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„Wir investieren nicht in Geldanlagen, auf die wir nicht direkt Einfluss nehmen können“- Jon Gallop, Hannoversche Kassen

Betriebliche Altersvorsorge geht auch „grün“ – also ethisch und ökologisch einwandfrei. Ein Beispiel dafür sind die Hannoverschen Kassen. Welche Nachhaltigkeitsstrategie dieser Unternehmensverbund verfolgt und wie diese Strategie mit Leben gefüllt wird, das erläutern die Vorstandsvorsitzende Regine Breusing und der Ressortvorstand Kapitalanlagen Jon Gallop im ECOreporter.de-Interview. Außerdem erklären sie, warum die Hannoverschen Kassen das Nachhaltigkeitsrating weitgehend in der eigenen Hand behalten und geben Einblick in die Anlagestrategie.

ECOreporter.de: Welche Leistungen bietet Ihr Unternehmen an, wer gehört zur Zielgruppe?

Regine Breusing:  Die Hannoverschen Kassen sind ein ethisch-sozial orientierter Unternehmensverbund. Unser Schwerpunkt liegt auf der betrieblichen Altersversorgung. In unseren Pensionskassen, die als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit firmieren, bieten wir mittlerweile seit 30 Jahren professionelle betriebliche Altersversorgung mit nachhaltigen Kapitalanlagekonzepten an. Wir ergänzen die betriebliche Altersversorgung durch innovative Formen des solidarischen Miteinanders, wie beispielsweise der Einrichtung von Gemeinschaftsfonds zur  Unterstützung von Menschen, die in Altersarmut geraten sind. Oder: wir unterstützen Ideen und Initiativen für alternative Wohnprojekte und engagieren uns aktiv in Projekten zum altersgerechten Wohnen z.B. mit dem Partner Trias. Darüber hinaus stellen wir unkomplizierte und unkonventionelle Unterstützung für die Versicherten und deren Familien sowohl bei Krankheit, in der Gesundheitsvorsorge als auch in wirtschaftlichen Notlagen bereit. Unsere Angebote richten sich an Einrichtungen und Unternehmen mit besonderem sozialen, ökologischen oder gemeinnützigen Engagement, wie zum Beispiel  Einrichtungen aus den Bereichen Bildung und Alter, etwa Pflegeeinrichtungen, Heilpädagogen, Unternehmen aus „alternativen“  Wirtschaftssektoren, Stiftungen und Verbände.

ECOreporter.de: Wie sieht die unkomplizierte und unkonventionelle Unterstützung aus, die Sie Kunden und ihren Familien gewähren?

Breusing:  Als ein Beispiel möchte ich erwähnen, dass wir auf Wunsch unserer Mitglieder eine Solidargemeinschaft, die Hannoversche Beilhilfekasse e.V., gegründet haben, die dazu beiträgt, dass  Kürzungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in so starkem Ausmaß von den Arbeitnehmern geschultert werden müssen. Sie unterstützt durch freiwillige Solidarleistungen Mitarbeiter und deren familienversicherte Angehörige unserer Mitglieder im Krankheitsfalle durch Beihilfen beispielsweise bei Arzt- oder Arzneimittelkosten. So können neben den klassischen Anträgen auf Zahnersatz und Brillen auch anthroposophische, naturheilkundliche oder andere alternative Heilmethoden bezuschusst werden.
Unsere Kunden sehen in der Möglichkeit, der Kombination von betrieblicher Altersversorgung mit solchen Solidarleistungen einen echten Mehrwert für Ihr Unternehmen, der zudem auch für Arbeitgeber finanziell interessant dargestellt werden kann.

ECOreporter.de: Ihre Zielgruppen sind auf bestimmte Werte ausgerichtet. Haben Sie die Kapitalanlage bisher an Zielen jenseits der finanziellen Faktoren ausgerichtet?

