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Nachhaltige Aktien, Meldungen, Anleihen / AIF
„Wir müssen uns neu erfinden“ – Interview mit Karl Kuhlmann, Vorstand der S.A.G. Solarstrom AG
Die S.A.G. Solarstrom AG aus Freiburg war eine der Negativüberraschungen des vergangenen Jahres. Innerhalb weniger Wochen mündete eine Reihe von Negativmeldungen Mitte Dezember in die Nachricht vom Insolvenzantrag des Unternehmens. Wie kam es dazu und wie geht es mit der S.A.G. Solarstrom AG weiter? Darüber sprachen wir mit Vorstandschef Dr. Karl Kuhlmann.
ECOreporter: Wie hat sich das Geschäft der S.A.G. Solarstrom AG mit Solarprojekten in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren verändert? Wie unterscheiden sich die Rahmenbedingungen von heute von denen in 2009?
Kuhlmann: Der Markt war in den letzten fünf Jahren extremen Veränderungen unterworfen. Während in 2009 bei einer fertig installierten Anlage bis 10 KWp (Kilowatt peak) deutlich über 3.000 Euro pro kWp zu erzielen waren, so hat sich dieser Preis hier in Deutschland auf etwa 1.700 Euro fast halbiert. Noch deutlicher fällt der Preisrückgang natürlich bei großen Megawatt-Anlagen aus. Viel schwieriger aber noch als dieser enorme Preisverfall waren die ständig wechselnden Rahmenbedingungen, die eine Planbarkeit des Geschäfts extrem erschwert haben. Das EEG hatte teilweise eine Halbwertszeit von weniger als einem Jahr. Der Markt ist seitdem deutlich internationaler und noch wettbewerbsintensiver geworden. Deutschland hat meines Erachtens die Vorreiterrolle für Photovoltaik bereits fast verloren. Das ist höchst bedauerlich. Aber damit muss man umgehen und verstärkt Auslandsmärkte adressieren. Das tun wir bereits.
Der Wettbewerb hat sich eindeutig verschärft und es sind viele internationale Unternehmen dazu gekommen. Die Marktkonsolidierung ist im vollen Gange, weil die fast unplanbaren Rahmenbedingungen gleichzeitig auf einen nach wie vor sehr restriktiven Finanzmarkt treffen. Gerade weil es in Europa kaum verlässliche politische Rahmenbedingungen für Photovoltaik gibt – und hier meine ich ausdrücklich nicht, dass weiterhin langfristig eine Förderung erfolgen soll – sind auch kaum noch Kredite für größere Photovoltaik-Projekte zu erhalten.
ECOreporter: Was sind die größten Herausforderungen für die S.A.G. im Geschäft mit Solarprojekten in den europäischen Auslandsmärkten?
Kuhlmann: Die Herausforderungen sind so individuell wie die einzelnen europäischen Länder. Gemeinsam für alle Länder gemeinsam gilt, dass der Mindesteinfuhrpreis auf chinesische Modulimporte die Umsetzung von Marktpreismodellen deutlich erschwert. Und natürlich das Thema Finanzierung. Die Haushaltskonsolidierungen der europäischen Länder haben tiefe Spuren hinterlassen und in einigen Ländern - wie z.B. Spanien - durch rückwirkende Kürzungen und Änderungen Investoren auch nachhaltig verschreckt. Die Marktkonsolidierung im Photovoltaik-Markt mit etlichen Insolvenzen hat ihr Übriges getan. All das hat letztlich dazu geführt, dass bei einigen größeren Projekten von den Investoren Anzahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften von bis zu 20 Prozent des Projektvolumens vom Auftragnehmer gefordert wurden. Da müssen Sie quasi erst einmal in erheblichem Maße Geld mitbringen, um später dann – hoffentlich – an einem Projekt verdienen zu können. Das ist aber mit einstelligen Margen und längeren Projektdauern gar nicht leistbar, insbesondere dann nicht, wenn die Refinanzierungsmöglichkeiten über Banken oder Versicherungen nur noch sehr eingeschränkt funktionieren. Wir haben genau aus diesem Grund eine sehr attraktive Projektpipeline in Großbritannien abgesagt, weil die Kapitalbindung über einen längeren Zeitraum für uns nicht darstellbar war.
