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Anleihen / AIF, ECOanlagecheck, Genussrechte/Anleihen
Unabhängige Analyse: Genussscheine der solarcomplex AG
Die solarcomplex AG aus Singen betreibt zahlreiche Erneuerbare-Energien-Anlagen und mehrere Nahwärmenetze im Bodenseeraum und im Schwarzwald. Sie wandelt Dörfer zu „Bioenergiedörfern“ um, die sich mit Erneuerbaren Energien versorgen. Das Unternehmen plant weitere Projekte in den Bereichen Wärmenetze, Windkraft und Solarenergie zu realisieren, die es teilweise mit dem Genussscheinkapital finanzieren will. Anleger können ab 3.000 Euro Genussscheine zeichnen. Der ECOanlagecheck analysiert das Angebot.
Der Zinssatz der Genussscheine beträgt 3,0 Prozent pro Jahr. Anleger und die Emittentin können die Genussscheine jeweils erstmals zum Ende des dritten vollen Kalenderjahres nach Einzahlung des Genussscheinkapitals kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr. Ohne Kündigung verlängert sich die Laufzeit jeweils um drei Jahre.
Das Emissionsvolumen beträgt 10 Millionen Euro. Rund 3 Millionen Euro sind nach Angaben der Anbieterin platziert (Stand: 27. Mai 2016). Die Nebenkosten des Angebotes schätzt die Anbieterin laut Prospekt auf 50.000 Euro. Ein Handel der Genussscheine an einer Börse ist nicht geplant.
Unternehmensprofil solarcomplex AG
Anbieterin und Emittentin der Genussrechte ist die solarcomplex AG aus Singen bei Konstanz. Sie hat rund 40 Mitarbeiter. 20 Bürger haben das Unternehmen 2000 zunächst als GmbH gegründet. 2007 erfolgte die Umwandlung in eine – nicht börsennotierte – Aktiengesellschaft. Nach mehreren Kapitalerhöhungen halten inzwischen nach Angaben des Unternehmens rund 1.000 Aktionäre das eingetragene Grundkapital von 9,1675 Millionen Euro. Anfang 2016 gab es zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte Veränderungen im Vorstand. Gründungsgesellschafter Achim Achatz hat sein Vorstandsamt niedergelegt. Bene Müller, ebenfalls Gründungsgesellschafter, bleibt Vorstand für Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit. Neue Vorstände sind Eberhard Banholzer (Technik), bisher Leiter der Planungsabteilung von solarcomplex, und Florian Armbruster (Verwaltung), früherer Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens.
Ziel des Unternehmens ist laut Satzung der Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung in der Region Bodensee bis 2030. Solarcomplex versteht sich als „Stadtwerk des 21. Jahrhunderts, welches sich im breiten Streubesitz befindet und ausschließlich mit erneuerbaren Energien arbeitet“. Das Unternehmen übernimmt bzw. koordiniert die Planung, Errichtung und Finanzierung und den Betrieb und die Verwaltung ihrer Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Mit dem Genussscheinkapital will die Emittentin neue Projekte planen, errichten und finanzieren.
Die Bilanzsumme der solarcomplex AG belief sich laut des geprüften Jahresabschlusses 2015 auf rund 63 Millionen Euro (2014: 55 Millionen Euro). Die vergangenen Jahre zeigen einen deutlichen Zuwachs beim Sachanlagenvermögen, der mit einem Anstieg der Verbindlichkeiten einherging. Aufgrund von Erhöhungen des Grundkapitals und der Kapitalrücklage ist die Eigenkapitalquote aber stabil geblieben. Sie lag Ende 2015 bei rund 28,5 Prozent (2014: 24,2 Prozent). Die Verbindlichkeiten von rund 38,6 Millionen Euro (2015) setzen sich hautsächlich aus Bankverbindlichkeiten (rund 25,3 Millionen Euro) und Anleihe- und Genussrechts-Verbindlichkeiten (11,2 Millionen Euro) zusammen.
Die Umsatzerlöse der solarcomplex AG sind 2015 im Vergleich zum Vorjahr von rund 9,46 Millionen Euro auf rund 9,25 Millionen Euro gesunken, weil die Emittentin 2015 im Gegensatz zu 2014 keine größere Freiflächen-Solaranlage ans dem Eigenbestand verkauft hat. 2014 hatte sie durch den Verkauf von Solaranlagen Umsatzerlöse von insgesamt rund 1,77 Millionen Euro erzielt (2015: 0,2 Millionen Euro). Ohne diesen Sondereffekt haben sich die Umsatzerlöse 2015 im Vergleich zu 2014 ungefähr im gleichen Verhältnis wie die Bilanzsummen in demselben Zeitraum (rund 15 Prozent) erhöht.
