmen entlang eines 2°C- oder X°C-Reduktionspfades entwickelt, muss diese Investition bewertet werden. Unser Modell setzt das Wertschöpfungs- und Emissionspotenzial einer Investition in ein Verhältnis, das mit den Anforderungen des zuvor erstellten Reduktionspfads abzugleichen ist.

Können Sie Beispielkunden nennen?

Typische Kunden sind Unternehmen, die die Anforderungen des Übergangs in das Wirtschaften in einer <2°C-Welt erkannt haben. Ein typischer Unternehmenskunde könnte beispielsweise das CSR-Richtlinienumsetzungsgesetz mit der Berichterstattung von wissenschaftsbasierten Klimametriken erfüllen wollen. Unternehmensintern soll Transparenz über klimarelevante Chancen und Risiken entlang Best Practice erreicht werden, um angemessene Maßnahmen zu ergreifen.
Ein Vermögensverwalter als Kunde könnte beispielsweise seinen Kunden einen Fonds anbieten, der nach strengem Standard in klimafreundliche Unternehmen investiert. Ziel ist es, eine Portfolio-XDC von <2°C zu erreichen.
Eine Bank als Kunde könnte typischerweise die Risikokategorie Klima in bestehende Kreditausfallberechnungsinstrumente integrieren. Kunden, die klimarelevanten Risiken stark ausgesetzt sind, sollen unterstützt werden. Kunden, die solchen Risiken weniger stark ausgesetzt sind, sollen an die Bank gebunden werden.
Derzeit testen wir mit unseren Kunden in Pilotprojekten die Brauchbarkeit des XDC Modells für solche Anwendungsfälle.

Wonach berechnen Sie Ihre Leistung – Arbeitsaufwand, betreutes Vermögen der Kunden oder anderes?

Die Berechnung der Standard XDC – also der Basisversion mit Standardannahmen – ist kostenfrei über unsere XDC webApplication möglich. Liegen einem Unternehmen Emissionsdaten und Daten zur Bruttowertschöpfung (EBITDA und Personalkosten) vor, geht das in zehn Minuten.
Möchte das Unternehmen die unternehmensweite Standard XDC in Scope-1-3-Kategorien heruntergebrochen haben und sich mit dem Sektor vergleichen, dann kann es eine Lizenz für 1.400 Euro erwerben. Die Lizenz enthält auch einen Emissionsreduktionspfad, welcher das Unternehmen auf eine XDC von 2,0°C oder 1,5°C führen würde. Diese Basisauswertung ist eine gute Grundlage zur Diskussion der Relevanz und des Nutzens wissenschaftsbasierter Klimametriken für die Klimastrategie eines Unternehmens. Die darüber hinausgehende Arbeit wird nach Aufwand berechnet.

Was tun Sie, was andere nicht können – anders gefragt: Füllen Sie mit Ihrer Dienstleistung eine Lücke?

Durch unsere Berechnung wird der Beitrag einzelner Unternehmen zur Erderwärmung bzw. deren Eindämmung erstmals wirklich sichtbar, vergleichbar und planbar.

Wo würden Sie mit Ihrem Unternehmen gerne in zwei Jahren stehen, wo in fünf Jahren?

Die Welt sucht derzeit einen Standard, nach dem Investitionen auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft werden können. Zukunftsfähigkeit und die Minimierung des Klimawandels sind spätestens nach dem gerade vorgestellten 1,5°C-Bericht nicht mehr voneinander trennbar. Unser XDC Modell misst den Beitrag eines Unternehmens zum Klimawandel unter verschiedenen wirtschaftlichen Szenarien und soll diesen Standard für Zukunftsfähigkeit setzen. Ein Unternehmen investiert z.B. nicht in das nächste Braunkohlekraftwerk, sondern in saubere Energien. Und das nicht aus Gutmenschentum, sondern aus betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit.

Wird Ihr Unternehmen gefördert?

Die Weiterentwicklung des XDC Modells wird von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung kofinanziert.

Herr Müller, vielen Dank für das Interview!

right. UG

right. based on science UG ist ein 2016 gegründetes Informations- und Beratungsunternehmen mit Sitz in Frankfurt, das den Beitrag einer einzelnen wirtschaftlichen Einheit, wie z.B. eines Unternehmens oder einer Anleihe, zum menschengemachten Klimawandel misst.

Geschäftsführerin ist Hannah Helmke, Geschäftsführer ist Dr. Sebastian Müller. Der Jurist ist bei right. für die rechtliche Fundierung des XDC Modells verantwortlich. Das Unternehmen hat acht Mitarbeiter/innen.
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