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Nachhaltigkeitsturbo auf Abwegen? - wie Nachhaltigkeitsfonds auf die dunkle Seite der Volkswagen AG reagieren



„Nachhaltigkeit ist bei Volkswagen mehr als nur eine edle Absicht“ – dieser Slogan ist ein Kernsatz der „Think Blue“-Kampagne, mit der sich der VW als Branchen-Vorreiter auf dem Weg zu klimaneutralerer Mobilität zu positionieren versucht. Dazu treibt die VW AG nach eigener Aussage unter anderem die Entwicklung energieeffizienterer Fahrzeuge voran und müht sich intern wie bei Zulieferern um vorbildliche Unternehmensführung. Dieses Engagement brachte die VW-Aktie in Nachhaltigkeitsindizes wie den Dow Jones Sustainability Index World (DJSI) und in Nachhaltigkeitsfonds von Anbietern wie Vontobel, SEB und Credit Suisse.

Vorwurf schwerer Arbeitsrechtsverletzungen

Die Vorwürfe verschiedener Nichtregierungsorganisationen, darunter das Institute for Global Labour and Human Rights (IGLHR) mit Sitz in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania wiegen schwer: Bei den Zulieferunternehmen Dongguan Yuwei Plastics Co. Ltd. in China und Asahi Kosai in Malaysia soll es wiederholt zu schweren Arbeitsrechtsverletzungen gekommen sein. Die Mitarbeiter sollen unter teils gesetzeswidrigen Umständen in Spitzenzeiten über Monate zwischen 84 und 112 Wochenstunden gearbeitet haben. Zudem hätten marginale Sicherheitsvorkehrungen zu Unfällen mit schwersten Verletzungen geführt, heißt es in einem aktuellen Report des IGLHR über die Bedingungen bei Dongguan Yuwei Plastics. Berichte über Arbeitsrechtsverletzungen im Produktionsprozess gibt es auch über den Technologiezulieferer Asahi Kosai, der unter anderem in Malaysia produziert. „Ersten Recherchen zufolge handelt es sich in beiden Fällen um keine direkten Lieferanten von Volkswagen“, teilte das Unternehmen auf Anfrage von ECOreporter.de mit. Das Unternehmen nehme „die berichteten Informationen sehr ernst“ und habe die Prüfung aufgenommen.

Volkswagen nimmt die Vorwürfe „sehr ernst“

Vorwürfe gegen Volkswagen erhob auch die Naturschutzorganisation Greenpeace. In ihrem aktuellen Bericht „Die dunkle Seite von Volkswagen“ bezichtigen die Umweltschützer den Automobilkonzern, sich entgegen seiner „grünen“ Rhetorik branchenpolitisch nicht nur gegen die Verschärfung europäischer CO2-Grenzwerte, sondern auch gegen die Festschreibung eines europäischen Klimaziels von minus 30 Prozent zustellen. „VW täuscht mit der Entwicklung von Ein-, Zwei- und Drei-Liter-Autos Klimaschutz vor. In der Realität verdient der Konzern durch saftige Aufpreise an den umweltbewussten Kunden. Die Technik ist viel günstiger als VW uns glauben machen möchte. VW sollte sich um Klimaschutz bemühen statt grüne Rhetorik zu betreiben“, sagt Wolfgang Lohbeck, Verkehrsexperte bei Greenpeace. ECOreporter.de konfrontierte Volkswagen auch mit dieser Kritik. Die Antwort: Volkswagen sei wie andere Großkonzerne auch in nationalen und internationalen Verbänden engagiert, die sich für Brancheninteressen einsetzten, so eine Konzernsprecherin.

