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„Man muss nicht Bill Gates heißen, um als Stifter etwas zu bewirken“ – Interview mit Henriette Berg, Stiften für die Umwelt



ECOreporter.de: Welches Konzept verfolgen Sie mit der Initiative „Stiften für die Umwelt“? Wie funktioniert „Stiften für die Umwelt“? Wer sind Ihre „typischen“ Kunden und wie finden sie den Weg zu ihnen?


Henriette Berg: Wir wollen mit unserer Initiative Menschen begeistern, sich mit einer eigenen Stiftung dauerhaft für Umweltschutz, Artenvielfalt und nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Die Stiftung „Stifter für Stifter“ setzt sich seit Jahren für eine Kultur des Stiftens in Deutschland ein. Die Stiftung wird von Personen getragen, die sich selbst bereits als Stifter engagiert haben. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass angehende Stifter vor allem zwei Dinge brauchen: praxisnahe Informationen und die Möglichkeit, sich mit erfahrenden Stiftern austauschen zu können.
Beides stellen wir im Rahmen der Initiative „Stiften für die Umwelt“ zur Verfügung. Dabei richten wir das Angebot der Initiative – wie auch die Arbeit der Stiftung „Stifter für Stifter“ generell – schwerpunktmäßig auf die Bedürfnisse kleiner Stiftungen aus und auf die Menschen, die solche Stiftungen errichten. Man braucht nicht Bill Gates sein, um sich als Stifter effektiv für die Lösung gesellschaftliche Aufgaben einzusetzen. Man muss nur die Unterstützung finden, die man braucht, wenn man sich keine eigene Stiftungsverwaltung aufbauen kann oder will. Deshalb informieren wir im Rahmen der Initiative mit dem ‚Wegweiser für Umweltstifter’ über kompetente Serviceangebote für Stifter und solche, die es werden wollen.

ECOreporter.de: Seit wann gibt es Ihre Initiative und wie hat sie sich seither entwickelt?

Berg:
Wir haben die Initiative „Stiften für die Umwelt“ im Dezember 2009 gestartet. Wir hoffen, dass wir hiermit mehr Menschen für ein solches Engagement gewinnen können und dass sich das Serviceangebot für Umweltstifter weiter verbessert. So bietet z.B. der WWF seit letztem Jahr mit seinem WWF-Stiftungszentrum interessierten Personen einen solchen Service an.

ECOreporter.de: Wie definieren Sie Nachhaltigkeit in ihrem Konzept?

Berg:
Umweltstiftungen sollten sich nicht nur in ihrer Projektarbeit an den von den Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro aufgestellten Prinzipien nachhaltiger Entwicklung orientieren, sondern auch ihre eigene Betriebspraxis nach diesen Kriterien ausrichten. Das Beispiel der die Selbach-Umwelt-Stiftung zeigt, dass auch kleine Stiftungen dieses umsetzen können.
Erika Littmannh hat 2003 zusammen mit ihrem Bruder die Selbach-Umwelt-Stiftung errichtet, sie zählt zu den von uns in der Broschüre „Blauer Planet sucht Stifter“ portraitierten Stiftern. Seit 2007 arbeitet die Stiftung an der Umsetzung ihres Leitbilds der klimaneutralen Umweltstiftung. Sie will ihre Stiftungsarbeit ökologisch kohärent gestalten. Das bedeutet nicht nur nachhaltiges Investment des Stiftungsvermögens, sondern auch, Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe der Stiftungsarbeit zu begreifen. Stiftungen sind Impulsgeber und ermöglichen neue Aktivitäten, belasten damit aber auch selbst und über ihre Projekte über Dritte Klima und Umwelt. Die Selbach-Umwelt-Stiftung legt bereits bei der Auswahl ihrer Projekte ihrer Durchführung das Kriterium der Vermeidung klimaschädlicher Wirkungen konsequent an und überkompensiert Emissionen, die sich nicht vermeiden lassen. Dies ist eine klare Umsetzung des Leitbilds von Nachhaltigkeit.


