Erneuerbare Energie

Krieg der Zahlen – Grünstrom letztlich billiger als Atomstrom?



So hat ein aktuelles Gutachten des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie die Wirksamkeit des Erneuerbare-Energien-Gesetzes überprüft. Es wurde im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien erstellt. „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein gut funktionierendes und kostengünstiges Förderinstrument, dass im internationalen Vergleich sehr gut abschneidet“, erklärt dazu Dr. Stefan Lechtenböhmer, Leiter der Forschungsgruppe Zukünftige Energie- und Mobilitätsstrukturen am Wuppertal Institut. „Der Ausbau Erneuerbarer Energien ist nicht ohne Anfangsinvestitionen machbar, er verringert aber die mit fossilen und nuklearen Kraftwerken verbundenen Umwelt- und Klimaschäden und senkt die Technologiekosten.“

Aktuell decken Wind- und Sonnenenergie, Biomasse, Wasserkraft und Geothermie mehr als 16 Prozent des deutschen Strombedarfs. Die Förderung dafür beläuft sich nach Angaben der Übertragungsnetzbetreiber in diesem Jahr auf etwa 8,2 Milliarden Euro. Gleichzeitig sorgen die Erneuerbaren Energien für positive volkswirtschaftliche Effekte: Laut dem Bundesumweltministerium wurden im vergangenen Jahr durch erneuerbaren Strom rund 69 Millionen Tonnen Kohlendioxid vermieden. Umgerechnet beliefen sich die damit vermiedenen Klima- und Umweltschäden auf 5,7 Milliarden Euro. Außerdem ersetzen Erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung Steinkohle, Erdgas und Uran und machten so im vergangenen Jahr Rohstoffimporte in Höhe von 2,2 Milliarden Euro überflüssig.

„Im Gegensatz zu Kohle- und Atomstrom sind die Kosten für Erneuerbare Energien für jeden auf der Stromrechnung sichtbar“, stellt Jörg Mayer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien fest. In diesem Jahr liegt die EEG-Umlage – der Beitrag für den Ausbau von Ökostrom – bei rund 2 Cent pro Kilowattstunde. Pro Haushalt zahlen die Verbraucher damit etwa 6 Euro pro Monat. An den typischen Ausgaben eines Haushaltes, dem statistischen Warenkorb, macht das 0,2 Prozent aus. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft schätzt, dass sich der Beitrag für 2011 auf 3,2 bis 3,5 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Grund dafür ist der enorme Zubau insbesondere bei den Solaranlagen, der durch die im Sommer eingeführte Kappung der Solarstromtarife ausgelöst wurde. Wer ein Photovotaik-Projekt erwog, hat sich mit der Umsetzung beeilt, um noch Anspruch auf die bisherigen Einspeisetarife zu haben. Morgen soll bekannt gegeben werden, wie hoch im kommenden Jahr die EEG-Umlage ausfallen wird. Ein Anstieg der aktuellen Vergütung auf bis zu 3,5 Cent würde die Belastung der Stromkunden erhöhen. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung von heute kalkulieren Experten mit einem Anstieg der Stromrechnung eines Durchschnittshaushaltes um rund sieben Euro pro Monat.

Der Bundesverband Solarwirtschaft hat im Vorgriff darauf die Ergebnisse einer von ihm in Auftrag gegebenen Umfrage des Marktforschungsunternehmens TNS Emnid vorgestellt. Demnach sind 75 Prozent der Deutschen dazu bereit, stärker als bisher die Förderung der Solarenergie zu finanzieren und bis zu 2 Cent pro Kilowattstunde allein für den Ausbau der Solarstromerzeugung zu zahlen.

Deutscher Solarpark. / Quelle: ECOreporter.de


„Die weit überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland schätzt Solarstrom als zukunftsweisende Art der Energieerzeugung und ist von der Notwendigkeit der Anschubfinanzierung überzeugt – unabhängig von Alter, Bildungsstand oder auch der Region, in der sie leben“, sagt dazu Günther Cramer, Präsident des Bundesverbands Solarwirtschaft in Berlin. Der Verband weist darauf hin, dass die Preise für Solarstrom-Anlagen von 2006 bis heute um mehr als 40 Prozent gesunken sind. Halte die Entwicklung bei den Preisen weiter an, werde der selbst erzeugte Photovoltaik-Strom schon kurzfristig mit normalen Haushaltsstromtarifen konkurrieren können. Alleine der Strom der im Jahr 2010 angeschlossenen Photovoltaik-Anlagen ersetze rechnerisch bereits die Jahresproduktion eines Atom- oder Braunkohlekraftwerks. Nach und nach könne der konventionelle Kraftwerkspark durch Erneuerbare Energien wie Solarstrom vom Netz genommen werden.

Laut Greenpeace wird jede Kilowattstunde Atomstrom durch staatliche Regelungen mit 4,3 Cent subventioniert. Das gehe aus einer aktuellen Studie des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hervor. Diese Förderung sei mehr als doppelt so hoch wie die aktuelle Förderung der Erneuerbaren Energien über das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG). "Atomkraft ist nicht nur die gefährlichste, sondern auch die teuerste Form der Stromerzeugung", sagt dazu Andree Böhling, Energie-Experte von Greenpeace. "Die Bundesbürger werden von den Betreibern der Atomkraftwerke gleich doppelt abkassiert, über die Stromrechnung und über ihre gezahlten Steuern."

Nach Angaben der Bundesregierung sollen bis 2010 rund 200 Millionen Euro Subventionen in die Atomkraft geflossen sein. Das geht aus ihren Subventionsberichten hervor. Dem widerspricht Greenpeace energisch, man habe das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft nachrechnen lassen. Das Ergebnis: Es sind mindestens 204 Milliarden. Plus 100 Milliarden bis zum Ausstieg - ohne Laufzeitverlängerung. Greenpeace erklärt die enorme Differenz damit, dass die Bundesregierung bei den Atomsubventionen lediglich Kompensationen für Land- und Forstwirtschaft nach der Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl erfasst. Dabei sei die Nutzung der Atomenergie von 1950 bis 2010 in Deutschland mit mindestens 204 Milliarden Euro an staatlichen Fördermitteln unterstützt worden.

Die 204 Milliarden Euro setzen sich der Umweltschutzorganisation zufolge aus direkten Finanzhilfen des Bundes wie Forschungsförderung, Kosten für die Atommüllendlager Asse II und Morsleben oder die Stilllegung der ostdeutschen Atommeiler zusammen. Hinzu kommen Steuervergünstigungen in der Energiebesteuerung und durch die Regelungen bei den Entsorgungsrückstellungen sowie Zusatzeinnahmen der AKW-Betreiber durch den Emissionshandel.

Weitere 100 Milliarden Euro kommen künftig auch ohne die von der Bundesregierung geplante Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke noch hinzu, so Greenpeace weiter. Die maroden Atommülllager Asse und Morsleben müssten saniert werden, Stilllegung, Rückbau und Entsorgung der Atomkraftwerke würden fällig. Was hier tatsächlich auf die Bürger zukomme, sei noch kaum zu beziffern.
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