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Rendite mit Krediten für die Kleinsten - ECOreporter.de-Interview mit der Mikrofinanzexpertin Antonella Notari Vischer





ECOreporter.de: Auf welches Fondsvolumen kommt der Dexia Micro-Credit Fund?
Antonella Notari Vischer: Das Gesamtvermögen des Dexia Micro-Credit Funds (DMCF) betrug am 4. Februar 2009 408 Millionen US-Dollar. Nähere Angaben enthält der Monatsbericht für Januar 2009. Er ist wie alle Opens external link in new windowMonatsberichte des DMCFs der vergangenen 12 Monate auf dessen Webseite frei zugänglich.

ECOreporter.de: Was kommt von dem gesamten Fondsvolumen des Dexia Micro-Credit Fund bei den Mikrofinanzinstituten an und wie viel davon bei den Kreditnehmern?
Antonella Notari Vischer: Am 4. Februar betrug das Mikrofinanzportfolio des DMCFs 387 Millionen Dollar. Das entspricht dem Betrag, der den Mikrofinanzinstitutionen ausgezahlt wurde.
Die Mikrofinanzinstitutionen (MFIs) sind nicht verpflichtet, die Darlehen nur für das Portfoliowachstum einzusetzen. Sie dürfen über die Darlehen aus dem DMCF nach ihrem Ermessen verfügen, soweit dies zur Verbesserung ihrer Dienstleistungen beiträgt. Zum Beispiel, können sie das Geld dazu benutzen, um Zweigstellen zu eröffnen, um ihr IT System zu verbessern, um Kosten für neue Projekte zu decken oder um zusätzliches Personal anzustellen. Das bedeutet, dass in einigen Fällen das Darlehen an MikrounternehmerInnen weiterverliehen wird und in andren Fällen zur Verbesserung der Kapazitäten dient.

ECOreporter.de: Warum investiert der Dexia Micro-Credit Fund in Mikrofinanzinstitute in bestimmten Ländern und in anderen nicht? Welche Auswahlkriterien gibt es dafür?
Antonella Notari Vischer: Der DMCF investiert in Ländern, wo eine Nachfrage für die Erhöhung der Mikrofinanzdienstleistungen besteht. Zudem müssen dort die Mittel von den Mikrofinanzinstitutionen wirksam eingesetzt werden können, und es möglich sein, sie entweder in lokaler Währung mit einem Hedging abzusichern oder über eine harte Währungen einzusetzen.
Darüber hinaus, sind wir stets bemüht, die geographische Flächendeckung des DMCFs zu erweitern, und wir suchen weiter nach interessanten Partnerinstitutionen in Ländern, die weniger gut abgedeckt sind.
Es gibt keine Ausnahmeklauseln für bestimmte Länder per se.

ECOreporter.de: Nach welchen Kriterien werden die Mikrofinanzinstitute ausgesucht, denen der DMCF Geld zur Verfügung stellt?
Antonella Notari Vischer: Mikrofinanzinstitutionen, die Geld aus dem DMCF erhalten, sind meist solide, gut verwaltete, gewinnbringende, wachsende Institutionen (Tier 1), und einige sind vielversprechende, die auf dem Weg zum nachhaltigen Wachstum sind (Tier 2). Zudem müssen sie folgende Kriterien erfüllen:
•    sie müssen mindestens 3 Jahre operativ tätig sein;
•    Ihre Buchhaltung muss extern geprüft sein und sie müssen ein externes Rating erhalten haben;
•    sie müssen mindestens eine Million Dollar verwalten;
•    sie müssen nachhaltig und ertragreich wirtschaften.

ECOreporter.de: Wie wird überprüft, wie die MFIs die Mittel einsetzen?
Antonella Notari Vischer:
Bevor wir bei BlueOrchard entscheiden, ein Darlehen an eine MFI auszugeben, sammeln wir umfassende Informationen zu den MFI, einschließlich zu ihrer Mission, Zielen und Methoden. Das Hauptgeschäft der MFI muss es sein, finanzielle Dienste für arme und finanziell ausgeschlossene Bevölkerungsschichten anzubieten. Wir führen dann eine „due diligence“ vor Ort durch, einschließlich Besprechungen mit Personal auf allen Stufen und mit Kunden. Wir sammeln zudem Informationen aus Quellen, die im Mikrofinanzsektor zur Verfügung stehen und prüfen externe Ratings und Audits.
Der Kreditvorschlag wird dann dem BlueOrchard internen Kreditkommittee unterbreitet, wo die vorhandenen Informationen kritisch besprochen werden und wo beschlossen wird, ob, und wenn ja, zu welchen Bedingungen ein Darlehen gewährt wird.
MFIs, die aus dem DMCF ein Darlehen erhalten müssen monatlich über ihre Aktivitäten und Leistungen berichten. Zudem wird jede Partnerinstitution mindestens einmal jährlich besucht, damit wir vor Ort prüfen können, dass sie weiterhin mit der Ausrichtung des DMCFs übereinstimmt.
Durch den ganzen Prozess hindurch, schauen wir uns jeweils die Tätigkeiten der MFIs, ihre Verwaltung und ihre finanziellen sowie sozio-ökonomische Leistungen genau an.

