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„Mikrofinanz-Anleger mussten auch in der Krise keine Verluste hinnehmen“ – Teil 2 des Interviews mit Michael P. Sommer, Bank im Bistum Essen
Mikrofinanzfonds stellen Mikrofinanzinstituten (MFI) in armen Weltregionen Mittel für die Vergabe von Kleinkrediten zur Verfügung. Wie sind die Fonds durch die Finanzkrise gekommen? Wer kontrolliert eigentlich die Mikrofinanz-Branche? Über diese und weitere Fragen sprechen wir in der Fortsetzung des ECOreporter.de-Interviews mit Michael P. Sommer, Direktor der Bank im Bistum Essen eG.
Für die Kirchenbank hat der ehemalige stellvertretende Geschäftsführer der bischöflichen Aktion Adveniat den Mikrofinanz-Bereich aufgebaut. Die Bank im Bistum Essen vergibt Kredite direkt an Mikrofinanz-Institutionen, sie hat Mikrofinanzfonds initiiert und auch ein Mikrofinanzsparbuch aufgelegt. Per Mausklick gelangen Sie zum ersten Teil des Interviews.
ECOreporter: Die Mikrofinanz-Branche wurde 2010 und 2011 heftig kritisiert. Waren auch Fälle betroffen, bei denen deutsche Anleger mit ihren Investments unwissentlich beteiligt waren?
Sommer: Es ging insbesondere um Probleme in Süd-Indien. Sie hatten ihre Ursache nur zu einem Teil im Mikrofinanz-Sektor und waren wesentlich geprägt durch regionale Bedingungen: Politiker versprachen im Fall ihrer Wahl bei anstehenden Kommunalwahlen Schuldenerlasse, Geschäftsbanken wurden angehalten, Mikrokredite zu vergeben, ohne über die dazu erforderliche Philosophie und Kredittechnologie zu verfügen, Kleinbauern mussten ihre Pacht bereits bei der Aussaat und nicht erst nach der Vermarktung der Ernte zahlen, Lebensversicherungen zahlten auch bei Selbstmord aus…. Hinzu kamen Mikrofinanz-Institutionen, die sich nicht adäquat verhielten, so dass diese explosive Mischung aus Risiken schließlich im Zusammenbruch des Marktes endete.
Aber: Obwohl die Krise regional begrenzt war und sich nicht auf andere Mikrofinanzmärkte ausweitete, hatte sie weltweit positive Effekte im Mikrofinanz-Sektor. Themen wie Risikomanagement, Verbraucherschutz, Konsumentenkredite und die enge Begleitung der Mikrofinanzkunden werden heute noch einmal deutlich sensibler wahrgenommen und beachtet als zuvor. Indien hat gezeigt, dass Wachstum auch im Mikrofinanz-Bereich strukturell und innerhalb der Mikrofinanz-Institutionen organisatorisch zu bewältigen sein muss. Weil Mikrofinanzfonds regional breit streuen, sind aber Performance-Auswirkungen der Krise nicht spürbar gewesen.
ECOreporter: Geht es auch darum, dass Mikrofinanzen nun zu einem Massenmarkt geworden sind?
Sommer: In Indien gibt es die Mikrofinanz-Institution SKS. Sie ist börsennotiert und hat über eine Million Kunden. Das ist kaum mit dem Charakter einer Mikrofinanz-Institution vereinbar. Da fehlen wichtige Erfolgsfaktoren. Das Geld unserer Mikrofinanz-Anleger fließt im Übrigen nicht nach Indien.
ECOreporter: Wer kontrolliert eigentlich die Mikrofinanz-Branche?
Sommer: Zwei Drittel aller Mikrofinanzfonds weltweit sind in Europa aufgelegt. Diese Fonds unterliegen der Aufsicht im jeweiligen Land – meistens also in Luxemburg, der Schweiz oder den Niederlanden. In Deutschland ist es erst seit dem vergangenen Jahr möglich, bei der Aufsicht die Zulassung eines Mikrofinanzfonds zum öffentlichen Vertrieb zu beantragen. Das Geld der Fonds geht in die Mikrofinanz-Institutionen vor Ort. Diese unterstehen in ihren Ländern einer gesonderten Aufsicht für den Mikrofinanz-Sektor – wenn sie als Genossenschaft organisiert sind, greift die genossenschaftliche Aufsicht, sonst eben die reguläre Bankenaufsicht. Es gibt aber auch Mikrofinanz-Institutionen, die keiner Aufsicht unterstehen. Sie erhalten häufig nur dann Geld aus dem internationalen Markt, wenn sie sich einer Selbstregulierung unterwerfen und bankentypische Standards einhalten. Wir arbeiten nur mit Mikrofinanz-Institutionen zusammen, die über eine Wirtschaftsprüfung nach internationalem Standard verfügen.
ECOreporter: Zum System der Mikrofinanzen gehört es, dass die Menschen, die eigentlich keinen Kredit bekommen, Geld erhalten. Können die das zurückzahlen? Mit anderen Worten: Wie sicher sind die Investments der Anleger?