Der Jahresüberschuss 2015 betrug rund 165.000 Euro (2014: 298.000 Euro, 2013: 202.000 Euro). Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibung (EBITDA) konnte laut den vorliegenden Zahlen von 2007 bis 2014 jedes Jahr kontinuierlich gesteigert werden und lag 2015 mit rund 3,6 Millionen Euro ungefähr auf dem Niveau von 2014. Nach Angaben der Anbieterin ist der im Vergleich zum Vorjahr niedrigere Jahresüberschuss 2015 auf die sogenannte „Ölpreis-Garantie“ in einigen der frühen Bioenergiedörfer von solarcomplex zurückzuführen. Hier hatte das Unternehmen den Kunden garantiert, dass der vertraglich vereinbarte Lieferpreis nicht höher werde als der vergleichbare Preis bei Heizöllieferung. Aufgrund des niedrigen Ölpreises hat diese vertragliche Regelung nach Angaben von solarcomplex 2015 zu Einnahmeausfällen von über 400.000 Euro geführt. Bei neuen Verträgen gibt es nach Angaben des Unternehmens die Heizöl-Preisgarantie nicht mehr.
Investitionen
Im Eigenbestand der solarcomplex AG befinden sich nach Angaben des Unternehmens zwei Freiflächen-Solarparks mit einer Nennleistung von zusammen rund 2 Megawatt (MW), 50 Photovoltaik-Dachanlagen mit einer Leistung von insgesamt rund 1,2 MW, eine Biogasanlage mit 0,25 MW, eine Windenergieanlage mit 2,3 MW und mit regenerativen Energien betriebene Nahwärmenetze – zusammen ca. 80 Kilometer Länge – in zehn Bioenergiedörfern und zwei Kleinstädten. Zudem besitzt solarcomplex rund 30 Holzenergieanlagen mit zusammen 12 MW Leistung, die sie bei Wärmekunden vor Ort betreibt.
Mit den geplanten Kapital aus der Genussschein-Emissionen und weiterem Fremd- und Eigenkapital wollte die Emittentin laut Prospekt (August 2015) ein sieben Kilometer langes Wärmenetz in der Ortschaft Wald realisieren (ca. 0,5 Millionen Euro Genussscheinkapital), eine Windenergieanlage bei Furtwangen errichten (ca. 1,5 Millionen Euro Genussscheinkapital) und sich an der Betreibergesellschaft des Windparks Verenafohren beteiligen (ca. 0,5 Millionen Euro Eigenkapital). Die Erteilung der Bau- und Betriebsgenehmigung für den geplanten Windpark Verenafohren erwartet die Anbieterin für Juni 2016 (Stand: 27. Mai 2016). Ungewiss ist die Realisierung der Windenergieanlage in Furtwangen, da die geplante Anlage nach Angaben der Anbieterin vermutlich keine Bau- und Betriebsgenehmigung erhalten wird. Der Bau des regenerativen Nahwärmenetzes in Wald hat im Herbst 2015 begonnen und soll 2016 fertiggestellt werden.
Neben diesen drei fest beschlossenen Projekten sind im Prospekt Beispiele für weitere Investitionsobjekte aufgeführt. Dabei handelt es sich um geplante Nahwärmenetze in Böttingen und in Talheim (zusammen ca. 2,5 Millionen Euro Genussscheinkapital) sowie um eine Beteiligung am geplanten Windpark Länge (ca. 3 Millionen Euro Genussscheinkapital). Die Erteilung einer Bau- und Betriebsgenehmigung für den Windpark Länge erwartet die Anbieterin im Oktober 2016.
Neben den im Prospekt genannten möglichen Investitionen gibt es aktuelle weitere Projekte von solarcomplex. Mit den Stadtwerken Sigmaringen hat sie die Nahwärme Region Sigmaringen (NRS) GmbH gegründet, die als erstes Projekt das Bioenergieprojekt Veringendorf plant. Mitte des Jahres soll zudem ein weiterer Bauabschnitt zum Solarpark Rickelshausen mit 2,6 MW ans Netz gehen, der dann insgesamt 6 MW umfassen wird.
