Erneuerbare Energie

Umweltschützer werfen Europas Energieversorgern Versagen vor

Europas Energieriesen verschlafen die Energiewende. Anstatt sich den strukturellen Veränderungen am Energiemarkt anzupassen, betreiben sie Lobbyarbeit gegen die Energiewende, um Fehlinvestitionen in Kohle- Gas- und Atomkraftwerke auszugleichen. Zu diesem harten Urteil kommt der aktuelle Report „Locked in The Past - Why Europe’s Energy Companies Fear Change“ (deutsch: In der Vergangenheit eingeschlossen – Warum Europas Energie-Riesen den Wandel fürchten) der Umweltschutzorganisation Greenpeace.

Demnach wird Europa von einem energiewirtschaftlichen Oligopol der zehn größten Ernergiekonzerne des Kontinents dominiert. Diese hätten ihre Umsätze zwischen 2002 und 2012 zwar verdoppelt und verfügten bis heute zusammengenommen über 58 Prozent aller Marktanteile im Energiegeschäft Europas. Dennoch sei ihre Profitabilität des Stromgeschäfts dramatisch gefallen und der kollektive Börsenewert der 20 größten Energieriesen Europas habe sich auf 500 Milliarden Euro halbiert. Anstatt stark auf Erneuerbare Energien zu setzen, würden Konzerne wie E.on und RWE aus Deutschland, Enel aus Italien, EDF Suez aus Frankreich oder Vattenfall aus Schweden ein Zurückrudern bei den Klimaschutzzielen bis 2030 fordern, so die Studienautoren.

Untermauert werden diese Thesen mit Zahlen: Von dem 58-prozentigen Marktanteil der zehn größten Energieunternehmen am Strommarkt des Kontinents sind der Studie zufolge nur vier Prozent aus regenerativen Quellen. Studienautor Gyorgy Dallos stuft das als „beschämend gering“ ein. Allein in den vergangenen zehn Jahren hätten diese Konzerne fossile Kraftwerke mit 85.000 Megawatt Leistungskapazität errichtet. Dabei sei zu erwarten, dass 50.000 MW davon bis 2017 wieder abgeschaltet werden müssten, wegen des Booms der Erneuerbaren Energien.

„Europas größte Energieunternehmen sind verwundete Giganten. Eine Oligarchie aus wenigen mächtigen Unternehmen führt einen Kampf gegen erneuerbare Energien und die Energiewende“, sagt Julia Kerschbaumsteiner, Energiesprecherin von Greenpeace. Langfristig werde diese Unfähigkeit, sich an einen verändernden Energiemarkt anzupassen, den Niedergang der Dinosaurier unter den Energieunternehmen beschleunigen, so Kerschbaumeister. „Energieerzeuger haben keine Alternative, als ihre Strategien zu ändern und auch die Regierungen, die häufig die größten Anteilseigner der Konzerne sind, müssen die Unternehmen dazu drängen, neue nachhaltige Geschäftsmodelle zu verfolgen“, fordert Kerschbaumsteiner.

Droht RWE das Nokia-Schicksal?

In Deutschland ist vor allem RWE schwer getroffen. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ will erfahren haben, dass RWE erstmals äußerst schwere Nettoverluste verkünden muss. „Der Energieversorger RWE wird in der nächsten Woche die ersten Nettoverluste in der Unternehmensgeschichte verkünden. RWE schreibt demnach einen Verlust von knapp drei Milliarden Euro und wird keine Dividende auszahlen können“, kommentiert der Politiker Hans-Josef Fell, Energieexperte von Bündis 90/Die Grünen die aktuelle Berichterstattung. Grund für die überraschenden Gewinneinbußen ist der stark gewachsene Anteil der Erneuerbaren Energien in Deutschland aber nicht bei RWE“, sagt Fell.  „Jetzt rächen sich fatal die Managementfehler des letzten Jahrzehnts, erklärt Fell. Die großen Energieversorger haben die Investitionen in Erneuerbare Energien weitgehend den neuen gesellschaftlichen Akteuren überlassen. Fast 50 Prozent der installierten Erneuerbare-Energien-Leistung sind in Deutschland in Bürgerhand. Stand 2012 halten die Energiekonzerne nur zwölf Prozent“, stellt Fell klar.
Bildnachweis: Der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell zählt zu den Kritikern der großen Energiekonzerne. / Quelle: Bündnis 90/Die Grünen

Stattdessen habe RWE in den vergangenen zehn Jahren, als sich der Aufschwung der Erneuerbaren Energien längst schon vollzogen habe, rund 12 Milliarden  Euro in neue Kohle- und Gaskraftwerke investiert. „Diese stehen heute nach Fertigstellung meist als Investitionsruine da, weil Ökostrom billiger ist und niemand diesen Strom braucht“, so der Politiker weiter. Die Original-Studie von Greenpeace in englischer Sprache lesen Sie  hier.

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