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Wie kann die deutsche Solarindustrie Chinas Vorsprung verkürzen? – Interview mit Prof. Dr. Eicke R. Weber, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
ECOreporter.de: Herr Prof. Dr. Weber, wie können die deutsche und europäische Photovoltaik-Branche im globalen Wettbewerb bestehen?
Prof. Dr. Eicke R. Weber: Einige deutsche Solarunternehmer haben die wirklich guten Jahre von 2006 bis 2008 leider nicht genutzt, um konsequent die Produktionskosten in der kristallinen Basistechnologie zu verringern. In der Zwischenzeit sind chinesische Hersteller im Vorteil, denn sie haben zum größten Teil ihre Anlage erst in den letzen Jahren gekauft und verfügen deswegen über die neueste Technologie. Jetzt kommt es für die europäische, insbesondere für die deutsche Industrie darauf an, diesen Vorsprung in der Produktionstechnologie der Chinesen schnell aufzuholen und damit die Fehler im investiven Bereich auszubügeln. Das Interessante ist, dass die moderne Produktionstechnologie aus Deutschland kommt. Im Übrigen entsteht der Wettbewerbsdruck auf die Basistechnologie nicht nur durch die chinesischen Hersteller, sondern auch durch die Dünnschichthersteller, die mittlerweile sehr attraktive Wattpreise anbieten können.
ECOreporter.de: Verlagert sich die Solartechnik-Produktion tatsächlich im großen Stil nach Fernost?
Weber: Im Augenblick kann man das als Trend, in dem Anlagen aus Europa ab- und in Fernost aufgebaut werden, nicht beobachten. Aber viele Unternehmen einschließlich der deutschen Spitzenunternehmen bauen zusätzliche Produktionen im Ausland auf. Aber das hat auch damit zu tun, dass im Ausland zusätzliche Märkte entstehen. Die Verunsicherung, die durch die EEG-Diskussion entstanden ist, führt eben auch zu Unsicherheiten bei den Investitionsentscheidungen.
ECOreporter.de: Worin besteht denn die Technologieführerschaft der europäischen PV-Industrie?
Weber: Deutschland entwickelte sich schnell zum weltweit führenden Photovoltaik-Markt. Das hat dazu geführt, dass die deutschen Unternehmen ihre Kapazitäten schnell hochgefahren und dabei verstärkt Technologieentwicklung betrieben haben. Selbst in der guten, alten Standard-Siliziumtechnologie wurden dabei enorme Fortschritte in der Produktion, bei der Kostensenkung und bei der Effizienz erzielt. Diese Vorteile genießt zurzeit die deutsche Solarindustrie. Aber die deutschen Anlagenhersteller müssen einen Weltmarkt bedienen. deswegen werden die modernen Anlagen auch in China aufgestellt. Dagegen ist nichts zu sagen, schöner wäre es natürlich, wenn auch die Chinesen ihre produzierten Photovoltaik-Anlagen im eigenen Land aufstellen würden. Aber da stehen wir noch am Anfang.
ECOreporter.de: Machen wir die Welt überschaubar und unterteilen sie in drei Photovoltaik-Märkte: Europa, USA und Asien. Welche Rolle spielen in Zukunft die einzelnen Regionen?
Weber: Im Moment ist es völlig klar, dass Europa weltweit führend ist. Die USA wird überall gesehen als der große, zukünftige Akteur. Im Moment ist der US-Markt mit seinen 500 neu installierten Megawatt Leistung im letzten Jahr zwar noch verhältnismäßig klein, mittelfristig sind dort jedoch die größten Zuwachsraten zu erwarten. Japan hat eine interessante Position – das Land war um die Jahrtausendwende Weltmarktführer. Dann hat die japanische Regierung das getan, was zurzeit auch in Deutschland diskutiert wird: Sie hat die Förderung eingestellt. Das hatte einen drastischen Einbruch des Marktes zur Folge, japanische Unternehmen büßten ihre herausragende Stellung auf dem Markt ein. Jetzt besinnt man sich dort, rappelt sich auf und gewinnt an Einfluss. Der gesamte asiatische Markt beginnt jetzt zu wachsen, nicht nur in China, sondern auch in Indien. Meiner Ansicht nach gibt es außer den drei genannten Regionen noch einen vierten Markt: der bis jetzt völlig unangezapfte Weltmarkt der 1,6 Milliarden Menschen ohne Zugang zum öffentlichen Netz.