Ökologische Wirkung
Die von solarcomplex im Eigenbestand gehaltenen Erneuerbare-Energien-Anlagen haben nach Angaben des Unternehmens 2015 rund 40 Millionen kWh Strom erzeugt. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 3.500 kWh können sich damit rechnerisch rund 11.400 Haushalte versorgen. Die CO2-Einsparung im Vergleich zur Stromgewinnung aus konventionellen Kraftwerken beträgt circa 24.000 Tonnen pro Jahr.
Weitere 50 Millionen kWh werden an Wärme erzeugt und über die von solarcomplex realisierten Nahwärmenetze an Kunden geliefert. Die Wärme wird nach Angaben der Anbieterin überwiegend in Holzenergieanlagen unter Einsatz von Holzpellets und Holzhackschnitzel erzeugt. Bei den drei Wärmenetzen, die das Genussscheinkapital voraussichtlich mitfinanzieren soll, wird die Wärme aber über die Einbindung der Abwärme von bestehenden Biogasanlagen erzeugt.
Die Nahwärmenetze sind grundlegender Bestandteil der von solarcomplex initiierten Bioenergiedörfer. Inzwischen gibt es mehr als zehn Bioenergiedörfer im Bodenseeraum, die sich über den Einsatz von Biogas-, Holzenergie- und Photovoltaikanlagen und Nahwärmenetzen mit erneuerbaren Energien aus der Umgebung versorgen und so vollständig ihren Strom- und Wärmebedarf decken. Insbesondere für die Bioenergiedörfer hat das Unternehmen verschiedene Auszeichnungen und Förderungen erhalten.
Risiko
Die Genussscheine sind mit einem Nachrang ausgestattet. Die Forderungen der Genussscheininhaber werden erst nach allen anderen Ansprüchen von Gläubigern bedient. Ein Anspruch der Anleger auf Verzinsung und Rückzahlung der Genussscheine ist solange und soweit ausgeschlossen, wie die Verzinsung/Rückzahlung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei der Emittentin herbeiführen würde. Die Verbindlichkeiten der Emittentin gegenüber Banken sind in der Regel mit den von den Banken finanzierten Anlagen besichert. In der Rangfolge stehen die Genussscheine vor den Ansprüchen der Aktionäre.
Die Emittentin ist seit 2013 im Bereich Windenergie tätig. Die Umsetzung der Projekte ist abhängig vom Erhalt der Bau- und Betriebsgenehmigungen für die Windenergieanlagen und von den sich verändernden Rahmenbedingungen. Der 2014 geplante Windpark Bonndorf hat bisher keine Genehmigung erhalten und wird nach Angaben der Emittentin mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht realisiert werden. Auch bei der laut Prospekt geplanten Windenergieanlage Furtwangen ist nach Angaben der Anbieterin die Erteilung einer Bau- und Betriebsgenehmigung inzwischen unwahrscheinlich. Beim Windpark Länge rechnet die Emittentin für den Oktober 2016 mit einer Genehmigung. In Deutschland werden laut des im Februar 2016 veröffentlichten Eckpunktepapiers des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur geplanten EEG-Novelle 2016 nur Windenergieanlagen, die bis Ende 2016 genehmigt und bis Ende 2018 in Betrieb genommen werden, vom geplanten Ausschreibungsverfahren ausgenommen. Falls eine Genehmigung für den Windpark Länge erst nach 2016 erteilt wird, besteht das Risiko, dass solarcomplex das Projekt nicht mehr realisieren kann und in diesem Fall den Planungskosten keine Einnahmen gegenüberstehen. Die Emittentin ist nach eigenen Angaben bislang mit rund 3 Millionen Euro an dem Windparkprojekt Länge beteiligt. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass mit den geplanten Ausschreibungsverfahren die Wettbewerbsposition von kleineren, regionalen Projektentwicklern wie der solarcomplex AG schwächer wird.
Während der Laufzeiten der Wärmelieferverträge besteht das Risiko von Erlösschwankungen, da die Abnahmepreise für die Wärme in Altverträgen teilweise an die Entwicklung des Ölpreises gekoppelt sind. Daher hat die Emittentin 2015 aufgrund des niedrigen Ölpreises Einnahmeausfälle von über 400.000 Euro verzeichnet. In den ersten fünf Monaten 2016 war das Ölpreisniveau noch einmal deutlich niedriger als im Jahresdurchschnitt 2015, so dass im Vergleich zum Vorjahr derzeit höhere Einnahmeausfälle in 2016 zu erwarten sind. Insbesondere eventuell langanhaltend geringe Ölpreise können die Emittentin schwächen, da in diesem Fall nicht nur Einnahmereduzierungen wegen der Ölpreis-Garantie bei den Altverträgen zu verzeichnen sind, sondern auch die Nachfrage von potentiellen Neukunden nach Wärmenergie aus erneuerbaren Energien tendenziell sinkt.