ECOreporter.de: Überprüft der Fonds nur, was ihm die Investments in die Mikrofinanzinstitute einbringt oder auch, was diese Mittel vor Ort konkret bewirken?
Antonella Notari Vischer: Die finanzielle Nachhaltigkeit und die Gewinnerbringung sind wichtige Faktoren für unsere Zusammenarbeit mit MFIs im DMCF Portfolio, da sie die Beteiligung von individuellen und institutionellen Investoren langzeitig sichern und somit auch die Entwicklung und das Wachstum der Partnerinstitutionen und letztlich ihrer Kunden. Jedoch müssen natürlich die finanzielle Stabilität und das Wachstum der sozio-ökonomischen Entwicklung der Endkunden dienen, da dies dem grundsätzlichen Zweck von BlueOrchard und der „raison d’être“ (Daseinsberechtigung, die Red.) des DMCFs entspricht.
Die Analyse der sozialen Leistungen unserer Partnerinstitutionen ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit und wir prüfen u.a. durch Gespräche mit den MikrounternehmerInnen die Auswirkungen der Kredite auf ihre Lebensbedingungen. Wir haben uns für 2009 vorgenommen, unsere Berichterstattung zu den sozio-ökonomischen Leistungen, die der DMCF erzeugt, zu verbessern, und detailliertere Untersuchungen der sozialen Leistungen und gesellschaftlichen Verantwortungder MFIs auszuführen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen in die Berichterstattung an DMCF Investoren und ans interessierte Publikum einbezogen werden.

ECOreporter.de: Was will der Fonds konkret durch seine Investments bewirken?
Antonella Notari Vischer: Durch die Förderung von gewinnbringenden Tätigkeiten soll der DMCF arme Bevölkerungsschichten weltweit befähigen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Zudem soll der DMCF den Investoren einen stabilen Ertrag bieten, der aus der Finanzierung von MFIs gewonnen wird, die MikrounternehmerInnen in Entwicklungsländern finanzielle Dienstleistungen bieten.

ECOreporter.de: Gibt es Vorgaben oder Empfehlungen, für welche Bereiche oder Bevölkerungsgruppen die Mittel vorrangig zu vergeben sind?

Antonella Notari Vischer: Für alle MFIs, die durch den DMCF finanziert werden, überwachen wir den Anteil an weiblichen Kunden, die beruflichen Tätigkeiten der Kunden (Landwirtschaft, Dienstleistungen, Handwerk, etc.) und die Erfassung von besonders benachteiligten Gruppen. Diese Informationen werden vom BlueOrchard Kreditkommittee in Betracht gezogen in Hinsicht auf den spezifischen regionalen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontext. Wir schreiben aber MFIs nicht vor, welche Bevölkerungsgruppen oder Berufskategorien sie bedienen sollen.


ECOreporter.de: Wie wird überprüft, welche Auswirkungen es auf die Gesellschaft vor Ort hat, dass durch das Engagement des Mikrofinanzfonds mehr Kapital zur Verfügung steht?
Antonella Notari Vischer: Bei BlueOrchard messen wir die sozialen Leistungen, die man dem DMCF direkt oder indirekt zuschreiben kann, wobei wir Kriterien und Ansätze anwenden, die im Mikrofinanzsektor allgemein in Gebrauch sind.

