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Neue Studie: Führen Nachhaltigkeitsratings gar nicht zu mehr Nachhaltigkeit? - Interview mit Antje Schneeweiss, Südwind
Nachhaltigkeitsratings und nachhaltige Fonds haben kaum Einfluss auf Konzerne. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Nicht-Regierungsorganisation Südwind e.V. aus Siegburg. Nachhaltigkeitsratingagenturen ermitteln in Ratings die ökologischen und sozialen Leistungen von Unternehmen und bewerten diese. Nachhaltige Fonds orientieren sich an diesen Ergebnissen, um nachhaltige Aktien und Anleihen zu finden. Viele setzen dabei auf den so genannten „Best-in-Class“-Ansatz. Damit kommen Unternehmen auch aus Branchen mit hohen Nachhaltigkeitsproblemen wie etwa dem Bergbau für ein Investment in Frage (mehr darüber erfahren Sie auf unserer Sonderseite „Gut erklärt“ (Link entfernt) zu diesem Thema). Das soll einen Wettbewerb unter den Unternehmen um mehr Nachhaltigkeit anstoßen und dazu beitragen, dass die Branche insgesamt nachhaltiger wirtschaftet.
Das Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene ist ein wissenschaftliches Institut und auf Recherchen zum Thema wirtschaftliche, soziale und ökologische Gerechtigkeit spezialisiert. Die aktuelle Studie wurde von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen und der Union Investment Stiftung gefördert. Antje Schneeweiß ist die Autorin der Südwind-Studie, die stark in Frage stellt, ob dieser Ansatz funktioniert. ECOreporter.de hat sie zu den Ergebnissen ihrer Untersuchung befragt und ob nachhaltige Fonds mit anderen Auswahlstrategien vor ähnlichen Herausforderungen stehen.
ECOreporter.de: Welche Rolle spielt der „Best-in-Class“-Ansatz im Bereich des nachhaltigen Investments?
Antje Schneeweiß: Vom Volumen her spielt er eine eher geringe Rolle. Den 283 Milliarden Euro Kapital, die im Sinne des „Best-in-Class“-Ansatzes investiert werden, stehen 3,8 Billionen Euro Vermögen gegenüber, die unter der Anwendung von Ausschlusskriterien angelegt werden und 2 Billionen, für die Stimmrechtsausübung und Engagement im Sinne von ESG Kriterien getätigt werden. Gleichzeitig ist der „Best-in-Class“-Ansatz ein Auswahlverfahren, das mit dem Anspruch eingeführt wurde, Unternehmen im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens zu beeinflussen. Es sollen keine Branchen ausgeschlossen werden, sondern es soll innerhalb der Branchen ein Wettbewerb initiiert werden, um alle Unternehmen der Branche zu Verbesserungen zu motivieren. Diesen Anspruch haben Ausschlusskriterien nicht.
ECOreporter.de: Wie fließen Nachhaltigkeitsratings in die Titelauswahl von nachhaltigen Fonds ein, die auf den „Best-in-Class“-Ansatz setzen?
Schneeweiß: Das ist sehr unterschiedlich. Einige kaufen nur die besten Unternehmen einer Branche und kombinieren dies sogar noch mit Ausschlusskriterien, verzichten also zusätzlich auf Investitionen in gewissen Branchen. Andere Investoren nehmen die Best-in-Class Bewertungen als eine Grundlage für die Gewichtung ihrer Investitionen. Sie kaufen dann bevorzugt Wertpapiere von gut bewerteten Unternehmen. Die Unternehmensvertreter haben mir gesagt, dass sie bisher keinerlei materiellen Vorteil oder Nachteil für ihre Kursentwicklung feststellen, wenn sie gut oder schlecht bewertet werden. Der Imageeffekt ist hier wichtiger.
ECOreporter.de: Wie haben Sie die Auswirkungen des Einflusses von „Best-in-Class“-Analysen auf Unternehmen untersucht?
