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Wachstumsbranche – Experten erwarten positive Entwicklung der Mikrofinanz und von Mikrofinanzfonds



Mikrofinanzfonds stellen Mikrofinanzinstituten (MFI) in armen Weltregionen Mittel für die Vergabe von Kleinkrediten zur Verfügung. Solche Mikrokredite eröffnen mittellosen Menschen den Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz. Schon mit geringen Summen können Menschen in armen Regionen ein Kleinunternehmen aufbauen, etwa eine Töpferin in einen Brennofen investieren oder ein Instrumentenbauer in das erforderliche Werkzeug. Mikrokreditnehmer haben in der Regel keinen Zugang zu einer Bank und wenn doch, können sie für deren Kredite nicht die verlangten Sicherheiten vorlegen. Auch lohnt es sich für herkömmliche Banken nicht, Kleinkredite zu vergeben. Mikrofinanzinstitute sind da die einzige Chance, an Kapital für ein Geschäftsmodell zu kommen. Der Vorteil gegenüber Mitteln aus der Entwicklungshilfe: Mikrokreditgeber behandeln Kreditnehmer als Geschäftspartner, also auf Augenhöhe. Die Kunden können sich aus eigener Kraft aus der Armut befreien.

Michael P. Sommer ist Experte für Mikrofinanz und Direktor der Bank im Bistum Essen eG. Für die Kirchenbank hat der ehemalige stellvertretende Geschäftsführer der bischöflichen Aktion Adveniat den Mikrofinanz-Bereich aufgebaut. Die Bank im Bistum Essen vergibt Kredite direkt an Mikrofinanz-Institutionen, sie hat Mikrofinanzfonds initiiert und auch ein Mikrofinanzsparbuch aufgelegt. Laut Sommer gibt es rund 100 Mikrofinanzfonds, die die Ausgabe von Kleinkredite in armen Weltgegenden finanzieren. „Davon entfallen etwa zwei Drittel auf europäische Fonds“, stellt er fest. Sie hätten sich in den letzten Jahren solide entwickelt und würden auch weiter eine wichtige Rolle bei der Refinanzierung von MFI spielen.

Christian Weistroffer kann dies mit konkreten Zahlen belegen. Der Experte von Deutsche Bank Research, der Denkfabrik der Deutschen Bank, hat in einer Studie zahlen zum Markt der Mikrofinanz zusammen getragen. Demnach hat sich die Summe des von Mikrofinanzfonds investierten Kapitals von 2005 bis 2010 auf rund 1,9 Milliarden Dollar mehr als verdreifacht. Dies sei gelungen, obwohl der Ausbruch der Finanzkrise in 2008 das Volumenwachstum der Mikrofinanzfonds stark gebremst hat. Der Zuwachs des von Mikrofinanzfonds verwalteten Anlagevermögens habe 2007 noch bei 86 Prozent gelegen und sei dann bis 2010 auf zehn Prozent Wachstum abgeschmolzen. Der Zuwachs sei dann aber in 2011 mit rund 21 Prozent wieder deutlich stärker ausgefallen.

Laut der Studie wurden zuletzt weltweit über 200 Millionen Kunden mit Kleinkrediten bedient. Seit 2005 bedeutet dies eine Verdoppelung. Wenn auch in abgeschwächter Form haben sich die Krisen der großen Industriestaaten aus den letzten Jahren auch auf die Mikrokreditmärkte ausgewirkt. Transferzahlungen aus Europa, mit denen Emigranten oft wichtige Konsumimpulse in ihren armen Heimatregionen geben, gingen zurück, und auch andere indirekte Auswirkungen belasteten die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Mikrofinanzmärkten. Das ließ die Nachfrage für Mikrokredite in 2008 bis 2010 weniger stark ansteigen als in den Jahren zuvor. Denn schließlich macht eine damit finanzierte Gründung oder Weiterentwicklung eines Kleinunternehmens nur Sinn, wenn es Aussicht auf gute Geschäfte hat. Doch seit 2011 verbesserte sich das Marktumfeld wieder und steigt die Nachfrage für Mirkokredite wieder.

Die Zwischenzeit haben viele MFI dazu genutzt, sich professioneller aufzustellen, ihre Abläufe zu verbessern und Kreditberater auszubilden. Christian Etzensperger ist Senior Research Analyst bei ResonsAbility aus der Schweiz. Das Unternehmen aus Zürich ist nach eigenen Angaben mit einer Milliarde Dollar einer der weltweit führenden Vermögensverwalter für social investments und hat mehrere Mikrofinanzfonds aufgelegt. Etzensperger hat sich mit einer umfassenden Befragung von Mirkofinanz-Experten aus verschiedenen Weltregionen ein aktuelles Bild von der Marktsituation gemacht. Demnach zeigen nunmehr viele MFI eine hohe Portfolioqualität. Bei den MFI, die die formellen Voraussetzungen für das Investment eines Mikrofinanzfonds erfüllen, würden 96 Prozent der Kredite ordnungsgemäß von den Kunden getilgt. Die größten Herausforderungen für die MFI bestünden derzeit darin, ein kontrolliertes Wachstum ihres Kreditvolumens zu managen. Wie die Befragungen laut Etzensperger ergaben, müssen sich viele MFI aber mit einem zunehmenden Konkurrenzdruck auseinandersetzen. Das werde nach Einschätzung vieler Experten zu sinkenden oder zumindest stabilen Zinssätzen für Kleindarlehen führen.