Nachhaltigkeitsindices setzen weiter auf VW - vorerst


Viele nachhaltige Investoren und einzelne Fonds richten sich bei ihren Investments an nachhaltigen Indices aus. Die VW Aktie ist unter anderem im DJSI World, in zwei nachhaltigen Indices der ESI-Indexfamilie des belgischen Anbieters Ethibel und in verschiedenen Nachhaltigkeitsindices der britischen FTSE4Good-Reihe gelistet. „Wir verfolgen die Entwicklungen und haben auch schon um Darstellung der Positionen gebeten. Für eine abschließende Beurteilung ist es noch zu früh“, erklärt François Vetri von der Züricher Sustainable Asset Management AG (SAM), die zusammen mit Dow Jones aus New York für der DJS-Indexfamilie verantwortlich ist. Aktuell seien VW, BMW und Fiat die einzigen drei von weltweit 25 in Frage kommenden Autoherstellern, die es in den DJSI geschafft hätten. „Neue Vorkommnisse, die wir bezüglich unternehmerischer Nachhaltigkeit als negativ bewerten, fließen in unser sogenanntes Corporate Sustainability Assessment (CSA) ein. Die Ergebnisse des CSA sind ausschlaggebend für die Aufnahmen in die DJSI“, erläutert Vetri. Die aktuelle Zusammenstellung des DJSI World basiere auf ein CSA von 2010. Neue CSA-Ergebnisse werde SAM Anfang September 2011 veröffentlichen, wenn die Neuzusammenstellung des DJSI anstehe.

„Kommt es zu weiteren schweren Verstößen drängen wir auf eine Lösung“


Der Vontobel Fund Global Responsibility European Equity (ISIN LU0384406830), der SEB ÖkoKux (LU0036592839) und der Credit Suisse Solutions Megatrends(LU0522192136) zählen zu den Nachhaltigkeitsfonds, die jeweils vergleichsweise stark auf VW-Aktien setzen. Unmittelbaren Handlungsbedarf sehen die jeweiligen Fondsmanager trotz der schweren Kritik nicht. „VW ist im Fall Yuwei Plastics aktiv geworden und sucht in Zusammenarbeit mit dem direkten Zulieferer nach der schnellstmöglichen Lösung. Dabei will VW nicht den Zulieferer austauschen, sondern arbeitet auf die Durchsetzung der Standards auf allen Stufen hin“, so Alan Niederer, Portfolio Manager des Vontobel Fund Global Responsibility European Equity. Anfang Juli investierte sein Fonds zu 3,62 Prozent in VW-Aktien. „Wir sind zuversichtlich, dass das Unternehmen das Problem lösen kann. Sollte es zu wiederholten schwerwiegenden Verstößen kommen, würden wir auf eine Lösung drängen“, kündigt der Fondsmanager an. Im zweiten Fall handle es sich nicht lediglich um einen Sublieferanten der VW AG, stellt er klar. „Der Volkswagen-Konzern verlangt von seinen direkten Zulieferern die Einhaltung von Industriestandards. VW erwartet, dass die Zulieferer ähnliche Normen auch bei ihren Unterlieferanten durchsetzen. Dafür gibt es aber keine Garantie“, so Niederer weiter.

Das Fondsmanagement des Themenfonds Credit Suisse Solutions (Lux) Megatrends weist auf Nachfrage von ECOreporter.de daraufhin, dass bei Yuwei Plastics auch andere Automobilhersteller als Kunden betroffen seien, wie beispielsweise Ford. Alle betroffenen Automobilkonzerne hätten sich kooperativ gezeigt, zur Lösung der Probleme beim chinesischen Zulieferer beizutragen. Volkswagen sei ein profitables Unternehmen, das perfekt in die drei Themen des Credit Suisse Solutions Globalisierung, Demographie und Nachhaltigkeit passe und sei für den Fonds nach wie vor investierbar.

„An den Strategien zur Verbesserung von CO2 Reduzierungen der Volkswagen AG haben wir keine Zweifel und im Vergleich zu anderen Herstellern sind die Ergebnisse als gut zu bezeichnen“, erklärt die SEB Asset Management aus Frankfurt. Insofern bestehe für das Management des SEB ÖkoLux der als Best-In-Class-Fonds jeweils auf die Nachhaltigkeitsbesten einzelner Branchen setze kein Grund, vom Investment in VW-Aktien abzurücken.
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