Schneeweiß: Wir haben uns vier Branchen ausgewählt, deren Problematik wir gut kennen, die Branchen Textil, Bergbau, Einzelhandel und Nahrungsmittel. Dann haben wir alle Unternehmen dieser Branchen, die in dem wichtigsten Aktienindex eines europäischen Landes vertreten sind, angeschrieben und um ein Interview gebeten. Wir fragten 37 Unternehmen an und führten mit 22 Unternehmen aus sieben Ländern Interviews. Wichtig ist, dass es qualitative Experten-Interviews waren. Es ging uns mehr darum, offene Fragen zu stellen und einen Gesamteindruck davon zu erhalten, wie die Ratings in ein Unternehmen hinein wirken, um daraus Hypothesen entwickeln zu können. Das macht die Umfrage zwar weniger repräsentativ, aber führte zu interessanten Ergebnissen. So erklärten uns drei große europäische Bergbauunternehmen völlig unabhängig voneinander und ohne, dass diese Antwort vorgeschlagen wurde, dass für sie die Menschen, die in der Nähe ihrer Minen wohnen, die wichtigste Motivation für Veränderungen darstellen. Ein Gesprächspartner fügte hinzu: „Es tut mir leid zuzugeben, dass viele Menschen jetzt sagen würden, dass sie davon nicht viele Anzeichen gesehen haben“.
Die Fragen waren jedoch so weit standardisiert, dass die Antworten vergleichbar waren und dass man sagen kann, für welche Anzahl der Unternehmen die Ratings welche Bedeutung haben und dass sie z.B. insgesamt mehr Einfluss haben als Ausschlusskriterien.
Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass wir wenigstens von ein paar Beispielen konkreter Veränderungen in Unternehmen erfahren, deren Auswirkungen wir dann mit Hilfe von Partnern vor Ort überprüfen können. Dies war leider nicht der Fall. Nur zwei der Unternehmen nannten Veränderungen, die sie aufgrund von Nachhaltigkeitsratings durchgeführt haben und diese bezogen sich auf die Strategie des Unternehmens. Hier konnte man nichts Konkretes nachprüfen.
ECOreporter.de: Gab es einen konkreten Anlass für Ihre Studie?
Schneeweiß: Nein, reine Neugierde, nachdem ich über 20 Jahre in dem Bereich arbeite. Das Ergebnis hat mich überrascht.
ECOreporter.de: Wie aussagekräftig sind „Best-in-Class“-Analysen?
Schneeweiß: Dies ist neben der Wirkung der nächste kritische Punkt. Neun der 22 Unternehmen äußerten große Zweifel an der Objektivität der Ratings.
Sie erleben, dass sie im Jahr eine Reihe sehr unterschiedlicher Fragebögen beantworten und dann je nach Methode ganz unterschiedlich abschneiden. Oft haben sie selbst Nachhaltigkeitssysteme installiert, kennen ihre Probleme und wundern sich über manche Fragen der Ratings. Dieses Problem wurde von einigen Ratingagenturen allerdings schon erkannt, und man arbeitet an Lösungen.
Nichtregierungsorganisationen, die ich auch zu diesem Punkt befragte, sind da noch kritischer. Sie sagen, dass sie die Bewertungen nicht nachvollziehen können und sie z.B. von den Menschen, die in den Zulieferketten arbeiten, ein ganz anderes Bild von den Unternehmen bekommen als es die Ratings liefern.
Bildhinweis: Minen von Bergbaukonzernen ähneln häufig einer Mondlandschaft. Dennoch ist diese Branche für Best-in-class-Fonds nicht tabu. / Quelle. Fotolia
ECOreporter.de: Welchen Einfluss haben nachhaltige Fonds, die auf den „Best-in-Class“-Ansatz setzen?
Schneeweiß: Die Fonds sind noch einmal ein Stück weiter weg von der Realität der Unternehmen als die Ratingagenturen. Die Wirkung ist hier sehr indirekt. Der Fonds ist ein Teil der Kapitalmenge, auf die eine Ratingagentur verweist, wenn sie mit ihren Fragen an Unternehmen herantritt. Nur niemand weiß genau, welcher Fondsmanager welche Schlüsse aus einem Rating zieht. Für Unternehmen ist es deshalb unmöglich, auf die Entscheidungen eines Fondsmangers zu reagieren, selbst wenn sie dies wollten.