Etzensperger sagt für die kommenden Jahre eine steigende Nachfrage für Mikrokredite voraus. Er verweist auf Berechnungen des Internationalen Währungsfonds, wonach die Schwellenländer in den kommenden Jahren weiter wirtschaftlich aufholen werden. Dies weise auf ein gutes Marktumfeld für die Gründung bzw. Weiterentwicklung von Kleinunternehmen und also auch für Mikrokredite hin. Auf Basis seiner Befragung von Experten sagt hat der Experte von ResonsAbility für 2012 ein Wachstum des globalen Mikrofinanzmarktes von 20 Prozent ermittelt. Für 2013 sagt er einen durchschnittlichen Zuwachs von 15 bis 20 Prozent voraus, mit regional zuweilen großen Unterschieden. So werde die Mikrofinanz in Osteuropa wohl nur um rund fünf Prozent zulegen. Denn diese Region sei wirtschaftlich stark durch die Banken- und Staatsschuldenkrise in der EU belastet. Im Nahen Osten und in Nordafrika müsse sich die Situation nach den jüngsten politischen Umwälzungen ebenfalls erst wieder normalisieren. Der Markt für Kleinkredite im übrigen Afrika wiederum sei sehr heterogen. Während sich in städtischen Ballungsräumen wie etwa Nairobi oder Accra bereits ein wachstumsträchtiger Mikrofinanzmarkt entwickelt habe, seien viele ländliche Regionen noch völlig unentschlossen. Allerdings eröffne der sich zunehmend etablierende Zahlungsverkehr per Mobiltelefon („Mobile Money“) hier neues Wachstumspotential. Insgesamt sei für Afrika in 2013 mit einem Wachstum von 10 bis 15 Prozent zu rechnen.

Bildhinweis: Marktfrauen in Kinshasa. / Quelle: ProCredit


Das stärkste Wachstum der Mikrofinanz in 2013 ist laut der von ResonsAbility befragten Experten für die Region Asien zu erwarten. In Zentralasien sei die politische Instabilität ein Unsicherheitsfaktor, zum Beispiel in Kirgistan, daher sei hier „nur“ mit einem Zuwachs von 15 – 20 Prozent zu rechnen. Für Süd- und Ostasien liegt die Prognose für das kommende Jahr bei 20 – 30 Prozent, wo der gesamtwirtschaftliche Aufschwung sich weiter fortsetzen dürfte. Den bereits weit entwickelten Mikrofinanzmärkten in Lateinamerika werden ebenfalls gute Wachstumsperspektiven bescheinigt (10 – 20 Prozent in 2013).

Michael P. Sommer von der Bank im Bistum Essen sagt dem globalen Mikrofinanzmarkt für die folgenden Jahre „ein moderates Wachstum“ voraus. Der Sektor sei auch aufgrund der Krisenerfahrung der vorangegangenen Jahre reifer geworden. Es werde zum Beispiel mehr Wert auf Risikomanagement gelegt, etwa auf die Wechselkursrisiken bei der Refinanzierung der MFI, die ja Mittel ausländischer Investoren meist in westlicher Währung erhielten, aber Kredite in lokaler Währung vergeben müssten. Seine Bank habe sich daher auch bei der Auflage von Mikrofinanzfonds engagiert, die Gelder in Lokalwährung anbieten, um so MFI das Geschäft zu erleichtern.

Michael P. Sommer. / Quelle: Bank im Bistum Essen


Der Experte der Kirchenbank rechnet damit, dass Mikrofinanzfonds weiter eine wichtige Rolle bei der Refinanzierung von Mikrokrediten speilen werden. Sie seien auch eine wichtige Kontrollinstanz, um eine Überkommerzialisierung von MFI zu vermeiden. Auch aufgrund steigenden Konkurrenzdrucks sei es dazu gekommen, dass Konsumentenkredite vergeben hätten anstatt sich auf Kredite zum Auf- oder Ausbau einer wirtschaftlichen Existenz zu beschränken. Oder hätten die Fähigkeit von Darlehensnehmern, die Kredite auch zu bedienen und sich nicht zu überschulden, nicht ausreichend geprüft wurden. Indem Mikrofinanzfonds hohe Anforderungen an die Professionalität der von ihnen refinanzierten MFI stellten und ihre Abläufe überprüften, übten sie einen konstruktiven Einfluss auf den Markt aus.

Sommer betont, dass es Mikrofinanzfonds ja auch nicht um eine Maximierung der Rendite gehe, sondern um eine stabile Rendite, die mit hohem sozialen Nutzen verbunden sei. Sie bewege sich erfahrungsgemäß mit 3 ist 5 Prozent pro Jahr auf dem Niveau von Geldmarktfonds. Durch die geringe Verbindung mit den übrigen Kapitalmärkten sei es aber auch sehr sicher, dass solche stabilen Renditen erwirtschaftet würden.
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