Erneuerbare Energie

Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert Deckelung des Photovoltaik-Ausbaus - zu Recht?



Dieses unabhängige Expertengremium analysiert für die Bundesregierung die Umweltsituation in Deutschland. Heute hat es eine Studie mit dem Titel "Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung" vorgelegt. Darin sprechen sich die Gutachter für eine absolute jährliche Obergrenze der geförderten Solarstrom-Kapazitäten aus. Dieser Deckel müsse eine jährliche Obergrenze für die Solarförderung von 1.000 Megawatt (MW) festlegen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden in der Bundesrepublik neue Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von rund 7.000 MW aufgestellt. Die deutsche Gesamtleistung erreichte damit 17.000 MW.

Der Sachverständigenrat geht in seiner Studie davon aus, dass 2010 in der Deutschland neue Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von rund 9.000 MW errichtet wurden. Diese Schätzung liegt weiter über den rund 7.000 MW, die neben dem BSW Solar auch das Bundesumweltministerium ermittelt hat. Der BSW Solar ist der Bundesverband der deutschen Solarwirtschaft. Er kritisiert, dass die Studie nicht die Kürzungen der Solarstromtarife zum 1. Juli dieses Jahres einkalkuliert, die Bundesumweltminister Norbert Röttgen in Abstimmung mit dem BSW Solar angekündigt hat (wir Opens external link in new windowberichteten).

Der Verband weist die Forderung nach einer Deckelung des Photovoltaikzubaus zurück. "Ein starrer Marktdeckel würde den weiteren Ausbau der Photovoltaik abwürgen und Tausende Unternehmen und Arbeitsplätze in Deutschland gefährden", sagt Carsten Körnig, Geschäftsführer des BSW-Solar. Ein solcher Schritt spare keine Kosten, sondern verhindere, dass sich die in den vergangenen Jahren getätigten Investitionen volkswirtschaftlich auszahlen. "Welche verheerenden Auswirkungen ein fixer Markt-Deckel auf die Photovoltaik-Technologie haben kann, hat die Entwicklung in Spanien gezeigt", so Körnig weiter. Aufgrund fehlender Investitionsperspektiven sei der spanische Solarmarkt durch den starren Marktdeckel im Jahr 2009 gänzlich zusammengebrochen.

"Bei einem Deckel, den der SRU vorschlägt, würde der Bürokrat an die Stelle des Marktes treten", stellt dazu Hans-Josef Fell fest. Er ist Fraktionssprecher von Bündnis90/Die Grünen für Energie und Technologie und Vizepräsident Eurosolar e.V. Fell weiter: "Bei einem Deckel müssen die Antragsteller auf ihre Genehmigung warten und niemand weiß, ob und wann er zum Zuge kommt. Jedem Ökonomen müsste der Gedanke an einen Deckel schaudern, da dieser massiv in den Markt eingreift und zu hohe spezifische Kosten verursacht. Für die Investoren erhöht ein Deckel die Transaktionskosten und für die Banken die Unsicherheit, welche sich dann in höheren Fremdfinanzierungskosten und damit in höheren Stromgestehungskosten niederschlägt." Der Experte der Grünen schlägt "eine intelligente Weiterentwicklung des Erfolgsmodells EEG anstelle des Deckels als bürokratische Notlösung" vor. Den Vorschlag des SRU bewertet er als "extrem kontraproduktiv für den weltweiten Klimaschutz". Den Gutachtern hält er vor,  auf eine "Wind-Offshore-Monokultur" abzuzielen.

Der Sachverständigenrat zeigt in verschiedenen Szenarien, wie eine vollständig erneuerbare Stromversorgung in Deutschland möglich ist. Dabei werden die Hauptvarianten einer rein nationalen Ausbaustrategie, eines Verbunds mit Dänemark und Norwegen sowie einer europäischen Lösung unter Einschluss Nordafrikas untersucht. Das Sondergutachten spricht sich insgesamt für einen starken Ausbau der Windenergie zulasten anderer regenerativer Energieformen aus, mit einem Schwerpunkt im Offshore-Bereich. Dieser Fokus wird etwa von Udo Möhrstedt kritisiert, dem Vorstandsvorsitzenden der IBC Solar AG. Er weist darauf hin, dass aufgrund der hohen Investitionssummen  Offshore-Windenergie fast nur durch die finanzstarken Energiekonzerne zu realisieren sei. "Das Oligopol bei der Stromversorgung bliebe bestehen und würde sogar noch auf die Erneuerbaren Energien ausgeweitet", so Möhrstedt. Demgegenüber stehe die Photovoltaik für einen dezentralen Ansatz. Sie sei eine wichtige und sinnvolle Ergänzung zur Windenergie und keine Konkurrenz.

Björn Klusmann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), stellt fest, dass die Vorschläge der Gutachter zur Offshore-Windkraft "kaum in die Praxis überführt werden können und mit vielen Unsicherheiten verbunden seien". Der BEE stimme jedoch der Studie insgesamt überwiegend zu und sieht eine "deutliche Positionierung des SRU für den Erhalt des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes in Deutschland". Eindeutig weist Klusman aber die Vorschläge zur Photovoltaik zurück: "Starre Zubaugrenzen, wie sie der SRU für die Photovoltaik in Deutschland fordert, lehnen wir strikt ab."


Der Sachverständigenrat stützt seine Kritik an der derzeitigen Solarstromförderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz vor allem auf die Feststellung, der so angestoßene Ausbau der Solarstromkapazität sei "nicht kosteneffizient". Bemerkenswert ist zum einen, dass er den Nationalen Ausbauplan (NAP) der Bundesregierung für alternative Energien aus dem letzten Jahr kritisiert. Die darin festgelegten Ziele für den Photovoltaik-Zubau von jährlich 2.500 bis 3.500 Megawatt seien mangels Kosteneffizienz “nicht zu vertreten”. Zum anderen schreitet den Gutachtern der Ausbau der klimaschonenden Energieerzeugung in Deutschland offenbar zu schnell voran. Beim jetzigen Ausbautempo "würde 2020 schon ungefähr die Hälfte der Kapazitäten installiert sein, die in einer 100 Prozent erneuerbaren Stromversorgung in 2050 maximal benötigt werden würden", heißt es in der Studie.

Wirtschaftspolitiker der Union haben in der Vergangenheit schon mehrfach die Deckelung des deutschen Solarmarktes gefordert. Sie streben offenbar für den Herbst an, eine entsprechende Regelung bei der dann anstehenden Neugestaltung des EEG durchzusetzen (wir Opens external link in new windowberichteten). Das nun vorgelegte Gutachten dürfte ihre Position stärken.
Bildhinweis: Hans-Josef Fell / Quelle: Bündnis90/Die Grünen; Björn Klusmann / Quelle: BEE
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