ECOreporter.de: Wie könnten nachhaltige Fonds, die auf den „Best-in-Class“-Ansatz setzen, ihren Einfluss auf Unternehmen verbessern?
Schneeweiß: Manchmal habe ich den Eindruck, dass auch für Nachhaltigen Investment etwas gilt, was in letzter Zeit bei den konventionellen Finanzmärkten kritisiert wird. Es fällt auch den nachhaltig arbeitenden Fondsmanagern schwer, den Kontakt zur Nachhaltigkeits- Realität der Unternehmen herzustellen. Die reale Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens wird auch hier in schwer zu durchschauenden und im Hinblick auf ihren Realitätsgehalt oft nicht mehr überprüfbaren Diagrammen, Tabellen und Listen abgebildet. Die Ratings sprechen die Sprache der konventionellen Finanzmärkte. Das ist ihre Stärke. So haben sie den Zugang in diese Welt bekommen. Der Preis dafür scheint mir jedoch hoch: Sie laufen Gefahr, den Kontakt zur Realität der Nachhaltigkeitsbemühungen, die in ihrer Komplexität eben nicht in Listen und Diagrammen abbildbar ist, zu verlieren. Aus meiner Sicht verbesserte sich der Einfluss nachhaltiger Investoren, wenn sie sich mehr für die Realität hinter den Ratings interessierten und hier Nachforschungen anstellen und unbequeme Fragen stellen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn man den „Best-in-Class“-Ansatz mit einem aufwendigen Engagement-Ansatz kombiniert.
ECOreporter.de: Sehen Sie nachhaltige Fonds mit anderen Auswahlstrategien vor ähnlichen Herausforderungen, um mehr Nachhaltigkeit von Unternehmen zu erreichen?
Schneeweiß: Ja. Denn deutlich wurde, dass z.B. auch die Berücksichtigung von Ausschlusskriterien nichts bewirkt. Aber man kann sie mit einem ehrgeizigen Engagement kombinieren. Das für die Studie recherchierte Beispiel des norwegischen Pensionsfonds NPF belegt dies, der Druck auf die Bayer AG ausgeübt hat, damit sie sich bemüht, die Kinderarbeit auf den Farmen zu verringern, von denen sie in Indien Saatgut bezieht. Das hat dazu beigetragen, dass 2.000 Kinder nicht mehr auf Feldern arbeiten müssen, sondern in die Schule gehen können.
Nachhaltigkeitsratingagenturen gehen hier sehr unterschiedlich vor. Einige haben bereits jetzt einen ganz guten Kontakt zu Nicht-Regierungsorganisationen, andere sehen sich lediglich deren Publikationen an und stehen nicht in regelmäßigen Austausch. Ich würde mir hier die Etablierung einer „Best Practice“ vorstellen, an der sich gute Agenturen halten sollten, wenn sie von Investoren ernst genommen werden wollen.
ECOreporter.de: Frau Schneeweiß, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene ist ein wissenschaftliches Institut und auf Recherchen zum Thema wirtschaftliche, soziale und ökologische Gerechtigkeit spezialisiert. Die aktuelle Studie wurde von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen und der Union Investment Stiftung gefördert. Antje Schneeweiß ist die Autorin der Südwind-Studie, die stark in Frage stellt, ob dieser Ansatz funktioniert. ECOreporter.de hat sie zu den Ergebnissen ihrer Untersuchung befragt und ob nachhaltige Fonds mit anderen Auswahlstrategien vor ähnlichen Herausforderungen stehen.
ECOreporter.de: Welche Rolle spielt der „Best-in-Class“-Ansatz im Bereich des nachhaltigen Investments?
Antje Schneeweiß: Vom Volumen her spielt er eine eher geringe Rolle. Den 283 Milliarden Euro Kapital, die im Sinne des „Best-in-Class“-Ansatzes investiert werden, stehen 3,8 Billionen Euro Vermögen gegenüber, die unter der Anwendung von Ausschlusskriterien angelegt werden und 2 Billionen, für die Stimmrechtsausübung und Engagement im Sinne von ESG Kriterien getätigt werden. Gleichzeitig ist der „Best-in-Class“-Ansatz ein Auswahlverfahren, das mit dem Anspruch eingeführt wurde, Unternehmen im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens zu beeinflussen. Es sollen keine Branchen ausgeschlossen werden, sondern es soll innerhalb der Branchen ein Wettbewerb initiiert werden, um alle Unternehmen der Branche zu Verbesserungen zu motivieren. Diesen Anspruch haben Ausschlusskriterien nicht.