Gleichzeitig bestehen auch auf der Inputseite Risiken aufgrund der laut Prospekt tendenziell leicht steigenden Preise für Holzhackschnitzel, die bei der Wärmeerzeugung für die Bioenergiedörfer hauptsächlich als Brennstoff zum Einsatz kommen. Bei den Nahwärmenetzen, die ihre Wärme aus der Abwärme von Biogasanlagen bzw. deren Blockheizkraftwerken beziehen, besteht das Risiko, dass die Netze auf Basis anderer erneuerbarer Energien weiterbetrieben werden müssen, falls die Biogasanlagen nach dem Auslaufen ihrer jeweiligen EEG-Förderung den Betrieb einstellen. In diesem Fall ist es möglich, dass die Nutzung der neuen Wärmequellen mit höheren Kosten verbunden und infolgedessen der Betrieb der Nahwärmenetze eventuell weniger rentabel ist. Zudem besteht das Risiko, dass eine größere Anzahl von Kunden bei Ende der Vertragslaufzeit den Wärmeliefervertrag kündigt, so dass sich die Investition in das Nahwärmenetz für die Emittentin eventuell nicht amortisiert bzw. weniger rentabel ist.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen rückwirkend für bestehende Anlagen verschlechtert werden. Beispielsweise plant das Bundesfinanzministerium derzeit den Eigenverbrauch von Solarstrom besteuern. Das kann auch Solaranlagen betreffen, die die Emittentin im Rahmen der Bioenergiedörfer realisiert hat.
Stärken
Breit gestreutes Anlagenportfolio im Eigenbestand
Unternehmen mit mehr als 15 Jahren Erfahrung
Emittentin kontinuierlich mit Jahresüberschüssen
Schwächen
Projektentwicklungs- und Inbetriebnahmerisiken
Geschäftsentwicklung teilweise vom Ölpreis abhängig
Fazit:
Finanziell
Die Genussscheinemittentin solarcomplex AG ist in der Bodenseeregion etabliert und dort aufgrund der Aktionärsstruktur tief verwurzelt. Das Unternehmen ist in verschiedenen Erneuerbare-Energie-Bereichen tätig und hat seit zehn Jahren kontinuierlich Jahresüberschüsse erwirtschaftet. Der Ölpreisverfall hat den Jahresüberschuss 2015 gedrückt. Er wird voraussichtlich auch 2016 negative Auswirkungen auf das Jahresergebnis haben. Im Geschäftsbereich Windenergie bestehen erhöhte Projektentwicklungsrisiken. Die Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit der Emittentin sind insgesamt schwieriger geworden. Auch angesichts der derzeitigen Risiken im Bereich der Windpark-Projektentwicklungen kann der angebotene Zins von 3 Prozent als zu niedrig gelten. Zu berücksichtigen ist aber, dass das Unternehmen über ein größeres Kraftwerksportfolio verfügt, welches – im Vergleich zum schwankenden Projektentwicklungsgeschäft – relativ stabilere Einnahmen erzielt.
Nachhaltigkeit
Die solarcomplex AG realisiert Erneuerbare-Energien-Projekte im Rahmen einer ganzheitlich nachhaltigen Ausrichtung. Mit den Bioenergiedörfern verfolgt das Unternehmen ein innovatives, nachhaltiges und überzeugendes Konzept, das für andere (ländliche) Regionen Vorbildcharakter hat.
ECOreporter.de-Empfehlung
Die solarcomplex AG ist derzeit verstärkt von – teilweise auch politischen – Entwicklungen abhängig, die sie nicht beeinflussen kann. Die Geschäftsaussichten des Unternehmens im seinem Kernbereich Bioenergiedörfer sind auch abhängig davon, dass der Ölpreis auf sein höheres Niveau vor 2015 zurückkehrt.
