Erneuerbare Energie

Startschuss für das neue EEG - Rückschlag für die Bürgerenergie und kleinere Marktakteure?

Am heutigen 1. August 2014 tritt das reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft. Nach heftiger öffentlicher Debatte hat sich Bundesenergie-und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat mit dem Plan durchgesetzt, dem Ausbau der alternativen Energien enge Leitplanken zu setzen. Das gilt sowohl für die Installation von Neuanlagen, für die nun Obergenzen gelten, als auch für die Einspeisetarife. Während die durchschnittliche Vergütung für Strom aus Erneuerbaren Energien zuvor im Durchschnitt bei rund 17 Cent pro Kilowattstunde (kWh) lag, erhalten Betreiber neuer Anlagen ab demnächst im Schnitt nur rund 12 Cent/kWh. Wobei die hohe Vergütung für Windstrom aus Anlagen auf See das Bild verzerrt. Vor allem aber leitet die Reform, über deren wichtigste Aspekte wir ausführlich  berichtet  haben, durch die teilweise Verpflichtung zur Direktvermarktung und die angekündigte Erprobung von Auktionsmodellen den Einstieg in den Ausstieg der festen Einspeisetarife ein.

Wie bewerten Pioniere der deutschen Energiewende das neue EEG? Wir haben dazu vor wenigen Tagen bereits ein Interview mit Karl Heinz Remmers, Vorstandsvorsitzender der Solarpraxis AG aus Berlin,  veröffentlicht. Janne Andresen ist Energiepolitik-Expertin von Greenpeace Energy. Das von der Umweltorganisation Greenpeace gegründete Unternehmen aus Hamburg zählt mit rund 110.000 Stromkunden und mehr als 8.000 Gaskunden zu den bundesweit größten Energie-Genossenschaften. Andresen sieht im neue EEG viele Nachteile, vor allem für kleinere Akteure der Energiewende.

ECOreporter: Welchen Einfluss wird die EEG-Reform auf den Umbau der Energieversorgung in Deutschland haben?

Janne Andresen:  Diese Reform bremst die Energiewende gleich in mehreren Punkten aus. Statt eine breite Akteurs-Vielfalt zu garantieren, wird die Bürgerenergiewende abgewürgt und der Markt den großen Konzernen überlassen. Außerdem sollen Vergütungen gekürzt und die Vermarktungsregeln verändert werden. Die Folge: der Ausbau der Erneuerbaren wird verlangsamt, die Stromversorgung bleibt auf absehbare Zeit schmutziger als nötig. Das politische Ziel, eine nachhaltige Energieversorgung im Sinne von Klimaschutz und Ressourcenschonung zu erreichen, wird damit nicht erreicht.

ECOreporter: Für den Ökostrom-Ausbau gelten künftig so genannte „Ausbaukorridore“. Bis zum Jahr 2025 soll der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch von derzeit rund 28 Prozent auf höchstens 45 Prozent steigen und bis 2035 aus maximal 60 Prozent. Was ist von diesen Ausbaupfaden zu halten?

Andresen:  Diese Korridore lehnen wir klar ab, denn sie drosseln den Ausbau der Erneuerbaren. Die Energiewende jetzt zu verlangsamen und vor allem die beiden günstigsten Technologien – Windenergie an Land und Photovoltaik – zu deckeln, das macht aus unserer Sicht keinen Sinn, weder ökologisch noch ökonomisch. Denn schon heute produzieren diese Ökostrom-Anlagen zum Teil deutlich günstiger als der konventionelle Kraftwerkspark. Allein bis 2030 summiert sich der Kostenvorteil der Erneuerbaren auf 54 Milliarden Euro. Wir verstehen nicht, warum die Politik freiwillig auf diese Einsparpotenziale verzichten will, wo doch die EEG-Debatte vornehmlich vom Kostenargument geprägt war.

ECOreporter: Schon ab 2016 soll eine so genannte „verpflichtende Direktvermarktung“ für erneuerbare Energien eingeführt werden. Werden neue Anlagen mit einer Leistung über 100 kW, die ja davon betroffen sind, ihren Strom bald ausschließlich über die Börse verkaufen?

Andresen:  Ja, und davor haben wir immer gewarnt, weil dieser Strom dann an der Börse zu Graustrom unbekannter Herkunft wird. Der Verbraucher kann also in Zukunft kaum direkt mit Ökostrom beliefert werden. In Zukunft werden die meisten neuen Grünstromanlagen über die so genannte „Marktprämie“ gefördert, die monatlich angepasst und auf den Marktpreis aufgeschlagen wird. Es fallen aber zusätzliche Kosten für Vermarktung und Verwaltung an, die ab sofort nicht mehr mit vergütet werden. Da die Unsicherheit der Vermarktung mit der Marktprämie wächst, werden außerdem die Risikoaufschläge steigen und sich dadurch die Finanzierungskosten insgesamt erhöhen. Auch die Bonität von kleinen Akteuren dürfte dann eine sehr große Rolle spielen. Vor allem Bürger-Energieprojekte könnten dann aus dem Markt gedrängt werden.

ECOreporter: Wie bewerten Sie es, dass ab 2017 Ausschreibungen feste Einspeisetarife ersetzen sollen?

Andresen:  Dass ab 2017 alle neuen Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen ausgeschrieben werden müssen, ist für kleinere Marktakteuere neben der Direktvermarktungspflicht das größte Problem. Kleinere Akteure sind durch die Ausschreibungen gleich mehrfach benachteiligt. Sie haben eine geringere Bonität als Großkonzerne und können sich die kostspielige Teilnahme an einer Ausschreibung oft gar nicht leisten oder sie personell nicht bewältigen – obwohl sie eine Anlage vielleicht günstiger bauen würden als ein großer Konkurrent. Das Ausschreibungsmodell kann also am Ende zu deutlichen Mehrkosten führen, statt zu einer Kostenersparnis. Wir fordern deshalb, Bürgerenergie-Projekte von diesem Modell teilweise auszunehmen – etwa über ein gesondertes Kontingent an Neubau-Projekten, bei denen die übermächtige Konkurrenz großer Anbieter außen vor bleibt.

ECOreporter: Was fehlt Ihnen bei der EEG-Reform?


Andresen:  Was die Energiewende dringend gebraucht hätte – und was auch wir immer wieder gefordert haben – wäre ein reformiertes EEG gewesen, das den Anlagenbetreibern eine angemessene Vergütung garantiert, die Kosten der Energiewende fair verteilt und Wind- und Sonnenstrom auf vernünftige Art in den Strommarkt integriert. Diese EEG-Novelle bleibt vieles davon schuldig.

ECOreporter: Frau Andresen, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

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