ECOreporter: Was hat dazu den „im Markt zunehmend geforderten Bürgschaften geführt, die laut Ihrer Mitteilung vom Dezember das Scheitern des erhofften Großauftrages in Großbritannien verursacht hat. Ist das eine neue Entwicklung und womit wird die Forderung solcher Bürgschaften begründet?
Kuhlmann: Wir haben hier in den letzten drei Jahren eine negative Entwicklung gesehen, konnten aber bislang immer damit umgehen. So waren in Deutschland noch in 2011 gar keine Hinterlegungen notwendig. Bei einem Projekt beispielsweise in Italien mussten wir damals für eine Gewährleistung von fünf Prozent auf das Projektvolumen lediglich 20 Prozent hinterlegen. Anzahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften wurden in den Projekten, die wir damals abgewickelt haben, nicht verlangt.
Bei unserem im August 2011 ans Netz gebrachten 48 Megawatt-Großprojekt Serenissima waren bereits rund acht Prozent des Projektvolumens an Hinterlegungen notwendig. Damals hatten wir aber auch noch ganz andere Rohmargen aus den Projekten.
Im Projekt Wymeswold aus dem 1. Quartal 2013 hatten wir noch keine Anzahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften, mussten jedoch bereits zehn Prozent des Projektvolumens als Gewährleistung hinterlegen.
Im weiteren Jahresverlauf 2013 wurden wir dann bei größeren Projekten und insbesondere bei den Verhandlungen über die Projektpipeline in Großbritannien mit je zehn Prozent Anzahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften und weiteren bis zu zehn Prozent Gewährleistungsbürgschaften konfrontiert, die bar hinterlegt werden sollten, da Versicherungslösungen hierfür auf dem Markt nicht zu bekommen waren.
Wir waren da noch zuversichtlich, dass wir hier - wie in der Vergangenheit - eine Verhandlungslösung finden würden. Hier mussten wir nach dem Scheitern der Verhandlungen erkennen, dass das im derzeitigen Marktumfeld nicht möglich ist. Investoren verlangen aufgrund des volatilen Marktumfeldes und der weiter andauernden Konsolidierung hohe Garantien und weitreichende Absicherungen.
ECOreporter: Im Dezember hatten Sie aufgrund dieser hohen Bürgschaftsforderungen in Frage gestellt, ob der Geschäftsbereich Anlagenbau der S.A.G. Solarstrom AG überhaupt noch eine Zukunft hat. Dabei war er in der noch vor wenigen Monaten geltenden Prognose für das Gesamtjahr 2013 die wesentliche Grundlage für die angestrebten Einnahmen. Inwiefern war es nicht voraussehbar, dass es sich für die S.A.G. Solarstrom AG immer weniger lohnt, den Geschäftsbereich Anlagenbau fortzuführen?
Kuhlmann: Wie soeben skizziert hat sich die Situation erst im Jahresverlauf 2013 so zugespitzt. Und dafür müssen wir eine Lösung im Rahmen unseres Restrukturierungskonzepts finden.
Der Anlagenbau wie wir ihn bislang betrieben haben - nämlich zum überwiegenden Teil aus dem eigenen Cashflow vorfinanziert, auf eigenes Risiko und mit teilweise langen Projektzeiträumen - können wir unter den gegenwärtigen Marktbedingungen so nicht weiter führen. Deshalb steht das Modell, wie wir es bislang hatten, auf dem Prüfstand. Das heißt aber ausdrücklich nicht, dass wir den Geschäftsbereich nicht weiterführen wollen. Wir haben uns eine sehr gute Marktposition erarbeitet, haben weitreichende Erfahrungen im Anlagenbau und im Projektmanagement auch großer, komplexer Photovoltaik-Projekte und sind in unserer Internationalisierung bereits weit fortgeschritten. Wir müssen aber eine Lösung für die beschriebenen hohen Absicherungen und damit verbundenen Kapitalbindung finden, sonst wird das nicht funktionieren.