Basisdaten
Anbieterin und Emittentin: solarcomplex AG, Singen
Anlageform: Nachrangiger Inhaber-Genussschein
Emissionsvolumen: 10 Millionen Euro
Mindestzeichnungssumme: 3.000 Euro
Agio: 0 Prozent
Laufzeit: unbestimmt, Kündigung erstmals zum Ende des dritten vollen Kalenderjahres möglich
Zinssatz: 3,0 Prozent
Einkunftsart: Einkünfte aus Kapitalvermögen
BaFin-Billigung: Ja
Handelbarkeit: Kein Börsenhandel
ISIN: DE000A14XKK6
Der Zinssatz der Genussscheine beträgt 3,0 Prozent pro Jahr. Anleger und die Emittentin können die Genussscheine jeweils erstmals zum Ende des dritten vollen Kalenderjahres nach Einzahlung des Genussscheinkapitals kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr. Ohne Kündigung verlängert sich die Laufzeit jeweils um drei Jahre.
Das Emissionsvolumen beträgt 10 Millionen Euro. Rund 3 Millionen Euro sind nach Angaben der Anbieterin platziert (Stand: 27. Mai 2016). Die Nebenkosten des Angebotes schätzt die Anbieterin laut Prospekt auf 50.000 Euro. Ein Handel der Genussscheine an einer Börse ist nicht geplant.
Unternehmensprofil solarcomplex AG
Anbieterin und Emittentin der Genussrechte ist die solarcomplex AG aus Singen bei Konstanz. Sie hat rund 40 Mitarbeiter. 20 Bürger haben das Unternehmen 2000 zunächst als GmbH gegründet. 2007 erfolgte die Umwandlung in eine – nicht börsennotierte – Aktiengesellschaft. Nach mehreren Kapitalerhöhungen halten inzwischen nach Angaben des Unternehmens rund 1.000 Aktionäre das eingetragene Grundkapital von 9,1675 Millionen Euro. Anfang 2016 gab es zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte Veränderungen im Vorstand. Gründungsgesellschafter Achim Achatz hat sein Vorstandsamt niedergelegt. Bene Müller, ebenfalls Gründungsgesellschafter, bleibt Vorstand für Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit. Neue Vorstände sind Eberhard Banholzer (Technik), bisher Leiter der Planungsabteilung von solarcomplex, und Florian Armbruster (Verwaltung), früherer Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens.
Ziel des Unternehmens ist laut Satzung der Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung in der Region Bodensee bis 2030. Solarcomplex versteht sich als „Stadtwerk des 21. Jahrhunderts, welches sich im breiten Streubesitz befindet und ausschließlich mit erneuerbaren Energien arbeitet“. Das Unternehmen übernimmt bzw. koordiniert die Planung, Errichtung und Finanzierung und den Betrieb und die Verwaltung ihrer Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Mit dem Genussscheinkapital will die Emittentin neue Projekte planen, errichten und finanzieren.
Die Bilanzsumme der solarcomplex AG belief sich laut des geprüften Jahresabschlusses 2015 auf rund 63 Millionen Euro (2014: 55 Millionen Euro). Die vergangenen Jahre zeigen einen deutlichen Zuwachs beim Sachanlagenvermögen, der mit einem Anstieg der Verbindlichkeiten einherging. Aufgrund von Erhöhungen des Grundkapitals und der Kapitalrücklage ist die Eigenkapitalquote aber stabil geblieben. Sie lag Ende 2015 bei rund 28,5 Prozent (2014: 24,2 Prozent). Die Verbindlichkeiten von rund 38,6 Millionen Euro (2015) setzen sich hautsächlich aus Bankverbindlichkeiten (rund 25,3 Millionen Euro) und Anleihe- und Genussrechts-Verbindlichkeiten (11,2 Millionen Euro) zusammen.
Die Umsatzerlöse der solarcomplex AG sind 2015 im Vergleich zum Vorjahr von rund 9,46 Millionen Euro auf rund 9,25 Millionen Euro gesunken, weil die Emittentin 2015 im Gegensatz zu 2014 keine größere Freiflächen-Solaranlage ans dem Eigenbestand verkauft hat. 2014 hatte sie durch den Verkauf von Solaranlagen Umsatzerlöse von insgesamt rund 1,77 Millionen Euro erzielt (2015: 0,2 Millionen Euro). Ohne diesen Sondereffekt haben sich die Umsatzerlöse 2015 im Vergleich zu 2014 ungefähr im gleichen Verhältnis wie die Bilanzsummen in demselben Zeitraum (rund 15 Prozent) erhöht.