ECOreporter.de: Inwiefern führt der Mittelzufluss westlicher Investoren über Mikrokredite in Regionen mit anderer Kultur zu einer „Kolonisation der Werte“, werden westliche Wertvorstellungen mittels Kreditvergabe durchgesetzt? Bindet der Dexia MicroCredit Partner vor Ort ein, um so etwas zu vermeiden?
Antonella Notari Vischer: Die Beziehung zwischen BlueOrchard und den Partnerinstitutionen im DMCF ist auf eine nachhaltige und langfristige Zusammenarbeit ausgerichtet, die das soziale Unternehmen in Entwicklungsländer zu fördern sucht. Die Mikrofinanz hat ihre Wurzeln in örtlichen Traditionen von Selbsthilfegruppen, Solidaritätskrediten usw., und eine der grössten Stärken vieler MFIs ist die örtliche Verankerung mit ihren Kunden. Solchen Institutionen Geld zu leihen, ist deshalb keineswegs eine Auferlegung westlicher Werte sondern im Gegenteil ein Erstellen von gemeinsamen  Werten im Aufbau eines einschliessenden Wirtschaftssystems.
Zudem greifen MFIs auf eine große Auswahl von finanziellen Mittel zurück, um ihre Aktivitäten zu finanzieren, zum einen örtliche Mittel, wie Ersparnisse und Darlehen von landeseigenen Institutionen, und auswärtige Mittel, wie die Darlehen aus dem DMCF. Diese Vielfältigkeit der Quellen ist gesund und trägt zur finanziellen Stabilität und Unabhängigkeit der MFIs bei.

ECOreporter.de: Im Falle eines Kreditausfalls droht dem Kreditnehmer im schlimmsten Fall die soziale Isolation, etwa wenn er zu einer Kreditgemeinschaft nicht seinen Beitrag leisten kann? Was wir getan, um dergleichen zu vermeiden?
Antonella Notari Vischer: Als Verwalter des DMCFs ist BlueOrchard Mitglied der Weltbankprinzipen zum Schutz der Kunden und wir ermutigen unsere Partnerinstitutionen sich zu versichern, dass Kunden durchgehend respektvoll und verantwortlich behandelt werden.

ECOreporter.de: Wächst nicht die Gefahr schwarzer Schafe unter den Mikrofinanzinstituten, wenn immer mehr Mittel in den Sektor fließen? Bis zu welchem Investitionsvolumen kann noch wirksam kontrolliert werden, was mit dem bereit gestellten Kapital geschieht?
Antonella Notari Vischer: Der Mikrofinanzsektor benötigt – wie jede andere Tätigkeit – starke Grundregeln und ausführliche Untersuchungen auf  allen Stufen und zu jeder Zeit. Die Weltbankprinzipien zum Kundenschutz folgen der Absicht, den Kundendienst der MFIs hohen Ansprüchen zu unterstellen. Was BlueOrchard anbelangt werden wir in unseren Beziehungen zu den Partnerinstitutionen des DMCF niemals irgendwelche Kompromisse eingehen, die unsere hohen Anforderungen und unseren ausgezeichneten Ruf in Frage stellen könnten. Wir haben die Arbeitsmittel, -weisen und -kräfte dem Wachstum des DMCFs stets angepasst, damit wir unserer Zielsetzung immer voll gerecht werden können und haben vor allem großen Wert auf die ausgezeichnete Qualität und solide Erfahrung unseres Personals gelegt. 

ECOreporter.de: Wie kann der Dexia MicroCredit dafür Gewähr leisten, dass er nicht in Konkurrenz zur Entwicklungshilfe und zu karitativen Organisationen gerät?
Antonella Notari Vischer: Wir sehen den DMCF nicht als Konkurrenz zu Entwicklungshilfe oder zu philanthropischen Initiaitiven. Denn der DMCF soll für Investoren einen Ertrag durch die Finanzierung von MFIs erzielen, die selbstständig sind. Der DMCF kann daher als Ergänzung dienen zu den oft frühzeitigen Unterstützungen an MFIs aus der Entwicklungshilfe und der Philanthropie. Die Rolle des DMCFs ist es, kommerzielle Mittel für die Finanzierung von MFIs zu finden, die Zugang zu weiteren Mittel brauchen und die über die Abhängigkeit von Geldgebern oder Subventionen herausgewachsen sind. Dadurch, dass der DMCF diese Nachfrage erfüllt, können Entwicklungs- und Philanthropiehilfen an kleinere, ausgesetztere MFIs fließen.

ECOreporter.de: Frau Vischer, wir danken Ihnen für das Gespräch.


ECOreporter.de veröffentlichte bereits Interviews mit anderen Mikrofinanzfonds. Per Mausklick gelangen Sie zu den Beiträgen über den Opens external link in new windowresponsAbility Global Microfinance Fund und den Opens external link in new windowWallberg Global Microfinance Fund.


Bildhinweis: Antonella Notari Vischer; Mikrofinanzkunden: eine Händlerin auf den Philippinen, Gitarrenbauer aus der Mongolei. / Quelle: BlueOrchard

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