Jon Gallop: Die Versicherten sind die Eigentümer der Hannoverschen Kassen. Diesen Gedanken des Mitunternehmertums unserer Mitglieder leben wir. Dies spiegelt sich auch in der Kapitalanlage wieder. Neben finanziellen Faktoren erfolgt die Anlage der Versicherungsgelder konsequent im Sinne unserer Mitglieder und in nachhaltigen Anlagen. In dieser durchgreifenden Form ist das in der Versicherungswirtschaft bisher einmalig.


ECOreporter.de: Welche Werte und Kriterien berücksichtigen Sie besonders bei der Kapitalanlage?

Gallop:  Die Kapitalanlage soll in erster Linie sicherstellen, dass wir unsere Leistungsversprechen gegenüber unseren Mitgliedern erfüllen. Wie jeder Kapitalanleger bewegen wir uns hierbei im ständigen Spannungsfeld zwischen Rentabilität, Liquidität und Sicherheit. Die Nachhaltigkeit der Anlagen sehen wir nicht als viertes ergänzendes Kriterium in diesem Spannungsfeld, sondern als notwendige Grundlage, um langfristig unsere Leistungsversprechen erfüllen zu können. Die Kriterien, was als nachhaltige Anlage einzustufen ist, orientieren sich an den Werten unserer Mitglieder.


ECOreporter.de: Was genau sind die Werte Ihrer Mitglieder?


Breusing:  2013 haben wir die United Nations Principles of Responsible Investment (UNPRI), einen von den Vereinten Nationen initiierten und international anerkannten Kodex institutioneller Investoren unterschrieben. Darin verpflichten wir uns zu einer nachhaltigen Geldanlage, aktivem Eignertum, Transparenz, Kooperation und Kommunikation in Bezug auf Nachhaltigkeit. Das entspricht den Wünschen und Vorgaben unserer Mitglieder, denen es wichtig  ist, einen ökologisch und sozial sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten.

ECOreporter.de: Wer definiert die Kriterien bei Ihnen, sind Ihre Kunden in diesen Prozess eingebunden?

Gallop:  Anregungen zur Überprüfung für bereits bestehende, aber auch für neue Nachhaltigkeitskriterien und Anlageschwerpunkte erhalten wir über unsere zahlreichen Mitgliederveranstaltungen. Der Vorstand legt, abgeleitet aus diesen Vorschlägen in Abstimmung mit den betroffenen Mitarbeitern und dem Aufsichtsrat, die Kriterien fest. Zusätzlich werden wir durch einen hauseigenen Nachhaltigkeitsrat unterstützt. Dieser besteht zurzeit aus vier externen, fachkundigen Mitgliedern, von denen zwei Vertreter unserer Kunden beziehungsweise Mitglieder sind.


ECOreporter.de: Gibt es Dienstleister, die Ihnen helfen, die Nachhaltigkeit bei der Kapitalanlage durchzusetzen? Wie sind die Abläufe organisiert?

Gallop:  Wir haben uns bewusst dazu entschieden, die Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien nicht nur externen Dienstleistern zu übertragen. Wir werden von unserem hauseigenen Nachhaltigkeitsrat beraten und begleitet. Der Nachhaltigkeitsrat tagt dreimal im Geschäftsjahr. Er steht in direktem Kontakt mit dem Aufsichtsrat und berichtet auf  der Mitgliederversammlung. Zur Bewertung von Anlagen in Staaten, Kreditinstitute und börsennotierte Unternehmen arbeiten wir mit dem Nachhaltigkeitsrating der imug Beratungsgesellschaft für sozial-ökologische Innovationen mbH  aus Hannover zusammen.

ECOreporter.de: Investieren Sie auch in den Bereichen, in denen Ihre Zielgruppen zuhause sind, beispielsweise direkt in Schulen, auch außerbörslich?

Gallop:
  Etwa 14 Prozent der Kapitalanlagen sind direkt in unseren Zielgruppen investiert. Es handelt sich dabei um außerbörsliche Anlagen in Form von grundschuldgesicherten oder nachrangigen Darlehen, direkten Beteiligungen oder Immobilien.