Der Jahresüberschuss 2015 betrug rund 165.000 Euro (2014: 298.000 Euro, 2013: 202.000 Euro). Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibung (EBITDA) konnte laut den vorliegenden Zahlen von 2007 bis 2014 jedes Jahr kontinuierlich gesteigert werden und lag 2015 mit rund 3,6 Millionen Euro ungefähr auf dem Niveau von 2014. Nach Angaben der Anbieterin ist der im Vergleich zum Vorjahr niedrigere Jahresüberschuss 2015 auf die sogenannte „Ölpreis-Garantie“ in einigen der frühen Bioenergiedörfer von solarcomplex zurückzuführen. Hier hatte das Unternehmen den Kunden garantiert, dass der vertraglich vereinbarte Lieferpreis nicht höher werde als der vergleichbare Preis bei Heizöllieferung. Aufgrund des niedrigen Ölpreises hat diese vertragliche Regelung nach Angaben von solarcomplex 2015 zu Einnahmeausfällen von über 400.000 Euro geführt. Bei neuen Verträgen gibt es nach Angaben des Unternehmens die Heizöl-Preisgarantie nicht mehr.
Investitionen
Im Eigenbestand der solarcomplex AG befinden sich nach Angaben des Unternehmens zwei Freiflächen-Solarparks mit einer Nennleistung von zusammen rund 2 Megawatt (MW), 50 Photovoltaik-Dachanlagen mit einer Leistung von insgesamt rund 1,2 MW, eine Biogasanlage mit 0,25 MW, eine Windenergieanlage mit 2,3 MW und mit regenerativen Energien betriebene Nahwärmenetze – zusammen ca. 80 Kilometer Länge – in zehn Bioenergiedörfern und zwei Kleinstädten. Zudem besitzt solarcomplex rund 30 Holzenergieanlagen mit zusammen 12 MW Leistung, die sie bei Wärmekunden vor Ort betreibt.
Mit den geplanten Kapital aus der Genussschein-Emissionen und weiterem Fremd- und Eigenkapital wollte die Emittentin laut Prospekt (August 2015) ein sieben Kilometer langes Wärmenetz in der Ortschaft Wald realisieren (ca. 0,5 Millionen Euro Genussscheinkapital), eine Windenergieanlage bei Furtwangen errichten (ca. 1,5 Millionen Euro Genussscheinkapital) und sich an der Betreibergesellschaft des Windparks Verenafohren beteiligen (ca. 0,5 Millionen Euro Eigenkapital). Die Erteilung der Bau- und Betriebsgenehmigung für den geplanten Windpark Verenafohren erwartet die Anbieterin für Juni 2016 (Stand: 27. Mai 2016). Ungewiss ist die Realisierung der Windenergieanlage in Furtwangen, da die geplante Anlage nach Angaben der Anbieterin vermutlich keine Bau- und Betriebsgenehmigung erhalten wird. Der Bau des regenerativen Nahwärmenetzes in Wald hat im Herbst 2015 begonnen und soll 2016 fertiggestellt werden.
Neben diesen drei fest beschlossenen Projekten sind im Prospekt Beispiele für weitere Investitionsobjekte aufgeführt. Dabei handelt es sich um geplante Nahwärmenetze in Böttingen und in Talheim (zusammen ca. 2,5 Millionen Euro Genussscheinkapital) sowie um eine Beteiligung am geplanten Windpark Länge (ca. 3 Millionen Euro Genussscheinkapital). Die Erteilung einer Bau- und Betriebsgenehmigung für den Windpark Länge erwartet die Anbieterin im Oktober 2016.
Neben den im Prospekt genannten möglichen Investitionen gibt es aktuelle weitere Projekte von solarcomplex. Mit den Stadtwerken Sigmaringen hat sie die Nahwärme Region Sigmaringen (NRS) GmbH gegründet, die als erstes Projekt das Bioenergieprojekt Veringendorf plant. Mitte des Jahres soll zudem ein weiterer Bauabschnitt zum Solarpark Rickelshausen mit 2,6 MW ans Netz gehen, der dann insgesamt 6 MW umfassen wird.
Ökologische Wirkung
Die von solarcomplex im Eigenbestand gehaltenen Erneuerbare-Energien-Anlagen haben nach Angaben des Unternehmens 2015 rund 40 Millionen kWh Strom erzeugt. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 3.500 kWh können sich damit rechnerisch rund 11.400 Haushalte versorgen. Die CO2-Einsparung im Vergleich zur Stromgewinnung aus konventionellen Kraftwerken beträgt circa 24.000 Tonnen pro Jahr.
