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Mikrofinanzspezialistin als Börsenstar – Aktie beim Debüt stark überzeichnet



Die Anteilsscheine der SKS Microfinance wurden in der Preisspanne von 18,2 bis 21,1 Dollar (850 bis 985 Rupien) angeboten. Aufgrund der starken Nachfrage konnte sie voll ausgereizt werden. Viele prominente Investoren wie Goldman Sachs und JP Morgan sicherten sich große Aktienpakete. Neben den allgemein guten Marktaussichten für Anbieter von Mikrokrediten und den guten Geschäftszahlen der SKS Microfinance dürfte das Renommee der Investoren bei den Börsianern für Vertrauen in das Unternehmen gesorgt haben, die schon länger große Anteile an der indischen Mikrofinanzspezialistin halten. Dazu zählen etwa die deutsche Allianz-Gruppe, die über ihr Joint Venture Bajaj Allianz Life Insurance eingestiegen ist, und George Soros, der unter Investoren Legendenstatus genießt, zugleich aber auch für sein soziales Engagement bekannt ist. Neben der einheimischen Kotak Mahindra Capital begleiteten Citigroup und Credit Suisse den Börsengang.

Die SKS Microfinance ist vor rund zwölf Jahren vom indischen Wirtschaftsexperten Vikariat Aula als Nichtregierungs-Organisation gegründet worden und wurde 2003 in ein Unternehmen umgewandelt. Dieses hat sich seither zur größten Mikrofinanzspezialistin in Indien entwickelt, dem weltweit größten Markt für Mikrokredite. Es ist in 19 Bundesstaaten des Subkontinents aktiv und verfügt über etwa 2.000 Filialen. Die Idee der Mikrokredite ist in den 1970er Jahren im Nachbarland Bangladesh von Muhammad Yunus entwickelt worden, der dafür 2006 den Friedensnobelpreis erhalten hat. Er gründete mit Hilfe von internationalen Gebern 1983 die Grameen Bank.

In Entwicklungsländern lässt sich schon mit kleinen Krediten viel bewegen: Einer Schneiderin zum Beispiel genügt dort schon ein Darlehen von einigen Dutzend Euro, um eine Nähmaschine zu erwerben und davon eine Existenz aufzubauen. Die Ausfallquoten solcher Kleinkredite sind extrem gering - SKS Microfinance beziffert sie für sich mit nur einem Prozent. Das überrascht bei genauerem Hinsehen wenig, denn Mikrokredite bieten den Schuldnern eine einmalige Chance, die Armutsfalle zu verlassen. Für herkömmliche Banken sind solche Kunden ohne Sicherheiten dennoch uninteressant. Zumal ein Darlehen von 100 Dollar kaum weniger Verwaltungskosten verursacht als eines von 10.000 Euro, das ihnen weitaus mehr einbringt.

Außerdem lebt ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungs- und Schwellenländern nicht einmal in der Nähe einer Bank. Sie sind auf informelle Geldverleiher mit oft überhöhten Zinssätzen angewiesen und geraten dabei leicht in eine Schuldenfalle. In Indien zum Beispiel verlangen Geldverleiher im Durchschnitt Zinsen von 70 Prozent für Kredite, nicht selten sogar noch mehr. Offizielle Banken verlangen meist um die 18 Prozent, sind aber für die Landbevölkerung und damit das Gros der indischen Bevölkerung unerreichbar.

Die SKS Microfinance erhebt nach eigenen Angaben einen Zinssatz von 28 Prozent pro Jahr. Ihrer Darstellung zufolge verursacht der Aufwand, Kunden in entlegenen Gebieten dennoch sachkundig vor Ort zu betreuen, hohe Zusatzkosten. Zudem musste sie bislang selbst Kredite aufnehmen, um ihren Kunden Mittel zur Verfügung stellen zu können. Im Gegensatz zu vielen anderen Mikrofinanzierungs-Anbietern vergibt das Unternehmen keine Einzelkredite, vielmehr erhalten jeweils Gruppen von fünf bis maximal zehn Schuldnern die Darlehen. Deren Höhe umfasst höchstens 260 Dollar. In einem Land wie Indien, wo über 800 Millionen Menschen von weniger als zwei Dollar am Tag leben müssen, können Kleinunternehmen damit aber schon eine Existenz aufbauen.