ECOreporter.de: Nach der Wahl von Barack Obama zum US-Präsidenten waren die Erwartungen an den amerikanischen Photovoltaik-Markt groß, nun herrscht mehr Enttäuschung vor…
Weber: Das geht mir ähnlich, ich bin sehr enttäuscht, es passiert wenig. Es gibt einzelne lokale Initiativen wie Gainsville in Florida. Das ist erst einmal nicht viel, aber vielleicht ist das auch der amerikanische Weg. Vielleicht sind diese kleinen lokalen Modelle in einzelnen Staaten die richtige Lösung für die USA. Ich hoffe, dass sich von solchen Einzelbeispielen aus eine Lawine in Bewegung setzt.
ECOreporter.de: Braucht es für eine solche Lawine auch die föderale Ebene, sprich Obama?
Weber: Ja, das ist völlig klar. Auf der förderalen Ebene müssen Bedingungen geschaffen werden, so dass die Einspeisungen des Sonnenstroms bezahlt werden müssen. Das wäre der richtige Weg. Die Investitionszuschüsse, die den Markt anreizen sollen, haben dazu geführt, dass die Preise für Solarsysteme in den Staaten doppelt so hoch sind wie der Weltmarktpreis. Der Hersteller kann das Photovoltaik-System teuer verkaufen, ohne dass es seinen Kunden stört, weil der die Hälfte vom Staat zurückerstattet bekommt. Der zweite Punkt: Für die Bürokratie, das gesamte Genehmigungsverfahren, muss zurzeit in den USA ungefähr ein Dollar pro Watt aufgewendet werden. Wenn man bedenkt, dass wir uns in Deutschland in schnellen Schritten in Richtung auf zwei Dollar pro Watt für das gesamte, installierte System hinbewegen, dann sieht man, dass die Bürokratie in den USA eine enorme Bremswirkung hat.
ECOreporter.de: Die US-Energiepolitik ist technologieorientiert, gleichzeitig wird in den USA sehr aufwendige Forschungs- und Entwicklungsarbeit betrieben. Bedroht das den Solarforschungsstandort Europa?
Weber: In der Tat werden in den USA in erheblichem Umfang zusätzliche Forschungsmittel eingesetzt. Die Forschungsförderung in Deutschland war hingegen die letzten fünf Jahre konstant. Vor fünf Jahren reichten die Mittel für die deutsche Solarforschung noch aus, aber jetzt, wo der Weltmarkt gewachsen ist, ist die Forschungsförderung hierzulande absolut unterdurchschnittlich. Damit ist der Solarforschungsstandort Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig. Es gibt allerdings einen qualitativen Unterschied. Die siliziumbasierte Technologie gilt in den USA als Basistechnologie der ersten Generation. Die öffentliche Forschungsförderung in den USA setzt daher auf Technologien, die heute noch nicht konkurrenzfähig sind: neuartige Dünnschichttechnologien oder nanostrukturierte Schichten. Das sind sehr aufregende Themen, aber sie entwickeln in den nächsten fünf Jahren keine wirtschaftliche Wirkung.
ECOreporter.de: Ist Europa damit wiederum im Vorteil?
Weber: Wir sind also in Europa im Augenblick in der glücklichen Lage, dass in den USA nur sehr wenig Forschungsmittel ins zentrale Thema der Photovoltaik, also die Siliziumtechnologie gesteckt wird. Noch ist das ein Vorteil. Auf Dauer sollten wir aber durchaus besorgt sein. Denn am Wettbewerb sind ja nicht nur die USA und Europa beteiligt, sondern auch Asien – hauptsächlich Japan, Indien und China sowie Australien. Es ist absolut notwendig, dass wir uns in der Forschung neuen Technologien zuwenden und weiter in die Forschung investieren. Anderenfalls verlieren wir unsere Spitzenstellung.
ECOreporter.de: Herzlichen Dank für das Interview!