ECOreporter.de: Wie fließen Nachhaltigkeitsratings in die Titelauswahl von nachhaltigen Fonds ein, die auf den „Best-in-Class“-Ansatz setzen?
Schneeweiß: Das ist sehr unterschiedlich. Einige kaufen nur die besten Unternehmen einer Branche und kombinieren dies sogar noch mit Ausschlusskriterien, verzichten also zusätzlich auf Investitionen in gewissen Branchen. Andere Investoren nehmen die Best-in-Class Bewertungen als eine Grundlage für die Gewichtung ihrer Investitionen. Sie kaufen dann bevorzugt Wertpapiere von gut bewerteten Unternehmen. Die Unternehmensvertreter haben mir gesagt, dass sie bisher keinerlei materiellen Vorteil oder Nachteil für ihre Kursentwicklung feststellen, wenn sie gut oder schlecht bewertet werden. Der Imageeffekt ist hier wichtiger.
ECOreporter.de: Wie haben Sie die Auswirkungen des Einflusses von „Best-in-Class“-Analysen auf Unternehmen untersucht?
Schneeweiß: Wir haben uns vier Branchen ausgewählt, deren Problematik wir gut kennen, die Branchen Textil, Bergbau, Einzelhandel und Nahrungsmittel. Dann haben wir alle Unternehmen dieser Branchen, die in dem wichtigsten Aktienindex eines europäischen Landes vertreten sind, angeschrieben und um ein Interview gebeten. Wir fragten 37 Unternehmen an und führten mit 22 Unternehmen aus sieben Ländern Interviews. Wichtig ist, dass es qualitative Experten-Interviews waren. Es ging uns mehr darum, offene Fragen zu stellen und einen Gesamteindruck davon zu erhalten, wie die Ratings in ein Unternehmen hinein wirken, um daraus Hypothesen entwickeln zu können. Das macht die Umfrage zwar weniger repräsentativ, aber führte zu interessanten Ergebnissen. So erklärten uns drei große europäische Bergbauunternehmen völlig unabhängig voneinander und ohne, dass diese Antwort vorgeschlagen wurde, dass für sie die Menschen, die in der Nähe ihrer Minen wohnen, die wichtigste Motivation für Veränderungen darstellen. Ein Gesprächspartner fügte hinzu: „Es tut mir leid zuzugeben, dass viele Menschen jetzt sagen würden, dass sie davon nicht viele Anzeichen gesehen haben“.
Die Fragen waren jedoch so weit standardisiert, dass die Antworten vergleichbar waren und dass man sagen kann, für welche Anzahl der Unternehmen die Ratings welche Bedeutung haben und dass sie z.B. insgesamt mehr Einfluss haben als Ausschlusskriterien.
Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass wir wenigstens von ein paar Beispielen konkreter Veränderungen in Unternehmen erfahren, deren Auswirkungen wir dann mit Hilfe von Partnern vor Ort überprüfen können. Dies war leider nicht der Fall. Nur zwei der Unternehmen nannten Veränderungen, die sie aufgrund von Nachhaltigkeitsratings durchgeführt haben und diese bezogen sich auf die Strategie des Unternehmens. Hier konnte man nichts Konkretes nachprüfen.
ECOreporter.de: Gab es einen konkreten Anlass für Ihre Studie?
Schneeweiß: Nein, reine Neugierde, nachdem ich über 20 Jahre in dem Bereich arbeite. Das Ergebnis hat mich überrascht.
ECOreporter.de: Wie aussagekräftig sind „Best-in-Class“-Analysen?
Schneeweiß: Dies ist neben der Wirkung der nächste kritische Punkt. Neun der 22 Unternehmen äußerten große Zweifel an der Objektivität der Ratings.