ECOreporter.de: Gibt es erfolgreiche Referenzprojekte in ihrem Netzwerk, die Sie nennen können?

Berg: Die Initiative „Stiften für die Umwelt“ baut auf den langjährigen Erfahrungen des Kinderfonds auf. Der Kinderfonds wurde Ende der 1990er Jahre in München aufgebaut, um Stiftern, die sich für Kinder und Jugendliche einsetzen wollen, die notwendigen Hilfen für ihre Arbeit praxisnah, professionell und kostengünstig zur Verfügung zu stellen. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf kleinen Stiftungen. Nach gut zehn Jahren sind über 170 Stiftungen entstanden, die zusammen über ein Stiftungsvermögen von rd. 19 Millionen Euro verfügen und letztes Jahr 4,6 Millionen Euro Spenden sammelten. 2009 haben sie 4,5 Millionen Euro in Projekte zugunsten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland und der ganzen Welt investiert.


ECOreorter.de: Welche Wirkung haben Beispiele wie diese auf das deutsche Stiftungswesen generell?

Berg: Dieses und andere Beispiele werden mittlerweile in der Stiftungswelt über den Kreis der Umweltstiftungen hinaus diskutiert. So gibt es Überlegungen, wie der Bundesverband Deutscher Stiftungen diese Idee unterstützen und konkrete Hilfen für Stiftungen organisieren kann, die ein solches Leitbild umsetzen wollen.

ECOreporter.de: Welche Grundvoraussetzungen muss ein nachhaltig orientierter Anleger mitbringen, um Stiftungsgründer zu werden? Wie viel Kapital ist notwendig, um eine Stiftung zu gründen?


Berg:
Wenn man sich mit eigenem Vermögen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit einsetzen will, sollte man sich zunächst überlegen, welche Form dieses Engagement haben soll. Will man sich dauerhaft engagieren und über den Einsatz seines Vermögens selbst entscheiden, ist eine Stiftung sicher eine sehr geeignete Form. Finanziell sollte eine Stiftung so ausgestattet sein, dass ihr Stiftungszweck und die Art und Weise, wie dieser erreicht werden soll, in einem angemessenen Verhältnis zu dieser Ausstattung stehen. Die Organisationen im ‚Wegweiser für Umweltstifter’ setzen in der Regel ein Grundstockvermögen von 25.000 Euro bei der Errichtung einer Treuhandstiftung und von 100.000 Euro bei der Errichtung einer selbstständigen Stiftung voraus.



ECOreporter.de: Mit welchen Mitteln und Partnern kann ein Gründer seine Stiftung in Sachen ökologische Nachhaltigkeit auf Kurs bringen? Und was lässt sich auf diese Weise bewegen?

Berg: Es gibt eine Reihe kompetenter Partner für eine nachhaltige Ausgestaltung von Stiftungsarbeit, von Stromanbietern über Büroausstattern, Druckereien bis zu Anbietern nachhaltiger Anlageprodukte. Auch im Bereich Kompensation findet man entsprechende Organisationen. Die Selbach-Umwelt-Stiftung arbeitet beispielsweise mit atmosfair, myclimate und Cool e.V. zusammen. So wurden in Ladakh 500 Solargewächshäuser und 20 Kleinwasserkraftwerke realisiert, so dass bei der Stromerzeugung Dieselgeneratoren ersetzt und Gemüseimporte per Flugzeug aus Indien vermieden werden konnten. Im Bereich biologischer Kompensation hat sich die Stiftung in Panama an der Wiederaufforstung von Regenwald beteiligt. Neben FSC-Zertifizierung und Mischwaldaufforstung wurde darauf geachtet, dass Grund und Boden in gemeinnützigem Eigentum sind und neue Arbeitsplätze entstehen. Diese Beispiele zeigen, wie die verschiedenen Dimensionen von Nachhaltigkeit neben der eigenen Projektarbeit in den Stiftungsbetrieb integriert werden können.