Weitere 50 Millionen kWh werden an Wärme erzeugt und über die von solarcomplex realisierten Nahwärmenetze an Kunden geliefert. Die Wärme wird nach Angaben der Anbieterin überwiegend in Holzenergieanlagen unter Einsatz von Holzpellets und Holzhackschnitzel erzeugt. Bei den drei Wärmenetzen, die das Genussscheinkapital voraussichtlich mitfinanzieren soll, wird die Wärme aber über die Einbindung der Abwärme von bestehenden Biogasanlagen erzeugt.
Die Nahwärmenetze sind grundlegender Bestandteil der von solarcomplex initiierten Bioenergiedörfer. Inzwischen gibt es mehr als zehn Bioenergiedörfer im Bodenseeraum, die sich über den Einsatz von Biogas-, Holzenergie- und Photovoltaikanlagen und Nahwärmenetzen mit erneuerbaren Energien aus der Umgebung versorgen und so vollständig ihren Strom- und Wärmebedarf decken. Insbesondere für die Bioenergiedörfer hat das Unternehmen verschiedene Auszeichnungen und Förderungen erhalten.
Risiko
Die Genussscheine sind mit einem Nachrang ausgestattet. Die Forderungen der Genussscheininhaber werden erst nach allen anderen Ansprüchen von Gläubigern bedient. Ein Anspruch der Anleger auf Verzinsung und Rückzahlung der Genussscheine ist solange und soweit ausgeschlossen, wie die Verzinsung/Rückzahlung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei der Emittentin herbeiführen würde. Die Verbindlichkeiten der Emittentin gegenüber Banken sind in der Regel mit den von den Banken finanzierten Anlagen besichert. In der Rangfolge stehen die Genussscheine vor den Ansprüchen der Aktionäre.
Die Emittentin ist seit 2013 im Bereich Windenergie tätig. Die Umsetzung der Projekte ist abhängig vom Erhalt der Bau- und Betriebsgenehmigungen für die Windenergieanlagen und von den sich verändernden Rahmenbedingungen. Der 2014 geplante Windpark Bonndorf hat bisher keine Genehmigung erhalten und wird nach Angaben der Emittentin mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht realisiert werden. Auch bei der laut Prospekt geplanten Windenergieanlage Furtwangen ist nach Angaben der Anbieterin die Erteilung einer Bau- und Betriebsgenehmigung inzwischen unwahrscheinlich. Beim Windpark Länge rechnet die Emittentin für den Oktober 2016 mit einer Genehmigung. In Deutschland werden laut des im Februar 2016 veröffentlichten Eckpunktepapiers des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur geplanten EEG-Novelle 2016 nur Windenergieanlagen, die bis Ende 2016 genehmigt und bis Ende 2018 in Betrieb genommen werden, vom geplanten Ausschreibungsverfahren ausgenommen. Falls eine Genehmigung für den Windpark Länge erst nach 2016 erteilt wird, besteht das Risiko, dass solarcomplex das Projekt nicht mehr realisieren kann und in diesem Fall den Planungskosten keine Einnahmen gegenüberstehen. Die Emittentin ist nach eigenen Angaben bislang mit rund 3 Millionen Euro an dem Windparkprojekt Länge beteiligt. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass mit den geplanten Ausschreibungsverfahren die Wettbewerbsposition von kleineren, regionalen Projektentwicklern wie der solarcomplex AG schwächer wird.
Während der Laufzeiten der Wärmelieferverträge besteht das Risiko von Erlösschwankungen, da die Abnahmepreise für die Wärme in Altverträgen teilweise an die Entwicklung des Ölpreises gekoppelt sind. Daher hat die Emittentin 2015 aufgrund des niedrigen Ölpreises Einnahmeausfälle von über 400.000 Euro verzeichnet. In den ersten fünf Monaten 2016 war das Ölpreisniveau noch einmal deutlich niedriger als im Jahresdurchschnitt 2015, so dass im Vergleich zum Vorjahr derzeit höhere Einnahmeausfälle in 2016 zu erwarten sind. Insbesondere eventuell langanhaltend geringe Ölpreise können die Emittentin schwächen, da in diesem Fall nicht nur Einnahmereduzierungen wegen der Ölpreis-Garantie bei den Altverträgen zu verzeichnen sind, sondern auch die Nachfrage von potentiellen Neukunden nach Wärmenergie aus erneuerbaren Energien tendenziell sinkt.
