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Neuordnung der freien Finanzberatung weitgehend geklärt – Experte warnt vor "regulatorischem Flickenteppich"




Mit der Zustimmung des Bundesrates zur FinVermV ist das zweite und letzte Gesetzeswerk zur Neuordnung der Finanzberatung verabschiedet worden. Diese zielt darauf ab, Anleger besser vor Falschberatungen und Vermögensverlusten schützen. In 2011 hatte die Bundesregierung neue Regeln für die Beratung durch Banken eingeführt. Für die rund 70.000 freien Vermittler in Deutschland sollen nun vergleichbare Standards gelten. Damit die Verbraucher auf einem vergleichbaren Niveau beraten werden, unabhängig davon, ob sie Finanzanlagen über Banken oder über freie Vermittler erwerben wollen.

Um für den Beruf zugelassen zu werden,müssen angehendeFinanzvermitter künftig zusätzliche Ansprüche erfüllen. Dazu gehört vor allem die Sachkundeprüfung. Hierzu wurden nun weitere Einzelheiten festgelegt. Vermittler und alle Mitarbeiter, die direkt an der Beratung beteiligt sind, müssen eine solche Sachkundeprüfung ablegen. Bisher genügte Vermittlern eine Gewerbeerlaubnis, um geschlossene Fonds oder andere Beteiligungen anbieten zu dürfen. Dieser Sachkundenachweis wird ab dem 1. Januar 2013 verlangt. Für einen Teil der bereits tätigen Finanzvermitter legt die neue Regelung eine Übergangsfrist fest: Anlageberater, die bereits eine Gewerbeerlaubnis nach § 34f GewO (Gewerbeordnung) für die Anlagevermittlung und -beratung besitzen, haben bis Ende 2014 Zeit, ihre Sachkunde nachweisen. Wer diese Gewerbeerlaubnis nicht hat, muss bereits zum Stichtag 1. Januar 2013 alle Voraussetzungen für die Zulassung komplett erfüllen, um als freier Vermittler arbeiten zu dürfen.

Die Sachkundeprüfung wird von der regionalen Industrie- und Handelskammer (IHK) abgenommen. Laut Frank Rottenbacher, Vorstand beim Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW), der berufsständische Interessenvertretung unabhängiger Finanzdienstleister, kann die Sachkundeprüfung „Finanzanlagenfachmann/-frau (IHK)“ erstmals zum 1.Januar 2012 abgelegt werden. Sie soll in die Fachrichtungen Investmentfonds, geschlossene Fonds sowie Vermögensanlagen und Genossenschaftsanteile aufgeteilt werden. Auf Wunsch kann die Prüfung auch nur für einen Bereich abgelegt  werden, um dann die Zulassung zu beantragen.

Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Letzterer ist an der praktischen Gesprächssituation ausgerichtet. Bei der Prüfung stehen zum einen Aspekte der Kundenberatung im Vordergrund, also das Ermitteln des Anlagebedarfs von Kunden, das Entwickeln von Lösungsmöglichkeiten und das Informieren über Anlageprodukte. Zum anderen müssen die Prüfungskandidaten fachliche Kenntnisse insbesondere über rechtliche und steuerliche Grundlagen nachweisen. Wie Rottenbacher weiter erläutert, kann die IHK-Sachkundeprüfung beliebig oft wiederholt werden. Damit sei nun eine zur Versicherungsvermittlung identische Regelung getroffen worden. Der AfW-Vorstand betont, dass Vermittler entgegen den bisherigen Plänen nun doch nicht verpflichtet werden, vor der Prüfung einen 200 Stunden umfassenden Lehrgang zu absolvieren.

Es muss auch nicht jeder freie Finanzvermittler diese Sachkundeprüfung ablegen. Etliche Berufsqualifikationen oder deren Nachfolgeberufe werden als ausreichender Sachkundenachweis anerkannt. Dies gilt etwa für Bank- oder Fachwirte für Versicherungen und Finanzen, Fachwirte für Finanzberatung, Investmentfachwirte, Bank- oder Sparkassenkaufleute und für studierte Betriebswirte. Wer einen Abschluss als Kaufmann oder -frau für Versicherungen und Finanzen oder als Fachberater/-in für Finanzdienstleistungen nebst mehrjähriger Berufserfahrung nachweisen kann, gilt ebenfalls als ausreichend sachkundig.

Eine weitere Sonderregelung betrifft die so genannten „Alten Hasen“. Erfahrene Finanzvermittler, die seit dem 1. Januar 2006  ununterbrochen  tätig sind, müssen demnach keine Sachkundeprüfung ablegen. Das gilt sowohl für selbststänge oder angestellte Vermittler. Laut dem AfW müssen sie aber „die ununterbrochene Tätigkeit durch Vorlage der erteilten Erlaubnis und die lückenlose Vorlage der Prüfungsberichte nach Paragraf 16 Absatz 1 Satz 1 der Makler- und Bauträgerverordnung nachweisen“. Allein der Nachweis der Gewerbeerlaubnis würde demnach nicht ausreichen. Nicht selbständige Anlageberater müssen eine Bestätigung des Arbeitgebers, einen Arbeitsvertrag oder Arbeitszeugnisse vorlegen, um in den Genuss der Alte-Hasen-Regelung zu gelangen.