Laut Angaben der nun an beiden Börsen in Bombay notierten Mikrofinanzspezialistin hat sie bislang an rund sieben Millionen Menschen Mikrokredite ausgegeben. Angesichts der Milliardenbevölkerung Indiens ist das aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. SKS-Gründer Aula geht von 115 Millionen Haushalten aus, denen in Indien mit Mikrokrediten weitergeholfen werden könnte. Davon würden bislang lediglich 15 Prozent erreicht. Eben um mehr Kleinkredite ausgeben und somit mehr Menschen die Grundlage für eine eigene wirtschaftliche Existenz ermöglichen zu können, sei das Ziel des Börsengangs. Zudem könne sein Unternehmen niedrigere Zinsen anbieten, wenn es Kapital für Kleinkredite von Anlegern einwerbe, anstatt es bei Banken aufzunehmen.

Allerdings gibt es auch Kritik an diesem Börsengang einer Mikrokreditspezialistin. Weil sie doch eigentlich auf die die Kreditnehmer ausgerichtet sein sollte und nicht auf Anteilseigner, die eine Wertsteigerung der Aktien beanspruchen. Mit dem Börsengang ist der Anteil der Kreditnehmer am Kapital der SKS Microfinance auf elf Prozent gesunken. Firmenchef und SKS-Gründer Aula hat im Frühjahr große Teile seiner Beteiligung von bislang knapp vier Prozent für etwa zehn Millionen Dollar verkauft. Die Ausrichtung des Unternehmens könnte durch den Einfluss der neuen Geldgeber stark verändert werden. Zu den Kritikern zählt etwa Muhammad Yunus, der gegenüber Bloomberg der SKS Microfinance vorwarf, das gesamte Mikrokreditwesen zu gefährden. Denn der Börsengang signalisiere dem Kapitalmarkt, dass man mit der Kreditvergabe an arme Menschen Geld verdienen könne.

Michael P. Sommer ist bei der Bank im Bistum Essen Experte für Mikrofinanz. Die Kirchenbank ist selbst in etliche Mikrofinanzinstitute investiert und managt zwei Spezialfonds mit Fokus auf Mikrofinanz, die nach seinen Angaben zusammen auf ein Anlagevolumen von rund 40 Millionen Euro kommen. Ihm zufolge kann ein Börsengang sehr wohl die Arbeit eines Mikrokreditanbieters befördern. Entscheidend sei nur, ob dieser Schritt und die Verwendung der neuen Mittel „im Geist der Mikrofinanz“ umgesetzt werden. Mit dem Erlös aus dem Börsendebüt sei es SKS Microfinance möglich, fortan „in einer anderen Liga zu spielen“. Nach seiner Einschätzung können Mikrokreditinstitute der Armut in ihren jeweiligen Ländern auf Dauer nur begegnen, wenn es ihnen gelingt, Kapital aus dem Ausland anzuziehen. Mit den regional zur Verfügung stehenden Mittel würde es viel zu lange dauern, um entscheidende Fortschritte zu erzielen.

Manche Experten befürchten jedoch, dass ein solch großer Mittelzufluss nicht wirksam in Mikrokredite umgesetzt werden kann. Schon zuletzt hatte das Wachstum der SKS Microfinance beängstigende Dimensionen erreicht. Nach ihren Angaben gewinnt sie jeden Monat 200.000 neue Kunden. In den letzten drei Jahren erhöhte sich die Kreditsumme um das 18-Fache. Umgekehrt ist das Ansinnen mehr als verständlich, so schnell wie möglich so vielen Menschen wie möglich helfen zu können. So gesehen kann ein Erfolg nicht nur des Börsengangs, sondern auch des Einsatzes des so eingesammelten zusätzlichen Kapitals durch die SKS der Mikrofinanzbranche insgesamt neue Perspektiven der Finanzierung eröffnen. Oder eben ein abschreckendes Beispiel werden für ein Mikrofinanzunternehmen auf Abwegen.
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