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„Nachhaltige Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren erheblich besser entwickelt als andere“ – Interview mit Konrad Sippel, Stoxx Ltd.




ECOreporter.de: Der Stoxx Global ESG Leaders ist im April 2011 gestartet. Wie gestaltete sich die Wertentwicklung des Hauptindex seither – auch angesichts der gegenwärtigen Krisen am weltweiten Finanzmarkt?

Konrad Sippel: Der Stoxx ESG Leaders Index hat seit seinem Start im April bis Mitte August rund 15 Prozent verloren. Ein Großteil der jüngsten Kurseinbrüche der nachhaltigen Unternehmen liegt dabei in der allgemein schwierigen Marktlage begründet. Über drei Jahre beträgt der Wertverlust des Nachhaltigkeitsindex jedoch nur rund 5 Prozent. Zum Vergleich: Der Euro Stoxx 50 Index hat über drei Jahre mehr als 30 Prozent eingebüßt. Die nachhaltigen Unternehmen haben sich also insgesamt im schwierigen Marktumfeld der vergangenen Jahre erheblich besser als die marktbreiten Indizes entwickelt.  


ECOreporter.de: Wer ist für die Nachhaltigkeitsanalyse der Indexfamilie verantwortlich und wie funktioniert die Titelwahl?

Sippel: Die Bewertung und Gewichtung der Unternehmen richtet sich nach rund 130 Einzelkriterien, die auf den Key Performance Indikatoren (KPI) für den ESG 3.0 Standard von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) und der European Federation of Financial Analysts Societies (EFFAS) basieren. Das von Stoxx verwendete Modell wird von beiden Organisationen anerkannt. Dieses Modell ist vollständig transparent und öffentlich verfügbar. Daten zu den Einzelkriterien für die 1.800 Unternehmen des Stoxx Global 1800 Index werden von Sustainalytics, einem Anbieter von Research und Analysen zum Thema Nachhaltigkeit mit Hauptsitz in Amsterdam, zur Verfügung gestellt.
Auf Basis dieser Daten berechnet Stoxx Nachhaltigkeitskennzahlen für die drei Teilbereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Um in einen der drei Sub-Indizes aufgenommen zu werden, muss ein Unternehmen in allen drei Bereichen – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – mindestens ein Rating von 50 auf einer Skala von 0 bis 100 erreichen, das heißt jeweils zur besseren Hälfte der Unternehmen seiner Branche gehören. Zusätzlich muss das Unternehmen in mindestens einem Bereich zum jeweils besten Viertel seiner Branche zählen – also ein Rating von 75 oder höher erreichen. Die einzelnen Titel werden entsprechend ihres Ratings im Index gewichtet. Unternehmen können dabei in allen drei Sub-Indizes vertreten sein. Der Gesamtindex Stoxx Global ESG Leaders setzt sich zu jeweils einem Drittel aus den drei Sub-Indizes zusammen. So erhalten Unternehmen, die in mehreren Bereichen ausgewählt wurden, ein höheres Gewicht im Gesamtindex.

ECOreporter.de: Inwiefern setzen Sie bei der Titelwahl auf branchenspezifische Schwerpunkte?

Sippel: Der Index verfolgt einen branchenübergreifenden Best-in-Class-Ansatz. Entscheidend für die Aufnahme und die Gewichtung im Index sind die jeweiligen unternehmensspezifischen Kennzahlen im Vergleich zu allen anderen Unternehmen im Auswahluniversum. Aufgrund dieses übergreifenden Ansatzes kommt es zu einer leichten Übergewichtung der nachhaltigeren Branchen im Vergleich zu konventionellen Benchmarks.

ECOreporter.de: Gibt es Branchen, die aus Nachhaltigkeitssicht per se ausgeschlossen sind?

Sippel: Grundsätzlich vom Index ausgeschlossen werden Unternehmen, die Tretminen, Streubomben oder biologische, chemische oder atomare Waffen herstellen. Ferner werden Unternehmen nicht berücksichtigt, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit Tabakprodukten erwirtschaften. Schließlich werden Firmen herausgefiltert, die nicht im Einklang mit den Prinzipien des Global Compact der Vereinten Nationen handeln.

ECOreporter.de: Welches sind die Kernindikatoren der drei Nachhaltigkeitskategorien „Umwelt“, „Soziales“ und „Unternehmensführung“, an denen die Unternehmen gemessen werden?

Sippel: Der Sub-Index für Umweltfragen (Environmental Leaders) umfasst mit mehr als 50 Kriterien die gesamte Wertschöpfungskette des jeweiligen Unternehmens. Hierzu zählen etwa das Umweltmanagementsystem des Unternehmens selbst aber auch der Wasserverbrauch, Schadstoffemissionen und Müll durch die Produktion sowie die Nutzung recycelter Materialien. Die Kriterien erfassen jedoch nicht allein die Produktion sondern auch, ob Zulieferer die Umweltstandards erfüllen. Gleichzeitig wird beispielsweise berücksichtigt, wie umweltfreundlich sich die jeweiligen Produkte nutzen lassen. Dieser Gesichtspunkt wird etwa in der Automobilindustrie über den Verbrauch der hergestellten Fahrzeuge analysiert. Die Kriterien für die Bereiche Soziales und Corporate Governance sind ähnlich umfassend. Bei ihnen werden beispielsweise Zahlen zur Fluktuation der Arbeitnehmer, ihrer Fort- und Ausbildung sowie zu Krankenmeldungen und Arbeitsunfällen untersucht. Die Unternehmensführung wird unter anderem anhand der Programme gegen Korruption und Bestechung sowie der Transparenz der Managervergütung bewertet.