Bildhinweis: Italienisches Photovoltaikprojekt der S.A.G. / Quelle. Unternehmen
ECOreporter: Inwiefern haben Sie sich bemüht, diese Probleme im Geschäftsbereich Anlagenbau in den Griff zu bekommen und nach Alternativen zu diesem Geschäftsbereich zu entwickeln?
Kuhlmann: Diese Herausforderungen haben sich ja erst im späteren Jahresverlauf 2013 ergeben und wir haben sehr viele und intensive Gespräche geführt, um solche Bürgschaften wegzuverhandeln oder über Versicherungslösungen und ähnliches abzubilden. Das war schlicht nicht möglich. Wir haben ja in der zweiten Jahreshälfte mit dem neuen Geschäftsbereich Projektvertrieb, in dem wir das Zweitmarktgeschäft und integrierte Energieprojekte mit Fokus Eigenverbrauch bündeln, bereits begonnen, unser Geschäftsfeld zu erweitern. Aber da muss man auch realistisch bleiben: das ist zunächst ein verschwindend geringes Volumen und für den Gesamtumsatz kaum relevant. Das hohe Umsatzvolumen der vergangenen Jahre lässt sich nur durch Großprojekte im Anlagenbau realisieren. Wir haben natürlich mit dem Servicebereich, und da insbesondere mit der meteocontrol, eine sehr profitable Einheit mit einem interessanten Wachstum. Das machte in 2012 bereits etwa zehn Prozent unseres Gesamtumsatzes aus. Insofern standen wir bereits zuvor auf mehreren Säulen.
ECOreporter: Sie haben auch darüber informiert, dass der Verkauf eines italienischen Anlagenportfolios wegen einer rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Netzbetreiber nicht umgesetzt werden könne. Gilt dies weiterhin und bis wann rechnen Sie damit, den Verkauf abschließen zu können? Oder könnte der Verkauf auch scheitern?
Kuhlmann: Wir sind aktuell dabei eine Lösung zu finden, den Verkauf des Portfolios noch im ersten Quartal 2014 abschließen zu können.
ECOreporter: Zudem verzögert sich ein Mittelzufluss an die S.A.G. Solarstrom AG aus einem Darlehen, das einer italienischen Projektgesellschaft gewährt worden war. Dies hatten Sie mit „formalen Rechtsgründen“ erklärt. Inwiefern und ab wann war es für Sie erkennbar, dass es zu diesen Verzögerungen von Zahlungen kommen könnte? Sind solche Verzögerungen bei Auslandsgeschäften etwas Ungewöhnliches?
Kuhlmann: Wir haben erst im November 2013 erfahren, dass dieser Darlehnsrückfluss, den wir für November fest eingeplant hatten, voraussichtlich nicht wie geplant erfolgen wird, sondern sich die Auszahlung aus den genannten formaljuristischen Gründen verzögert. Da waren wir in der Tat mit einer Besonderheit im italienischen Rechtssystem konfrontiert, die auch unsere italienischen Rechtsberater anders eingeschätzt hatten. Die Ansprüche sind unstrittig, das wurde uns von den Anwälten bestätigt. Eine Klage hätte den Vorgang ebenfalls nicht beschleunigt, auch das haben wir prüfen lassen. Wir rechnen nun mit dem Darlehnsrückfluss zum Ende des 2. Quartals 2014. Diese Situation war für uns in keiner Weise absehbar, weil wir in der Regel genau aus diesem Grund mit lokalen Rechtsexperten zusammenarbeiten und eingehende Risikoanalysen durchführen, die regelmäßig im Projektverlauf überprüft werden. Das ist insgesamt im Projektgeschäft essentiell. Und wir planen normalerweise auch immer einen entsprechenden Puffer für Verzögerungen ein. Hier war das Problem, dass uns ja innerhalb weniger Wochen zwei weitere Zahlungsmittelflüsse nicht wie erwartet zugeflossen sind. Und eine Summe von insgesamt über 20 Millionen Euro aus diesen drei eingeplanten Mittelzuflüssen ließ sich nicht in der sehr kurzen zur Verfügung stehenden Zeit kompensieren.