Sommer: Mikrofinanz-Anleger mussten auch in der Krise keine Verluste hinnehmen. Die Fonds hatten eine stabile, vorübergehend abgeschwächte, positive Entwicklung zu verzeichnen. Zudem ist der Geldkreislauf wie auch die Verwendung des Kapitals gut nachvollziehbar. In keinem anderen Anlagebereich ist die Transparenz so umfassend. Anleger können – und wollen – sich häufig detailliert mit dem Geschäftsmodell und der Wirksamkeit derjenigen Mikrofinanz-Institutionen auseinandersetzen, in die Fonds investieren. In keiner anderen Assetklasse ist das Informationsbedürfnis – und umgekehrt die Informationsmöglichkeit – so groß. Der Mikrofinanzmarkt ist insgesamt robust durch die Krise gekommen. Die Risikoindikatoren haben sich wieder normalisiert. Die Quote der pünktlich zahlenden Kreditnehmer liegt im weltweiten Durchschnitt bei erstaunlichen 97 Prozent.
Bildhinweis: Michael P. Sommer. / Quelle: Bank im Bistum Essen
ECOreporter: Was sind die Gründe für diese erstaunlich hohe Zahlungsmoral, die Laien kaum vermuten würden?
Sommer: Eine starke Motivation, weil soziale Netze für den Fall des Misserfolgs des Geschäftes fehlen. Es liegt ferner an dem Willen, sich selbst zu helfen und ein eigenverantwortliches Leben zu leben, es liegt an fehlenden Finanzierungsalternativen und letztlich auch am puren Überlebenswillen. Voraussetzung sind aber faire Zinssätze, eine gute Begleitung der Kunden, natürlich auch hier betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse – und die notwendige Fortune in der Umsetzung der Geschäftsidee.
ECOreporter: Wie haben Mikrofinanzfonds in der Finanzkrise abgeschnitten – gab es deutliche Verluste?
Sommer: Anleger, die in der Finanzkrise in Mikrofinanz investiert hatten, konnten jedenfalls ruhiger schlafen. Kein einziger professionell gemanagter Mikrofinanzfonds musste bisher Verluste hinnehmen! Wer mit einer – derzeit über dem Geldmarkt liegenden – Verzinsung von 3 bis 5 Prozent zufrieden ist, liegt im Mikrofinanz-Bereich richtig. Wer auf zweistellige Renditen spekuliert oder nur kurzfristig investieren will, gehört nicht in dieses Segment.
ECOreporter: Herr Sommer, danke für das Gespräch!
Der Beitrag ist im aktuellen ECOreporter.de-Magazin erschienen. Ein weiterer Themenschwerpunkt in dem gedruckten Heft sind unbekannte Fakten zur Energiewende. Hier (Link entfernt)erfahren Sie, wie Sie das Magazin bestellen können.
Für die Kirchenbank hat der ehemalige stellvertretende Geschäftsführer der bischöflichen Aktion Adveniat den Mikrofinanz-Bereich aufgebaut. Die Bank im Bistum Essen vergibt Kredite direkt an Mikrofinanz-Institutionen, sie hat Mikrofinanzfonds initiiert und auch ein Mikrofinanzsparbuch aufgelegt. Per Mausklick gelangen Sie zum ersten Teil des Interviews.
ECOreporter: Die Mikrofinanz-Branche wurde 2010 und 2011 heftig kritisiert. Waren auch Fälle betroffen, bei denen deutsche Anleger mit ihren Investments unwissentlich beteiligt waren?
Sommer: Es ging insbesondere um Probleme in Süd-Indien. Sie hatten ihre Ursache nur zu einem Teil im Mikrofinanz-Sektor und waren wesentlich geprägt durch regionale Bedingungen: Politiker versprachen im Fall ihrer Wahl bei anstehenden Kommunalwahlen Schuldenerlasse, Geschäftsbanken wurden angehalten, Mikrokredite zu vergeben, ohne über die dazu erforderliche Philosophie und Kredittechnologie zu verfügen, Kleinbauern mussten ihre Pacht bereits bei der Aussaat und nicht erst nach der Vermarktung der Ernte zahlen, Lebensversicherungen zahlten auch bei Selbstmord aus…. Hinzu kamen Mikrofinanz-Institutionen, die sich nicht adäquat verhielten, so dass diese explosive Mischung aus Risiken schließlich im Zusammenbruch des Marktes endete.
Aber: Obwohl die Krise regional begrenzt war und sich nicht auf andere Mikrofinanzmärkte ausweitete, hatte sie weltweit positive Effekte im Mikrofinanz-Sektor. Themen wie Risikomanagement, Verbraucherschutz, Konsumentenkredite und die enge Begleitung der Mikrofinanzkunden werden heute noch einmal deutlich sensibler wahrgenommen und beachtet als zuvor. Indien hat gezeigt, dass Wachstum auch im Mikrofinanz-Bereich strukturell und innerhalb der Mikrofinanz-Institutionen organisatorisch zu bewältigen sein muss. Weil Mikrofinanzfonds regional breit streuen, sind aber Performance-Auswirkungen der Krise nicht spürbar gewesen.