ECOreporter.de: Welche konkreten Möglichkeiten eröffnen sich Privatpersonen durch die Gründung einer Stiftung?


Berg: Um diese Form bürgerschaftlichen Engagements zu fördern, hat der Gesetzgeber Stiftern umfangreiche Steuervorteile eingeräumt. Stiftungen können daher auch interessant sein für eine Nachlassgestaltung. Stifter können den Stiftungszweck, die Vermögensausstattung, den Stiftungsnamen und den Vorstand selbst bestimmen. Die gemeinnützigen Stiftungszwecke umfassen ein breites Spektrum gesellschaftlicher Aufgaben wie Wissenschaft, Bildung, Kultur, Umweltschutz, Entwicklungszusammenarbeit, Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Hilfe für politisch und rassisch Verfolgte, Förderung bürgerschaftlichen Engagements.


ECOreportrer.de: Mit welchen Mitteln bringen Sie nachhaltige Stifter auf den Weg? Welche Schritte gehen Sie mit ihren Kunden/Partnern, um sie auf dem Weg zum Stifter zu unterstützen?

Berg: Zu vielen stiftungspraktischen Fragen, die sich angehende Stifter stellen, bieten wir Informationsmaterial in Form von Broschüren oder zum Download auf www.stiften-fuer-die-umwelt.de an. Behandelt werden die verschiedenen Rechtsformen, Steuerfragen und die Testamentsgestaltung. Interessenten können ihre Fragen  auch direkt im persönlichen Gespräch mit uns erörtern. Auf der Homepage finden Sie darüber hinaus den „Wegweiser für Umweltstifter“ mit Organisationen, die Hilfe bei der Gründung und Verwaltung von Stiftungen im Umweltbereich anbieten, etwa bei der Projektsuche.
In der Broschüre „Blauer Planet sucht Stifter“ stellen wir acht Umweltstifter vor. Sie berichten über ihre Arbeit und warum sie sich gerade in dieser Form für Umweltschutz und Nachhaltigkeit engagieren. Bei unseren Stifterabenden kann man Umweltstifter kennen lernen und sich mit ihnen austauschen.
In diesem Herbst haben wir in Frankfurt und im Rheinland die Stifter Martin Görlitz und Rainer von Boehck vorgestellt. Im vergangenen Jahr gab es auf dem Stifterforum in München neben verschiedenen Fachvorträgen Workshops, in denen Stifter über ihre Arbeit berichteten, darunter vier Umweltstiftungen. Interessenten können in diesem Rahmen passende Kooperationspartner finden.


ECOreporter.de: Was sind die drei gängigsten Probleme, mit denen potenzielle Stiftungsgründer sich an sie wenden?

Berg: Menschen, die eine Stiftung gründen wollen, scheuen vor allem die organisatorisch-juristische Seite des Projekts: Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung meiner Stiftung? Wie kann ich die Verwaltung meiner Stiftung bewältigen? Dann fragen sie sich, ob sie über genügend finanzielle Mittel für eine Stiftungsgründung verfügen. Aber Stiften ist leichter als man denkt. Damit Stiftungsprojekte gleich zu Beginn gut begleitet werden können, stellen wir grundlegende Informationen zu diesen Fragen zur Verfügung und bieten das Gespräch hierzu an.


ECOreporter.de: Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Berg!


Zur Person:Henriette Berg ist 56 Jahre alt. Die Schirmherrin und geschäftsführende Gesellschafterin der Stiftung „Stifter für die Umwelt“ arbeitete zehn Jahre lang im hessischen Umweltministerium und in den Dezernaten Umwelt und Finanzen der Stadt Frankfurt am Main. Später war sie Staatssekretärin im Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten des Landes Schleswig-Holstein und  für das Bundesumweltministerium tätig, wo sie sich als Abteilungsleiterin um Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz und Altlasten kümmerte. Sie unterstützt seit vielen Jahren verschiedene Umwelt- und Naturschutzprojekte, insbesondere im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.
Bildnachweis:  Hennriette Berg / Quelle: Stifter für die Umwelt
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