ECOreporter: Sehen Sie die S.A.G. Solarstrom AG als ein Opfer einer unglücklichen Verkettung von unvorhersehbaren Fehlschlägen oder wurden Risiken falsch eingeschätzt?
Kuhlmann: Wir haben uns bei unserer Risikoanalyse nicht nur auf die eigene Erfahrung verlassen, sondern auch die Einschätzung externer Experten hinzugezogen. Wir haben unsere Liquiditätsplanung auf entsprechende Finanzierungszusagen und auf Rechtsgutachten bei den italienischen Anlagen gestützt. Aber letztlich stehen wir natürlich auch in der Verantwortung.
ECOreporter: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in einem Jahr? Wird sich die S.A.G. Solarstrom AG neu erfinden müssen?
Kuhlmann: Wir mussten uns bereits in den vergangenen fünf Jahren jedes Jahr neu erfinden. Das ist uns in der Vergangenheit gelungen. Jetzt ist die Situation durch die Insolvenzanmeldung natürlich deutlich schwieriger, aber ich sehe nach wie vor eine realistische Chance, dass uns das auch diesmal gelingen wird.
ECOreporter: Welche Entwicklung sehen Sie angesichts der Pläne der Großen Koalition für die weitere Ausgestaltung der Energiewende für die Photovoltaik in Deutschland voraus?
Kuhlmann: Der deutsche Markt ist für uns mit den geplanten Änderungen kein relevanter Markt mehr. Wir haben bereits 2013 bis Ende September nur noch 25 Prozent unserer Umsätze in Deutschland erzielt. Der Markt ist insgesamt in 2013 um 55 Prozent zurückgegangen und konzentriert sich hauptsächlich auf kleinere Anlagen. Wir rechnen in 2014 mit einem weiteren Marktrückgang. Hier wird eine große Chance vertan, die die Photovoltaik als dezentrale Energieerzeugung im Rahmen der Energiewende bietet.
ECOreporter: Herr Kuhlmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.
S.A.G. Solarstrom AG: WKN: 702100 / ISIN: DE0007021008
ECOreporter: Wie hat sich das Geschäft der S.A.G. Solarstrom AG mit Solarprojekten in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren verändert? Wie unterscheiden sich die Rahmenbedingungen von heute von denen in 2009?
Kuhlmann: Der Markt war in den letzten fünf Jahren extremen Veränderungen unterworfen. Während in 2009 bei einer fertig installierten Anlage bis 10 KWp (Kilowatt peak) deutlich über 3.000 Euro pro kWp zu erzielen waren, so hat sich dieser Preis hier in Deutschland auf etwa 1.700 Euro fast halbiert. Noch deutlicher fällt der Preisrückgang natürlich bei großen Megawatt-Anlagen aus. Viel schwieriger aber noch als dieser enorme Preisverfall waren die ständig wechselnden Rahmenbedingungen, die eine Planbarkeit des Geschäfts extrem erschwert haben. Das EEG hatte teilweise eine Halbwertszeit von weniger als einem Jahr. Der Markt ist seitdem deutlich internationaler und noch wettbewerbsintensiver geworden. Deutschland hat meines Erachtens die Vorreiterrolle für Photovoltaik bereits fast verloren. Das ist höchst bedauerlich. Aber damit muss man umgehen und verstärkt Auslandsmärkte adressieren. Das tun wir bereits.
