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Untote Solaraktien – warum chinesische Solarkonzerne nicht untergehen



Die meisten Pleitekandidaten unter den Solarherstellern hatten sich hoch verschuldet, um ihre Produktionskapazitäten stark auszubauen, somit pro Stück billiger produzieren und sich so im Wettbewerb behaupten zu können. Diese Rechnung ging aber häufig nicht auf, da zu viele Akteure auf diese Strategie setzten und so massive Überkapazitäten im Markt entstanden. Vor allem deshalb sind die Preise für Solarkomponenten massiv abgestürzt.  Das ließ die Margen der Hersteller so stark sinken, dass sie hohe Verluste erwirtschaften. Und es setzt sie außerstande, kurzfristige Verbindlichkeiten zu bedienen.

Das gilt zum Beispiel für LDK Solar aus Xinyu in der chinesischen Provinz Jianxi. Der Solarkonzern ist der der zweitgrößte Hersteller von Solarzellen weltweit und hat erst zum Jahreswechsel die deutsche Konkurrentin Sunways AG aus Konstanz übernommen. Dabei laufen die Geschäfte miserabel. Das zweite Quartal 2012 beendete LDK mit 254 Millionen Dollar Nettoverlust. Dabei verfügte der Solarkonzern zur Jahresmitte nur noch über 296,2 Millionen Dollar Liquidität und blickte auf einen Schuldenberg von 523,4 Millionen Dollar kurzfristig fälliger Bankdarlehen. Der hat sich in nur einem Jahr verdreifacht. Zudem ist eine Trendwende nicht in Sicht. Experten gehen unisono davon aus, dass der Preisverfall bei Solarprodukten sich bis weit ins kommende Jahr fortsetzen wird. Zudem beliefert LDK weiterhin stark Kunden in Europa. Hier jedoch stagniert die Nachfrage und dürfte sie angesichts europaweit sinkender Einspeisetarife für Solarstrom demnächst sogar sinken. Zwar steigt zugleich die Nachfrage in den USA, doch liegt sie dort noch immer klar unter den Absatzzahlen in Europa. Und die Vereinigten Staaten haben zudem hohe Strafzölle auf chinesische Solarprodukte eingeführt. Die EU prüft bereits ähnliche Maßnahmen.

So ist es kein Wunder, dass die Börsianer die Aktie von LDK Solar nur noch mit Spitzen Fingern anfassen. Vor vier Jahren notierte sie in Frankfurt noch bei Kursen um 30 Euro. Heute Mittag liegt der Aktienkurs bei 0,89 Euro und damit fast drei Viertel unter dem Vorjahreswert. Eine solche Kursentwicklung gab es sonst nur bei westlichen Konkurrenten, die mittlerweile Insolvenz angemeldet haben. Doch das lässt die Politik in China nicht zu.

Die Regierung in Peking hat frühzeitig die Photovoltaik als eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts erkannt. Noch vor acht Jahren spielten Unternehmen aus der Volksrepublik in diesem Geschäft keine Rolle. Doch mit Hilfe von Krediten staatlicher Banken, von Steuervergünstigungen und Unterstützung lokaler Institutionen, die etwa kostenlos Gelände und Infrastruktur zur Verfügung stellten, um den Aufbau von Solarfabriken zu erleichtern, änderte sich dies schnell. Binnen weniger Jahre entstanden weltweit führende Solarkonzerne, die dank dieser Förderung sehr schnell vergleichsweise hohe Qualität zu günstigen Preisen anbieten konnten. Damit verdrängte sie viele westliche Konkurrenten, so dass im weltweit wichtigsten Solarmarkt Europa mittlerweile zwei Drittel der Solarmodule von chinesischen Herstellern stammen.

Somit hat die Regierung in Peking also bereits das Ziel erreicht, in diesem wichtigen Zukunftsmarkt eine Schlüsselstellung zu erreichen.  Ihre Strategie zielte dabei zugleich darauf ab, dass auf mittlere Sicht wenige Solarhersteller aus China die Marktspitze erobern, was es wiederum erleichtern würde, lenkend auf diese Konzerne einzuwirken. In anderen Branchen wie dem Stahl- oder dem Kohlesektor ist dies bereits gelungen. Doch bei den Solarunternehmen geht diese Strategie bislang nicht auf, und das ist offenbar auch der Grund dafür, dass ein Pleitekandidat wie LDK Solar noch nicht aufgeben musste und auch noch nicht von einem anderen Unternehmen übernommen wurde.

Denn selbst bei einer Fusion mit einem einheimischen Konzern wie etwa GCL-Poly Energy Holdings Ltd. würde es wohl dazu kommen, dass bei LDK Solar viele Tausend Arbeitsplätze wegfallen. Der weltweit größte Hersteller von Solarwafern ist laut chinesischen Medienberichten durchaus an einer Fusion oder Übernahem interessiert. Teile der Produktion von LDK und das sehr gute Vertriebsnetz ließen sich sehr gut in GCL-Poly integrieren, andere jedoch würden wohl dichtgemacht. Und daher sträuben sich insbesondere lokale Politiker gegen einen solchen Schritt.

