Erneuerbare Energie

Öl-Krise für Erneuerbare Energien? - Wie Experten die Auswirkungen der niedrigen Ölpreise beurteilen



In den Jahren vor der weltweiten Finanzkrise brummte die Weltwirtschaft. Entsprechend groß war der Hunger nach Öl. Der Preis für den Schmierstoff der Weltwirtschaft stieg sprunghaft an, allein von Mitte 2007 bis Mitte 2008 verdoppelte er sich auf rund 140 Dollar pro Barrel Öl (Brent Crude Oil). Davon profitierten die Aktienkurse von Erneuerbare Energie Unternehmen. Denn die Börsianer schlossen aus dem hohen Verbrauch des klimaschädlichen Brennstoffes darauf, dass entsprechend auch der zukünftige Bedarf an klimaschonender Technologie zunimmt. Schließlich muss die Klimabelastung kompensiert werden und ist der Preis für Erdgas an den Ölpreis gekoppelt. Mit steigenden Gaspreisen wiederum erhöht sich die Wettbewerbsfähigkeit etwa von Wind- und Solarkraftwerken gegenüber Gaskraftwerken. Das sei vor allem in den USA ein wichtiges Argument für Erneuerbare Energien, erläutert Arthur Hoffmann, Fondsmanager des Sarasin New Power Fund. Dort korreliere etwa in Kalifornien, einem Bundesstaat mit der Wirtschaftsmacht Italiens, auch der Strompreis mit dem Ölpreis.

Doch mit dem weltweiten Konjunktureinbruch hat sich Öl stark verbilligt, die lahmende Weltwirtschaft benötigt deutlich weniger als in den Jahren zuvor. Das Barrel kostet derzeit so wenig wie zuletzt 2005. Sinkt damit auch die Attraktivität von Erneuerbarer Energie? Werner Zittel ist vom Gegenteil überzeugt. Der Energieexperte der Ludwig Bölkow Systemtechnik GmbH (LBST) forderte kürzlich gegenüber den VDI nachrichten sogar, jetzt noch stärker in alternative Energien zu investieren. Denn die Förderung von Öl sei bereits seit Jahren rückläufig, die Verfügbarkeit von Öl und Gas werde immer weiter abnehmen. Schon jetzt müsse man darauf reagieren, den Verbrauch reduzieren und die Alternativen aufbauen.

Offenbar können die die Erdölproduzenten schon länger die Nachfrage nur unzureichend bedienen. Das weltweite Maximum der Förderung wurde bereits 2006 erreicht. In rund zwei Drittel der 48 wichtigsten Förderländer ist die Förderung rückläufig. In Norwegen zum Beispiel seit dem Jahr 2001, in Mexiko seit 2000, in Malaysia seit 1997 und in den USA sogar schon seit 1971. Selbst Russland droht ein Rückgang. Gegenwärtig werden 37 Prozent des Primärenergieverbrauchs mit Erdöl gedeckt. „Öl  wird der erste Energierohstoff sein, bei dem eine echte Verknappung durch die Endlichkeit der Ressource spürbar wird“, meint Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel, Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) aus Hannover. Die Förderung von leicht und günstig zu gewinnendem Erdöl droht laut einer aktuellen Untersuchung der BGR schon bald an ihre Grenzen zu stoßen. Und obwohl man intensiv nachforscht, werden jedes Jahr fünfmal mehr Ölreserven verbraucht als neue gefunden.

Auch dass es jenseits der Ölreserven noch weitere Ressourcen gibt, also derzeit nicht erschließbare Ölvorkommen, hilft kaum weiter. Zusätzliche Potenziale für Erdöl existieren nach Angaben der BGR allenfalls noch in der Arktis und in den Tiefwasserbereichen der Ozeane entlang der Kontinentränder. Aber deren Förderung ist von vielen Unwägbarkeiten abhängig und nur unter extrem hohen finanziellen und ökologischen Belastungen möglich.

Angesichts des derzeit niedrigen Ölpreises verringern viele Ölkonzerne gegenwärtig die Investitionen in neue Förderkapazitäten, weshalb erste Engpässe schon in wenigen Jahren drohen. Ein weiteres Problem: die Angaben über Ölvorräte stehen auf wackeligen Füßen, in den letzten Jahren haben Ölkonzerne über wie etwa Shell ihre Angaben drastisch nach unten korrigieren müssen. Die Vorratsprognosen vor allem der arabischen OPEC-Länder - der weltweit größten Öllieferanten - gelten ohnehin als völlig undurchsichtig. Hinzu kommt, dass es die meisten Ölvorkommen in Regionen mit äußerst instabilen politischen Verhältnissen gibt.

Nach Einschätzung von Kümpel wird bereits um das Jahr 2017 die Hälfte aller Ölvorkommen weltweit ausgeschöpft sein, womöglich schon früher. Nach diesem “Depletion Midpoint” (dmp) würden Nachfrage und Angebot deutlich auseinander laufen, sei mit explodierenden Ölpreisen zu rechnen. Denn die schwache Konjunktur bremst den Ölbedarf nur vorübergehend und verhältnismäßig schwach. Die Nachfrage aus den aufholenden Wirtschaftregionen wie etwa Indien und China wird nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) steil anspringen. Sie geht davon aus, dass die Förderung von Öl bis 2030 um 55 Prozent steigen müsste, um wenigstens den zu erwartenden Nachfrageanstieg zu decken.

Dabei kollabiert das System eben nicht erst, wenn kein Tropfen Öl mehr zu haben ist. Welche Auswirkungen schon geringe Engpässe auf den Ölpreis haben, zeigten in den letzten Jahren die Preisexplosionen, die durch den 2. Golfkrieg oder die Hurrikanschäden an Ölplattformen der USA verursacht wurden. Sie gaben damit einen Vorgeschmack auf das Ende des Erdölzeitalters, das laut Experten wie Zittel womöglich bereits eingeläutet wurde. Worüber der aktuell niedrige Ölpreis nur hinweg täuscht, während die Branche der Erneuerbaren Energien bereits die Zukunft vorbereitet.

Deren gegenwärtiges Wachstum hängt lauf Sarasin-Experte Hoffmann zwar in erster Linie von den Einspeisevergütungen ab, wie die meisten europäischen Staaten sie für Grünstrom eingeführt haben. Doch indirekt sei auch der Ölpreis für den Sektor von Bedeutung. „Hohe Energiepreise schaffen politischen Druck, sich von fossilen Brennstoffen unabhängiger zu machen“, so der Fondsmanager. Dieser Druck dürfte in den kommenden Jahren deutlich wachsen.


Bildhinweis: Ölplattform von Shell. / Quelle jeweils : Unternehmen
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