Der Wettbewerb hat sich eindeutig verschärft und es sind viele internationale Unternehmen dazu gekommen. Die Marktkonsolidierung ist im vollen Gange, weil die fast unplanbaren Rahmenbedingungen gleichzeitig auf einen nach wie vor sehr restriktiven Finanzmarkt treffen. Gerade weil es in Europa kaum verlässliche politische Rahmenbedingungen für Photovoltaik gibt – und hier meine ich ausdrücklich nicht, dass weiterhin langfristig eine Förderung erfolgen soll – sind auch kaum noch Kredite für größere Photovoltaik-Projekte zu erhalten.
ECOreporter: Was sind die größten Herausforderungen für die S.A.G. im Geschäft mit Solarprojekten in den europäischen Auslandsmärkten?
Kuhlmann: Die Herausforderungen sind so individuell wie die einzelnen europäischen Länder. Gemeinsam für alle Länder gemeinsam gilt, dass der Mindesteinfuhrpreis auf chinesische Modulimporte die Umsetzung von Marktpreismodellen deutlich erschwert. Und natürlich das Thema Finanzierung. Die Haushaltskonsolidierungen der europäischen Länder haben tiefe Spuren hinterlassen und in einigen Ländern - wie z.B. Spanien - durch rückwirkende Kürzungen und Änderungen Investoren auch nachhaltig verschreckt. Die Marktkonsolidierung im Photovoltaik-Markt mit etlichen Insolvenzen hat ihr Übriges getan. All das hat letztlich dazu geführt, dass bei einigen größeren Projekten von den Investoren Anzahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften von bis zu 20 Prozent des Projektvolumens vom Auftragnehmer gefordert wurden. Da müssen Sie quasi erst einmal in erheblichem Maße Geld mitbringen, um später dann – hoffentlich – an einem Projekt verdienen zu können. Das ist aber mit einstelligen Margen und längeren Projektdauern gar nicht leistbar, insbesondere dann nicht, wenn die Refinanzierungsmöglichkeiten über Banken oder Versicherungen nur noch sehr eingeschränkt funktionieren. Wir haben genau aus diesem Grund eine sehr attraktive Projektpipeline in Großbritannien abgesagt, weil die Kapitalbindung über einen längeren Zeitraum für uns nicht darstellbar war.
ECOreporter: Was hat dazu den „im Markt zunehmend geforderten Bürgschaften geführt, die laut Ihrer Mitteilung vom Dezember das Scheitern des erhofften Großauftrages in Großbritannien verursacht hat. Ist das eine neue Entwicklung und womit wird die Forderung solcher Bürgschaften begründet?
Kuhlmann: Wir haben hier in den letzten drei Jahren eine negative Entwicklung gesehen, konnten aber bislang immer damit umgehen. So waren in Deutschland noch in 2011 gar keine Hinterlegungen notwendig. Bei einem Projekt beispielsweise in Italien mussten wir damals für eine Gewährleistung von fünf Prozent auf das Projektvolumen lediglich 20 Prozent hinterlegen. Anzahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften wurden in den Projekten, die wir damals abgewickelt haben, nicht verlangt.
Bei unserem im August 2011 ans Netz gebrachten 48 Megawatt-Großprojekt Serenissima waren bereits rund acht Prozent des Projektvolumens an Hinterlegungen notwendig. Damals hatten wir aber auch noch ganz andere Rohmargen aus den Projekten.
Im Projekt Wymeswold aus dem 1. Quartal 2013 hatten wir noch keine Anzahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften, mussten jedoch bereits zehn Prozent des Projektvolumens als Gewährleistung hinterlegen.