ECOreporter: Geht es auch darum, dass Mikrofinanzen nun zu einem Massenmarkt geworden sind?
Sommer: In Indien gibt es die Mikrofinanz-Institution SKS. Sie ist börsennotiert und hat über eine Million Kunden. Das ist kaum mit dem Charakter einer Mikrofinanz-Institution vereinbar. Da fehlen wichtige Erfolgsfaktoren. Das Geld unserer Mikrofinanz-Anleger fließt im Übrigen nicht nach Indien.
ECOreporter: Wer kontrolliert eigentlich die Mikrofinanz-Branche?
Sommer: Zwei Drittel aller Mikrofinanzfonds weltweit sind in Europa aufgelegt. Diese Fonds unterliegen der Aufsicht im jeweiligen Land – meistens also in Luxemburg, der Schweiz oder den Niederlanden. In Deutschland ist es erst seit dem vergangenen Jahr möglich, bei der Aufsicht die Zulassung eines Mikrofinanzfonds zum öffentlichen Vertrieb zu beantragen. Das Geld der Fonds geht in die Mikrofinanz-Institutionen vor Ort. Diese unterstehen in ihren Ländern einer gesonderten Aufsicht für den Mikrofinanz-Sektor – wenn sie als Genossenschaft organisiert sind, greift die genossenschaftliche Aufsicht, sonst eben die reguläre Bankenaufsicht. Es gibt aber auch Mikrofinanz-Institutionen, die keiner Aufsicht unterstehen. Sie erhalten häufig nur dann Geld aus dem internationalen Markt, wenn sie sich einer Selbstregulierung unterwerfen und bankentypische Standards einhalten. Wir arbeiten nur mit Mikrofinanz-Institutionen zusammen, die über eine Wirtschaftsprüfung nach internationalem Standard verfügen.
ECOreporter: Zum System der Mikrofinanzen gehört es, dass die Menschen, die eigentlich keinen Kredit bekommen, Geld erhalten. Können die das zurückzahlen? Mit anderen Worten: Wie sicher sind die Investments der Anleger?
Sommer: Mikrofinanz-Anleger mussten auch in der Krise keine Verluste hinnehmen. Die Fonds hatten eine stabile, vorübergehend abgeschwächte, positive Entwicklung zu verzeichnen. Zudem ist der Geldkreislauf wie auch die Verwendung des Kapitals gut nachvollziehbar. In keinem anderen Anlagebereich ist die Transparenz so umfassend. Anleger können – und wollen – sich häufig detailliert mit dem Geschäftsmodell und der Wirksamkeit derjenigen Mikrofinanz-Institutionen auseinandersetzen, in die Fonds investieren. In keiner anderen Assetklasse ist das Informationsbedürfnis – und umgekehrt die Informationsmöglichkeit – so groß. Der Mikrofinanzmarkt ist insgesamt robust durch die Krise gekommen. Die Risikoindikatoren haben sich wieder normalisiert. Die Quote der pünktlich zahlenden Kreditnehmer liegt im weltweiten Durchschnitt bei erstaunlichen 97 Prozent.
Bildhinweis: Michael P. Sommer. / Quelle: Bank im Bistum Essen
ECOreporter: Was sind die Gründe für diese erstaunlich hohe Zahlungsmoral, die Laien kaum vermuten würden?
Sommer: Eine starke Motivation, weil soziale Netze für den Fall des Misserfolgs des Geschäftes fehlen. Es liegt ferner an dem Willen, sich selbst zu helfen und ein eigenverantwortliches Leben zu leben, es liegt an fehlenden Finanzierungsalternativen und letztlich auch am puren Überlebenswillen. Voraussetzung sind aber faire Zinssätze, eine gute Begleitung der Kunden, natürlich auch hier betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse – und die notwendige Fortune in der Umsetzung der Geschäftsidee.
ECOreporter: Wie haben Mikrofinanzfonds in der Finanzkrise abgeschnitten – gab es deutliche Verluste?
Sommer: Anleger, die in der Finanzkrise in Mikrofinanz investiert hatten, konnten jedenfalls ruhiger schlafen. Kein einziger professionell gemanagter Mikrofinanzfonds musste bisher Verluste hinnehmen! Wer mit einer – derzeit über dem Geldmarkt liegenden – Verzinsung von 3 bis 5 Prozent zufrieden ist, liegt im Mikrofinanz-Bereich richtig. Wer auf zweistellige Renditen spekuliert oder nur kurzfristig investieren will, gehört nicht in dieses Segment.
ECOreporter: Herr Sommer, danke für das Gespräch!
Der Beitrag ist im aktuellen ECOreporter.de-Magazin erschienen. Ein weiterer Themenschwerpunkt in dem gedruckten Heft sind unbekannte Fakten zur Energiewende. Hier (Link entfernt)erfahren Sie, wie Sie das Magazin bestellen können.