Nichtregierungsorganisationen, die ich auch zu diesem Punkt befragte, sind da noch kritischer. Sie sagen, dass sie die Bewertungen nicht nachvollziehen können und sie z.B. von den Menschen, die in den Zulieferketten arbeiten, ein ganz anderes Bild von den Unternehmen bekommen als es die Ratings liefern.
Bildhinweis: Minen von Bergbaukonzernen ähneln häufig einer Mondlandschaft. Dennoch ist diese Branche für Best-in-class-Fonds nicht tabu. / Quelle. Fotolia
ECOreporter.de: Welchen Einfluss haben nachhaltige Fonds, die auf den „Best-in-Class“-Ansatz setzen?
Schneeweiß: Die Fonds sind noch einmal ein Stück weiter weg von der Realität der Unternehmen als die Ratingagenturen. Die Wirkung ist hier sehr indirekt. Der Fonds ist ein Teil der Kapitalmenge, auf die eine Ratingagentur verweist, wenn sie mit ihren Fragen an Unternehmen herantritt. Nur niemand weiß genau, welcher Fondsmanager welche Schlüsse aus einem Rating zieht. Für Unternehmen ist es deshalb unmöglich, auf die Entscheidungen eines Fondsmangers zu reagieren, selbst wenn sie dies wollten.
ECOreporter.de: Wie könnten nachhaltige Fonds, die auf den „Best-in-Class“-Ansatz setzen, ihren Einfluss auf Unternehmen verbessern?
Schneeweiß: Manchmal habe ich den Eindruck, dass auch für Nachhaltigen Investment etwas gilt, was in letzter Zeit bei den konventionellen Finanzmärkten kritisiert wird. Es fällt auch den nachhaltig arbeitenden Fondsmanagern schwer, den Kontakt zur Nachhaltigkeits- Realität der Unternehmen herzustellen. Die reale Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens wird auch hier in schwer zu durchschauenden und im Hinblick auf ihren Realitätsgehalt oft nicht mehr überprüfbaren Diagrammen, Tabellen und Listen abgebildet. Die Ratings sprechen die Sprache der konventionellen Finanzmärkte. Das ist ihre Stärke. So haben sie den Zugang in diese Welt bekommen. Der Preis dafür scheint mir jedoch hoch: Sie laufen Gefahr, den Kontakt zur Realität der Nachhaltigkeitsbemühungen, die in ihrer Komplexität eben nicht in Listen und Diagrammen abbildbar ist, zu verlieren. Aus meiner Sicht verbesserte sich der Einfluss nachhaltiger Investoren, wenn sie sich mehr für die Realität hinter den Ratings interessierten und hier Nachforschungen anstellen und unbequeme Fragen stellen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn man den „Best-in-Class“-Ansatz mit einem aufwendigen Engagement-Ansatz kombiniert.
ECOreporter.de: Sehen Sie nachhaltige Fonds mit anderen Auswahlstrategien vor ähnlichen Herausforderungen, um mehr Nachhaltigkeit von Unternehmen zu erreichen?
Schneeweiß: Ja. Denn deutlich wurde, dass z.B. auch die Berücksichtigung von Ausschlusskriterien nichts bewirkt. Aber man kann sie mit einem ehrgeizigen Engagement kombinieren. Das für die Studie recherchierte Beispiel des norwegischen Pensionsfonds NPF belegt dies, der Druck auf die Bayer AG ausgeübt hat, damit sie sich bemüht, die Kinderarbeit auf den Farmen zu verringern, von denen sie in Indien Saatgut bezieht. Das hat dazu beigetragen, dass 2.000 Kinder nicht mehr auf Feldern arbeiten müssen, sondern in die Schule gehen können.
Nachhaltigkeitsratingagenturen gehen hier sehr unterschiedlich vor. Einige haben bereits jetzt einen ganz guten Kontakt zu Nicht-Regierungsorganisationen, andere sehen sich lediglich deren Publikationen an und stehen nicht in regelmäßigen Austausch. Ich würde mir hier die Etablierung einer „Best Practice“ vorstellen, an der sich gute Agenturen halten sollten, wenn sie von Investoren ernst genommen werden wollen.
ECOreporter.de: Frau Schneeweiß, wir danken Ihnen für das Gespräch.