Im weiteren Jahresverlauf 2013 wurden wir dann bei größeren Projekten und insbesondere bei den Verhandlungen über die Projektpipeline in Großbritannien mit je zehn Prozent Anzahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften und weiteren bis zu zehn Prozent Gewährleistungsbürgschaften konfrontiert, die bar hinterlegt werden sollten, da Versicherungslösungen hierfür auf dem Markt nicht zu bekommen waren.
Wir waren da noch zuversichtlich, dass wir hier - wie in der Vergangenheit - eine Verhandlungslösung finden würden. Hier mussten wir nach dem Scheitern der Verhandlungen erkennen, dass das im derzeitigen Marktumfeld nicht möglich ist. Investoren verlangen aufgrund des volatilen Marktumfeldes und der weiter andauernden Konsolidierung hohe Garantien und weitreichende Absicherungen.
ECOreporter: Im Dezember hatten Sie aufgrund dieser hohen Bürgschaftsforderungen in Frage gestellt, ob der Geschäftsbereich Anlagenbau der S.A.G. Solarstrom AG überhaupt noch eine Zukunft hat. Dabei war er in der noch vor wenigen Monaten geltenden Prognose für das Gesamtjahr 2013 die wesentliche Grundlage für die angestrebten Einnahmen. Inwiefern war es nicht voraussehbar, dass es sich für die S.A.G. Solarstrom AG immer weniger lohnt, den Geschäftsbereich Anlagenbau fortzuführen?
Kuhlmann: Wie soeben skizziert hat sich die Situation erst im Jahresverlauf 2013 so zugespitzt. Und dafür müssen wir eine Lösung im Rahmen unseres Restrukturierungskonzepts finden.

Bildhinweis: Italienisches Photovoltaikprojekt der S.A.G. / Quelle. Unternehmen
ECOreporter: Inwiefern haben Sie sich bemüht, diese Probleme im Geschäftsbereich Anlagenbau in den Griff zu bekommen und nach Alternativen zu diesem Geschäftsbereich zu entwickeln?
Kuhlmann: Diese Herausforderungen haben sich ja erst im späteren Jahresverlauf 2013 ergeben und wir haben sehr viele und intensive Gespräche geführt, um solche Bürgschaften wegzuverhandeln oder über Versicherungslösungen und ähnliches abzubilden. Das war schlicht nicht möglich. Wir haben ja in der zweiten Jahreshälfte mit dem neuen Geschäftsbereich Projektvertrieb, in dem wir das Zweitmarktgeschäft und integrierte Energieprojekte mit Fokus Eigenverbrauch bündeln, bereits begonnen, unser Geschäftsfeld zu erweitern. Aber da muss man auch realistisch bleiben: das ist zunächst ein verschwindend geringes Volumen und für den Gesamtumsatz kaum relevant. Das hohe Umsatzvolumen der vergangenen Jahre lässt sich nur durch Großprojekte im Anlagenbau realisieren. Wir haben natürlich mit dem Servicebereich, und da insbesondere mit der meteocontrol, eine sehr profitable Einheit mit einem interessanten Wachstum. Das machte in 2012 bereits etwa zehn Prozent unseres Gesamtumsatzes aus. Insofern standen wir bereits zuvor auf mehreren Säulen.
ECOreporter: Sie haben auch darüber informiert, dass der Verkauf eines italienischen Anlagenportfolios wegen einer rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Netzbetreiber nicht umgesetzt werden könne. Gilt dies weiterhin und bis wann rechnen Sie damit, den Verkauf abschließen zu können? Oder könnte der Verkauf auch scheitern?
Kuhlmann: Wir sind aktuell dabei eine Lösung zu finden, den Verkauf des Portfolios noch im ersten Quartal 2014 abschließen zu können.