Gleichzeitig bestehen auch auf der Inputseite Risiken aufgrund der laut Prospekt tendenziell leicht steigenden Preise für Holzhackschnitzel, die bei der Wärmeerzeugung für die Bioenergiedörfer hauptsächlich als Brennstoff zum Einsatz kommen. Bei den Nahwärmenetzen, die ihre Wärme aus der Abwärme von Biogasanlagen bzw. deren Blockheizkraftwerken beziehen, besteht das Risiko, dass die Netze auf Basis anderer erneuerbarer Energien weiterbetrieben werden müssen, falls die Biogasanlagen nach dem Auslaufen ihrer jeweiligen EEG-Förderung den Betrieb einstellen. In diesem Fall ist es möglich, dass die Nutzung der neuen Wärmequellen mit höheren Kosten verbunden und infolgedessen der Betrieb der Nahwärmenetze eventuell weniger rentabel ist. Zudem besteht das Risiko, dass eine größere Anzahl von Kunden bei Ende der Vertragslaufzeit den Wärmeliefervertrag kündigt, so dass sich die Investition in das Nahwärmenetz für die Emittentin eventuell nicht amortisiert bzw. weniger rentabel ist.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen rückwirkend für bestehende Anlagen verschlechtert werden. Beispielsweise plant das Bundesfinanzministerium derzeit den Eigenverbrauch von Solarstrom besteuern. Das kann auch Solaranlagen betreffen, die die Emittentin im Rahmen der Bioenergiedörfer realisiert hat.
Stärken
Breit gestreutes Anlagenportfolio im Eigenbestand
Unternehmen mit mehr als 15 Jahren Erfahrung
Emittentin kontinuierlich mit Jahresüberschüssen
Schwächen
Projektentwicklungs- und Inbetriebnahmerisiken
Geschäftsentwicklung teilweise vom Ölpreis abhängig
Fazit:
Finanziell
Die Genussscheinemittentin solarcomplex AG ist in der Bodenseeregion etabliert und dort aufgrund der Aktionärsstruktur tief verwurzelt. Das Unternehmen ist in verschiedenen Erneuerbare-Energie-Bereichen tätig und hat seit zehn Jahren kontinuierlich Jahresüberschüsse erwirtschaftet. Der Ölpreisverfall hat den Jahresüberschuss 2015 gedrückt. Er wird voraussichtlich auch 2016 negative Auswirkungen auf das Jahresergebnis haben. Im Geschäftsbereich Windenergie bestehen erhöhte Projektentwicklungsrisiken. Die Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit der Emittentin sind insgesamt schwieriger geworden. Auch angesichts der derzeitigen Risiken im Bereich der Windpark-Projektentwicklungen kann der angebotene Zins von 3 Prozent als zu niedrig gelten. Zu berücksichtigen ist aber, dass das Unternehmen über ein größeres Kraftwerksportfolio verfügt, welches – im Vergleich zum schwankenden Projektentwicklungsgeschäft – relativ stabilere Einnahmen erzielt.
Nachhaltigkeit
Die solarcomplex AG realisiert Erneuerbare-Energien-Projekte im Rahmen einer ganzheitlich nachhaltigen Ausrichtung. Mit den Bioenergiedörfern verfolgt das Unternehmen ein innovatives, nachhaltiges und überzeugendes Konzept, das für andere (ländliche) Regionen Vorbildcharakter hat.
ECOreporter.de-Empfehlung
Die solarcomplex AG ist derzeit verstärkt von – teilweise auch politischen – Entwicklungen abhängig, die sie nicht beeinflussen kann. Die Geschäftsaussichten des Unternehmens im seinem Kernbereich Bioenergiedörfer sind auch abhängig davon, dass der Ölpreis auf sein höheres Niveau vor 2015 zurückkehrt.
Basisdaten
Anbieterin und Emittentin: solarcomplex AG, Singen
Anlageform: Nachrangiger Inhaber-Genussschein
Emissionsvolumen: 10 Millionen Euro
Mindestzeichnungssumme: 3.000 Euro
Agio: 0 Prozent
Laufzeit: unbestimmt, Kündigung erstmals zum Ende des dritten vollen Kalenderjahres möglich
Zinssatz: 3,0 Prozent
Einkunftsart: Einkünfte aus Kapitalvermögen
BaFin-Billigung: Ja
Handelbarkeit: Kein Börsenhandel
ISIN: DE000A14XKK6