Denn Großstädte wie Xinyu, wo LDK den Hauptsitz hat, leiden schon jetzt unter vergleichsweise hoher Arbeitslosigkeit. Ein weiterer starker Stellenabbau bei dem Solarkonzern wäre für die Stadt und die Provinz eine Katastrophe. Daher haben die Stadtoberen von Xinyu einen Teil der Schulden von LDK aus der Stadtkasse zu beglichen. Zudem ist die Metropole indirekt bei dem Solarkonzern als Investor eingestiegen. Dies erfolgte über die von ihr kontrollierten Investmentgesellschaft Heng Rui Xin Energy Co. Ltd, die mittlerweile auch Vertreter ins Führungsgremium des Solarkonzerns entsendet hat. Sie erwarb im Oktober insgesamt 19,9 Prozent der Anteile an LDK, zum Preis von umgerechnet 0,86 Dollar je Aktie. Damit ist die Pleite vorerst abgewendet und auch ein Zusammenschluss mit einem anderen Konzern vorerst vom Tisch, hat die Kommune das Heft des Handelns an sich gerissen. Doch profitabel ist LDK damit noch lange nicht. Die Lokalpolitiker haben dem Unternehmen nur Zeit gekauft.

Solche politischen Eingriffe sind übrigens auch der Grund, warum die USA Strafzölle auf die Einfuhr chinesischer Solarprodukte erheben und warum die EU ähnliche Maßnahmen erwägt. Die Strafzölle der USA sind üppig. Sie belaufen sich für Suntech Power auf 35,97 Prozent. Doch auch dieser Solarkonzern wäre ohne Unterstützung der lokalen Politik wohl schon pleite. Für das Ende September abgeschlossene Geschäftsquartal stehen die Unternehmenszahlen noch aus, aber vorab hat der Solarkonzern aus Wuxi bereits mitgeteilt, dass der Quartalsumsatz auf Jahressicht um 43 Prozent eingebrochen ist. Zudem seien die Ausgaben im operativen Geschäft stark angestiegen. Für das Quartal zuvor hatte Suntech bereits tiefrote Zahlen und Verbindlichkeiten in Höhe von 2,3 Milliarden Dollar gemeldet.

Um die enorme Überschuldung von rund 1,5 Milliarden Dollar in den Griff zu bekommen, hat Suntech zwar einen Plan für die  Schulden-Restrukturierung angekündigt. Doch dessen Umsetzung dürfte überaus schwierig werden. Der weltweit größte Solarmodulhersteller muss bis März 2013 Verbindlichkeiten in Höhe von 540 Millionen Dollar aus einer Anleihenemission begleichen. Zudem waren weitere Darlehen in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar lediglich kurzfristig gewährt worden und müssen ebenfalls in absehbarer Zeit zurückgezahlt werden.

Doch eben die hohe Verschuldung bei Banken ist das Seil, an dem der Solarkonzern sich bislang über dem Abgrund halten kann. Denn „die Banken unternehmen derzeit alles, um die Kredite an Suntech nicht abschreiben zu müssen”, wie Pavel Molchanov erklärt, Analyst bei Raymond James & Associates Inc. im texanischen Houston.  Ihm zufolge setzen sie die lokale Politik unter Druck, dem Solarkonzern zu helfen. Die Finanzinstitute seien schließlich wichtige Geldgeber für andere lokale Unternehmungen und machten deren weitere Unterstützung davon abhängig, dass Suntech fortbesteht und die Banken nicht ihre hohen Kredite an den Solarkonzern abschreiben müssen.

Im September haben die Stadtoberen von Wuxi Suntech bereits eine Finanzspüritze von 32 Millionen Dollar gewährt. Der Bürgermeister hat eine Arbeitsgruppe unter seiner Führung eingeleitet, die weitere Lösungen zur Refinanzierung der Verbindlichkeiten von Wuxi erarbeiten soll. Auch die Provinzregierung hat sich laut chinesischen Medienberichten bereits in die Suche nach Lösungswegen eingeschaltet.

Dennoch ist das Vertrauen der Börsianer in die Aktie von Suntech nur noch gering. Deren Kurs ist in den letzten vier Jahren von rund 30 Euro auf 0,78 Euro gefallen. In Frankfurt hat sie sich in den letzten zwölf Monaten um über 60 Prozent verbilligt.

Auch im Fall von Suntech geht also die Strategie der Zentralregierung, letztlich wenige große, aber dafür hoch wettbewerbsfähige Solarkonzerne im Weltmarkt zu etablieren und diesen darüber zu beherrschen, bislang nicht auf. Denn die Eingriffe der staatlichen Institutionen, mit denen LDK und Suntech am Leben gehalten werden, stehen der Marktbereinigung im Weg. Das stellt zumindest Shyam Mehta fest, Solaranalyst der auf Erneuerbare Energien spezialisierten Beratungsgesellschaft GTM Research aus Boston in Massachusetts.  Ihm zufolge behindern sie damit den Versuch, die chinesischen Solarhersteller als Ganzes wettbewerbsfähiger zu machen und bewirken, dass die Überkapazitäten im Markt weiter fortbestehen.

LDK Solar Co. Ltd.  ISIN US50183L1070 / WKN A0MSNX
Suntech Power Holdings Co., Ltd.: ISIN US86800C1045 / WKN A0HL4L
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