ECOreporter.de: Wie oft wird kontrolliert, inwiefern die Zusammenstellung erneuert werden muss und inwiefern können Unternehmen aus dem Index ausgeschlossen werden?

Sippel: Die Indexzusammensetzung wird jährlich im September überprüft. Zusätzlich wird der Index jedoch sofort angepasst, wenn ein Unternehmen gegen die Ausschlusskriterien verstößt. Hierüber wacht ein unabhängiges Gremium. Zu ihm zählen neben Markteilnehmern und akademischen Vertretern unter anderem Sustainalytics und die DVFA.


ECOreporter.de: Wie viele Indizes umfasst die gesamte Stoxx Global ESG Leaders-Indexfamilie und was unterscheidet die einzelnen Indizes konkret voneinander?

Sippel: Die Indexfamilie setzt sich aus insgesamt vier Indizes zusammen. Dies sind drei Einzelindizes für die wichtigsten Perspektiven für Nachhaltigkeit und ein Gesamtindex. Der Sub-Index für Environmental Leaders wählt Unternehmen, die im umweltbewussten Wirtschaften führend sind aus. Die nach sozialen Kriterien besonders starken Titel finden sich im Social Leaders Index. Schließlich setzt sich der Index für Governance Leaders aus Unternehmen, die vor allem in der Unternehmensführung überzeugen, zusammen. Alle drei Indizes beziehen sich auf die 1.800 Titel des Stoxx Global 1800 Index. Unternehmen, wie beispielsweise der niederländische Elektronikkonzern Philips, die in allen drei Bereichen führend sind, werden daher auch in alle drei Indizes aufgenommen. Der vierte Index ist der Stoxx Global ESG Leaders. Er setzt sich gleich gewichtet aus allen drei Sub-Indizes zusammen und bietet Investoren damit eine umfassende Auswahl entlang der verschiedenen Nachhaltigkeitsperspektiven. Mithilfe der drei Subindizes und dem Gesamtindex können Investoren auch ihre ganz individuelle Definition von Nachhaltigkeit durch Über- oder Untergewichtung einzelner Teilbereiche in ihren Investments umsetzen.


ECOreporter.de: Ist es korrekt, das der Fukushima-Betereiber Tepco, BP, der Militärflugzeughersteller Lockhead Martin und der wegen fragwürdiger Geschäfte im Irak, Libyen vielfach kritisierte US-Mischkonzern Halliburton zu den Indextiteln zählen?

Sippel: Nein, diese Unternehmen gehören und gehörten nicht zum Global ESG Leaders Index. Sie zählen aufgrund ihrer Größe und wirtschaftlichen Bedeutung lediglich zum Indexuniversum, aus dem die Titel für die einzelnen Indizes ausgewählt werden. Halliburton beispielsweise erhält in keinem der drei einzelnen Bereiche mehr als 30 Punkte. Für eine Aufnahme in den Index müsste das Unternehmen dagegen in allen Bereichen mindestens 50 und in einem Bereich mehr als 75 Punkte erreichen. Auch Tepco liegt in allen Bereichen erheblich unter der erforderlichen Mindestpunktzahl. BP und Lockheed Martin sind dagegen aufgrund des Verstoßes gegen die Prinzipien des Global Compact beziehungsweise der Herstellung von umstrittenen Waffen von vorneherein vom Auswahlprozess ausgeschlossen.

ECOreporter.de: Inwiefern gibt es schon Investmentprodukte die den Stoxx Global ESG Leaders als Investmentuniversum verwenden?

Sippel: Bislang wird der Stoxx Global ESG Leaders Index noch nicht über Exchange Traded Funds (ETFs), also börsengehandelte Indexfonds, oder Zertifikate abgebildet. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass sich dies schnell ändern wird.


ECOreporter.de: Für welche Zielgruppen wurde die Indexfamilie konzipiert und inwiefern sind weitere Nachhaltigkeitsindizes von Stoxx geplant?
Sippel: Die Indizes sollen institutionellen Investoren als ausgewogene Benchmark für nachhaltige Investments dienen. Darüber hinaus wollen wir Emittenten von Zertifikaten und ETFs für eine Abbildung gewinnen, um die Indizes einfach investierbar und damit auch Privatanlegern zugänglich zu machen. Stoxx bietet beispielsweise mit dem Euro Stoxx Sustainability 40 oder dem DAXglobal Sarasin Sustainability Germany Index, mehrere weitere Nachhaltigkeitsindizes an.



ECOreporter.de: Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Sippel!


Der Stoxx ESG Global Leaders-Index-Familie im Überblick:

Zusammensetzung:

Ein Hautindex Stoxx Global ESG Leaders mit drei Subindizes, Environmental Leaders, Social Leaders und Governance Leaders

Initiator:

Stoxx Ltd., Zürich (CH)

Am Markt seit:

11. April 2011

Wertentwicklung seit Ertauflage (Stand 23. August)

Minus 15 Prozent

Welche Unternehmen sind gelistet

302 von 1800 des Stoxx Global 1800 im Stoxx Global ESG Leaders; 204 von 1800 des Stoxx Global 1800 im Environmental Leaders; 213 von 1800 des Stoxx Global 1800 im Social Leaders; 192 von 1800 des Stoxx Global 1800 im Governance Leaders (Gefiltert jeweils nach dem Best-in-Class-Ansatz)

Ausschlusskriterien:

Kontroverse Waffen, Verstoß gegen die Prinzipien des Global Compact der Vereinten Nationen, Mehr als 5 Prozent des Umsatzes in der Tabakindustrie

Nachhaltigkeitsanalyse:

Sustainalytics, Amsterdam (NL)

Internetseite:

http://www.stoxx.com/index.html



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