Diese Regelung birgt jedoch manchen Fallstrick. Darauf weist zumindest GPC Law hin, eine auf den Finanzdienstleistungssektor spezialisierte Anwaltskanzlei aus Berlin.  Schwierig wird es laut deren Geschäftsführer Dietmar Goerz für Berater, die dem Gewerbeamt als Ersatz für den Prüfbericht eine Negativmeldung vorgelegt haben. Eine solche Negativmeldung informiert darüber, dass in einem bestimmten Zeitraum keine Kapitalanlagen vermittelt wurden.  „Wer dem Gewerbeamt eine Negativmeldung vorgelegt hat, hat damit unwiderruflich eine Unterbrechung seiner Tätigkeit als Kapitalanlagevermittler belegt“, so Goerz: „Negativmeldung vorgelegt, heißt Qualifikation vorweisen!“

Problematisch ist es auch dann, wenn zwar Kapitalanlagen vermittelt wurden, aber für einen längeren Zeitraum keine Prüfberichte eingereicht wurden. „Da viele Gewerbeämter die Vorlage der Prüfberichte nicht regelmäßig kontrollieren, haben sich viele Vermittler die Einreichung gespart“, meint Goerz. Vermittler auf die das zutrifft, könnten nach Einschätzung des  Rechtsanwalt auf die Idee kommen, die Berichte nachzureichen, um sich die ‚Alte-Hasen-Regelung‘ zu sichern. „Theoretisch ginge das“, meint Goerz. Zwar sehe die MaBV vor, dass die Berichte bis zum Ende des folgenden Jahres eingereicht werden müssen. Die Pflicht zur Vorlage bleibe danach aber weiter bestehen. Somit müsse es grundsätzlich auch möglich sein, die Berichte später nachzureichen. Aber er warnt: „Ein Nachreichen von Prüfberichten bringt weitreichende Konsequenzen mit sich.“ Nach Ansicht des Anwaltes kann bei einer Nachreichung der Prüfberichte schnell ein vierstelliger Betrag zusammen kommen. Denn es müssten die Kosten für einen geeigneten Prüfer aufgewandt werden, der mehrere zurückliegende Jahre prüft.  Wobei Goerz betont, dass etwa der Steuerberater nicht ein solcher „geeigneter Prüfer“ sei.  Und wenn die Pflicht zur Vorlage des Prüfberichtes verletzt werde, könne dies als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro geahndet werden. Dies drohe insbesondere, wenn die Prüfberichte für mehrere Jahre nicht vorgelegt wurden.

Viele Experten begrüßen die neuen Anforderungen an die freien Vermittler. Der Beruf des Anlageberaters werde dadurch aufgewertet, stellt etwa Norbert Lammers dazu fest, Geschäftsführer der Deutschen Makler Akademie. AfW-Vorstand Frank Rottenbacher sagt: „Wir begrüßen die Regulierung und erwarten einen Professionalitätsschub für die gesamte Branche.“

Bildhinweis: Frank Rottenbacher. / Quelle: AfW

Neben der Sachkunde müssen freie Finanzvermittler ab 2013 auch eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung nachweisen, die Vermögensschäden aus fehlerhafter Vermittlung oder Beratung abdecken kann. Die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung muss Vermögensschäden bis 1,13 Millionen Euro pro Versicherungsfall abdecken bzw. 1,7 Millionen Euro für alle Versicherungsfälle eines Jahres. Daneben werden noch die gewerberechtliche Zuverlässigkeit verlangt und so genannte geordnete Vermögensverhältnisse, um als Finanzvermittler zugelassen zu werden. Das bedeutet, dass innerhalb der letzten fünf Jahre gegen einen Antragsteller keine rechtkräftige Verurteilung wegen Vermögensdelikten oder Insolvenzstraftaten erfolgt sein darf und auch keine Einträge im Schuldnerverzeichnis vorliegen oder ein aktuelles Insolvenzverfahren läuft.

Wenn all diese Bedingungen erfüllt sind, kann die Zulassung zum freien Finanzvermittler nach § 34f GewO (Gewerbeordnung) beantragt werden, wobei immer noch nicht definitiv geklärt ist, welche Behörde dafür zuständig sein soll. „Jedes Bundesland kann leider für sich entscheiden, ob es die Gewerbeämter oder die IHKn damit beauftragt. Eine zentrale Anlaufstelle für Vermittler wird es also nicht in jedem Bundesland geben“ beschreibt Rottenbacher die jetzige Situation. „Wir fordern die Länder auf, sich auf die IHK als Erlaubnisstelle zu einigen. Das spart Bürokratiekosten für unsere Mitglieder und würde einen regulatorischen Flickenteppich verhindern“, so Rottenbacher weiter.

Rechtsanwalt Christoph Kürn von der Kanzlei Kürn+Baumaus München rät Anlageberatern dazu, lange Zeiten für das Erlaubnisverfahren einzukalkulieren und daher die Anträge möglichst früh einzureichen. Wenn lokale Behörden von ihrem Bundesland damit beauftragt würden, die Zulassung zum freien Finanzvermittler zu bearbeiten, müssten diese sich erst einmal darauf einstellen.

Liegt dann die Erlaubnis vor, greift eine weitere Neuregelung: freie Berater sind fortan verpflichtet, sich über die Gewerbeämter oder die jeweilige IHK in ein öffentliches Vermittlerregister eintragen zu lassen. Ist auch dies geschehen, müssen sie die neuen Regeln für die Kundenberatung beachten. Das neue Gesetz schreibt ihnen vor, dass Vermittler ihre Kunden über Provisionen informieren, ihnen Kurzinformationsblätter über Chancen und Risiken von Produkten bereitstellen und ein Beratungsprotokoll anfertigen.
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