ECOreporter: Zudem verzögert sich ein Mittelzufluss an die S.A.G. Solarstrom AG aus einem Darlehen, das einer italienischen Projektgesellschaft gewährt worden war. Dies hatten Sie mit „formalen Rechtsgründen“ erklärt. Inwiefern und ab wann war es für Sie erkennbar, dass es zu diesen Verzögerungen von Zahlungen kommen könnte? Sind solche Verzögerungen bei Auslandsgeschäften etwas Ungewöhnliches?
Kuhlmann: Wir haben erst im November 2013 erfahren, dass dieser Darlehnsrückfluss, den wir für November fest eingeplant hatten, voraussichtlich nicht wie geplant erfolgen wird, sondern sich die Auszahlung aus den genannten formaljuristischen Gründen verzögert. Da waren wir in der Tat mit einer Besonderheit im italienischen Rechtssystem konfrontiert, die auch unsere italienischen Rechtsberater anders eingeschätzt hatten. Die Ansprüche sind unstrittig, das wurde uns von den Anwälten bestätigt. Eine Klage hätte den Vorgang ebenfalls nicht beschleunigt, auch das haben wir prüfen lassen. Wir rechnen nun mit dem Darlehnsrückfluss zum Ende des 2. Quartals 2014. Diese Situation war für uns in keiner Weise absehbar, weil wir in der Regel genau aus diesem Grund mit lokalen Rechtsexperten zusammenarbeiten und eingehende Risikoanalysen durchführen, die regelmäßig im Projektverlauf überprüft werden. Das ist insgesamt im Projektgeschäft essentiell. Und wir planen normalerweise auch immer einen entsprechenden Puffer für Verzögerungen ein. Hier war das Problem, dass uns ja innerhalb weniger Wochen zwei weitere Zahlungsmittelflüsse nicht wie erwartet zugeflossen sind. Und eine Summe von insgesamt über 20 Millionen Euro aus diesen drei eingeplanten Mittelzuflüssen ließ sich nicht in der sehr kurzen zur Verfügung stehenden Zeit kompensieren.
ECOreporter: Sehen Sie die S.A.G. Solarstrom AG als ein Opfer einer unglücklichen Verkettung von unvorhersehbaren Fehlschlägen oder wurden Risiken falsch eingeschätzt?
Kuhlmann: Wir haben uns bei unserer Risikoanalyse nicht nur auf die eigene Erfahrung verlassen, sondern auch die Einschätzung externer Experten hinzugezogen. Wir haben unsere Liquiditätsplanung auf entsprechende Finanzierungszusagen und auf Rechtsgutachten bei den italienischen Anlagen gestützt. Aber letztlich stehen wir natürlich auch in der Verantwortung.
ECOreporter: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in einem Jahr? Wird sich die S.A.G. Solarstrom AG neu erfinden müssen?
Kuhlmann: Wir mussten uns bereits in den vergangenen fünf Jahren jedes Jahr neu erfinden. Das ist uns in der Vergangenheit gelungen. Jetzt ist die Situation durch die Insolvenzanmeldung natürlich deutlich schwieriger, aber ich sehe nach wie vor eine realistische Chance, dass uns das auch diesmal gelingen wird.
ECOreporter: Welche Entwicklung sehen Sie angesichts der Pläne der Großen Koalition für die weitere Ausgestaltung der Energiewende für die Photovoltaik in Deutschland voraus?
Kuhlmann: Der deutsche Markt ist für uns mit den geplanten Änderungen kein relevanter Markt mehr. Wir haben bereits 2013 bis Ende September nur noch 25 Prozent unserer Umsätze in Deutschland erzielt. Der Markt ist insgesamt in 2013 um 55 Prozent zurückgegangen und konzentriert sich hauptsächlich auf kleinere Anlagen. Wir rechnen in 2014 mit einem weiteren Marktrückgang. Hier wird eine große Chance vertan, die die Photovoltaik als dezentrale Energieerzeugung im Rahmen der Energiewende bietet.
ECOreporter: Herr Kuhlmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.
S.A.G. Solarstrom AG: WKN: 702100 / ISIN: DE0007021008