ECOreporter.de: Gibt es Investments in Spezialfonds, die Sie aus Nachhaltigkeitsgründen ins Auge fassen oder getätigt haben?

Gallop:   Wir investieren nicht in Geldanlagen, auf die wir nicht direkt Einfluss nehmen können. Aus diesem Grund verwalten wir bisher alle Anlagen selbst, mit Ausnahme der Hausverwaltungsaufgaben für Immobilien. Nachhaltige Investmentfonds, die für den breiten institutionellen Markt konzipiert sind, entsprechen meist nicht unseren Anforderungen an das Reporting, die Nachhaltigkeit und/oder der Einflussmöglichkeiten. Damit sind sie aktuell vom Investment ausgeschlossen. Es gibt derzeit allerdings Überlegungen, einen Spezialfonds nach unseren individuellen Anforderungen aufzubauen, um das Anlageuniversum zu erweitern.

ECOreporter.de: Wie ist das Gesamtthema Nachhaltigkeit in Ihrem Haus aufgehängt und organisiert? Wer ist verantwortlich, wie sind Mitarbeiter oder auch Kunden dabei eingebunden?

Breusing:  Für uns war Nachhaltigkeit von vornherein ein Thema, das sich nicht nur auf den Bereich der Kapitalanlage beschränkt. Deutlich wird das beispielweise anhand der fachlichen Zusammensetzung des Nachhaltigkeitsrates, der als Sparringpartner für alle Geschäftsfelder angelegt ist – also auch für Versicherungen und Moderne Solidarformen und Projekte. Und natürlich kann dieses Thema nur dann glaubwürdig nach Außen getragen werden, wenn es konsequent auch Innen lebt. Die kontinuierliche Einbeziehung aller Kolleginnen und Kollegen in diesen Prozess ist daher wesentlich.

ECOreporter.de: Wo wollen Sie 2015 beim Thema Nachhaltigkeit stehen? Wo 2020?

Gallop:  Die Nachhaltigkeit im Unternehmen zu etablieren, das sehen wir als ständig andauernden Entwicklungsprozess. Dabei stehen wir noch am Anfang. 2015 werden wir verstärkt an einer eigenen Nachhaltigkeitsbewertung arbeiten. Ins Auge gefasst haben wir zunächst die Anlageklassen Immobilien und grundschuldgesicherte Darlehen.  Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf  unserem Umgang mit Kontroversen bei Kreditinstituten. Es wäre einfach, sich Ratings ausschließlich einzukaufen. Wir setzen uns bewusst mit der Frage auseinander, welche Kriterien den Bedürfnissen und Belangen unserer Mitglieder gerecht werden. So beschäftigt uns beispielsweise die Frage, wie altengerechtes Wohnen als Bewertungskriterium für unsere Immobilien Einfluss finden kann.

Breusing:  Langfristig wollen wir nicht nur die bereits angestoßenen Themen weiterentwickeln. Ziel ist es auch, eine weitreichende Transparenz über die Nachhaltigkeit der Hannoverschen Kassen herzustellen. Außerdem möchten wir unser Umfeld in dieser Thematik mitnehmen. Wir wollen die Menschen dafür begeistern, selbst einen Beitrag zu leisten.

ECOreporter.de: Wir haben eine Niedrigzinsphase. Ist das für Ihr Unternehmen und Ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber Ihren Kunden eine schwierige Phase? Wie können Sie dauerhaft die finanziellen Ziele erreichen?

Breusing:  Die Niedrigzinsphase stellt aktuell wohl jedes Unternehmen am Markt vor besondere Herausforderungen. Diesen begegnen wir durch eine entsprechende Steuerung unserer Anlagepolitik – also einem steten Ausbalancieren zwischen hinreichend sicherer und gleichzeitig chancenorientierter Anlage über alle Assetklassen. Zusätzlich beschränken wir uns auf Geldanlagen, die wir verstehen.

ECOreporter.de: Herzlichen Dank für das Gespräch Ihnen beiden!
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